Protokoll der Sitzung vom 11.04.2014

Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage der Einbindung und Unterrichtung des Thüringer Innenministeriums im Rahmen seiner Fach- und Dienstaufsicht. Schließlich ging es vor dem Hintergrund der Umtriebigkeit des Herrn Trinkaus auch um den Wahrheitsgehalt seiner gelieferten Informationen, um die Höhe der Entlohnung und um die damalige Quellensituation im Phänomenbereich Rechtsextremismus. Die Befragung des mit der Forschung und Werbung betrauten Mitarbeiters des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz gemäß des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes in der gleichen Sitzung hatte umfangreiche, ergänzende, den Sachverhalt weiter erhellende Informationen zur Kontaktaufnahme im Sommer des Jahres 2006, zur Motivlage des Herrn Trinkaus, zur Vorgeschichte sowie zu den Beweggründen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, ihn erst nach einer längeren Werbungsphase als Quelle zu führen, aus der Sicht der Sachbearbeitung zum Inhalt.

Herr Trinkaus habe über ein sehr gutes Informationsaufkommen verfügt. Gleichwohl, seine Umtriebigkeit und seine besondere Rolle in der NPD wurden immer wieder thematisiert. Im Januar 2007 sei Herr Trinkaus dann an den V-Mann-Führer übergeben worden, welcher im Anschluss befragt wurde. Der ehemalige V-Mann-Führer informierte ausführlich darüber, dass es vor dem Hintergrund seiner umfangreichen politischen Aktivitäten in der NPD und in verschiedenen Vereinen Gespräche mit der Hausleitung hinsichtlich einer Weiterführung des Herrn Trinkaus gegeben habe. So sei ihm zur Auflage gemacht worden, aus allen Vereinen auszutreten. Die förmliche Verpflichtung sei dann im März 2007 erfolgt. Aus dem Bereich des Beobachtungsobjektes habe Trinkaus wertige Informationen geliefert, gerade aus solchen Bereichen, die dem Verfassungsschutz bislang fehlten. Der ehemalige VMann-Führer trat in seiner weiteren Ausführung unter anderem den Behauptungen aus der Presseinformation des MDR vom 5. Dezember 2012 entgegen, er habe Herrn Trinkaus in irgendeiner Weise Aufträge hinsichtlich einer Unterwanderung von Parteien, der Einschleusung von Personen in diese erteilt und es habe eine Art Brainstorming zur Einschleusung eines Angehörigen der rechten Szene in die Landtagsfraktion der Linkspartei.PDS gegeben. Auch habe es keinen Auftrag zur Beschaffung einer CD mit Bildern eines Reporters gegeben, welche diesem während einer Demonstration am 1. Mai 2007 am Erfurter Bahnhof entwendet worden

sei. Als eine Besonderheit schildert der ehemalige V-Mann-Führer zudem, dass im Fall des Herrn Trinkaus über Treffs in vielen Fällen zunächst nur der Vizepräsident in seiner Funktion als Abteilungsleiter Auswertung unmittelbar unterrichtet wurde, was der besonderen Eilbedürftigkeit der Informationsweitergabe geschuldet gewesen sei.

In Auswertung dieser ausführlichen ersten Unterrichtung durch die Landesregierung und der Anhörung der beiden unmittelbar mit Herrn Trinkaus betrauten Mitarbeiter bzw. ehemaligen Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz war absehbar, dass vor dem Hintergrund der gemachten Erfahrungen der PKK im Zusammenhang mit der Unterrichtung zum NSU-Skandal die Erhellung der näheren Umstände in der bislang geübten Vorgehensweise nicht den gewünschten Erfolg bringen würde. Zudem erschien eine schnelle und gründliche Aufklärung durch die PKK im Interesse des Parlaments und der Wahrung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Wirksamkeit des Verfassungsschutzes gemäß Artikel 97 der Verfassung des Freistaats Thüringen als Teil der Verpflichtung zur wahrhaften Demokratie geboten.

Daher wurde beschlossen, erstmals von der seit Juli 2012 bestehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, nach dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz einen Sachverständigen mit der weiteren Ermittlung zu betrauen. Der Untersuchungsauftrag für den Sachverständigen wurde dann in der Sitzung der PKK am 18. Dezember 2012 konkretisiert und beschlossen. Der Gegenstand des Untersuchungsauftrages mit der Bezeichnung „Umstände der Anwerbung und Führung des Herrn Trinkaus sowie Nichteinbindung Dritter“ erstreckt sich auf die vier Themenkomplexe Anwerbungsphase, Führung des Herrn Trinkaus als VM, Nichteinbindung Dritter und Unterrichtung der PKK. Es waren die Fragen zu klären, ob in der Forschungs- und Werbungsphase bzw. in der Führungsphase gegen geltende, einschlägige Dienstvorschriften verstoßen wurde, welche Bedienstete des Thüringer Landesamtes und des Thüringer Innenministeriums Kenntnis hiervon hatten und ob gegebenenfalls Maßnahmen eingeleitet wurden, wer konkrete Entscheidungen getroffen hat, sowie ob es Hinweise auf Unzulänglichkeiten und Besonderheiten in ähnlichen Fällen auch in anderen Forschungs- und Werbungsfällen sowie bei der Führung anderer VMs gab. Im Weiteren stand die Frage im Raum, auf welche Art und Weise Informationen durch Herrn Trinkaus auch zu geplanten und begangenen Straftaten beschafft wurden, wie diese innerhalb des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz erfasst, umgesetzt sowie be- und verarbeitet wurden, welche Weisungen infolge der erlangten Informationen von der Hausleitung gegebenenfalls erlassen wurden, weshalb es im Falle Trinkaus spezielle Vermerke nur an den Vizepräsidenten des Thüringer Landesamtes für Ver

fassungsschutz gab und wie andere Behörden gegebenenfalls informiert wurden. Schließlich war die Frage zu klären, ob das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz über von Herrn Trinkaus initiierte Bespitzelung, Herabwürdigung und Unterwanderung informiert war und wie es von der Tätigkeit des Herrn Trinkaus betroffene Parteien, Fraktionen, Abgeordnete, Vereine und Verbände unterrichtete, warum diese gegebenenfalls nicht unterrichtet wurden beziehungsweise welche Mitglieder der Thüringer Landesregierung und des Thüringer Landtags Kenntnisse von der VM-Tätigkeit des Herrn Trinkaus hatten. Auch waren die Frage der Einbindung der Dienst- und Fachaufsicht des Thüringer Innenministeriums und die Unterrichtung der Öffentlichkeit sowie die Einbindung der PKK Gegenstand des Untersuchungsauftrags.

In der Kommissionssitzung vom 8. Januar 2013 wurde Herr Ministerialdirigent a. D. Dr. Norbert Engel, Ihnen sicher noch als langjähriger Abteilungsleiter und Stellvertreter der Direktorin in der Landtagsverwaltung bestens bekannt, nach Erörterung mehrerer Vorschläge einstimmig zum Sachverständigen bestellt und mit der Durchführung einer unabhängigen Untersuchung beauftragt. Herrn Dr. Engel wurde durch die Landtagsverwaltung ein Büro und eine entsprechende Sachausstattung zur Verfügung gestellt sowie ein Sachbearbeiter der Landtagsverwaltung zur ständigen Unterstützung zugewiesen. Entsprechend der Bitte der PKK wurde der Sachverständige zudem durch die Geschäftsstelle der PKK insbesondere bei der Prüfung rechtlich komplizierter Fragen und beim Aktenzugang unterstützt. Die Landesregierung stellte dem Sachverständigen im Verlauf seiner Ermittlungen neben den bereits benannten drei Kernakten ein weiteres umfangreiches, mehrere hundert Akten umfassendes Konvolut hauptsächlich aus dem Geschäftsbereich des Thüringer Innenministeriums einschließlich des Landesamtes für Verfassungsschutz, des LKA Thüringen, der Landespolizeidirektion und des Thüringer Landesverwaltungsamtes sowohl in Papier- als auch in digitalisierter Form zur Verfügung. Dies wurde durch weitere Aktennachlieferungen sukzessive ergänzt. Nach der Erteilung der vorläufigen Sicherheitsermächtigung am 21. Februar 2013 hat der Sachverständige zunächst die schon vorhandenen Kernakten, namentlich die Sachakte der Zielperson Wesir und die Personenakten 1 und 2 des VM Ares überprüft. In der Folgezeit wurden, wie bereits benannt, weitere Akten sowohl in Papier- als auch in digitaler Form übergeben. Diese Akten wurden zunächst einer kursorischen Überprüfung unterzogen. Auf der Grundlage aus den Akten gewonnener Erkenntnisse wurden vom Sachverständigen folgende Bedienstete beziehungsweise ehemalige Bedienstete des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz nach dem Verfassungsschutzgesetz befragt: Herr Thomas Sippel, ehemaliger Präsident des Landesamtes für

Verfassungsschutz; Herr Gerd Lang, Abteilungsleiter Auswertung ab 26. Juni 2006, zusätzlich Abteilungsleiter Beschaffung ab 1. September 2006 und Vizepräsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz; Herr Eckhard Stelzer, Abteilungsleiter Beschaffung von 2001 bis 1. September 2006; der Referatsleiter des Referats Controlling; der Referatsleiter des Referats Forschung und Werbung seit 2002 sowie stellvertretender Abteilungsleiter Beschaffung und kommissarischer Referatsleiter des Referats VM-Führung vom 1. September 2006 bis 30. November 2006; der Referatsleiter des Referats VM-Führung ab 1. Dezember 2006; der Referatsleiter des Referats Auswertung Rechtsextremismus, der VM-Führer von Herrn Trinkaus in der Werbungsphase ab Januar 2007 und während dessen VM-Tätigkeit ab März 2007 bis zu dessen Abschaltung am 5. September 2007; der Werber von Herrn Trinkaus in der Werbungsphase bis zum 19. Dezember 2006; der zuständige Sachbearbeiter im Referat Auswertung Linksextremismus. Weiterhin wurden aus dem Thüringer Innenministerium befragt: Herr Staatssekretär Bernhard Rieder, ehemals zuständiger Abteilungsleiter für die Fachaufsicht über das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz; Herr Wolfgang Kalz, zuständiger Referatsleiter für die Fachaufsicht über das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Schließlich wurden nach § 24 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Satz 2 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes befragt: Herr Stefan Baldus, ehemaliger Staatssekretär im Thüringer Innenministerium bis 2007; Herr Dr. Karl-Heinz Gasser, ehemaliger Thüringer Innenminister. Zusätzlich wurde der ehemalige VM Herr Trinkaus angehört. Soweit erforderlich, wurden zusätzliche telefonische Auskünfte, zum Beispiel über Urlaubszeiten und Krankheitszeiten der Mitarbeiter eingeholt und weitere erforderliche Akten der Landesregierung angefordert. Die befragten Personen erhielten durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz oder das Innenministerium umfassende Aussagegenehmigungen. Sämtliche Personen haben im Rahmen ihrer Befragung Angaben gemacht. Dieses gilt auch für den Herrn Trinkaus, der jedoch bei einigen Fragen keine Angaben machte. Nach dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz hat der Sachverständige der Parlamentarischen Kontrollkommission keine Zwangsmittel, mit der er eine Aussage von Herrn Trinkaus hätte erzwingen können. Der Sachverständige hat gemäß des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes zudem von der Befugnis Gebrauch gemacht, Zutritt zu den Dienststellen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz zu erhalten und dabei insbesondere die vollständigen VM-Akten vor Ort stichprobenhaft auf vergleichbare Fälle geprüft. Der Sachverständige berichtete mehrfach der PKK zum Sach- und Verfahrensstand und schloss seine Untersuchungen mit der Zuleitung seines Berichts vom 25. Juli 2013 zum Komplex

„Umstände der Anwerbung und Führung des Herrn Trinkaus sowie Nichteinbindung Dritter“ an den Vorsitzenden der PKK am 26. Juli 2013 vorläufig ab. Der Bericht erhielt den Geheimhaltungsgrad „VS Nur für den Dienstgebrauch“ und wurde demgemäß den Mitgliedern der PKK zur Verfügung gestellt. Nach Beendigung des Berichtsersuchens wurden der PKK zudem durch den Sachverständigen die Wortprotokolle der Vernehmungen bzw. Befragungen übergeben. Der Sachverständige berichtete in der Sitzung der PKK vom 27. August 2013 zu den wesentlichen Inhalten seines Berichts und nahm an den weiteren Sitzungen der PKK zur Beratung des Berichts teil. Auf den Inhalt gehe ich noch ein.

Bereits an dieser Stelle darf ich Herrn Dr. Engel sowie seinen Mitarbeitern auch im Namen meiner Kommissionskollegen einen herzlichen Dank für seine Untersuchungen und seine Berichterstattung aussprechen.

(Beifall im Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können sich sicherlich noch erinnern, Teile des Sachverständigenberichtes gelangten auf bislang nicht ergründbarem Wege an die Presse, was aus Sicht der Kommissionsmitglieder mehr als bedauerlich ist. Mit Erstaunen musste die PKK aber auch zur Kenntnis nehmen, dass der der Landesregierung zum Zwecke der Stellungnahme zugeleitete Bericht - ungeachtet der noch andauernden Beratungen in der PKK - durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz wegen der möglicherweise enthaltenen neuen Ansätze für strafrechtliche Ermittlungen ohne - und ich betone es ausdrücklich -, ohne Einverständnis, Zustimmung oder sonstige Einbindung der PKK an die Staatsanwaltschaft Erfurt weitergegeben wurde. Dieser Umstand ist ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit im Sinne eines kooperativen Zusammenwirkens mehr als bedenklich. Die PKK hat den Bericht des Sachverständigen sowie die Stellungnahme der Landesregierung dazu in der Folge zudem dem hiesigen Untersuchungsausschuss 5/2 zum Zwecke der Einsichtnahme zugeleitet, um so die Arbeit des Untersuchungsausschusses bestmöglich zu unterstützen. Die Mitglieder der PKK haben darüber hinaus weiteren Amtshilfeersuchen des Untersuchungsausschusses in der Sache entsprochen. In Verfahrensfragen haben die PKK und der Untersuchungsausschuss durch die Geschäftsstellen schnell und unkompliziert zusammengearbeitet. Die PKK hält aber auch an dem Grundsatz fest, dass sich nach ihrer Geschäftsordnung ihre Mitglieder im Interesse eines gegenseitigen Vertrauens in die Funktionsfähigkeit der wehrhaften Demokratie auf freiwilliger Grundlage einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Dies erwarten die Mitglieder auch dann, wenn andere parlamentarischen Gremien aus berechtigtem Anlass Einsicht in die der Kommission vorliegenden Berichte und Unterlagen nehmen. Die Mitglieder der PKK dan

ken daher ausdrücklich den Kollegen im Untersuchungsausschuss 5/2 für ihre Bereitschaft, sich gegebenfalls ebenso einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Letztlich war ein solches Verfahren im Hinblick auf die Vorlage des Berichtes des Sachverständigen Dr. Engel nicht mehr erforderlich. Auch hierin zeigt sich der besondere Wert der Möglichkeit, gesonderte Vorabermittlungen durchführen zu können und einen Sachverständigen beauftragen zu können. Auch dieser Aspekt sollte bei der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes beachtet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach mündlicher Erläuterung der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung durch den Sachverständigen in mehreren Kommissionssitzungen fand, wie bereits ausgeführt, eine ausführliche Beratung der Berichtsinhalte und der Untersuchungsergebnisse statt. Die in der Erörterung der Ergebnisse eingeflossene erste Stellungnahme des Thüringer Innenministeriums zum Bericht stieß auf erhebliche Kritik der PKK. Vor diesem Hintergrund wurde die Stellungnahme überarbeitet und mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 in der überarbeiteten Fassung erneut übersandt. Auch diese Fassung war Gegenstand kritischer Anmerkungen. Eine grundlegende inhaltliche Änderung war nicht erkennbar.

Lassen Sie mich einige Kritikpunkte näher erläutern: Die Stellungnahme geht auf eine Reihe von Schwerpunkten der Untersuchung des Sachverständigen nicht einmal ansatzweise ein bzw. wurden nicht nachvollziehbare Sachverhalte nahegelegt. Es wurden selektiv Textpassagen des Berichts angeführt, um nachzuweisen, dass das untersuchte Vorgehen der verantwortlichen Stellen und Personen in Ordnung gewesen ist. Wesentliche Inhalte des Sachverständigenberichts und Problemstellungen blieben hingegen unberücksichtigt: die Mängel im Controlling beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bei der Aktenführung und Informationsweitergabe, außerdem die wohl unzureichende Information des damaligen Ministers bzw. nicht eindeutige Kommunikation sowie besonders die Bewertung der Position und der Person des Herrn Trinkaus. Auch fehlte eine Auseinandersetzung, weshalb die Verantwortung zwischen Thüringer Innenministerium und Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hin- und hergeschoben wurde, und die Beantwortung der Frage, weshalb die Causa Trinkaus offensichtlich bewusst gegenüber der PKK verschleiert worden ist. Ebenso fand keine Erwähnung, dass die vorhandenen einschlägigen Dienstvorschriften des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz so unkonkret formuliert waren, dass sie einen großen Interpretationsspielraum bei ihrer Anwendung zuließen. Es erhärtete sich im Verlauf der Beratung der Eindruck, dass sich das Thüringer Innenministerium bewusst nur selektiv mit dem Bericht des Sachverständigen auseinandergesetzt

hatte. Würden die vom Thüringer Innenministerium nahegelegten Sachverhalte angenommen, würde ein dem Bericht des Sachverständigen in wesentlichen Teilen entgegenstehendes Bild entstehen.

Die PKK hat auf der Grundlage des Berichts des Sachverständigen umfangreiche Anhörungen nach dem Verfassungsschutzgesetz durchgeführt. Dabei wurden insgesamt 23 Personen in das Verfahren einbezogen, deren personenbezogene Daten in dem Bericht enthalten waren. Dieses Anhörungsverfahren hat geraume Zeit in Anspruch genommen. Die Ergebnisse der Anhörungen sind in die Berichterstattung der Kommission eingeflossen. Gleichwohl weist die PKK darauf hin, dass ein derart umfangreiches Anhörungsrecht, das in bundesrechtlichen Vorschriften und auch im thüringischen Untersuchungsausschussgesetz keine Parallelen findet, aus grundrechtlicher Sicht nicht geboten ist. Im Einzelfall kann die Anhörungspflicht eine durchaus erhebliche Verzögerung in der Effektivität der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes und der Erfüllung der berechtigten Interessen der Öffentlichkeit nach sich ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Ergebnis der Beratungen zum Themenkomplex „Umstände der Anwerbung und Führung des Herrn Kai-Uwe Trinkaus sowie Nichteinbindung Dritter“ kann ich zunächst feststellen, es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aktivitäten des Herrn Trinkaus durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gesteuert worden sind. Herr Trinkaus hat nicht mit Kenntnis oder gar mit Unterstützung oder Anleitung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen vertretene Parteien und deren Abgeordnete im Landtag sowie Verbände und Vereine kompromittiert, ausgeforscht, herabgewürdigt oder versucht zu unterwandern. Die PKK stimmt insoweit mit der Feststellung der Landesregierung überein, wenn sie ausführt, dass dieser Hauptvorwurf durch den Bericht ausgeräumt worden ist. Nicht auszuschließen ist aber, dass KaiUwe Trinkaus bei seinen diversen Aktionen möglicherweise aus seiner Stellung als V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Nutzen gezogen hat. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hat im Zuge der Überlegungen zu einer Verpflichtung bzw. Weiterführung in der Hoffnung auf Erlangen werthaltiger Informationen dem Grundsatz des Quellenschutzes bei der Frage der Warnung betroffener Vereine oder in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der NPD sehr hohe Bedeutung beigemessen, im Nachgang eine zu hohe Bedeutung. Auch diese Erfahrung hat die PKK in ihrer Erörterung für die Novellierung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes einbezogen. Hier bedarf es entsprechender Hürden, um der Wiederholung eines Szenarios Trinkaus entgegenzuwirken. Im Rahmen der Beratungen konnte nicht geklärt werden, wie Herr Trinkaus an die Informatio

nen zur sogenannten Liste „Alter Fritz“ gelangt ist. Gleichwohl bedarf es hier einer Änderung des Zugangs zu solchen sensiblen Informationen, der mittels sogenannter WE-Meldungen einem sehr großen Personenkreis innerhalb der Thüringer Polizei, des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und anderer Behörden möglich ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was sind nun die konkreten Ergebnisse der Untersuchung? Die PKK kommt auf der Grundlage der Untersuchungen des Sachverständigen und ihrer ergänzenden Beratungen zu folgenden Schlussfolgerungen: Im Rahmen der Anwerbungsphase wurde im Arbeitsbereich Forschung und Werbung auch aufgrund nicht immer eindeutiger Dienstvorschriften mehrfach falsch gehandelt. Auffällig war zunächst, dass die Werbungsphase einen sehr langen Zeitraum eingenommen hat, was auf den ersten Blick ungewöhnlich, zum Teil aber durch den Umstand der Selbstanbietung erklärbar scheint. Dieser Umstand spricht jedoch dafür, dass sich die Verantwortlichen intensiv, ja vielleicht sogar intensiver, als in anderen Fällen üblich, mit der Person des Herrn Trinkaus und den näheren Umständen auseinandergesetzt haben. Aus heutiger Sicht war jedoch die Aufklärung des persönlichen Hintergrundes unzureichend und die Eignung des V-Manns aufgrund seiner Vita, insbesondere auch wegen seiner strafrechtlichen Verfolgung, nicht gegeben. Als besonders problematisch sah die PKK an, dass dem Verdacht einer möglichen früheren inoffiziellen Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Es ist der Parlamentarischen Kontrollkommission durchaus bewusst, dass das derzeit geltende Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR eine solche Abfragemöglichkeit für Nachrichtendienste nicht vorsieht. Gleichwohl hätten Möglichkeiten, dem Verdacht anderweitig nachzugehen, stärker geprüft werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, inwieweit durch eine Änderung des genannten Gesetzes gegebenenfalls eine Abfragemöglichkeit zukünftig eingeräumt wird. Auf jeden Fall hätte auch auf anderem Wege eine Nachforschung nach einer sich nach den Umständen geradezu aufdrängenden Tätigkeit von Herrn Trinkaus für das MfS erfolgen müssen. Ohne eine solche Prüfung läuft die in den Dienstvorschriften für die Werbung vorgesehene Aufklärung einer möglichen Stasibelastung leer. Auffällig ist auch, dass nach der Befragung des Sachverständigen innerhalb der Verantwortlichen in der Fachaufsicht und im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz durchaus unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Bedeutsamkeit von einer Stasi-Verstrickung möglicher V-Leute besteht. Als großes Manko stellte sich auch heraus, dass während der gesamten Werbungsphase das beim Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz eingerichtete Controlling nicht besetzt

war und damit eine diesbezügliche Kontrolle quasi von außen so nicht stattfand. Dies ist umso mehr bedenklich, da die einschlägige, amtsinterne Dienstvorschrift „Beschaffung“ die Einbindung des Controllings auch in dieser Phase gerade verlangt. Die Wahrnehmung der Aufgaben während der krankheitsbedingten Abwesenheit des Amtsinhabers durch den Präsidenten selbst musste trotz erkennbaren Bemühens unzureichend bleiben, da sie nachvollziehbar nur als Nebenbeigeschäft wahrgenommen werden konnte. Auch gibt der Vorgang Anlass, nachdrücklich auf die gebotene personelle und qualitative Stärkung des Controllings hinzuweisen. Auch dieser Punkt wird bei der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes zu beachten sein.

Sicher auch als Ausfluss der ersten NPD-Verbotsverfahren aus dem Jahr 2003 regelt die bereits benannte Dienstvorschrift „Beschaffung“ auch, dass Personen nicht als VM geführt werden dürfen, wenn sie die Zielsetzung und die Aktivität des Beobachtungsobjektes entscheidend bestimmen. In Ergänzung hierzu hat der Thüringer Innenminister Dr. Gasser am 11. August 2004 eine Auslegungsanweisung dahin gehend erlassen, dass die Zusammenarbeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz mit Quellen, die dem Landesvorstand einer extremistischen Partei angehören, generell auszuschließen sei. Dagegen stehe die Wahrnehmung einer Funktion im Kreisvorstand, auch als dessen Vorsitzender, sowie der eines Kassenprüfers im Landesvorstand, der die Prüfung für den Landesverband der Partei durchführt, der Zusammenarbeit mit dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz nicht von vornherein entgegen. Diese durch einen Vermerk des damaligen Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz über seine Unterredung mit dem Thüringer Innenminister sowie mit dem damaligen Abteilungsleiter eingeführte Dienstweisung wurde nach Auffassung des Sachverständigen nicht beachtet, da er die Zielsetzung und die Aktivitäten zumindest eines Teils der NPD entscheidend bestimmte. Herr Trinkaus hätte jedenfalls spätestens mit der Wahl zum Kreisvorsitzenden der NPD Erfurt-Sömmerda nach den Weisungen des Thüringer Innenministers vom 11. August 2004 bei seinen besonderen Voraussetzungen aus diesem Grund nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Dabei ist wesentlich auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass Herr Trinkaus bereits seit seiner Werbungsphase zahlreiche Aktivitäten zur Gründung einschlägig geführter Vereine und zur Unterwanderung und Instrumentalisierung bestehender Vereine betrieb und für die diskriminierende Kontaktierung von Personen des politischen Lebens verantwortlich zeichnete und so die „Wortergreifungsstrategie“ der NPD in Erfurt nachhaltig bestimmte.

Die Landesregierung hat hierzu vorgetragen, dass die Regelungen zum Beherrschungsverbot im Hin

blick auf mögliche Verbotsverfahren zu sehen seien. Danach komme es wesentlich auf die NPD als Landesverband an. Hier sei Trinkaus nicht in eine beherrschende Stellung gelangt, die von vornherein eine weitere Zusammenarbeit ausgeschlossen hätte. Diese Auffassung teilt die PKK nicht, wie später noch auszuführen sein wird.

Die Untersuchungen haben im Weiteren gezeigt, dass von den Mängeln und dem Nichteinhalten von Bestimmungen der Dienstvorschrift „Beschaffung“ im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz neben dem Werber und dem späteren V-Mann-Führer die zuständigen Referatsleiter, der Abteilungsleiter „Beschaffung“ in Personalunion als Vizepräsident, Herr Lang, und auch der Präsident Kenntnis hatten. Sämtliche Beteiligte waren ständig in die Entscheidungen eingebunden. Es wurden keine Maßnahmen wegen der Verstöße gegen die Dienstvorschrift „Beschaffung“ eingeleitet. Die weisungsgebundenen Beteiligten gingen so davon aus, dass sie aufgrund der Entscheidungen ihrer Vorgesetzten entsprechend handeln durften. Der Präsident, der von den Tatsachen, die nicht den amtsinternen Vorgaben entsprachen, informiert war, akzeptierte die Nichteinhaltung. In der Frage der Zuständigkeit der Führung von Herrn Trinkaus als VM legte er die Bestimmung der Dienstvorschrift und die Weisung des Thüringer Innenministers vom 11. August 2004 anders aus. Die Entscheidung über die Verpflichtung von Herrn Trinkaus als V-Mann wurde vom Präsidenten nach Besprechung mit dem dortigen Abteilungsleiter, dem dortigen Referatsleiter und dem V-Mann-Führer getroffen. Diese Entscheidung entsprach nach Auffassung der PKK nicht dem Sinn der Dienstvorschrift „Beschaffung“ und der Weisung des Thüringer Innenministers vom 11. August. Begründet wurde die Entscheidung zur Verpflichtung mit dem großen Interesse des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz an den durch Herrn Trinkaus gelieferten Informationen, insbesondere im Hinblick auf die schlechte Zugangslange zur NPD. Soweit eine solche Zielsetzung mit dem Plan, Herrn Trinkaus sogar in den Landesvorstand der NPD einzuschleusen, gerechtfertigt werden sollte, erscheint dieses Ziel im Hinblick auf die Weisung des Ministers aus dem Jahr 2004 problematisch. Inwieweit sich der Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz auf eine Gestattung des Thüringer Innenministers berufen konnte, erscheint im Hinblick auf die nach den vorliegenden Dokumentationen recht unspezifischen Informationen im Ergebnis zweifelhaft. Wieso der Innenminister die Untergrabung seiner Weisung im Ergebnis nicht verhinderte, bleibt ungeklärt.

Im Ergebnis weist die PKK nach ihrer Beratung darauf hin, dass die Fragen des Beherrschungsverbotes schon von Rechts wegen nicht nur auf den Landesverband der NPD bezogen werden sollten. Zwar ist der Argumentation der Landesregierung zugege

ben, dass der Begriff des Beobachtungsobjektes, der in den internen Dienstvorschriften des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz verwendet wird, im Sinne des unter den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern abgestimmten Verfahrens zur Bestimmung von Beobachtungsobjekten zu verstehen ist und hiernach zunächst nur die NPD als Beobachtungsobjekt betrifft, darüber hinaus aber folgt aus den generellen Aufgaben des Einsetzens eines V-Manns, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung aufzuklären. Eine Aufklärung allein oder im Wesentlichen über solche Gefahren, die der V-Mann selbst möglicherweise noch unter Zuhilfenahme des ihm vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gewährten Quellenschutzes im Sinne einer verfassungsfeindlichen Bestrebung schafft, rechtfertigt den Einsatz eines nachrichtendienstlichen Instrumentes gerade nicht. Kai-Uwe Trinkaus hat als V-Mann im Wesentlichen über die von ihm geschaffenen Gefahren berichtet. Die Anwerbung und Führung eines VManns vermag aber in einem solchen Fall zur Aufklärung der tatsächlichen Gefährdungslage nichts beizutragen, sondern verschleiert und verunklart die tatsächliche Sicherheitslage des Verfassungsschutzes. Diese Abwägungsnotwendigkeit ergab sich schon aus der Weisung des Thüringer Innenministers von 2004, nach der die Tätigkeit als Kreisvorsitzender zwar nicht von vornherein, wohl aber nach weiterer Prüfung der Werbung als V-Mann entgegenstehen könnte. Hier bedarf es für die Zukunft nach Auffassung der PKK klarstellender Regelungen für den Verfassungsschutz.

Problematisch ist auch, dass der Frage der persönlichen Eignung und der im Wesentlichen finanziellen Motivation des V-Manns nicht hinreichend nachgegangen wurde. Auch hier hat sich das Fehlen eines hinreichend unabhängigen und tatkräftigen Controllings als unabhängige Stimme nachteilig ausgewirkt. Festzustellen war hingegen aber auch, dass der Verlauf der Werbungsphase des Herrn Trinkaus sowohl nach Aktenlage als auch nach den Antworten auf die Befragungen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz nach jetziger Kenntnis einmalig gewesen ist. Erfreulich ist, dass bei der von uns ausdrücklich beauftragten stichprobenhaften Prüfung weiterer VM-Akten durch den Sachverständigen im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz keine vergleichbaren Fälle festgestellt werden konnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich im Weiteren nun auf die Phase der Führung des Herrn Trinkaus als VM kommen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass auch während der Führungsphase Bestimmungen der Dienstvorschrift „Beschaffung“ nicht eingehalten wurden. Als problematisch stellt sich allerdings auch heraus, dass die für die Führung von VM geltenden Regelungen nur sehr unverständlich in Dienstvorschrif

ten niedergelegt sind. Durch die lange Zeit als Quelle in der Werbungsphase wurde die notwendige Führung über Beschaffungsaufträge nur unvollkommen verwirklicht. Die Informationen wurden eher situativ erhoben. Ebenso erfolgte die Bewertung des VM nicht entsprechend der Vorgaben der Dienstvorschrift „Beschaffung“. Die Bewertung könnte mit entscheidend gewesen sein, dass Herr Trinkaus zum VM verpflicht wurde oder jedenfalls die Abschaltung nicht rechtzeitig erfolgte. Auch wurde die Beziehung zwischen VM und V-MannFührer nicht im notwendigen Maße beobachtet und es wurde dem V-Mann-Führer auch keine ausreichende Unterstützung gewährt. In diesem Zusammenhang wäre eine positiv unterstützende Fehlerkritik im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz wünschenswert.

Die im Wesen der Führung von VM begründet liegenden Probleme, insbesondere die schwierige Verschriftlichung der abgeschöpften Informationen, führten zu einem hohen Maß von sehr unkonkreten und unbedeutenden Informationen. Insoweit bestehende Bedenken der Auswertung wurden nicht berücksichtigt. Schließlich wurde auch die Nachrichtenehrlichkeit nicht ausreichend geprüft, obwohl dies ein entscheidender Teil der Führung von Quellen ist. Das kann aus Sicht der PKK nicht damit begründet werden, dass andere Quellen nicht zur Verfügung standen, denn die trotzdem gegebene Möglichkeit der Nachprüfung der erhaltenen Informationen zur Beherrschung von Vereinen, zum Beispiel mittels Recherche im Vereinsregister, wurde nicht ergriffen. Leider war das Controlling auch während der Führungsphase von Herrn Trinkaus nicht besetzt. Deshalb konnten entgegen der Regelungen in der Dienstvorschrift diese Mängel nicht aufgedeckt werden.

Die Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass die hausinterne Informationsweitergabe wegen fehlender verbindlicher Vorgaben nicht immer den Erfordernissen entspricht und deshalb einer Verbesserung zugeführt werden sollte. Deutlich wurde, dass der Präsident nicht immer in dem erforderlichen Maße eingebunden war, ebenso bei eiligen Geschehnissen, wenn operative Maßnahmen mit dem Informanten erforderlich waren, auch nicht der unmittelbar Vorgesetzte des VM-Führers. Konkret bekam der Werber bzw. der V-Mann-Führer häufig telefonische Kurzinformationen von Herrn Trinkaus, die nur zu einem kleinen Teil aktenkundig gemacht wurden. Diese wurden häufig direkt dem Abteilungsleiter Beschaffung und Vizepräsidenten Herrn Lang telefonisch mitgeteilt und von diesem an die Polizei oder das Thüringer Innenministerium weitergegeben. Dies ist allerdings nicht in den Akten erkenntlich, so dass es in dem Bereich eine Unsicherheit gibt. Es musste zudem festgestellt werden, dass die Vorgesetzten, einschließlich der Präsident, von den Tatsachen, aus denen sich die Mängel er

geben, Kenntnis hatten. Sie haben jedoch keine Maßnahmen ergriffen, um diese Mängel auszuräumen. Das Thüringer Innenministerium hatte hiervon hingegen keine Kenntnis, da von der für die Fachaufsicht zuständigen Abteilung nach dortigem Verständnis das operative Geschäft des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz von der Fachaufsicht nicht überwacht wurde. Dies war im Hinblick auf die Aufgabe der Fachaufsicht so nicht vertretbar. Die PKK wertet dies als einen zukünftig zu beseitigenden Mangel, der die beschriebene Fehlentwicklung erst ermöglichte.

Die von Herrn Trinkaus gelieferten Informationen waren wohl entgegen der Einschätzung der damaligen Beteiligten nur im geringen Maße von größerer Bedeutung. So wurden nur in sehr geringem Maße Informationen über beabsichtigte Straftaten mitgeteilt. Die einzig bedeutsame Information war daher zu den Überlegungen der rechtsextremen Szene zu dem Überfall auf das sogenannte besetzte Haus. Sie wurden allerdings von Herrn Trinkaus nur vage erwähnt, die Informationen fanden Aufnahme in Deckblattmeldungen, so dass die Hausleitung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz hierüber Kenntnis hatte. Die Untersuchungen haben auch ergeben, dass die Auswertung versuchte, über Beschaffungsaufträge und andere Mittel genauere Informationen zu erlangen, was aber kaum Erfolg hatte. Eine Information an das Thüringer Innenministerium konnte nicht aktenkundig festgestellt werden, es ist allerdings davon auszugehen, dass Herr Sippel im Rahmen eines Monatsgesprächs das Thüringer Innenministerium entsprechend unterrichtete. Ebenso kann sicher angenommen werden, dass die Polizei über die Sicherheitslage oder über die Thüringer Informations- und Auswertungszentrale diese Information erhielt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich im Weiteren zu den wesentlichen Ergebnissen hinsichtlich der Problematik der Nichteinbindung Dritter kommen. Die Unterrichtung Betroffener über Informationen, die durch den VM dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bekannt werden, war zum damaligen Zeitpunkt über die Regelungen im Thüringer Verfassungsschutzgesetz hinaus nicht durch Dienstvorschriften oder Richtlinien geregelt. Dies stellt einen weiteren Mangel dar, der mit ursächlich für die aufgetretenen Probleme war. Herr Trinkaus war ein sehr aktiver Kreisvorsitzender der NPD. In dieser Funktion, aber auch persönlich hatte er selbst und durch von ihm gesteuerte Personen die politischen Mittel der NPD eingesetzt. Dieses waren vor allem die „Wortergreifungsstrategie“, das Engagement in Vereinen und gemeinnützigen Organisationen, mithin wirksame Aktionen beim Thüringer Landtag, das Einschleusen von Sympathisanten in Parteien, um diese zu einem geeigneten Zeitpunkt zu enttarnen, der Versuch, mit wichtigen Personen anderer Parteien in Kontakt zu

kommen und eine enge Beziehung behaupten zu können. Über diese Aktivitäten hat Herr Trinkaus das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz vage und meist erst im Nachhinein unterrichtet. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz konnte deshalb auch nur in wenigen Fällen durch Informationen an die Betroffenen aktiv werden. Diese Informationen erfolgten in der Regel mündlich und wurden nicht aktenkundig gemacht. Ein Beispiel für eine solche Information ist die Unterrichtung des hiesigen Bundes der Vertriebenen über den Versuch, eine rechtsextremistisch beeinflusste Jugendgruppe zu gründen.

Insgesamt muss jedoch eingeschätzt werden, dass den bestehenden Informationspflichten auch oftmals nicht genügt wurde. Soweit es zulässig war, personenbezogene Daten weiterzugeben, wurden die entsprechenden Ämter unterrichtet, sofern nicht der Quellenschutz als vorrangig angesehen wurde. Es musste im Rahmen der Untersuchung allerdings auch festgestellt werden, dass das Thüringer Innenministerium als Aufsichtsbehörde Informationen über die operative Arbeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und besonders die Namen und Aktivitäten von V-Männern bewusst nicht haben wollte. Vermerke des Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz über Besprechungen mit der Hausleitung des Thüringer Innenministeriums aus dem Januar und April 2007 legen allerdings nahe, dass diese über die V-MannEigenschaften des Herrn Trinkaus unterricht worden ist. Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass andere vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz geführte Personen in Parteien, Fraktionen oder Vereinen Funktionen übernommen haben oder dass solche Personen an der Kompromittierung von Politikern beteiligt waren.

Im Ergebnis nimmt die PKK zur Kenntnis, dass dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz die Problematik der weiteren Führung von Kai-Uwe Trinkaus durchaus vor Augen stand und auch hinterfragt wurde. Allerdings erfolgte die Abschaltung im Ergebnis zu spät. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Aktivitäten von Trinkaus, die teilweise nicht mit allen Möglichkeiten recherchiert wurden, hätte eine frühere Reaktion erfolgen sollen. Die Mitglieder der PKK begrüßen hier für die Zukunft klarere Regelungen für die Übermittlung.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nunmehr zu einem Punkt kommen, der die Parlamentarische Kontrollkommission unmittelbar betrifft, deren damalige Unterrichtung durch die Landesregierung. Die PKK hat zu der Thematik in acht Sitzungen im Zeitraum vom 21. Juli 2006 bis zum 28. Juli 2007 beraten. In den turnusmäßigen Sitzungen wurde eine grundsätzliche Unterrichtung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes gegeben. Diese Berichte waren, soweit man sich auf die Vorlagen des Thüringer Landesamts für

Verfassungsschutz an das Thüringer Innenministerium zur Vorbereitung der Sitzungen beziehen kann, sehr umfangreich. Allerdings erschöpften sie sich zu einem beachtlichen Teil in Mitteilungen über personelle Entwicklungen im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, über Haushaltsfragen sowie die allgemeine Sicherheitslage. Inwieweit dies in den Sitzungen mündlich vorgetragen wurde, lässt sich aus den Protokollen der PKK, die damals lediglich Beschlussprotokolle waren, nicht in vollem Umfang entnehmen. Diese Berichte wurden schriftlich ein bis zwei Tage vor der Sitzung der PKK beim Thüringer Innenministerium als Fachaufsicht eingereicht und waren die Grundlage für die Berichterstattung in der PKK selbst. Die Berichte bestanden aus den Erkenntnissen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, die vom Ministerium nicht abgeändert oder nach festgelegten Änderungsprofilen oder schwerpunktmäßig überprüft wurden. Sie wurden lediglich vom Aufsichtsreferat grob durchgesehen, mit einem Vermerk versehen, in dem auf Besonderheiten hingewiesen wurde und in dem gegebenenfalls eine Kurzbewertung erfolgte. Dazu kam gegebenenfalls eine Vorlage zu sonstigen Themen, die in der PKK angesprochen werden sollten. Da die Bearbeitungszeit sehr knapp war, wurden Änderungen im Bericht praktisch nie gefordert. Dies war auch nicht nötig, da es sich um Erkenntnisse des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz gehandelt hat, die dem Thüringer Innenministerium nicht bekannt gewesen sind. Diese Vermerke zu den Berichten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz wurden in einer Hausvorlage für den Minister aufbereitet. Entsprechende Unterlagen waren in den übergebenen Akten nicht vorhanden. Über diese allgemeinen Informationen hinaus wurden sonstige Informationen, insbesondere in Bezug auf die operative Arbeit, kaum gegeben. Sonstige Angelegenheiten von besonderer Bedeutung wurden kaum vorgebracht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Informationen an die PKK über die personelle Entwicklung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz waren nur zum Teil von Relevanz für die Parlamentarische Kontrolle. Diese Informationspolitik durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz war in großen Teilen eine bewusste, unvollständige, nicht zweckdienliche Information der PKK. Die Unterrichtung über die allgemeine Tätigkeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz erschöpfte sich weitgehend in einer Darstellung der sicherheitspolitischen Lage in Thüringen aus verfassungsschutzrechtlicher Sicht mit zahlreichen Einzelinformationen. Die gegebenen Informationen enthielten zu einem großen Teil nur die Sachverhalte, die später auch im Verfassungsschutzbericht veröffentlicht wurden. Die PKK erhielt so zwar einen gewissen Informationsvorsprung, dies allein kann aber nicht das Ziel der Unterrichtung sein. Insgesamt drängt sich für den Sachver

ständigen der Eindruck eines Misstrauens gegenüber der PKK auf, der man möglichst nur Informationen gibt, deren Bekanntwerden unproblematisch wäre. Diese Bemerkung des Sachverständigen teilt die PKK ausdrücklich. Damit ist aber die Kontrollmöglichkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission im Kern nicht gewährleistet. Die Parlamentarische Kontrollkommission hat im vom Sachverständigen beschriebenen Zeitraum mehrmals die mangelhafte Information scharf kritisiert und Verbesserungen gefordert. Einige Abgeordnete verließen deshalb mehrfach aus Protest die Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission. In einem Fall ließ ein Abgeordneter sogar sein Amt ruhen. Soweit in diesem Zeitraum zu ersehen, war der Erfolg dieser Kritik leider nicht durchschlagend. Informationen an die PKK bedürfen im Hinblick auf die effektive Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle als Funktionsbedienung des Systems der wehrhaften Demokratie einer stärkeren Strukturierung und Akzentuierung. Dabei geht es um die Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ebenso wie um die Funktionsbedienung des Amtes, die Struktur seiner Erkenntnisse und die Beurteilung der Quellenlage. Dies durchzusetzen ist eine auch von der Fachaufsicht wahrzunehmende Führungsaufgabe. Die Parlamentarische Kontrollkommission erwartet, dass der zukünftige Präsident des Amtes seine Führungsaufgabe genau so versteht und entsprechend umsetzt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was könnte im Rahmen der Unterrichtung verbessert werden? Bei der regelmäßigen Unterrichtung über die allgemeine personelle Situation des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz bedarf es einer gezielten Information zu bedeutenden Faktoren der Personalsituation, wie die Nichtbesetzung freier Stellen, Personalveränderungen und Qualifikationen. Zudem sollte die Unterrichtung über Vorgänge von besonderer Bedeutung und über die operative Arbeit einen breiteren Raum einnehmen. Dabei müsste zumindest bei den dargestellten Sachverhalten umfassend informiert, die fraglichen Sachverhalte im zeitlichen Zusammenhang mit der Sitzung der Kommission verstärkt aufbereitet bzw. stichprobenhaft überprüft werden. Auch hierzu wird die Kommission zukünftig verstärkt auf Unterstützung angewiesen sein.

Dazu gehört, dass die Einflussnahme von Vertrauensmännern bei solchen Sachverhalten und Aktionen mitgeteilt wird. Durch eine solche Mitteilung würde es der Parlamentarischen Kontrollkommission möglich sein, ihre Bewertung bezüglich des Einsatzes von VM der politisch entscheidenden Landesregierung zur Kenntnis zu geben.

Fragen der Informationsübermittlung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz sollten wegen ihrer Bedeutung unbedingt in einer Dienstanweisung geregelt werden, die der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Kenntnis gegeben werden müsste. Ebenfalls sollte die Parlamentarische Kontrollkommission über den Inhalt der anderen wichtigen Dienstanweisungen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz unterrichtet werden. Damit wäre das interne Abweichen von diesen Vorschriften nicht mehr so ohne Weiteres möglich. Es wäre hierbei auch an eine Benehmensregelung zu denken. Diese müsste im Gesetz fixiert werden. Das Controlling als unabhängige Stelle zur Überprüfung neuer Beschaffungswünsche und zur Beurteilung der einschlägigen Verfahrensabläufe im Land muss in tatsächlicher Weise gestärkt werden, ohne durch zusätzliche Bürokratie die operative Arbeit unverhältnismäßig zu schwächen. Dazu gehört auch ein ständiger Stellvertreter. Einer von beiden sollte die Befähigung zum Richteramt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass sich das erstmalig eingesetzte Instrument des Sachverständigen der PKK bewährt hat. Der Sachverständige hat ganz maßgeblich dazu beigetragen, einen komplexen Sachverhalt aufzuklären und Vorschläge zu erarbeiten, wie die Arbeit des Verfassungsschutzes verbessert werden kann, um eine Wiederholung des Falles Trinkaus zu vermeiden. Es ergeht an dieser Stelle noch einmal ein herzlicher Dank an Herrn Dr. Norbert Engel und seine Mitarbeiter für ihre Tätigkeit und ihre geleistete Arbeit.

(Beifall im Hause)

Ausdrücklich schließt sich die PKK hierbei der Feststellung der Landesregierung an, dass der Bericht eine umfassende und fundierte Aufarbeitung sowie eine Analyse und entsprechende Bewertung des Sachverhalts enthält. Herrn Dr. Engel als Sachverständigem ist es gelungen, die grundlegenden Tatsachen schnell zu ermitteln und einer eingehenden Bewertung zu unterziehen. Die generierten Untersuchungsergebnisse basieren auf einer tiefgründigen Aktenrecherche sowie auf ausführlichen Befragungen der an diesem Sachkomplex damals auf der jeweiligen Verantwortungsebene beteiligten Personen.

Der Sachverständige hat die grundlegenden Tatsachen präzise ermittelt und bewertet sowie die Entwicklung des Geschehens rund um die Forschung und Werbung von Herrn Trinkaus als Vertrauensperson des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und seine anschließende kurzzeitige Führung als Vertrauensperson nachgezeichnet. Insbesondere ist an dem Bericht hervorzuheben, dass dieser eindeutig und klar aus einer Ex-postPerspektive die Defizite, die im Verwaltungsvollzug hinsichtlich der Forschung und Werbung sowie der

kurzzeitigen Führung als Vertrauensperson festgestellt wurden, benennt.