Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

Um ihn aber etwas freundlicher für die Gastronomen und für die gastronomischen Einrichtungen zu machen, hat die FDP noch einen Änderungsantrag gestellt. Auf einige Punkte möchte ich hier noch einmal kurz eingehen. Die Regelung mit diesen 75 m² ist willkürlich festgelegt, da muss ich den GRÜNEN wiederum recht geben. Das ist eine Sache, die könnte bei 80 liegen, die könnte bei 100 oder vielleicht auch bei 50 liegen. Aber man hat sie halt mit 75 festgelegt. Ich denke, damit können die Gastronomen leben.

Ganz unverständlich ist allerdings für diese sogenannten kleinen Eckkneipen, dass nicht geraucht werden darf, wenn sie selbst hergestellte Speisen anbieten. Meine Damen und Herren, dann sind über 90 Prozent dieser Eckkneipen von dieser Regelung ausgeschlossen. Es wäre sinnlos, überhaupt diesen Punkt hineinzubringen. Es gibt ganz wenige Eckkneipen, in denen es nur Bier, Schnaps und was weiß ich, gibt. Ich hatte das das letzte Mal schon gesagt. Wenn man eine Brezel isst, die kann man verzehren, wenn man ein bisschen Butter drauf macht, dann ist schon wieder das Rauchverbot da. Für mich ist das sinnlos. Wir möchten, dass dieser Passus mit den Speisen gänzlich herausgestrichen wird, damit könnten wir leben.

Kennzeichnungspflicht ist natürlich auch hier notwendig, damit jeder Gast sehen kann, dass in dieser Gaststätte geraucht wird. Der zweite Punkt wäre, „oder gewerblich“ wurde gestrichen. Das heißt, ich will es einmal in die Praxis umsetzen: Wenn ich jetzt als Gastronom einen Nebenraum habe und nehme eine Familienfeier an und bewirtschafte die, darf nicht

geraucht werden, vermiete ich den Raum, und er bringt seine Getränke aus dem Supermarkt mit und Speisen holt er sich irgendwo, da dürfen die rauchen. Das ist eine unverständliche Sache, die mir nicht in den Kopf geht. Das Gleiche trifft für diese sogenannten Gemeindehäuser oder diese neuen Häuser, in denen die Leute auch privat feiern können, Kulturräume oder wie sie sie nennen, zu. Da darf jeder Gast, der dort seine private Feier macht, selbst entscheiden, ob geraucht wird. Warum soll das nicht auch zutreffen, wenn der Gastronom diese Familienfeier bewirtschaftet und wenn die Großmutter einverstanden ist, wenn sie ihren Geburtstag feiert, dass geraucht wird, dann sollte das auch für die Gaststätte zutreffen, weil sie ja auch andere Leute damit nicht belästigen.

Des Weiteren möchten wir den Punkt „Bier-, Wein- und Festzelt“ - das ist in Ordnung so - erweitern auf „gelegentlich genutzte Säle“. Das heißt, dass auch die Gaststätte auf dem Dorf, die einen großen Saal hat, den sie nur zur Kirmes oder zu Pfingsten nutzt, selbst entscheiden kann - die meisten Veranstaltungen sind vier-, fünfmal im Jahr -, diese gleichzustellen zu Bier- und Weinzelten.

(Beifall CDU)

Der vorliegende Gesetzentwurf wird die zu erwartende Klagewelle zwar etwas eingrenzen, also unser Gesetzentwurf, trotzdem wird es bei diesem bürokratischen Monster, wie ich schon gesagt habe, noch genug Ungerechtigkeiten geben - ich möchte jetzt nicht auf jede einzelne eingehen, da würden wir hier eine Stunde stehen -, die zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen werden, und das wird kommen, weil die Gleichberechtigung bei vielen Punkten nicht gegeben ist. Deshalb lehnt die FDP den Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung ab und bittet um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Wir behalten uns jedoch vor, nach Einarbeitung unseres Änderungsantrags dem Gesetz dann unsere Zustimmung zu erteilen. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Untermann. Es spricht Frau Abgeordnete Siegesmund für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will die Gelegenheit nutzen, um einfach noch mal mit vier Mythen aufzuräumen, die hier im

Raum stehen.

Der erste Mythos - Nichtraucherschutz führt zu Umsatzeinbußen und Jobverlust. Das geht vor allen Dingen in Richtung FDP. Ich will es ganz eindeutig sagen: In keinem europäischen Land, in dem die Einführung eines konsequenten Nichtraucherschutzes passiert ist, ist nachweisbar, dass es Umsatzeinbußen dauerhaft gegeben hat.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist nicht wahr. Da gibt es Statistiken.)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Umsatz ging kurzfristig zurück, ist aber wieder aufgewachsen und ich bitte Sie einfach - bei aller Befangenheit, die jeder hier hat -, hören Sie kurz zu und lassen Sie mich die Statistiken einmal erläutern. Wir kommen doch nicht daran vorbei, dass man sich die Wahrheit nicht biegen kann, sondern sich auf Zahlen verlässt und sagt, es ist so, dieses Argument trägt für mich nicht und das sage ich hier auch so ganz eindeutig. Wenn es denn in Deutschland tatsächlich zu Umsatzeinbußen Ihrer Ansicht nach bis jetzt gekommen ist, vielleicht liegt das schlicht und ergreifend daran, dass wir einen Wildwuchs an verschiedenen Ausnahmeregelungen haben. Umso wichtiger wäre es an der Stelle, konsequent zu sein und konsequent zu sagen, wir brauchen ein Nichtraucherschutzgesetz

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und nicht dieses Schlupflochgesetz, was wir hier haben. Ich will Ihnen auch noch eines sagen zu dem Thema Umsatzeinbußen und Jobverlust und auch zu der Frage, wie ist es denn jetzt mit Familien, die unterwegs sind. Wenn eine Familie unterwegs ist, dann kann es doch nicht sein, dass sie die einzig verlässliche Gaststätte, die in ihrer Umgebung tatsächlich nichtrauchergeschützt ist, bei McDonald’s findet. Da können wir doch nicht hinkommen wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich ganz eindeutig: Es ist schwach, es ist wirklich schwach, was die Regierungskoalition hier vorschlägt.

Zweiter Mythos - mehr Bürokratie. Alle, die mit im Ausschuss saßen und sich aufmerksam - ich habe das gemacht - die Stellungnahmen der verschiedenen Einreicher angesehen haben, müssten wissen und müssten hier redlich stehen und sagen, auch dieses Argument stimmt einfach nicht. Die Stellungnahmen der Experten von IHK, AOK-Plus, Gemeinde- und Städtebund sind alle völlig anders zu lesen. Da steht drin, das Gesetz der Landesregierung führt

zu mehr Bürokratie und nicht das, was wir heute hier vorschlagen mit unserem Änderungsantrag. Denn es ist schlicht und ergreifend nicht kontrollierbar, welche Ausnahmen Sie da schaffen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da muss ständig einer hinterher rennen - von mir aus mit dem Winkelmesser - und schauen, wie viele Quadratmeter haben wir jetzt. Sie, Herr Untermann, haben vorhin die Frage mit der Brezel oder dem Bockwurstparagraphen aufgeworfen: Ist die warm, ist das verzehrbar oder nicht, mit Brötchen, Brötchen daneben? Das ist doch eine Ausnahme, das macht es doch nur kompliziert. Also erzählt mir bitte niemand hier, wir würden damit Bürokratieabbau betreiben, wenn das Gesetz der Landesregierung abgestimmt wird.

Dritter Mythos - Das Nichtraucherschutzgesetz beschneidet unverhältnismäßig die Freiheitsrechte der Bürger und entmündigt sie. Das waren Herr Eckardt und noch mal Herr Untermann. Der Staat greift tagtäglich in unsere Belange ein, z.B. legen Sie einen Sicherheitsgurt an, wenn Sie Auto fahren, Sie sind sozialversichert, weil Sie das sein müssen, Sie haben eine Kfz-Haftpflichtversicherung - das sind alles Dinge, die der Staat Ihnen vorschreibt und an dieser Stelle - ich hoffe, Sie sind immer angeschnallt - schützen Sie vor allen Dingen sich selbst. Beim Nichtraucherschutzgesetz geht es auch um den Schutz von anderen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nämlich denjenigen, die in Ihrer unmittelbaren Umgebung sind. An der Stelle muss doch wohl erlaubt sein, auch mal zu sagen, dass es nicht nur um diejenigen geht, die hier unmittelbar betroffen sind, sondern auch um alle, die drumherum sind.

Im Übrigen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, ich habe es schon gesagt, das Verfassungsgericht wäre, wenn Sie denn wollen würden, unser engster Verbündeter. Sie wollen einfach nicht. Selbst die Bundesregierung hat in ihrer Drucksache 17/2036 gesagt, man könne das wunderbar so auslegen, dass man einen sehr konsequenten Nichtraucherschutz anlegt. Sie wollen es einfach nicht.

Vierter Punkt: Ihr Vorschlag des Nichtraucherschutzgesetzes schützt die Mitarbeiter ausreichend. Frau Ministerin Taubert hat in der ersten Lesung zu diesem Gesetz im Januar gesagt, es ginge auch und gerade „um den Schutz der Beschäftigten vor dem Passivrauchen“. Frau Ministerin, es tut mir wirklich leid, ich kann nicht sehen, wie der Gesetzentwurf Mitarbeiter schützt. Nennen Sie mir doch bitte mal - auch an alle, die hier im Raum sitzen - drei Unter

nehmen, wo am Arbeitsplatz konsequent und permanent geraucht wird, das geht dann nur mit dieser Regelung, die wir heute hier verabschieden, in Gaststätten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also wunderbar, dass wir an der Stelle nicht diejenigen schützen, die eigentlich geschützt werden müssen. Ich denke ganz besonders auch an Frauen, die in Gaststätten arbeiten müssen, die wirklich schlecht geschützt sind. Zeigen Sie mir bitte Unternehmen, wo schwangere Frauen bis zum 7., 8. Monat stehen und sich ständig dem Rauch aussetzen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Das schreiben wir hier fest, das gibt es in der Konsequenz sonst gar nicht. Ich bedaure das wirklich sehr. Deswegen unser Entschließungsantrag, wir sagen, Tabakkonsum muss insgesamt zurückgedrängt werden. Sie werden mir sicherlich alle zustimmen, dass jeder Zigarettenautomat, der vor einer Schule steht, auch eine Einladung ist. Das ist schlicht und ergreifend so. Wenn der da gar nicht stünde, im Zweifel kommt man gar nicht erst in die Versuchung. Warum nehmen wir nicht hier unsere Verantwortung wahr und tun da auch etwas?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt - das wissen vielleicht manche - auch einen völkerrechtlichen Rahmen. Es gibt nicht nur den des Bundesverfassungsgerichts, es gibt auch einen völkerrechtlichen. Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die Ratifizierung der Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation auch schon einen Schritt weiter gemacht. Wir schreiben heute einen Rückschritt fest, wir gehen nicht mit dieser Ratifizierung mit. Das heißt, selbst wenn Ihr Gesetzentwurf heute durchgeht, Sie werden sich die Debatte nicht ersparen. Die wird spätestens nächstes, übernächstes Jahr wiederkommen. Von daher, Herr Gumprecht, Sie haben so schön im Sozialausschuss gesagt, lassen Sie uns doch bitte diese emotionale Debatte ganz schnell beenden; da wissen wir doch schon alle, was alle wollen. Nein, Herr Gumprecht, es kann sein, nächstes und übernächstes Jahr reden wir genau an dieser Stelle wieder, weil etwas zu tun ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch mal zum Abschluss: Das ist kein Kompromiss, wie Sie es gesagt haben, es ist der minimale Konsens, den Sie vielleicht gefunden haben. Ich trage den nicht mit, meine Fraktion trägt den nicht mit,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

deswegen unser Entschließungsantrag und unser Änderungsantrag. Ich beantrage namentliche Abstimmung für beide Anträge. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Abgeordneter Hartung, Fraktion DIE LINKE, hat um das Wort gebeten.

Ich möchte meiner Vorrednerin ausdrücklich zustimmen, was die Diskussion im Sozialausschuss angeht. Eine Diskussion war es eigentlich nicht. Wir haben zur Kenntnis genommen, wie die Regierungshaltung ist, wir haben zur Kenntnis bekommen, wie die Stellungnahmen sind. Übrigens fand ich es bei den Stellungnahmen der Fachgremien sehr interessant, dass die Begründung zum Beispiel der Krebsgesellschaft, der Uni usw. nicht die war, Nichtraucher müssen geschützt werden, sondern insgesamt das Einschränken des Tabakkonsums eigentlich das Ziel ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das geht in die Richtung Ihres Ergänzungsantrags.

Ich will aber gleich auch noch ein bisschen Wasser in den Wein gießen, Frau Siegesmund, weil ich Ihnen doch hier und da widersprechen muss. Sie sprechen vom konsequenten Schutz der Mitarbeiterinnen. Wie gesagt, es gibt zu keiner Gesetzesregelung weltweit so viele medizinische Studien wie zum Antirauchergesetz. Es gibt tatsächlich Untersuchungen zur Gesundheit von Kellnerinnen, die im Prinzip in Gaststätten befragt worden sind -

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Und Kell- ner auch.)

Kellner natürlich auch, aber hier war von Frauen die Rede.

(Unruhe CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die positiven Effekte sind sehr überschaubar. Was den Schutz Schwangerer anbelangt, ist das ein anderes Thema, aber das muss nicht in so einem Gesetz geregelt werden.

Das Zweite ist, Sie sprachen die Einschränkung der Freiheitsrechte an, die alltäglich sind. Da haben Sie recht und da stimme ich Ihnen auch zu. Der Gesetzgeber hat das Recht, Freiheitsrechte des Bürgers einzuschränken, wenn dem ein entsprechender Effekt

gegenübersteht. Das ist beim Regierungsentwurf ganz eindeutig nicht der Fall.