Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Volle Kraft“, wie Sie es nennen, sieht offensichtlich ganz anders aus. Ihre Programme, die Sie angeschoben haben, sorgen doch nicht für mehr Akzeptanz der Energiewende. Was Sie gemacht haben, ist, zu verhindern, dass es einen dezentralen Ausbau in Thüringen bei der Energiewende gibt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben sich eben nicht engagiert, sondern alles getan, dass Ziele, die machbar sind - und wir Grünen sagen, es ist machbar, bis 2020 60 Prozent selber in Thüringen zu erzeugen -, da haben Sie sich nicht aktiv eingesetzt, sondern dagegengestellt. Das ist Ihre Politik.

Frau Ministerpräsidentin, der Umweltschutz bei Ihrer Landesregierung ist noch nicht mal greenwashing. Das sagen nicht nur die Grünen, das sagt heute auf seiner Pressekonferenz auch der BUND. Der BUND hat sich Ihre 90-10-Mathematik auch mal sehr genau angesehen. Der BUND sagt, 90 Prozent der Umweltziele, die sich diese Landesregierung gesetzt hat - die finden wir ja schon banal genug -, sind nicht erfüllt. Also Sie sehen mal, von außen betrachtet - Kritik sollte man sich auch annehmen -, Sie haben an dieser Stelle völlig versagt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was meint der BUND und was sagen wir zu diesem Thema? Sie sorgen doch nicht dafür, dass es in Thüringen eine nachhaltigere Lebensqualität gibt, wenn Sie gemeinsame Briefe schreiben mit dem sächsischen Ministerpräsidenten und sich für die Braunkohle aussprechen

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wenn Sie sich darum kümmern, dass an dieser Stelle wieder völlig falsche Standpunkte geäußert werden, anstatt die Menschen zu ermutigen, bei der Energiewende mitzumachen - denn das wollen Sie an verschiedenen Stellen in Thüringen und das haben Sie Gott sei Dank auch gegen Ihre Art und

Weise, Energiepolitik in Thüringen zu machen, trotzdem mutig selber in die Hand genommen.

Wenn Sie vorhin darüber reden, dass es darum geht, in Thüringen Klimaanpassung zu betreiben, dann haben Sie wieder nicht verstanden, worum es geht. Umweltpolitik heißt, dass man aktiv Klimaschutz betreibt. Klimaanpassungspolitik ist, dem Klimawandel hinterherzulaufen. Solange Sie das nicht verstanden haben, wissen Sie nicht, was Umweltpolitik ist.

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: Beides muss man tun.)

Sie liegen völlig daneben. Klimaanpassung ist einfach eine defensive Strategie, wo klar ist, dass Sie Ziele von vor 30 Jahren hier referieren, aber nicht wissen, was eigentlich wirklich dran ist und was zukunftsfähig ist.

Jetzt gehen wir mal ins Detail. Im Koalitionsvertrag steht: „Die Koalitionspartner vereinbaren (...), dass die Landesregierung bis 2012 die Einrichtung eines Biosphärenreservats Südharz prüft.“ Prüfaufträge sind immer etwas ganz Tolles, das kann man sich auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene angucken. Wenn man keine gemeinsamen Ziele hat, schreibt man einen Prüfauftrag. Genauso ist es auch gekommen. Minister Reinholz, der der Debatte jetzt lieber fernbleibt, und die CDU-Fraktion blockierten an dieser Stelle, weil sie wahrscheinlich auch lieber Jagdfotos aus dem Ministerium sortieren und ins Fotoalbum kleben wollten, als sich wirklich zu engagieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: So eine Frechheit.)

Das ist doch der Punkt. Wir sind dem Biosphärenreservat Südharz nicht einen Meter nähergekommen, weil Sie es nicht wollten, Frau Tasch. Sie können es ja richtigstellen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Die Men- schen vor Ort wollen es nicht.)

Sie behaupten im Koalitionsvertrag übrigens auch gemeinsam - und jetzt kommt es, das ist nicht mal mehr eine Halbwahrheit, das ist eine handfeste Lüge, wenn man sich die Umsetzung ansieht -, dass Sie den ökologischen Landbau gleichberechtigt neben der traditionellen Landwirtschaft fördern wollen. Das ist, wenn Sie sich die Umsetzung anschauen, schlicht gelogen. Sie wissen, dass der Ökolandbau sträflich vernachlässigt wurde. Die Anbaufläche ist zurückgegangen und die Umstellungsförderung ist 2013 ausgesetzt worden. Ich muss Ihnen nicht von Kaltensundheim berichten, wo am Ende der Umstieg auf konventionelle Landwirtschaft der einzige Ausweg war, weil Sie sich nicht gekümmert haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Hochwasserschutz. Im Koalitionsvertrag steht bei Ihnen: Ziel ist es, „das Thüringer Hochwasserschutzprogramm fortzuschreiben und finanziell angemessen auszustatten“. Ein beschlossenes Thüringer Hochwasserschutzprogramm gibt es nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Was es gibt, sind hier und da vollmundige Bekundungen und eine Reise der Ministerpräsidentin durch das Land und die Tatsache, dass sie sich an der einen oder anderen Stelle umschaut. Es gibt aber auch jene, die sie nicht besucht hat, weil die offenbar noch kein Geld bekommen haben und nicht entsprechend in die Kamera lächeln wollen. Das gehört nämlich zur Wahrheit auch dazu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Umweltpolitik können Sie also nicht mal 10 Prozent Umsetzung in Ihre Bilanz schreiben und das Gleiche gilt zum Stichwort Massentierhaltung.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Sie können nicht rechnen.)

Es ist gerade eben eine Meldung des LKA rausgegangen,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Gut, dass wir euch haben.)

wo Beamte im Augenblick im Saale-Holzland-Kreis eine Schweinezuchtanlage - heißt es in der LKAPressemitteilung, eine Schweinemastanlage wird es sein - durchsuchen, weil Sie jedem, der in Thüringen eine Mastanlage eröffnen wollte, auch noch die Tür richtig weit aufgehalten haben und mit Fördermitteln in sechsstelliger Höhe dafür gesorgt haben, dass es noch mehr Massentierhaltungsanlagen gibt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Skandal!)

Dazu sagen wir Nein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen Nein zu mehr Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft; Sie haben sich nicht darum gekümmert. Wir sagen auch Nein zu mehr Nitrateintrag auf Thüringens Böden; auch das war Ihnen egal. Das ist Ihre Art und Weise einer nicht zukunftsfähigen Umweltpolitik. Auch bei der Reduzierung des Flächenverbrauchs treten wir nach wie vor auf der Stelle.

Ein Wort noch zur Frage des Naturschutz- und Wassergesetzes: Das haben Sie einfach ausgesessen, auch hier keine Initiative. Und Sie wollen mir erzählen, dass Sie mit der Nachhaltigkeits- und Biodiversitätsstrategie, die Sie einfach nur fortgeschrieben haben, auch nur einen Akzent gesetzt haben, um das Artensterben in Thüringen aufzuhalten. Das ist Märchenstunde de luxe, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, reden wir darüber, was diese Koalition sich im Bildungsbereich vorgenommen hat. Wenn die Ministerpräsidentin als Spitzenkandidatin, als die sie eingeladen war, bei dem vom Mitteldeutschen Rundfunk initiierten gemeinsamen ersten Interview und dem anschließenden Chat teilgenommen hätte, hätte sie mitbekommen, hätte sie wahrgenommen, dass bildungspolitische Fragen die Menschen in Thüringen besonders umtreiben, dass Lehrermangel, Schulstundenausfall und Hortkommunalisierung den Eltern Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Aber Sie haben an der Stelle lieber gekniffen, deswegen haben Sie auch nicht mitbekommen, dass den Eltern sehr wohl aufgefallen ist, dass Sie die freien Schulen im Regen stehen lassen haben und dass wir als Grüne vor das Verfassungsgericht in Weimar ziehen mussten, um für diese freien Schulen zu kämpfen, und wir bleiben auch an der Seite der freien Schulen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere Frau Ministerpräsidentin, Sie haben die SPD mit Ihrem etatistischen Staatsverständnis an dieser Stelle laufen lassen und haben der SPD geholfen, dass es eine sich selbst erfüllende Prophezeiung gibt, nämlich dass natürlich, wenn an freien Schulen weniger Mittel zur Verfügung stehen, diese Schulen Schulgeld erheben müssen. Das ist doch ganz klar, dass das nicht anders funktioniert und damit in dem Fall auch die Zugangshürden größer werden. Das haben Sie unterstützt und dafür müssen Sie sich auch verantworten, Frau Ministerpräsidentin. Das Gericht hat Ihnen und Ihrem Kabinett bescheinigt, dass die Gesetze, die Sie verabschiedet haben, in Teilen auch noch verfassungswidrig sind, das gehört nämlich auch zur Bilanz dazu, darüber muss man reden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zur Verkehrspolitik. Im Koalitionsvertrag schrieben Sie: „Das Land nutzt alle Möglichkeiten, um den Bau von Ortsumgehungen zu beschleunigen.“ Jetzt ist „alle Möglichkeiten“ ein sehr dehnbarer, interpretierbarer Begriff. Scheinbar haben Sie damals, 2009, noch die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger bei Straßenlärm und Ortsumgehung wahrgenommen, das haben Sie dann aber ganz schnell vergessen, denn ernst genommen haben Sie diese Sorgen nie - Großengottern beispielsweise lässt grüßen, Frau Ministerpräsidentin.

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: Da war ich mehrfach vor Ort.)

Ja, vor Ort sein reicht aber nicht. Einmal vorbeikommen, guten Tag sagen und nach 30 Minuten wieder ins Auto steigen, hilft doch den Menschen

dort nicht, die dem Lärm ausgesetzt sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: Dauerbefassung!)

Bei der Planung und dem Ausbau der Infrastruktur herrschen doch weiter Konzeptlosigkeit und leere Versprechen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Prioritäten setzen.)

Es gab nie eine Prioritätensetzung, weil Sie sich es nicht getraut haben. Davon, dass im Koalitionsvertrag etwas von einem attraktiven Nahverkehr steht, will ich gar nicht reden. Wir haben als Grüne ein Konzept vorgelegt, „ThüringenTakt“ heißt das. Davon ist dieses Land sehr weit entfernt. Wir sagen, wie es geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch in der Verkehrspolitik haben Sie unter dem Strich, bei dem, was Sie versprochen haben, keine 90 Prozent erfüllt, sondern nicht mal 10. Das spricht auch an dieser Stelle für eine echte Matheschwäche.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Ihrer Jenaer Rede haben Sie gesagt, Frau Ministerpräsidentin, dass Thüringen vor großen Reformen steht, vor Anstrengungen, die Thüringen unternehmen muss. Da bin ich ganz bei Ihnen. Aber Ihnen war und das merkt man auch, wenn man diese viereinhalb Jahre mal Revue passieren lässt - von Anfang an der Widerstand klar. Sie haben damals gesagt ich war mit dabei, als Sie die Rede gehalten haben -, Sie haben einen Kollegen zitiert und haben gesagt: „Reformiert werden darf, aber ändern darf sich nichts“ - das darf nicht das Motto sein. Es ist aber das Motto geworden, kleine Reförmchen und ändern soll sich möglichst nichts. Da sieht man, was von der Jenaer Rede am Ende übrig geblieben ist. Bestes Stichwort dafür: die Funktional- und Gebietsreform. Die hat dankenswerterweise Herr Pidde vorhin selbst angesprochen, da kann ich der SPD an der Stelle ausnahmsweise beipflichten, zustimmen, weil es dazu überhaupt nicht gekommen ist, weil Sie die gemeinsame Kraft dazu nicht hatten, das Einsehen nicht und weil es der CDU an der Stelle nach wie vor darum geht, ihre Pfründe zu sichern,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mutlos wie die CDU.)

nichts anderes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin dankbar für all jene, die heute gemeinsam draußen vor dem Landtag klargemacht haben, dass wir unser Gemeinwesen,