Meine Damen und Herren, eine solide Finanzpolitik braucht eine realistische Zahlenbasis. Alle Vermutungen und Erwartungen hinsichtlich der Steuerschätzung im November sind bislang nur Schätzungen, Spekulationen und auch als solche zu behandeln und können nicht Gegenstand des Entwurfs sein.
Kommen wir nun zu den Ausgaben: Im Grunde haben wir drei große Ausgabenblöcke. Der größte Block sind die Zuweisungen des Landes an die Thüringer Kommunen. Rund 30 Prozent des Haushaltsvolumens reichen wir an die Gemeinden und Landkreise aus. Allein für die angemessene Finanzausstattung sind das 2,643 Mrd. €. Weitere rund 200 Mio. € erhalten die Kommunen zusätzlich zur verfassungsrechtlich geschuldeten angemessenen Finanzausstattung vom Land. Der zweite Block sind die Personalausgaben. Diese machen einen Anteil von 24,8 Prozent des Gesamthaushalts aus. Wir gehen damit unter den Ansatz von 2010. Der dritte Block umfasst die Mittel, die den Fachressorts für ihre Aufgaben zur Verfügung stehen. Das sind rund 4,4 Mrd. €.
Meine Damen und Herren, im vorliegenden Haushaltsentwurf spiegeln sich die Ziele und Schwerpunkte der Thüringer Landesregierung wider, die sie in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben hat.
Nur um einige wichtige Schwerpunkte zu nennen, meine Damen und Herren, wir wollen, dass Thüringen auch künftig bei dem Thema Bildung in der ersten Liga spielt. Im Haushaltsentwurf sind für diesen Bereich von frühkindlicher Bildung bis hin zu Hochschulen insgesamt 2,21 Mrd. € vorgesehen. Das ist weit mehr als ein Fünftel der Ausgaben. Wir wollen,
dass Thüringen auch morgen noch das Land der Erfinder und Innovationen ist. Das wollen wir mit insgesamt 166,5 Mio. € für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung unterstützen. Wir wollen, dass Familienfreundlichkeit auch künftig das Thüringer Markenzeichen ist. Deshalb haben wir für die Jugend- und Familienförderung einschließlich Landeserziehungsgeld 61,6 Mio. € vorgesehen. Wir wollen den Wirtschaftsstandort Thüringen weiter stärken. Deshalb unterstützen wir beispielsweise die gewerbliche Wirtschaft einschließlich Infrastruktur mit rund 257 Mio. €. Und wir wollen eine leistungsfähige Land- und Forstwirtschaft und eine hohe Lebensqualität im ländlichen Raum für alle Generationen. Dafür planen wir insgesamt rund 266 Mio. € ein.
Meine Damen und Herren, 1,56 Mrd. € werden in Investitionen fließen. Damit stecken wir in Thüringen im kommenden Jahr nach unserem Planentwurf insgesamt jeden sechsten Euro in Investitionen, also in Projekte und Vorhaben, die die Zukunft unseres Landes mitbestimmen. Mit einer Investitionsquote von 16,5 Prozent liegen wir damit im Bundesvergleich in der Spitzengruppe. Dass wir bei der Investitionsquote gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang von 2,5 Prozent haben, signalisiert aber auch, dass wir nach 20 Jahren deutscher Einheit viele Baustellen inzwischen abgearbeitet haben und dass es in diesem Bereich auch weniger Bedarfe gibt.
60 Mio. € haben wir als Globale Minderausgabe definiert. Es ist eben keine Finanzierungslücke, sondern eine klare Ausgabenreduzierung. Sie ermöglicht den Ressorts im Haushaltsvollzug, in diesem Umfang flexibel zu reagieren, und zwar ohne die Einsparverpflichtung infrage zu stellen.
Meine Damen und Herren, zwischen den Einnahmen und Ausgaben liegt damit eine Differenz von 619,9 Mio. €. Für dieses Defizit mussten wir neue Kredite einplanen. Im Vergleich zum Haushaltsjahr 2010 sind das 200 Mio. € weniger neue Schulden. Die Summe entspricht auch der Selbstbeschränkung, die wir uns mit der neuen disziplinierten Regelung in der Landeshaushaltsordnung selbst auferlegt haben.
In direktem Vergleich mit dem Haushaltsplan 2010 haben wir das Defizit deutlich um 40 Prozent reduziert. Lag im Haushaltsplan 2010 die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben noch bei rund 1,04 Mrd. €, sind es im Plan 2011 nur noch 619 Mio. €. Ich finde, diese Größenordnung 40 Prozent Reduzierung - darf man hier mal zur Kenntnis nehmen. Sie spiegelt die erheblichen Anstrengungen der Mitglieder der Landesregierung wider und ist ein Beleg für unser Ziel des Umschwenkens auf den Kurs 2020.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Chefgesprächen sind wir Ressort für Ressort und Punkt für Punkt jeden einzelnen Titel durchgegangen, um Einsparpotenziale zu erschließen. Viele Stunden lang habe ich meine Ressortkollegen gequält und mit ihnen gemeinsame Lösungen gesucht und letztlich auch gefunden. Deshalb will ich an dieser Stelle auch meinen Ressortkollegen noch einmal für die konstruktive Zusammenarbeit danken. Alle Ressorts haben ihren Konsolidierungsbeitrag gebracht, jeder nach seinen Möglichkeiten. So haben wir beispielsweise den Zuschussbedarf beim Neubau von Krankenhäusern neu definiert und um 84 Mio. € verringert. Nach 20 Jahren Aufbau haben wir eine vorzügliche Krankenhauslandschaft. Die Krankenhäuser sind ein gutes Beispiel dafür, dass wir an mancher Stelle umdenken und weniger Geld in Neuinvestitionen, sondern in den Erhalt guter Standards stecken müssen.
Das gilt beispielsweise auch für den Straßenbau. In den vergangenen Jahrzehnten wurden unzählige Straßen neu gebaut, Dörfer und Städte an Autobahnen angebunden, Umgehungsstraßen errichtet. Hier gab es einen gewaltigen Nachholbedarf, den es heute in den Größenordnungen nicht mehr gibt. Deshalb haben wir auch hier umgesteuert und die Gelder für den Straßenneubau um rund 13,8 Mio. € zurückgefahren.
Wir haben an vielen Stellen einen neuen Kurs eingeschlagen. Diesen neuen Kurs müssen wir jetzt halten. Meine Damen und Herren, aber an dieser Stelle muss ich eins deutlich sagen: Wenn wir unser Land gut ins Jahr 2020 bringen wollen, brauchen wir eine Vision des Konsolidierens, die wir in den weiteren Haushalten umsetzen müssen. Wir müssen uns klar darüber sein, wohin die Reise gehen soll. Vor dem Hintergrund sinkender Einnahmen und dem Verzicht auf neue Schulden, müssen wir unsere Ziele für Thüringen beschreiben und die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Wo wollen wir also im Jahr 2020 stehen?
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich meine Vorstellungen kurz skizzieren. Wir wollen, dass unser Freistaat eigenständig bleibt. Wir denken zwar ganz bewusst über Länderkooperationen und damit verbundene wirtschaftliche und finanzielle Vorteile nach, eine Preisgabe unserer Eigenständigkeit als Land lehnen wir aber entschieden ab.
Wir wollen, dass die Menschen in Thüringen Arbeit haben und gutes Geld verdienen. Dafür müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit genauso wie die Qualitäten eines attraktiven Wirtschafts- und Innovationsstandorts. Denn nur eine starke Wirtschaft und eine moderne Forschungslandschaft schaffen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze und sichern ein hohes Wohlstandsniveau für al
le. Wir wollen, dass Thüringen ein liebens- und lebenswerter Freistaat bleibt, in dem die Menschen eine Heimat haben und in dem sie sich sicher und wohl fühlen. Wir wollen, dass die Thüringer weiterhin stolz auf ihr Land sind. Diesen Stolz wollen wir wecken und für alle sichtbar machen.
Meine Damen und Herren, diese Ziele können wir künftig nur erreichen, wenn wir den Einsatz vorhandener Mittel noch stärker unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit prüfen. Wir haben die Verantwortung und Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass auch die kommenden Generationen ihre Zukunft selbst gestalten können. Zudem brauchen wir wieder mehr politische Handlungsspielräume. Die entstehen aber nur dann, wenn wir den Anteil an disponiblen Mitteln im Haushalt erhöhen. Derzeit sind es nur 2 Prozent.
Was sind mögliche Ansatzpunkte, um diese Ziele zu erreichen? Die Baustellen, meine Damen und Herren, sind uns allen bekannt. Wir sind dabei, die landesgesetzlichen Standards einem Benchmarking zu unterziehen. Wir haben etwa im öffentlichen Dienst im Vergleich zu anderen Ländern deutlich zu viel Personal. Hier müssen wir ansetzen.
Schon jetzt ist absehbar, dass in den nächsten Jahren viele kompetente Mitarbeiter altersbedingt ausscheiden werden; bis zum Jahr 2020 rund 17.000. Diese natürliche Fluktuation werden wir zum Personalabbau nutzen. Schon mit diesem Haushalt haben wir den ersten Schritt dazu getan. Wir haben beschlossen, dass von mindestens 700 Personalabgängen im nächsten Jahr nur jede zweite Stelle wieder besetzt werden darf. In den Folgejahren werden diese Abgänge erheblich ansteigen und damit wird es uns gelingen, die Personalausgaben deutlich zu reduzieren. Es muss darum gehen, die Verwaltung weiter zu modernisieren. E-Government und eine Optimierung der Behördenstrukturen helfen uns auf diesem Weg. Wir müssen uns über den Kommunalen Finanzausgleich Gedanken machen. Die sinkenden Einnahmen des Landes in den nächsten zehn Jahren lassen es einfach nicht zu, dass wir hier untätig bleiben, denn eine Konsolidierung des Landeshaushalts ist nur dann möglich, wenn auch die kommunale Ebene an den Konsolidierungsanstrengungen beteiligt wird.
Und es geht darum, die Förderpolitik im Freistaat neu zu gestalten, denn wie es der Ökonom Michael Fritsch aus Jena diese Woche richtig gesagt hat ich zitiere, Frau Präsidentin: „Die strikten Vorgaben aus Brüssel lassen uns für eine gezielte Förderung zu wenig Raum. Vielmehr müssen wir uns in Zukunft darauf konzentrieren, das zu fördern, was Innovationen und innovative Gründungen fördert, denn darin liegen die wesentlichen Zukunftschancen.“ Das Auslaufen der Förderperiode darf man nicht nur immer bedauern, sondern wir müssen die
Meine Damen und Herren, die Haushaltsstrukturkommission, die unter meiner Federführung arbeitet, ist dabei ein wichtiges Instrument, um diesen nachhaltigen Konsolidierungskurs zu unterstützen.
Aber, meine Damen und Herren, um es deutlich zu sagen: Erst kommt die Diagnose, dann die Therapie. Jeder von Ihnen, der schon einmal beim Arzt gewesen war, weiß, dass eine vernünftige Diagnose auch ein bisschen Zeit braucht und dass es wenig Sicherheit und Vertrauen vermittelt, wenn der Arzt Ihnen schnell ein Rezept ausstellt, ohne Ihnen genau sagen zu können, woran Sie leiden. Deshalb legt die Haushaltsstrukturkommission im Herbst einen Zwischenbericht auf den Kabinettstisch, so dass im nächsten Frühjahr und damit rechtzeitig zur Aufstellung des Haushalts 2012 die nächsten konkreten Schritte aufgezeigt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein paar Worte zum Sonderbericht des Thüringer Rechnungshofs sagen. Ich freue mich, dass der Rechnungshof unseren Konsolidierungspfad konstruktiv begleitet. Ich teile auch die Analyse des Rechnungshofs. Unsere Einnahmen gehen zurück und wir müssen unsere Ausgaben entsprechend anpassen. Allein bei den Themen „Personal“ und „Kommunalfinanzen“ sehen Sie die Übereinstimmung. Aber eines muss ich deutlich sagen, das Fordern von Maßnahmen ist das eine, die Umsetzung dieser Forderungen ist aber etwas ganz anderes, denn hier kommt man in die Mühlen der Ebene. Hier muss man sich mit den Problemen konkret auseinandersetzen. Da steht man Menschen gegenüber, Initiativen, denen man Veränderungen erklären muss und damit einen gemeinsamen Weg erarbeiten muss. Politische Entscheidungen enden nicht auf dem Papier. Wir stehen vor Veränderungen, die wir mit dem Haushalt 2011 angehen werden.
Meine Damen und Herren, Thüringen hat sich mit Blick auf den Startpunkt vor rund 20 Jahren hervorragend entwickelt. Das ist wirklich eine Bilanz, auf die wir stolz sein können. Aber auch, was die aktuelle Entwicklung betrifft, können wir optimistisch sein. Am meisten freue ich mich über die niedrige Arbeitslosenquote, mit 8,6 Prozent liegen wir auf einem historischen Rekordtief.
Meine Damen und Herren, wir wollen die notwendigen Veränderungen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes angehen. Wir haben den Anspruch, dass unsere Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sind und es geht uns darum, die Menschen mitzunehmen. Die Thüringerinnen und Thüringer haben Erfahrung mit Umbrüchen. Wer unter schwierigsten Umständen in der ehemaligen DDR hart gearbeitet hat und wer nach 1990 den Umbruch und Aufbau bewältigt hat, der ist für die Zukunft gerüstet und wird auch die neuen Herausforderungen meistern. Die Thüringer Landesregierung setzt auf die Eigeninitiative, auf die Kraft, die Kreativität und den Mut unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam einen Weg finden, damit Thüringen das bleibt, was es heute ist - ein Land, in dem man gut leben und arbeiten kann, ein Land, in dem wir uns wohlfühlen. Thüringen ist eine großartige Erfolgsgeschichte, lassen Sie uns diese gemeinsam weiterschreiben. Danke schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich eröffne die Debatte. Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Siegesmund seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Walsmann, ich bin ja beeindruckt, wie oft Sie das Wort „Nachhaltigkeit“ gerade in den Mund genommen haben, da wird mir ja ganz schwindelig. Wenn jetzt noch zum Thema „Nachhaltigkeit“ auch Ihr Haushaltsentwurf passen würde, da wäre mir nicht schwindelig, dann wäre ich sehr glücklich, aber dem ist nicht so.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor sechs Monaten, im April 2010, hat dieses Hohe Haus den Etat für das Jahr 2010 beschlossen, Titel „Haushalt des Überganges“, und die Ministerpräsidentin kündigte an, es werde in 2011 eine tabulose Konsolidierung geben. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus der Einbringungsrede von Frau Lieberknecht: „Wir müssen zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen, dabei wird es Verteilungskämpfe geben.“ Mit diesem Satz haben Sie, Frau Lieberknecht, die Erwartungen an die Zahlen für 2011 geschürt, sehr hohe Erwartungen.
Nun ist es so, dass es zwar Verteilungskämpfe gegeben hat, mit Tonnen von Druckerschwärze in den Thüringer Zeitungen sind sie sichtbar geworden. Ihr Entschluss zu konsolidieren oder einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, der ist nicht sichtbar geworden. Das ganze Tamtam der letzten Wochen zwischen SPD und CDU, das öffentliche Fingerzeigen hat es gezeigt, es gibt keine tabulose Konsolidierung, es gibt eine tabulose Verschuldung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe Ihre Bemühungen, aber wenn Sie glauben, dass dieser zweite Aufguss des Übergangshaushalts 2010 besser ist als der erste, liegen Sie falsch.
Nur selten ist ein zweiter Aufguss besser als der erste, bei grünem Tee in jedem Fall, aber dann hört es auch schon auf.
Das wäre ein guter Grund, diesen Haushalt, so wie er ist, sofort dahin zurückzuschicken, wo er herkommt, zur Überarbeitung zurück auf den Kabinettstisch. Denn es gibt eine ganze Anzahl von Fragen, die Sie nicht beantwortet haben, übrigens jetzt auch nicht in Ihrer Rede.
Als Erstes: Wo sind die Ergebnisse der Haushaltsstrukturkommission? Ich hätte mir wenigstens ein Zwischenergebnis gewünscht.