Dass der Nachweis beruflicher Qualifikationen bei uns recht bürokratisch geregelt ist, wird in erster Linie mit dem Verbraucherschutz argumentiert. Der Arbeitgeber oder der Verbraucher, der eine bestimmte Leistung nachfragt, soll eine möglichst große Sicherheit haben, dass diese Leistung ordnungsgemäß erbracht werden kann und dass der potenzielle Leistungserbringer nicht nur behaupten kann, dass er es leisten könnte, sondern dass man es nachweist.
Gleichzeitig hat das Gesetz einen exklusiven Nebeneffekt. Es schützt diejenigen, die dafür die entsprechenden Nachweise vorzeigen, vor Konkurrenten, die das eventuell nicht könnten. Kammern, Gewerkschaften und auch Branchenverbände sprechen sich deshalb regelmäßig gegen eine Aufweichung der Zugangsbedingungen zu bestimmten Berufen oder Berufsfeldern aus. Das muss man bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen im
Hinterkopf behalten. Es hat mich deshalb geärgert, dass der Thüringer Flüchtlingsrat in seiner Stellungnahme, unterschrieben im Auftrag von Frau Berninger, neben nachvollziehbarer Kritik erklärt, dass die Bilanz des Bundesanerkennungsgesetzes eher desaströs sei und vom Thüringer Gesetz deshalb nichts Besseres zu erwarten wäre.
Aus der legitimen Sichtweise der Betroffenen kann man sicherlich ein solches Gesetz an verschiedenen Stellen als unzureichend empfinden oder auch ablehnen, aber die Wortwahl an sich fände ich bei diesem Gesetz, mit dem man gerade anstrebt, die Lage vieler Menschen zu verbessern, und diese wenigstens zum Teil zu verbessern, unangemessen und nicht passend.
Die Koalition hat einige Änderungen eingefügt, die werden wir als FDP-Fraktion mittragen. Das betrifft insbesondere den Verzicht auf die Übersetzung von Dokumenten durch in Deutschland vereidigte Dolmetscher. Das ist für Anspruchsberechtigte, die im Ausland leben, häufig praktisch unmöglich, so etwas umzusetzen. Den Änderungsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE müssen wir hingegen ablehnen. Damit werden zwar einige der Kritikpunkte aus den Anhörungen aufgenommen, gleichzeitig habe ich hier allerdings ernsthafte Zweifel, ob diese Änderungen praktikabel wären.
Ich denke, es ist beispielsweise kein Zufall, Frau Berninger, dass nur der Stadtstaat Hamburg als einziges Land mit einer zentralen Anlaufstelle arbeitet, während alle anderen darauf verzichten. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Die Änderung des Gesetzeszweckes hätte zudem materiell wahrscheinlich keine Auswirkungen. Meine Fraktion wird deshalb der Beschlussempfehlung und damit dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir appellieren allerdings an die Landesregierung und die dann zuständigen Stellen, die Kritik der Anzuhörenden ernst zu nehmen und auf eine möglichst unbürokratische Umsetzung des Gesetzes zu achten und so zu verfahren. Außerdem sollte die Höhe der Gebührensätze für das Verwaltungsverfahren an sich keinen prohibitiven Charakter haben.
Meine Damen und Herren, wir werden diesem Gesetz zustimmen, wie ich sagte, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das dem Landesgesetz als wortwörtliche Blaupause zugrunde liegende Bundesgesetz hat erhebliche Mängel,
nicht, weil das der Flüchtlingsrat sagt oder Grüne oder Linke, sondern es hat ganz relevante Schwächen, die in einer Evaluation des Bundesgesetzes deutlich wurden. Und, Frau Kanis, der Flüchtlingsrat hat nicht das Bundesgesetz nicht honoriert, wie Sie es ausdrücken, sondern ausdrücklich die Ablehnung oder den Novellierungsbedarf des Landesgesetzes damit begründet,
dass das Bundesgesetz solche deutlichen Schwächen und Mängel hat. Leider hat das Anhörungsverfahren nicht dazu geführt, den Gesetzentwurf entsprechend zu qualifizieren. Die Koalitionsfraktionen beschränken sich darauf, einen dringend novellierungsbedürftigen Gesetzestext, das ist ja heute Ihre Absicht, in Thüringen in Kraft treten zu lassen.
In der Beschlussempfehlung sind zwei verwaltungsverfahrensrechtliche Änderungen aufgenommen, die in einem Fall, meine Damen und Herren, nämlich dem Verzicht auf die Notwendigkeit eines schriftlichen und damit nicht zwingend begründeten Bescheides, sogar eine Verschlechterung für die Antragstellerinnen mit sich bringen, die ja Empfängerinnen der postulierten Willkommenskultur sein sollen. Die Einwendungen der Anzuhörenden, die sich positiv auf die Stärkung der Potenziale von Migrantinnen und Migranten zur ihrer eigenen Selbstverwirklichung und zur selbstständigen Sicherung ihres Lebensunterhalts bezogen haben, haben Sie völlig unbeachtet gelassen, und das finde ich schon ein starkes Stück, meine Damen und Herren.
Das ist genau der Gegenstand der grundsätzlichen Kritik am Gesetzentwurf. Der Gesetzentwurf stellt nicht Migrantinnen oder Migranten mit ihren individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten, die bislang in der Bundesrepublik an der Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten gehindert wurden, in den Mittelpunkt, sondern rein inländische ökonomische Interessen. Das heißt, dem Gesetzentwurf - na ja, genau, dass Herr Barth das so sagt, das verstehe ich, das ist schließlich die FDP, für die der Herr
Barth hier sitzt -, geht es ausschließlich darum und Ihnen, Herr Barth, Menschen und ihre Potenziale ökonomisch besser verwertbar zu machen. In § 1 heißt es: „Dieses Gesetz dient der besseren Nutzung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen für den deutschen Arbeitsmarkt, um eine qualifikationsnahe Beschäftigung zu ermöglichen.
Aber selbst darin ist dieser Gesetzentwurf nicht einmal gut, sondern stellt zusätzliche Hürden für die Antragstellerinnen auf. Der Wunsch des Kultusministers in seiner Einbringungsrede, dass „dieses Anerkennungsgesetz (...) ein Signal an Menschen überall auf der Welt sein“ soll, bleibt eine leere Floskel, Herr Matschie. Unsere Änderung, Frau Hitzing, dass die materiell in § 1 keine Auswirkungen hat, das ist klar, aber das Signal, was wir mit diesem Gesetz senden, wenn es sich rein ökonomisch begründet, das ist fatal und das wird außerhalb dieses Landtags sehr beachtet werden. Anders als vielfach behauptet, schafft dieses Gesetz keinen Rechtsanspruch auf die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen, sondern lediglich einen Anspruch auf eine individuelle Überprüfung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen, und das ist ein gehöriger Unterschied, meine Damen und Herren. Und dieser Anspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens ist auch noch auf eine Vielzahl zuständiger Stellen verteilt. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es falsch sein soll, eine Beratungsstelle einzurichten und einen individuellen Beratungsanspruch, bloß, weil nur ein Stadtstaat, ein Bundesland das so umgesetzt hat. Damit beweisen Sie gar nichts, Frau Hitzing, das hätte ich gern von Ihnen inhaltlich begründet gehabt und nicht quantitativ. Im Gehorsam vermeintlicher Bundeseinheitlichkeit hat es damit auch Thüringen versäumt, zumindest einen Beratungsanspruch nach dem Vorbild von Hamburg in Thüringen gesetzlich zu verankern und diese von uns geforderte Beratungsstelle in Thüringen einzurichten, wie das nicht nur vom Flüchtlingsrat im parlamentarischen Anhörungsverfahren gefordert wurde. Eine einheitlich die Anträge entgegennehmende und unter Einbeziehung der fachlich zuständigen Stellen einzurichtende Stelle wäre eine tatsächliche Verbesserung zum gegenwärtig vorzufindenden Anerkennungsdschungel, der aber nach Ihrem Willen, dem Willen von FDP, CDU und SPD, weiterhin Bestand haben soll.
Es wurde schon mehrfach angesprochen, eine weiterhin bestehende Hürde für die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen sind die nach diesem Gesetz in Aussicht stehenden Verwaltungsgebühren. Da nützt es gar nichts, wenn Frau Kanis gönnerinnenhaft sagt, die können erlassen werden. Frau Rothe-Beinlich hat es, denke ich, sehr gut begründet, warum Verwaltungsgebühren in diesem Fall eine völlig falsche, deplazierte Hürde
sind. Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass das Anerkennungsverfahren erst die Voraussetzungen dafür schaffen soll, dass die Menschen ein eigenes Einkommen erzielen können. Das von der Zahlung von Gebühren und Auslagen abhängig zu machen, die im Einzelfall bis zu 1.000 € betragen können, wenn man Dolmetscherinnenkosten beispielsweise in die Rechnung mit einbezieht, ist alles andere als eine Einladung an Migrantinnen und bereits hier lebende Nichtdeutsche, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Auch potenziellen Antragstellerinnen aufzuerlegen, dass sie gegenüber den Behörden nachweisen müssen, dass sie gewillt sind, in Thüringen eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, halten wir für verfehlt. Zu einer weltoffenen Kultur gehört es nicht, Menschen daran zu messen, ob sie hier arbeiten wollen, sondern ihre Lebensleistung, und dazu gehören die erworbenen Berufsqualifikationen, als Ausdruck individueller Fähigkeiten und Kompetenzen anzuerkennen, auch wenn sie nicht sagen, dass sie in Thüringen arbeiten wollen. Aber wenn nicht der Mensch, sondern die ökonomische Verwertbarkeit im Mittelpunkt steht, dann kommt man zu solchen Regelungen.
Nun ist es sicher nachvollziehbar, dass für die reglementierten Berufe die Anerkennung lediglich berufspraktisch erworbener Qualifikationen nicht ausreichend ist. Man könnte auch nachvollziehen, dass im Bereich der reglementierten Berufe Nachqualifikationen zu im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen notwendig sein können. Aber nicht der Lebensrealität entsprechend ist es, meine Damen und Herren, im Bereich der nicht reglementierten Berufe berufspraktisch erworbene Qualifikationen als Grundlage für die Anerkennung von vornherein auszuschließen und die Möglichkeit der Nachqualifizierung im Gesetz selbst nicht zu eröffnen. Das ist umso unverständlicher, weil in der Folge Menschen, die die fachliche Kompetenz nachweisen können, in der Regel die Arbeit entsprechend ihrer Qualifikation ausüben, aber nicht entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden. Weltoffen zu sein, erfordert neben der individuellen Anerkennung von Lebensleistungen auch, anzuerkennen, dass Erwerbsbiografien in Ländern außerhalb der europäischen Union anders strukturiert und organisiert sind. Ein wirklich einladendes Anerkennungsgesetz würde dem Rechnung tragen, das vorliegende macht dies nicht.
Der durch die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE gemeinsam, sowohl im Ausschuss als auch jetzt hier im Plenum vorgelegte Änderungsantrag erkennt die Konsequenzen aus dem seit April 2012 geltenden Bundesgesetz und greift zudem einige Ergebnisse der Anhörung auf, was
letztlich der Zweck einer Anhörung sein sollte. Ich muss ganz ehrlich sagen, es gibt Anzuhörende, die haben auch in ihren Texten, in ihren Stellungnahmen deutlich gemacht, dass sie sich durch dieses Verfahren der Anhörung veralbert fühlen. Ich weiß es vom Flüchtlingsrat Thüringen selbst, ich habe es gelesen in der Stellungnahme des Katholischen Büros, wo sehr höflich formuliert war, dass man hofft, dass die Anmerkungen Berücksichtigung finden und beim DGB, glaube ich, stand darin, dass darum gebeten wird, informiert zu werden, ob die Anmerkungen berücksichtigt wurden. Das sind sehr höfliche Umschreibungen dafür, dass die Anzuhörenden Sorge haben, dass mit ihren Stellungnahmen nicht umgegangen wird, wie das in diesem Fall der Fall gewesen ist, zumindest in der Ausschussdebatte haben die Anhörungsergebnisse keine Rolle gespielt. Mit unseren Änderungen - davon sind wir überzeugt - würde die soziale und gesellschaftliche Teilhabe für bereits hier lebende und für künftig noch einreisende Migrantinnen ermöglicht werden. Ich will kurz darauf hinweisen, dass es nicht nur um Menschen mit anderen Herkunftsstaaten als Deutschland geht. Es geht auch um durch Deutsche im Ausland erworbene Berufsqualifikationen. Das vergessen wir immer, aber um diese Menschen geht es auch.
Im Kern ist unsere Ansicht: Das Ziel des Anerkennungsgesetzes muss sein, Menschen anzuerkennen und das, was sie gelernt und sich angeeignet haben. Der vorliegende Gesetzentwurf scheitert aber bereits an diesem Ziel und deshalb bleibt er unverändert. Nehmen Sie also unseren Änderungsantrag nicht an, ist dieser Gesetzentwurf abzulehnen. Vielen Dank.
Danke schön. Es gibt eine weitere Wortmeldung von der Frau Abgeordneten Hitzing von der FDPFraktion.
Ja, und ich sage Ihnen auch noch etwas dazu, weil Sie mich angesprochen haben. Dass Sie nichts anderes von der FDP erwarten - da haben Sie vollkommen recht, es muss im Land jemanden geben, der sich traut zu sagen, ökonomische Interessen sind legitim. Das ist kein Schimpfwort und auch nichts Böses.
Selbstverständlich brauchen wir Einwanderung. Wir brauchen dringend Einwanderung, aber wir brauchen auch und vor allem ausgebildete und qualifizierte Einwanderer. Das sind Interessen dieses Landes;
inländische, ökonomische Interessen. Die Ökonomie, um es noch einmal zu sagen, ist nichts Böses. Und wissen Sie, warum es nichts Böses ist? Damit zum Schluss Dinge verteilt und bezahlt werden können, die Sie ständig fordern.
Da darf nicht bezahlt werden, da soll nicht bezahlt werden. Wir müssen alles regeln und ich bin auch dafür. Wir sind sozialer, als Sie es glauben. Wir sind deshalb so sozial, weil wir dafür stehen, dass man arbeiten muss und dass man Geld verdienen muss und dass wir Leute brauchen, die sich hier in die Wirtschaft einbringen wollen, denn zum Schluss muss der ganze Kram bezahlt werden.
Das ist nicht Wolkenkuckucksheim, wo wir hier leben, wir müssen alles mit Geld bezahlen. Daran kommen auch Sie nicht vorbei und deshalb braucht ein Land qualifizierte Zuwanderung und Deutschland braucht das auch, um zum Schluss auch den Leuten, die in den Familien Hilfe brauchen, eine Möglichkeit zu geben, hier in Würde leben zu können. Das geht leider nur mit Geld.