Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Beifall DIE LINKE)

Das ist bedauerlich. Ich habe nicht erkennen können, dass eigene Initiativen aus Thüringen auch nur annähernd Eingang gefunden hätten. Uns geht es darum, dass wir den individuellen Rechtsanspruch auf ein transparentes und schnelles Verfahren zur

Bewertung und Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen verankern. Da ist entscheidend, den Betroffenen die formale Gleichbehandlung auch zu garantieren.

Zum Gesetzentwurf jetzt aus unserer Sicht die Kritikpunkte, von denen meine Kollegin Sabine Berninger schon einige benannt hat und die Auslöser waren, dass wir uns hingesetzt haben, die Anhörung ausgewertet und entsprechende Änderungen auf den Weg gebracht haben. Das sind fünf Punkte, die ich jetzt benennen möchte. Da ist zum einen der erste und ganz zentrale Punkt, nämlich, dass wir wegkommen wollen von dieser rein ökonomischen Sichtweise, die dieses Gesetz ganz maßgeblich prägt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir wollen klarstellen, dass die verbesserte Anerkennung elementar für die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe und der menschenwürdigen Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit ist. All das findet sich in diesem Gesetz bislang überhaupt nicht wieder und das halten wir für einen großen Fehler.

Zum Zweiten geht es, ich hatte es eingangs schon erwähnt, um die Verankerung des Beratungsanspruches bei einer unabhängigen Stelle. Das ist uns sehr wichtig, dass diese Stelle unabhängig und auf der Seite der Beratenden agiert, weil es, wie im Hamburger Anerkennungsgesetz auch verankert, wichtig ist, dass diese in ihren Ängsten, Nöten oder aber auch Bedarfen und Bedürfnissen ernst genommen werden. Durch eine unabhängige Vorabberatung können die Hemmschwellen der Ratsuchenden gesenkt werden. Auch die Durchführung des Anerkennungsverfahrens wird durch eine umfassende Beratung deutlich vereinfacht. Es erschließt sich, denke ich, von selbst, dass die Beratung unabhängig sein muss, weil ansonsten derjenige berät, der am Ende über die Zulassung oder Anerkennung entscheidet, und das sorgt ganz sicher nicht für Offenheit und Vertrauen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zum Dritten: Wir schlagen vor, auf unsinnige Nachweise zu verzichten.

(Beifall DIE LINKE)

Die sind durchaus vorgesehen, wie zum Beispiel der Nachweis, dass die Menschen, die eine Anerkennung anstreben, in Thüringen eine berufliche Tätigkeit aufnehmen wollen. Ja, was denken Sie denn, warum die Menschen ihre Anerkennung bestätigt haben wollen? Selbstverständlich weil sie eine entsprechende Arbeit suchen. Aber auch das hat im Gesetz bislang keinen Eingang gefunden. Wenn wir davon ausgehen, dass wir uns in der Mitte Europas befinden, und davon gehe ich aus, dann muss es möglich sein, dass Unterlagen so einer

Stelle auch in französischer oder englischer Sprache vorgelegt werden können, auch wenn die Amtssprache Deutsch ist. Wir jedenfalls setzen voraus, dass entsprechende sprachliche Kompetenzen bei den zuständigen Stellen vorliegen. Englisch, Französisch und Deutsch sollten da für die Unterlagen, die beigefügt werden, selbstverständlich keine Hindernisse darstellen.

Zum Vierten geht es uns um die Schaffung einer zentralen Stelle für die Verfahrensbearbeitung. Bisher gibt es, das habe ich auch schon erwähnt, eine Vielzahl unterschiedlicher Anlaufstellen, je nach Berufsgruppe. Wer das durchschauen soll, das kann mir mal jemand versuchen, zu erklären. Ich würde den Zustand als Kompetenzwirrwarr bezeichnen. Hier wollen wir eine einzige zuständige Stelle schaffen, die mit den jeweiligen Fachstellen eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet.

Und zum Fünften: Da geht es um die Frage der Finanzierung der Verwaltungsgebühren für die Anerkennung. Ich sage es noch einmal ganz deutlich, weil es für uns neben dem ersten einer der ganz zentralen Punkte ist: Wir Grünen sagen, wenn Thüringen nachweislich von der verbesserten Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse profitiert und mehr Menschen mit ihren Qualifikationen entsprechenden Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, dann sollte es uns das wert sein, dass Thüringen diese Kosten übernimmt,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

weil genau diejenigen, und das ist beispielsweise die Gruppe der Flüchtlinge, im Moment von der Anerkennung abgehalten werden. Sie haben schlicht nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung, sich ihre Abschlüsse anerkennen zu lassen. Abschließend muss ich leider sagen, ich wünsche mir, aber vermisse immer noch, eine ernsthafte Debatte. Wir halten das Gesetz in der vorliegenden Fassung für nicht zustimmungsfähig und werben daher für die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Regine Kanis.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die abschließende Beratung des Thüringer Anerkennungsgesetzes steht heute auf der Tagesordnung und unser Berichterstatter hat über den Beratungsverlauf berichtet. Bereits in der ersten Lesung habe ich darauf hingewiesen, dass zur Willkom

menskultur eine Anerkennung der Person mit all ihren Facetten, Traditionen, Erfahrungen, auch Fähigkeiten und Fertigkeiten zählt. Das beschlossene Bundesgesetz war ein erster Schritt für die im Bund geregelten Berufe. Die Länder haben zum Teil nachgezogen oder werden nachziehen für die Bereiche, die in ihre Kompetenzen fallen. Der Grund der Verzögerung wurde nach meiner Meinung in der ersten Lesung erklärt, nämlich dass eine sehr umfassende Anhörung dazu schon einmal stattgefunden hat.

Der Gesetzentwurf - auch das habe ich in der ersten Lesung bereits gesagt - gewährt einen Rechtsanspruch auf die Überprüfung der Gleichwertigkeit von Abschlüssen, auf eine Bewertung nach drei Monaten - auch dies ist bereits hervorgehoben worden. Auch die Möglichkeit, fehlende Berufsqualifikationsbestandteile nachzuholen, gehört dazu. Sicher eröffnet uns dieses Gesetz eine Möglichkeit, Fachkräfte in unser Land zu holen und diesen eine entsprechende Erwerbstätigkeit und eine entsprechende Entlohnung zu ermöglichen. Dies sehe ich als einen Beitrag zur Unterstützung einer zukunftssicheren Wirtschaft, aber eben nicht nur.

Die Koalitionsfraktionen haben einen Änderungsantrag eingereicht. Frau Rothe-Beinlich, ich habe ihn noch einmal mit nach vorn gebracht, Vorlage 5/4526 vom 02.04., die im Ausschuss beraten wurde.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind nur Formalia und europarechtliche Vorgaben, Frau Kanis.)

Der Antrag bezieht sich auf Änderungen in Artikel 1 §§ 5, 7 und 12 und basiert auf der Novellierung der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie. Herr Grob hat es in seiner Rede schon gesagt, dabei geht es einerseits um die Umsetzung des elektronischen Verfahrens, aber in diesem Zusammenhang auch darum, dass die Notwendigkeit der Vorlage von Originalen oder beglaubigten Kopien nur noch in den Fällen zwingend erforderlich ist, wo ein begründeter Zweifel an der Echtheit von Unterlagen besteht. Ich denke, das ist eine deutliche Erleichterung. Auch, dass nicht zwingend Übersetzungen von in der BRD öffentlich bestellten oder vereidigten Dolmetschern oder Übersetzern verlangt werden, ist eine Erleichterung. Für diese Anpassungen an das EU-Recht hat bereits der zuständige Ausschuss gestimmt und sie sind somit schon Bestandteil der Beschlussempfehlung.

Ein weiterer Änderungsantrag wurde durch die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE eingebracht, Frau Berninger hat ihn begründet, der nach meiner Lesart nur wenige Änderungen in der Form und im Satzbau, also keine substanziellen Veränderungen,

(Abg. Rothe-Beinlich)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Bloß, weil Sie es nicht verstehen.)

zu dem von der Opposition im Ausschuss eingebrachten Antrag, Vorlage 5/4536, enthält. Dies war auch bereits im Ausschuss Beratungsgegenstand und erhielt dort keine Zustimmung.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist aber eine Überra- schung, Frau Kanis.)

Diese Zustimmung wird er sicher auch im Plenum nicht erfahren.

Insgesamt hat der Gesetzentwurf bei der Ausschussanhörung ein sehr positives Echo erhalten. Nur der Thüringer Flüchtlingsrat schätzt ein, dass die Ziele eines Anerkennungsgesetzes seiner Meinung nach nicht erfüllt werden. Nach seiner Meinung sei das Gesetz in dieser Form ungeeignet und wirkungslos. Diese Meinung vertrat er aber allein und honorierte auch nicht die Anlehnung des Gesetzes an das Bundesgesetz

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Weil der Flüchtlingsrat die Evaluierung des Gesetzes kennt.)

und dass es sich beim Regelungsvorschlag um ein zwischen den Ländern abgestimmtes Mustergesetz handelt. So ähnlich haben wir die Begründung jetzt schon einmal gehört. Aber, wie gesagt, alle anderen Angehörten unterstützten den Gesetzentwurf, sparten aber auch nicht mit Hinweisen. Diese beziehen sich vor allem auf § 5 Abs. 6 und § 12 Abs. 6. Hier wird geregelt, dass der Antragsteller sein Interesse an der Aufnahme einer Tätigkeit in Thüringen nachweisen muss. Auch dies ist im Ausschuss diskutiert worden. Es macht doch keinen Sinn, allen oder jedem eine Anerkennung seines Abschlusses in Thüringen zu bescheinigen, wenn er gar nicht hier arbeiten möchte.

Ganz kurz möchte ich noch auf die Kritik von Frau Astrid Rothe-Beinlich zu der Sprache eingehen. Im Gesetzestext heißt es immer: kann in Deutsch verlangt werden. Ihr Vorschlag lautet dies einzugrenzen auf Deutsch, Englisch und Französisch. In einigen Stellungnahmen wurde vor allen Dingen Englisch gefordert, aber „kann in Deutsch verlangt werden“ bedeutet eine Erweiterung auf alle anderen Sprachen, zum Beispiel fällt mir da Russisch ein, dies ist für mich umfassender.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das steht in Ihrer Beschlussempfehlung. Un- sere Änderungen beziehen sich auf den Ge- setzentwurf.)

In vielen Stellungnahmen wurde ein Beratungsanspruch gefordert. Auch Frau Berninger hat dies deutlich gemacht. Dies ist nicht im Gesetz verankert, aber in Thüringen realisiert, und zwar durch die Regionalgeschäftsstellen der Informations- und

Beratungsstellen Anerkennung Thüringen. Sie haben die Unabhängigkeit gefordert, ich finde, hier ist die Unabhängigkeit gegeben, weil diese Regionalgeschäftsstellen letzten Endes nicht die Entscheider über die Anerkennung sind.

Die Stellungnahmen bezogen sich aber auch auf die Gebührenerhebung. Diese ist im Verwaltungskostengesetz bereits geregelt und umfasst nach meiner Information die Möglichkeit der Ratenzahlung ebenso wie die Möglichkeit des Erlasses aus Billigkeitsgründen. Also ist dies bereits machbar. Natürlich können wir über die Anwendung dieses Spielraumes von hier aus nicht entscheiden, aber geregelt ist er bereits.

Die Stellungnahme des Katholischen Büros in Erfurt wies unter anderem auf die Einrichtung einer Datenbank für ausländische Berufsabschlüsse und Berufsausbildungsordnungen hin. Sehr gut finde ich schon die Datenbank des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die sehr wertvolle Informationen zur Anerkennung über www.anerkennung-indeutschland.de zur Verfügung stellt. Dies ist auch über die Seiten der Arbeitsagentur zu finden. Außerdem wurde die zentrale Anlaufstelle des Welcome Centers von den Angehörten begrüßt. Frau Rothe-Beinlich, Sie sprachen von den Centern; mir persönlich ist nur ein einziges in Thüringen bekannt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Weimar gibt es auch noch eines.)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie haben richtig Ahnung, Frau Kanis.)

Ich habe es auch besucht. Ich nehme das gern zur Kenntnis und werde mich darüber informieren. Deswegen spreche ich es an. Ich kenne nur das in Erfurt. Aber wenn Sie sagen, in Weimar gibt es auch eines, dann werde ich mich darüber informieren.

Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich um ein zwischen den Ländern abgestimmtes Mustergesetz handelt. Deshalb sollten wir die einzelnen Anregungen ernst nehmen, der Beschlussempfehlung aber so folgen und die gegebenen Hinweise bei der festgelegten Evaluierung noch einmal prüfen.

Das Gesetz ist ein weiterer Baustein auf dem Weg der Willkommenskultur und einer unbedingt notwendigen Integration von Menschen, die nach Thüringen kommen wollen und damit auch unsere Zukunft sichern.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank. Das Wort hat Frau Abgeordnete Franka Hitzing für die FDP-Fraktion.

(Abg. Kanis)

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, in der Schlussgruppe, wenn auch nicht als allerletztes Land, läuft nun auch Thüringen in das Ziel ein und bekommt sein Anerkennungsgesetz für diejenigen Berufe, die in der Regelungsbefugnis des Landes liegen. Letztlich handelt es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nur um die Thüringer Umsetzung eines entsprechenden Mustergesetzes der KMK. Dass ich die Verspätung deshalb nicht unbedingt als Auszeichnung für die Thüringer Willkommenskultur halte, habe ich bereits in der ersten Beratung gesagt.

(Beifall FDP)

In der Anhörung hat eine ganze Reihe von Anzuhörenden ihre Probleme mit der Ausgestaltung der Gesetze deutlich gemacht. Vieles ist aus Sicht der Betroffenen ganz sicher nachvollziehbar. Zuvorderst ist da die fehlende Anlaufstelle, die Befürchtung zu hoher Gebühren oder der Wunsch, auch Erfahrungen, die in Ausübung des Berufes erworben wurden, besser anzuerkennen. Allgemein wird in vielen Stellungnahmen ein insgesamt weniger bürokratisches Verfahren gewünscht. Man sollte aber nicht außer Acht lassen, meine Damen und Herren, dass der Nachweis absolvierter Bildungsgänge in Deutschland nun einmal hochbürokratisch geregelt ist.

Was sind Sie von Beruf? Was haben Sie gelernt? Das sind in Deutschland durchaus alltägliche Fragen. Der Fragesteller erhofft sich damit, bei der Beurteilung eines Mitmenschen eine wichtige Facette der Persönlichkeit zu erhellen. Dass wir im Ausland erworbene Berufsqualifikationen anerkennen, macht Fähigkeiten für unsere Wirtschaft und für unsere Gesellschaft nutzbar und gibt den Betroffenen einen Platz in Wirtschaft und Gesellschaft, der ihnen sonst möglicherweise verwehrt bliebe.

Dass der Nachweis beruflicher Qualifikationen bei uns recht bürokratisch geregelt ist, wird in erster Linie mit dem Verbraucherschutz argumentiert. Der Arbeitgeber oder der Verbraucher, der eine bestimmte Leistung nachfragt, soll eine möglichst große Sicherheit haben, dass diese Leistung ordnungsgemäß erbracht werden kann und dass der potenzielle Leistungserbringer nicht nur behaupten kann, dass er es leisten könnte, sondern dass man es nachweist.