Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Huster. Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Minister Dr. Voß.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wenn ich auf die Uhr schaue, bin ich so ein bisschen zwischen Baum und Borke, aber gestatten Sie mir, dass ich doch noch ein paar grundsätzliche Ausführungen zu diesem Antrag mache.

Der Antrag greift nach meiner Überzeugung ein Thema auf, was zweifellos zu einem der bedeutendsten Themen gehört, welches wir in den nächsten Jahren in der Bundesrepublik diskutieren werden und wo die Länder, allerdings auch der Bund alle Hände voll zu tun haben werden, um dieses Thema zu bewältigen, auch wir hier in Thüringen. Bei allen Differenzen in der Einzelbetrachtung ist allerdings das Grundanliegen des Antrags und der Schuldenbremse klar. Es geht darum, wie bekommen wir unsere Verschuldung in den Griff, wie können wir sie in der Zukunft begrenzen. Es geht um unsere Kinder und Enkel, es geht um Spielräume der künftigen Generationen, die es zu erhalten gilt.

Herr Huster, hier möchte ich gleich mal eine Aussage Ihrerseits aufnehmen. Es ist natürlich klar, wenn in Zukunft ein schwankender Boden entstehen sollte, wie Sie das eben hier formuliert haben, was nicht auszuschließen ist, vollkommen klar, gilt doch eine ganz klare Daumenregel. Es wird mit diesem schwankenden Boden der am besten klarkommen, der mit möglichst wenig Vorbelastungen in einen solchen Prozess hineingeht.

(Beifall FDP)

Das ist einfach eine Binsenweisheit. Insofern ist dieses Thema einmal ein Thema der finanzpolitischen Vernunft, aber es ist halt auch eine Wertefrage zwischen den Generationen. Mit den Ergebnissen der Föderalismuskommission II im Frühjahr

2009 ist allerdings diese Frage, wie gehen wir mit künftigen Generationen um und wie wollen wir es mit der Verschuldung halten, diese Frage ist eigentlich klar festgelegt durch die Grundgesetzänderung. Die Wertefrage ist in einem nationalen Konsens entschieden worden, übrigens nach langer Diskussion. Das hat Jahre gedauert und die Namen Oettinger und Struck mögen Ihnen in Erinnerung rufen, welchen Weg die Diskussion gegangen ist. Es ist grundgesetzliche Festlegung, dass die Schuldenbremse für den Bund ab 2016 gilt. Dann darf der Bund nur 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Schulden aufnehmen. Für die Länder heißt das, dass ab 2020 ein strukturelles Defizit nicht mehr entstehen darf. Für konjunkturelle Schwankungen darf man sehr wohl noch Kredite aufnehmen. Man muss allerdings - und das ist auch ein neues Regime, unter dem wir zu arbeiten haben - dann auch sagen, wie man von diesen konjunkturell bedingten Schulden wieder herunterkommt.

(Beifall CDU)

Der Paradigmenwechsel, der damit für die Gestaltung öffentlicher Haushalte fixiert ist, kann für die Grundlagen unseres Staatswesens nach meiner Überzeugung nicht größer sein. Ich glaube, dass die Bedeutung dieses Paradigmenwechsels, der hier 2009 eingeleitet worden ist, für die Grundlagen unseres Gesamtstaates erst langsam durchsickert und erst langsam in das Bewusstsein Einzug halten wird. Der Wechsel bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als den Verschuldungsweg zu beenden, der mit der sogenannten großen Finanzreform aus dem Jahre 1969 begonnen hat. Damals hat man den Artikel 115 des Grundgesetzes verändert und dieses Regime wird nunmehr wieder abgelöst. Allerdings, man kann sagen, 2020 ist gewiss noch ein bisschen hin, aber Artikel 143 sagt, dass die Haushalte des Bundes und der Länder schon heute so aufgestellt werden sollen, dass das Ziel 2020 sicher erreicht werden kann. Insofern reflektiert diese Norm schon auf unser heutiges Handeln. Wer sich bei den Ländern etwas umschaut, der wird überall Konsolidierungsrichtlinien in den Büros der Haushaltsplaner entdecken und das ist genau dieser Effekt, der gewünscht ist. Diese Norm ist heute schon Orientierung. Die Länder gehen durchaus unterschiedliche Wege, wie sie sich auf diese Situation vorbereiten. Hier kann man sagen, dass Thüringen im Jahre 2009 damals das erste Land in der Bundesrepublik gewesen ist, welches eine Begrenzung der Verschuldung in seine Haushaltsordnung hineingeschrieben hat.

Herr Recknagel, Sie sagten es, ich habe es als wichtiges Signal gesehen, ich betone das noch mal, es ist ein wichtiges Signal, die Dinge sind letztendlich unumkehrbar. Aber der Schlussstrich, der mit dieser Verfassungsnorm eingeleitet ist, bedeutet in meinen Augen auch gleichzeitig eine Notbremse. Es ist nicht nur, wir stolpern da mal und dann wird

(Abg. Huster)

sich schon irgendwie alles finden. Eine Notbremse deshalb, weil die Zinszahlungen enorm in den öffentlichen Haushalten angestiegen sind.

Ein paar Fakten: Seit 1970 hat sich die Verschuldung der öffentlichen Haushalte von 60 Mrd. € auf nunmehr 1,7 Billionen € - das sind 1.700 Mrd. € Schulden verdreißigfacht, also als dieser Grundgesetzartikel verändert wurde, seit diesem Zeitpunkt, eine Verdreißigfachung der öffentlichen Verschuldung. Die Zinsausgaben sind von 3,6 Mrd. € auf 60 Mrd. € gestiegen. Den Anteil, den wir von unseren Steuern - ich rede jetzt vom Gesamtstaat - an Zinsen, das heißt auf die Bank tragen, ist in diesem Zeitraum von 4 Prozent auf 12 Prozent gestiegen. Das sind Ausgaben, die natürlich für andere Dinge nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir sind jetzt schon in der politischen Handlungsfähigkeit durch diese Last, die hier mehr oder weniger über 40 Jahre aufgehäuft wurde, beeinträchtigt. Ich erinnere mich sehr gut an den 8. Dezember, als eine lebhafte Haushaltsdebatte hier stattfand. Dass diese Dinge so knapp sind, das liegt eben auch an den Zinsen, die wir zu tragen haben. Auch die neuen Bundesländer bilden da keine Ausnahme in der Entwicklung der Verschuldung und - wie Sie wissen jeder Einwohner des Landes Thüringen hat eben 7.200 € Schulden zu tragen. Wir zahlen 670 Mio. € an Zinsen. Natürlich ist das Geld verwendet worden, man braucht sich nur im Land umschauen, es ist gut hergerichtet, die Infrastruktur stimmt.

(Beifall CDU, SPD)

Das Geld ist angelegt worden zweifellos, aber natürlich wird der Nachholbedarf auch kleiner, sonst hätten wir die Gelder ohne Effekt ausgegeben. Das heißt, die Lücke schließt sich langsam.

(Beifall CDU)

Insofern gilt es auch umzudenken.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Besser als in Sachsen.)

Man kann durchaus fragen: Wie kam es eigentlich dazu? Wieso sind wir diesen Weg gegangen?

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wir wollten diesen Weg weitergehen.)

Ich habe gesagt, dass ich es ein bisschen grundsätzlicher angehen will.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Insofern möchte ich bei einem Artikel in der Weimarer Verfassung beginnen. Aber haben Sie keine Angst, ich habe die Uhr fest im Blick. Lassen Sie mich aus bestimmten Gründen eben doch dort mal beginnen, und zwar beim Artikel 87. Dort durfte man nur Schulden aufnehmen für „werbende Zwecke“. Dahinter stand ein betriebswirtschaftlicher Verschuldungsbegriff auch für die öffentlichen Haushalte. Dieser Begriff, deswegen erwähne ich

es nur, hat auch Eingang in das Grundgesetz gefunden und galt bis zum Jahre 1969. Man hatte die Idee, dass auch der Staat nur Investitionen, Ausgaben tätigen darf, die er mit Schulden finanziert, die auch einen Rückfluss bedeuten. Das heißt, ein betriebswirtschaftlicher Rentabilitätsbegriff lag hier letztendlich zugrunde.

Einige Redner haben es schon angesprochen. Es kamen die Gedanken der antizyklischen Finanzpolitik und natürlich ein betriebswirtschaftlicher Begriff stand einer volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise entgegen. So kam es, ich erinnere mich sehr gut an die Diskussionen, als es zur Änderung dieses Grundgesetzes kam, die Kreditaufnahme sollte begrenzt werden durch die Investitionen in den Haushalten. Dieser Regelung liegt allerdings auch die Vorstellung zugrunde, dass Investitionen einen volkswirtschaftlichen Nutzen abwerfen und dieser volkswirtschaftliche Nutzen nicht in einem Tag vergeht, sondern eine Zeit lang läuft und insofern auch die Finanzierung gestreckt werden kann. Allerdings in guten Zeiten und nach Auslaufen dieses Nutzens sind die Schulden nie zurückgezahlt worden. Ich kann mich an keinen Zeitpunkt erinnern, auch als die Infrastruktur schon wieder abschreibungsreif oder abgeschrieben war, kam es nicht zur Tilgung. Nein, was hat man getan? Auch die Reinvestitionen wurden wiederum mit Schulden finanziert und so kam es letztlich von Jahr zu Jahr zum Aufbau dieser Schulden, die uns heute doch stören. Ich meine, dass die Begrenzung der Investitionen für die Kredite sich als wirkungslos erwiesen hat, und insofern ist es nur folgerichtig gewesen, dass jetzt ein Regimewechsel eintritt mit der Schuldenbremse oder dem Schuldenverbot - wie Sie das auch immer nennen wollen. Man kann durchaus sagen, diese Grundgesetzänderung hat mit dazu beigetragen, dass das Land doch sehr mit Schulden vollgelaufen ist. Natürlich hat sich die Wirtschaft entwickelt, natürlich ist die Infrastruktur hergerichtet worden und in einem guten Zustand, aber gleichwohl weiß jeder, dass uns diese Zinsen und diese Schulden doch sehr drücken. Interessanterweise kam der Gedanke zum Regimewechsel nicht unbedingt aus Deutschland, sondern er kam durch die europäische Diskussion, durch den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt und hier war man der Meinung, dass man zum Schutz der Währung doch einen Stabilitätspakt schließen sollte. Letztlich hat er dann doch nicht ausgereicht, um die Ereignisse in Griechenland zu verhindern. Griechenland sollte übrigens uns auch ein Beispiel sein, dass man bis dato nicht Vorstellbares denken kann in Europa, nämlich dass Staaten pleite gehen können. Sie können sich ja mal die Bilder noch aus dem Fernsehen vor Augen halten, wie der Volkszorn hoch schäumte, weil man dann gezwungen war, die Dinge zu reduzieren. Dass Thüringen dieses alles erspart bleibt, ich denke, da sind wir auf gutem Wege und ich bin sehr gespannt und würde mich auch

(Minister Dr. Voß)

durchaus beteiligen an einer interessanten Diskussion Ihres Antrags im Haushalts- und Finanzausschuss. Schönen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Dr. Voß. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zunächst zur Abstimmung zu dem Gesetzentwurf in Drucksache 5/2407. Hier wurde Ausschussüberweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss beantragt.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Von wem denn?)

Es ist vorhin beantragt worden - meiner Meinung nach von der CDU-Fraktion.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Ausschussüberweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Das sind auch Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE. Gibt es auch noch Enthaltungen? Aus der SPD-Fraktion einzelne und der Fraktion DIE LINKE. Damit ist aber diese Ausschussüberweisung so beschlossen.

Wir kommen jetzt auch noch zur Abstimmung zu dem Gesetzentwurf in Drucksache 5/2408. Auch hierfür - habe ich das richtig verstanden, Frau Lehmann? - wurde Ausschussüberweisung beantragt an den Haushalts- und Finanzausschuss. Das ist richtig so. Dann stimmen wir jetzt über die Ausschussüberweisung ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Teilen der LINKEN. Gibt es Gegenstimmen? Es sind ein paar mehr Gegenstimmen aus den Reihen der LINKEN. Gibt es auch noch Enthaltungen zu dieser Überweisung? Wiederum 2 Enthaltungen auch aus der Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Gesetzentwurf ebenfalls an den Ausschuss überwiesen.

Gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat wird jetzt kein weiterer Tagesordnungspunkt aufgerufen. Ich wünsche Ihnen daher einen guten Abend. Wir sehen uns morgen alle um 9.00 Uhr wieder hier. Da beginnt das Plenum erneut. Vielen herzlichen Dank.

Ende: 20.04 Uhr