Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

sen wir auch. Armut trotz Erwerbstätigkeit - gegen dieses Phänomen der „Working Poor“, Sie können sich überall umschauen in den europäischen Ländern, ist es richtig, etwas zu tun. Deswegen ist es auch vernünftig, dass der Mindestlohn kommt.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Die Ar- beitslosigkeit ist doppelt so hoch.)

Jetzt will ich die SPD auch mal bei ihrer Ehre packen, sie habe das ja schon immer gesagt und gewusst. Ich möchte mal daran erinnern, dass es die bündnisgrüne Fraktion in Thüringen war, die im Mai 2012 ein Mindestlohngesetz für Thüringen vorgelegt hat

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und dass wir die Möglichkeit geboten haben, die Tür aufgemacht haben, sämtliche Vergaben öffentlicher Aufträge daran zu orientieren, dass vernünftig bezahlt wird. Allein Sie haben sich mit Frau Lieberknecht untergehakelt, sind nach Berlin gelaufen, haben so ein bisschen Pseudo-Bundesratsinitiative gemacht und dann darauf gehofft, dass das passiert, was jetzt ist - zum 01.01.2015 regnet es Ausnahmen. Ja, der Mindestlohn kommt, aber über die Ausnahmen muss man diskutieren. Offenbar gibt es da innerhalb der Koalition auch immer noch Druck.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, ein Image wird man ganz schlecht von heute auf morgen los, da müssen Sie hier auch mit einer gemeinsamen Sprache auftreten, das kann ich an dieser Stelle auch Frau Holzapfel nur empfehlen, weil Sie über Menschen reden, die es verdient haben, die es wirklich verdient haben, von ihrer Hände Arbeit leben zu können. Und wenn Sie dann Jugendlichen sagen, dass sie doch in Supermärkten, weil sie unter 21 sind, besser aufgehoben sind als Menschen, die jahrelang im Einzelhandel tätig sind und ein Recht darauf haben, vernünftig bezahlt zu werden, auch da sind Sie auf dem Holzweg, wenn Sie Ausnahmen fordern. Das sage ich in Richtung CDU-Fraktion. Oder wenn Sie für Saisonbeschäftigte, die definitiv eine hohe Leistung bringen und von denen viel erwartet wird, wenn Sie für diejenigen behaupten, auch dafür sind Ausnahmen das Richtige, auch da liegen Sie falsch. Ich glaube, auch im Bau, auf dem Feld und ringsherum geht es darum, dass Arbeit angemessen bezahlt wird. Was Sie wollen, ist eine Dauerausnahme; das ist nicht das Richtige.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur gestern veröffentlichten Studie zum Aufbau Ost noch ein Satz: Ich glaube, wer heute meint, sagen zu können, der Aufbau Ost kann als Nachbau West - und das ist lange die Strategie gewesen - nach 25 Jahren auf Herz und Nieren geprüft werden und dann kann man Schlüsse ziehen, der liegt falsch.

Das wird noch viele Jahre dauern, das ist richtig, aber dazu gehört auch, dass man konsequent

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit.

daran arbeitet und gute Arbeit für Thüringen auch wirklich umsetzt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es gibt keine Wortmeldungen der Abgeordneten mehr. Herr Minister Höhn hat das Wort.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, dann wollen wir mal versuchen, in der Debatte, die ich für sehr notwendig und auch für richtig erachte - das will ich durchaus an der Stelle betonen -, hier eine ehrliche Bestandsaufnahme von dem, was war, und vor allen Dingen von dem, was jetzt ist, vorzunehmen. Ich weiß nicht, vielleicht war es Absicht, vielleicht auch nicht, aber mit dem Titel der Aktuellen Stunde „Gute Löhne auch in Thüringen stärken Schluss mit der Niedriglohnstrategie“ hat die Fraktion DIE LINKE genau die Thüringer Arbeitsmarktpolitik beschrieben, die schon vorher in den letzten viereinhalb Jahren in Thüringen gewesen ist. Ob das ihre Absicht war, ich unterstelle mal ja; das ist in Ordnung. Ich will Ihnen das auch ganz gerne an dieser Stelle begründen. Man muss sich nämlich nicht nur fragen - und da ist insoweit auch einmal ein Stück weit Bilanz gestattet, auch wenn ich weiß, dass das möglicherweise wieder etwas Redezeit für die Fraktionen generiert, aber das nehme ich dankend in Kauf, aber es gibt Dinge, die müssen an dieser Stelle zu diesem Thema ganz einfach gesagt werden. Die Frage, die sich stellt, wenn man heute die Bilanz zieht oder wenn man die Strategie, die Niedriglohnstrategie kritisiert: Wo standen wir vor zehn oder - vielleicht sogar besser - wo standen wir vor 20 Jahren in Sachen Arbeitslosigkeit? Vielleicht doch einmal zur Erinnerung: 1994 190.400 Arbeitslose, das waren 15,6 Prozent. Drei Jahre später waren fast 218.000 Menschen in Thüringen arbeitslos, 17,8 Prozent; wir waren damit ziemlich am Ende der Statistik in der Bundesrepublik angelangt. Es wurden damals wirklich schnell viele Arbeitsplätze benötigt. Das müssen wir uns doch an dieser Stelle eingestehen. Es ging darum, Massenarbeitslosigkeit wirksam einzudämmen und einer ganzen Generation - das klingt etwas pathetisch, ist aber durchaus angebracht - wieder eine Perspektive zu

bieten, und zwar in Arbeit, möglichst jenseits der sozialen Sicherungssysteme. Dass dabei jedes Mittel recht und niedrige Löhne eines davon war, das vermag ich noch nachzuvollziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber - und auch das gehört zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme dazu viel zu lange hat man das Niedriglohnniveau in Thüringen als Standortvorteil angepriesen. Viel zu lange hat man der Abwanderung von jungen Menschen, von motivierten Arbeitskräften taten- und manchmal auch ideenlos zugeschaut und viel zu lange haben wir uns damit zufriedengegeben, verlängerte Werkbank zu sein. Ich sage es ganz offen, meine Damen und Herren, mit den Spätfolgen dieser Politik haben wir noch heute zu kämpfen und werden auch noch eine Weile zu kämpfen haben. Die Auswirkungen werden die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik unseres Freistaats - ob wir das wollen oder ob wir das nicht wollen -, sie werden uns nach wie vor beschäftigen und noch über Jahre bestimmen.

Ich verweise an dieser Stelle auf den wirklich enormen Fachkräftebedarf. Sie wissen, dass ich an dieser Stelle nicht oder ungern von Fachkräftemangel rede. Der enorme Fachkräftebedarf und vor allem die Schließung der doch immer noch sehr relevanten Produktivitätslücke - das wurde übrigens auch gestern bei der Vorstellung der Studie durch Frau Gleicke wieder deutlich - diese beiden Dinge sind nur die Spitze des Eisbergs.

Genau das sind die großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Dass die trotz der letzten fünf Jahre weiter bestehen, dazu komme ich gleich noch. Das hat natürlich auch etwas mit der Politik zu tun, die in den zehn Jahren zuvor gemacht worden ist.

Aber wir haben in dieser Legislatur etwas geschafft - gemeinsam im Übrigen, Herr Kollege Mohring, bevor die Befindlichkeiten zu groß werden -, was bisher so keine Landesregierung geschafft hat.

Nur noch einmal zu einem Stück Bilanz vor 2009: Auf das Jahr gerechnet, erhielten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat 40, fast 41 Prozent weniger Geld als die Menschen in Westdeutschland, obwohl sie dafür rund 100 Stunden länger als ihre Kollegen in den alten Bundesländern gearbeitet haben. Dass das Image oder das Bild, das in den Medien über Thüringen gezeichnet worden ist, immer noch vorherrschend ist und sich nur langsam wandelt, wir waren das Billiglohnland in Deutschland, ja, das waren wir, meine Damen und Herren. Wir waren die verlängerte Werkbank westdeutscher Großunternehmen. Da ist ein Image entstanden. Ich habe gestern erst wieder eine Runde in Südthüringen im Kreis von Unternehmern bestritten. Da entsteht ein Image, das Fachkräfte und auch den einen oder anderen innovativen Unternehmer wirklich abgeschreckt hat. Von

(Abg. Siegesmund)

denen, die konnten - wer ist denn da gegangen? Es sind die Hochmotivierten gegangen. Es sind die gut Ausgebildeten, es sind die Jungen, die Leistungsfähigen, die Kreativen, die unserem Land damals den Rücken gekehrt haben. Sie zurückzubekommen ist ganz schwer, auch wenn es dafür in Thüringen mittlerweile gute Ansätze gibt.

Heute, meine Damen und Herren, ein Bericht der „Deutschen Welle“ vom vergangenen Jahr, wir werden jetzt mittlerweile als die „Schwaben des Ostens“ bezeichnet - ob das ein Lob ist, das müssen die Schwaben beantworten. Es ist jedenfalls positiv gemeint gewesen von der „Deutschen Welle“, das will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Andere schreiben von der „Number One“ der neuen Länder oder vom „ostdeutschen Tigerstaat“. Ich will damit sagen, das Image beginnt sich langsam, aber es beginnt sich zu verändern. Es ist kaum noch die Rede vom Billiglohn oder vom Billiglohnland. Es stehen genau die richtigen Wettbewerbsvorteile im Mittelpunkt. Wie gesagt, nicht mehr billige Arbeitskräfte, die zentrale Lage in der Mitte Europas spielt eine Rolle, kurze Wege, im Übrigen auch, weil das Herr Kemmerich vorhin angesprochen hat, zwischen Forschung und Unternehmen. Die große Wirtschaftskonferenz in der letzten Woche in Weimar hat genau diese kurzen Wege in Thüringen noch einmal deutlich zum Tragen gebracht. Das wird auch auf Bundesebene anerkannt. Ein starker Industriestandort, der wirklich tief verwurzelt ist zwischen Tradition und Moderne, das ist unser Thüringen 2014. Wir sind ein gutes Beispiel dafür, dass Arbeitsmarkt-, und jetzt sage ich es auch selbstbewusst, sozialdemokratische Arbeitsmarktpolitik wirkt. Die Durchsetzung

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ha ha ha, es wird nicht besser.)

- da können Sie lachen, Herr Kollege Heym. Ich weiß, wir haben das trotz Ihres Wirkens als wirtschaftspolitischer Sprecher geschafft. Ich sage das ganz deutlich: Der Thüringer Arbeitsmarkt ist robust, weil Unternehmen und Beschäftigte an einem Strang ziehen und die Sozialpartnerschaft ausgebaut wurde. Sie ist noch nicht da, wo wir sie haben wollen, aber sie ist ausgebaut worden. Insofern teile ich die Einschätzung des Kollegen Weber in seinem Redebeitrag. Es war eben nicht selbstverständlich, diesen Imagewandel zu vollziehen. Das haben wir zum einen den gemeinsamen Anstrengungen aller Thüringerinnen und Thüringer zu verdanken, aber es gehört auch dazu, dass wir es geschafft haben, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenzubringen und dass wir ein Umdenken generiert haben, meine Damen und Herren, ein Einsehen. Und wir haben die Lohnentwicklung gemeinsam mit Gewerkschaften und den Unternehmen gedacht, denn allen ist doch klar gewesen oder ist mittlerweile klar, sie müssen es wollen. Sie müssen es wollen, ansonsten können wir den Problemen,

die ich beschrieben habe, Stichwort Fachkräfte, eben nicht beikommen. Es gehört wirklich zu den Leistungen dieser Landesregierung, dass wir es wirklich zum ersten Mal geschafft haben, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zusammengebracht und zusammengedacht zu haben. Und es gehört dazu, auch das will ich nicht unter den Tisch kehren, dass wir möglichst jeder und jedem die Chance ermöglichen, am Arbeitsleben teilzuhaben, auch denen, die in früheren Zeiten vielleicht schon abgeschrieben gewesen sind und es kommt auch darauf an, dass man den Menschen eine zweite und, wenn es notwendig ist, auch eine dritte Chance gibt, auf den Arbeitsmarkt zurückzukommen.

Wir haben uns damals - mein Vorgänger im Amt, Matthias Machnig, hat sich und damit die gesamte SPD - dem Vorwurf aussetzen müssen, wir würden eine ideologische Debatte führen, wenn wir sagen, billige Löhne können kein Geschäftsmodell sein. Meine Damen und Herren, das bezweifelt niemand mehr, niemand. Die konzertierte Aktion in Thüringen 2010 war der Startschuss und es war ein Startschuss zum Umdenken. Noch im gleichen Jahr wurde die „Initiative für höhere Tarifbindung und höhere Akzeptanz tariflicher Entlohnung in Thüringen“ verabschiedet. Dabei ging es nicht nur um die Erhöhung der Tarifbindung, sondern vor allem auch darum, betriebliche Mitbestimmung zu erhöhen, denn, meine Damen und Herren, wir alle wissen, Demokratie hört eben nicht am Werkstor auf, auch nicht in Thüringen.

Es gibt ein Gremium, den Wirtschafts- und Innovationsrat, damit haben wir zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, dass sich die Sozialpartner regelmäßig zusammenfinden, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Wer die letzten beiden Sitzungen dieses Gremiums, die ich leiten durfte, mitgemacht hat, der hat gespürt, dass beide Seiten oder die gesamten Sozialpartner diesen Willen mittlerweile auch leben.

Meine Damen und Herren, wir haben weiterhin so effektiv wie keine andere Landesregierung in Deutschland arbeitsmarktpolitische Instrumente entwickelt und unsere Förderrichtlinien so angepasst, dass gute Arbeit wirklich zum Grundsatz der Wirtschaftsförderung werden konnte. Ich denke zum Beispiel an ein solches Thema, das auch hier dieses Haus damals beschäftigt hat. Das war das Thema der Leiharbeitsquote in der GRW-Förderung. Wird ein bestimmtes Niveau an Leiharbeit überschritten, wird weniger oder gar kein öffentliches Geld zur Verfügung gestellt. Mittlerweile haben die Unternehmer das verinnerlicht. Es gibt niemanden, ich habe das selbst ausgetestet und darüber mit den Kammern und Wirtschaftsverbänden diskutiert, es gibt niemanden mehr, der dieses Prinzip anzweifelt oder infrage stellt. Wir haben mit dem Thüringer Vergabegesetz seit 2011 zum ersten Mal ein Gesetz, das bei der Vergabe von staatlichen Aufträgen die Einhaltung sozialer, ökologischer und

(Minister Höhn)

tarifrechtlicher Standards einfordert. Auch die Lohnkostenförderung aus dem Europäischen Sozialfonds wird nur für gute Arbeit vergeben. Gewerbliche Leiharbeit wurde ganz von der Förderung ausgeschlossen. Die Leiharbeit ist sicher ein notwendiges Instrument, um konjunkturelle Schwankungen für die Unternehmen, vor allem, wenn es so kleinteilig ist wie in Thüringen, zu überstehen. Dieses Prinzip bestreitet auch niemand, es soll aber nicht zum Unternehmensmodell oder zum Geschäftsmodell missbraucht, sondern muss auf den ursprünglichen Zweck zurückgeführt werden. Das konnten wir noch nicht ganz, auch das will ich eingestehen, aber zunehmend besser organisieren, als das früher der Fall gewesen ist.

Meine Damen und Herren, das Thema „Mindestlohn“ wurde jetzt schon mehrfach von fast allen Rednern angesprochen. Ich habe den Eindruck, es diskutiert jeder, ich sage es mal so, wie es ihm aus seiner Sicht gerade einfällt. Das will ich gar nicht kritisieren, aber Fakt ist eins, ob das nun jedem gefallen hat oder nicht, dass das Thema Mindestlohn auch seinen Ursprung in Thüringen genommen hat, von mir aus auch durch die Initiative der bündnisgrünen Fraktion, das will ich auch gar nicht bestreiten, aber letztendlich konsequent auf die bundespolitische Bühne gehoben hat es diese Landesregierung. Nicht umsonst ist das, was dem deutschen Bundestag jetzt als Mindestlohn-Gesetzentwurf vorliegt - nicht in allem, aber in wesentlichen Zügen am Thüringer Modell orientiert. Auch das sollten wir, meine Damen und Herren, hier selbstbewusst darlegen und nicht verschämt versuchen, das schlechtzureden. Es ist nach wie vor so, 34 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat, es sind fast 270.000 Personen, verdienen bislang weniger als den Mindestlohn und deshalb wird der Mindestlohn auch für Thüringen eine positive Wirkung haben. Das sei allen Kritikern an dieser Stelle noch einmal gesagt.

(Beifall SPD)

Ein weiterer Punkt: Wir haben die Fachkräftesicherung in den Fokus der Thüringer Arbeitsmarktpolitik gerückt. Fast jeder kennt die Zahl, ich habe sie schon oft referiert, den Bedarf bis 2025: Rund 280.000 brauchen wir in Thüringen, nur dann können wir unsere positive und dynamische wirtschaftliche Entwicklung fortsetzen. Dafür haben wir zum Beispiel das Programm „Thüringen braucht dich“ für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich ohne abgeschlossene Berufsausbildung ins Leben gerufen, ein Projekt, das nun mit dem Programm „Zweite Chance“ auf Bundesebene durchaus auch Nachahmer gefunden hat. Ich war dabei, als die Bundesarbeitsministerin gesagt hat, dass sie dieses Programm „Thüringen braucht dich“ aus Bundessicht einer verstärkten, ja positiven Evaluierung unterziehen will und es Überlegungen gibt, das noch weiter auf die Bundesebene zu rücken.

Ein voller Erfolg, meine Damen und Herren, ein wirklich voller Erfolg ist auch unser Landesarbeitsmarktprogramm. Wenn ich daran denke, welche Diskussionen wir in diesem Haus geführt haben, damit dieses Programm überhaupt auf die Tagesordnung genommen wurde. 13.900 Menschen, also fast 14.000 Menschen, die in früheren Zeiten bereits abgeschrieben waren, meine Damen und Herren, wurden und werden betreut. Fast 5.000 von ihnen - 4.700 - konnten bereits in eine Arbeit oder eine Ausbildung vermittelt werden. Das sind Zahlen, die darf man sich ruhig auch einmal zu Gemüte führen, vor allen Dingen bei denjenigen, die immer noch die Absicht haben, dieses Programm in Zukunft nicht mehr weiterzuführen.

Wir haben außerdem, ein weiterer Punkt, die Berufsvorbereitung und Berufsorientierung intensiviert, wir haben die individuelle Förderung und Begleitung für die Jugendlichen verbessert, damit Fehlentscheidungen und Abbrecherquoten minimiert werden. Wir haben mit der Agentur für Fachkräftegewinnung und mit dem Welcome Center eine Servicestelle für ausländische Studenten und Fachkräfte eingerichtet. Und jetzt, meine Damen und Herren, ist es die Aufgabe, die Umsetzung der Mobilisierungsstrategie 55 + weiter voranzubringen, damit auch ältere Beschäftigte länger im Erwerbsleben bleiben können, wenn sie es wollen. Es gilt, meine Damen und Herren, wir müssen alle Thüringerinnen und Thüringer gemäß ihren Fähigkeiten fördern und wir lassen niemanden zurück, der bereit ist, mit anzupacken und unser Land voranzubringen. Dieser Dreiklang aus Ausweitung der Sozialpartnerschaft, neuer Ausrichtung der Förderrichtlinien und Fachkräftesicherung durch Integration und Stärkung der Mitbestimmung zeigt erste Erfolge. Ich nehme an, Sie haben alle registriert, dass das Thüringer Landesamt für Statistik erstmals seit fast 20 Jahren den reinen Wanderungssaldo positiv vermeldet hat. Da lassen wir solche Aspekte wie Geburtenrückgang und den sogenannten Sterbeüberschuss - ein hässlicher Begriff, aber er ist nun einmal so - außen vor, der reine Wanderungssaldo in Thüringen ist positiv, er ist erst leicht positiv. Ich würde mir wünschen, es wären 15.000 im Plus, es sind nur rund 150, aber wichtig ist der Trend und der zeigt in dieser Richtung ganz klar nach oben. Wenn man sich vor Augen hält, 2006 - das ist noch nicht so lange her - haben wir 14.000 Menschen allein als Defizit nur im Wanderungssaldo gehabt. Daran kann man erkennen, dass mittlerweile die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, beginnen zu greifen. Die Arbeitslosenquoten sind hier schon von verschiedenen Rednern referiert worden, der letzte Stand 7,8 Prozent im Mai, das bringt uns an die Spitze der ostdeutschen Länder und in der Gesamtschau in das gute Mittelfeld. Wie gesagt, die Unternehmen suchen nicht nur nach Fach- und Arbeitskräften, sondern sie suchen mittlerweile auch nach Auszubildenden oder nach Auszubildenden

(Minister Höhn)

Interessenten. Da hat sich das Verhältnis fast umgekehrt. Wir haben heute etwa 100 Bewerber und dem stehen 120 Ausbildungsplätze gegenüber. Das war vor wenigen Jahren noch deutlich anders.

Meine Damen und Herren, ich wollte noch ein paar Sätze zu der von einigen Vorrednern hier angesprochenen Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung sagen. Zum einen bin ich erst einmal dankbar dafür, dass das von zumindest den meisten hier im Hohen Haus positiv gesehen wird; ich nehme da an der Stelle ausdrücklich die FDP-Fraktion aus, aber wundern tut mich das nicht wirklich. Diese Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung, die erstens ganz klar, und ich sage Ihnen das, ich weiß nicht zum wievielten Male, dass die Förderrichtlinie, die GRWFörderung in Zukunft ganz klar auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen ausgerichtet ist. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Da können Sie das auch geringschätzen, wie Sie wollen, das bleibt eine Tatsache. Wir tun zum ersten Mal etwas, was es in vorherigen Förderperioden so nicht gab. Wir fördern die Qualität der Arbeitsplätze; zum einen, wenn es darum geht, neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Bruttoentgeltgrenze ist hier schon mehrfach genannt, das ist ein Kriterium, und wir fördern, auch zum ersten Mal übrigens, meine Damen und Herren, bestehende Arbeitsplätze, die sind in Zukunft förderfähig. Das ist etwas, was uns vor allen Dingen von den Kammern und Wirtschaftsverbänden seit Jahren vorgehalten bzw. gewünscht wird, dass wir es schaffen müssen, den Bestand an Unternehmen auch hier zu halten. Dass da eine Lohndynamik nachgewiesen sein muss, auch das geht in Richtung Qualität der Arbeitsplätze, um nicht zuletzt die vorhin schon beschriebene Produktivitätslücke nicht zu schließen, aber zumindest zu verkleinern, meine Damen und Herren. Wissen Sie, was wir geschafft haben, Herr Kemmerich? Wir haben das geschafft, diese Vereinbarung, diese Richtlinien gemeinsam mit Arbeitgeberverbänden, Kammern, Handwerkskammern, Wirtschaftsverbänden und den Gewerkschaften hinzubekommen. Das können Sie zur Kenntnis nehmen oder eben auch nicht. Das bleibt eine Tatsache, weil nämlich beide Seiten eingesehen haben, dass es, ohne in die Qualität der Arbeitsplätze zu investieren, in Thüringen nicht gelingen wird, diese Arbeitsplätze zu sichern. Diese Erkenntnis dürfte Ihnen normalerweise als FDP nicht schwerfallen, aber ich weiß nicht, von welchen wirtschaftspolitischen Linien Sie sich leiten lassen, sie können jedenfalls nichts damit zu tun haben, was in Thüringen gefordert und in Thüringen gebraucht wird. So viel dazu, meine Damen und Herren.

Sie sehen aus all dem, was ich Ihnen vorgetragen habe, es wurde ein mächtiger Stein ins Rollen gebracht. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass er weiter an Fahrt aufnehmen wird. Der Paradigmenwechsel der vergangenen Jahre,

nicht nur in der Wirtschafts- und in der Arbeitsmarktpolitik, sondern vor allem, und da will mich ausdrücklich auch bei den Thüringer Unternehmen bedanken, zeigt erste Erfolge und bringt den Freistaat auf den richtigen Weg, vor allen Dingen bringt er ihn auf einen besseren Weg, als den, den wir vor 10/15 Jahren eingeschlagen haben.

Ganz zum Schluss, meine Damen und Herren, ich habe zur Kenntnis genommen, der eigentliche Anlass der Aktuellen Stunde ist ein wirtschaftspolitisches Papier der CDU. Ich sage Ihnen ganz offen, man muss manche Dinge nicht ernster nehmen, als es unbedingt notwendig ist. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch die Verlängerung der Redezeit für die Erklärung des Wirtschaftsministers haben wir erneut Redezeit für die Fraktionen, und zwar 2 Minuten und 30 Sekunden pro Fraktion. Es hat sich zu Wort gemeldet die Abgeordnete Leukefeld von der Fraktion DIE LINKE. Ich sehe Herrn Heym, Herrn Barth.

Danke, Herr Minister, dass Sie uns noch einmal Redezeit verschafft haben. Im Übrigen sollte man den politischen Kontrahenten immer ernst nehmen, schon allein deshalb, dass es uns nicht so geht, wie mit dem Stein von Sisyphos, als er nämlich oben war, krachte er wieder runter. Deswegen sollen auch Wählerinnen und Wähler, Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wissen, wer welche Position wozu einnimmt. Das halte ich schon für wichtig.

(Beifall DIE LINKE)

Ansonsten, Herr Minister, könnten Sie uns jetzt sehr dankbar sein, dass Sie noch mal die „stolze Bilanz“ hier darlegen konnten.

(Zwischenruf Höhn, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Ich habe mich nicht beschwert.)

Nein. Es ist eben mit der guten Arbeit in Thüringen - das haben Sie selbst gesagt - nicht ganz so, wie man manchmal glauben möge. Entlohnung ist immer konkret. 270.000 Menschen in Thüringen verdienen weniger als 8,50 € - haben Sie selber gesagt. Ich will nur mal sagen, nach der Böckler Stiftung kämpfen 54 Prozent im Bereich der Gastronomie, 42 Prozent in der Landwirtschaft, 29 Prozent im Dienstleistungsbereich und 28 Prozent im Handel - schönen Gruß auch an Undine Zachlot von ver.di, gut, dass du heute hier bist - darum, bessere Löhne zu bekommen, weil sie weniger als 8,50 € verdienen; nicht zu reden von den 35 Prozent Aufstockern. Das ist Demütigung, das ist würdelos auch das will ich hier noch einmal sagen.

(Minister Höhn)

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen muss etwas getan werden. Herr Minister, Sie können sicher sein, dass wir uns immer, wenn es um gute Arbeit, um Stärkung der Gewerkschaften, um stärkere Arbeitnehmerrechte geht, an der Seite derjenigen befinden, die dafür eintreten. Da will ich gar nicht das „Hase und Igel“-Spiel mitmachen nach dem Motto: Wir waren schon da. Ich kann nur sagen, als wir vor 12 Jahren 7,50 € Mindestlohn auf irgendeinem Parteitag beschlossen haben, haben alle gelacht, sogar noch die Gewerkschaften und haben gesagt, das bekommen die nie hin. Ich denke, mit politischem Druck, mit Engagement und Kampf, vor allen Dingen auch mit denen, die es betrifft, kann man viel hinbekommen.

Zum Schluss vielleicht noch: Die Tarifbindung in Thüringen ist rückläufig trotz der konzertierten Aktion, deswegen, sage ich, brauchen wir starke Gewerkschaften auf diesem Weg. Ich sage auch, wir brauchen die Bereitschaft und Offenheit von