Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

(Beifall DIE LINKE)

Zitiert nach einer Homepage www.frankkuschel.de.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ja, exakt wiedergegeben.)

Um solchen bewussten Falschmeldungen entgegenzutreten, möchte ich hier noch einmal klarstellen: Mit dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf wird weder eine rückwirkende Beitragserhebung eingeführt, wie das der Abgeordnete Ramelow auch eben wieder hier fälschlich behauptet hat, noch werden die Gemeinden rückwirkend zur Beitragserhebung verpflichtet.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich werde es auch weiter sagen.)

(Beifall SPD)

Zuhören allein reicht nicht, es muss begriffen werden. Eine solche Verpflichtung kann schon deshalb nicht rückwirkend eingeführt werden, da sie bereits seit Inkrafttreten des Thüringer Kommunalabgabengesetzes am 10. August 1991 besteht. Spätestens seit der Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2005 - nach dem Zitat Herrn Kuschel ja bekannt - dürfte das allen, die sich ernsthaft mit der Rechtsmaterie auseinandersetzen, klar sein. Das Oberverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung festgestellt, dass die Kommunen aufgrund der Sollvorschrift grundsätzlich zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verpflichtet sind. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat eine Verfassungsbeschwerde der betroffenen Gemeinden u.a. deshalb als verfristet und damit als unzulässig zurückgewiesen, weil die betreffende Norm seit 1991

(Abg. Bergner)

in Kraft ist. Der Verfassungsgerichtshof führte hierzu in seiner Entscheidung vom 15. November 2006 aus - auch jetzt wieder ein wörtliches Zitat -: „... denn diese Bestimmung trat mit dem Thüringer Kommunalabgabengesetz in der Fassung vom 7. August 1991 am 10. August 1991 in Kraft.“ - ich lasse den Zwischenteil mal aus - „In dieser Fassung eröffnete sie für die Gemeinden die Möglichkeit und in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 3 ThürKAG die grundsätzliche Pflicht, Straßenausbaubeiträge zu erheben.“ Die Fraktion DIE LINKE sollte den Bürgern also nicht zu viel versprechen, wenn sie ankündigt, gegen diese angeblich rückwirkend eingeführte Verpflichtung zur Beitragserhebung gegebenenfalls den Verfassungsgerichtshof anrufen zu wollen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir prüfen es.)

Ziel des Gesetzentwurfs der Landesregierung ist es entgegen dieser öffentlichen Darstellungen nicht, Beitragstatbestände rückwirkend zu erweitern oder einzuführen, sondern den Gemeinden mehr Spielräume bei der Umsetzung der seit 1991 bestehenden Verpflichtung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu geben. Damit werden auch und vor allem die Bürger entlastet. Herr Kuschel, vielleicht nur noch zur Anmerkung: Zwei Tage Driehaus sind zu wenig! Zwei Tage Driehaus sind zu wenig, um ein rechtswissenschaftliches Studium zu ersetzen.

(Heiterkeit und Beifall CDU, SPD)

Es kommen lediglich pseudojuristische Krücken heraus. Ich bedaure die Bürger, die wir gestern auch wieder sehen und hören durften, die mit ernsthaften Anliegen draußen gestanden haben, deren man sich annehmen muss, wenn sie auf Ihre Rechtsunterstützung treffen. Aus dem Grund habe ich gestern ihrer Demonstration vom Podium aus angeboten, den Dialog, den wir in dieser Sache - so wie nie - angefangen und eingeführt haben, fortzusetzen, um die Anliegen der Bürger aufzunehmen und rechtlich saubere Informationen weitergeben zu können. Insoweit bitte ich um Nachsicht, dass wir die Aufgabe der Opposition mit übernehmen.

Nun zu den vorliegenden Gesetzentwürfen: Bezüglich der Auffassung der Landesregierung zum Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE möchte ich zunächst auf die Ausführungen meines Vorgängers im Amt in der Sitzung des Landtags hier am 9. September 2010 verweisen. Die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf konnte keine tragenden Argumente pro Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE hervorbringen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie waren eben nicht innovativ genug.)

Und nicht rechtlich sauber. Die Landesregierung hält daher weiterhin an einer Ablehnung gegen den gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE fest. Warum? Mehr als die Hälfte der Angehörten lehnen den Gesetzentwurf wegen verfassungsrechtlicher Bedenken, offener rechtlicher Fragen oder nicht abschätzbarer Kostenentwicklungen ab. Zu den gewichtigsten Stimmen zähle ich die des Gemeindeund Städtebundes Thüringen, des Deutschen Mieterbundes - Landesverband Thüringen e.V., des Verbandes Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. oder des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer e.V. Bemerkenswert ist, dass auch der Sprecherrat der Bürgerinitiativen gegen überhöhte Kommunalabgaben im Raum Bad Langensalza die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Einführung einer Infrastrukturabgabe ablehnt, da diese sich an der Grundsteuer orientiere und der Sprecherrat die Verfassungsgrundsätze der Gerechtigkeit und Gleichbehandlung insoweit verletzt sieht. Diejenigen, die den Gesetzentwurf befürworten, bewerten leider nicht die verfassungsrechtlichen Risiken, was sehr schade ist, da damit auch die Möglichkeit vielleicht neuer Impulse oder gedanklicher Ansätze entfällt. Dies ist anscheinend dem Umstand geschuldet, dass selbst in der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen zur verfassungsrechtlichen Thematik keine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgt. Diese erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken liegen aber auf der Hand.

Wie ich erwartet habe, ist das Meinungsbild, das die Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung ergeben hat, ebenso vielfältig wie zum vorgenannten Gesetzentwurf. Besonders positiv ist die Tatsache, dass sich die meisten Anzuhörenden in einer sehr sachlichen Art und Weise mit dem Gesetzentwurf und den enthaltenen Einzelregelungen auseinandergesetzt haben. Das Meinungsbild reicht auch hier von Zustimmung über einen gangbaren Kompromissvorschlag bis hin zur Ablehnung.

Was unterscheidet beide Gesetzentwürfe grundlegend voneinander? Beide Gesetzentwürfe beinhalten einen Systemwechsel. Der Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE vollzieht einen umfassenden Systemwechsel,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

weg vom vorteilsbezogenen Straßenausbaubeitrag hin zu einer unterschiedslos alle Grundstückseigentümer belastenden Infrastrukturabgabe. Der Gesetzentwurf der Landesregierung bleibt dagegen innerhalb des bestehenden Beitragssystems, definiert aber im Wege einer Fortentwicklung des Rechts für einen Teilbereich, nämlich die wiederkehrenden Beiträge, den Begriff der öffentlichen

(Minister Geibert)

Einrichtung neu. Ein grundlegender Systemwechsel führt immer zu der Frage, ob das neue Erhebungsverfahren sich innerhalb des für Kommunalabgaben bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmens bewegt oder nicht. Nach Einschätzung nicht nur der Landesregierung geht die Infrastrukturabgabe weit über das hinaus. Bei der vorgesehenen Infrastrukturabgabe handelt es sich ihrer materiellen Natur nach um eine Steuer, da mit Blick auf die Intention des Gesetzentwurfs die Infrastrukturabgabe dem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen hier in Form aller Grundstückseigentümer zur Erzielung von Einkünften auferlegt werden soll. Der Versuch der Fraktionen, einen Vorteil auf kommunale Straßeninvestitionen für alle der Grundsteuer unterliegenden Steuerpflichtigen der Gemeinde zu konstruieren, überdehnt hier den verfassungsrechtlich zugrunde zu legenden Vorteilsbegriff. Eine solche vorteilslose Abgabenerhebung kann nur als unzulässige Steuerlast für das Grundstück gesehen werden. Für die Einführung einer derartigen kommunalen, wenn Sie so wollen, Straßensteuer fehlt dem Landesgesetzgeber aber jegliche Gesetzgebungskompetenz.

Der im Gesetzentwurf der Landesregierung verankerte Systemwechsel vom räumlichen und funktionellen Zusammenhang des Verkehrsnetzes, also der Abrechnungseinheit, hin zum Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde oder abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde, wurde durch die Arbeitsgruppe und im Rahmen der eingegangenen Stellungnahmen mit Blick auf deren Verfassungskonformität ausführlich und offen diskutiert. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich auf die Gesetzesbegründung verweisen. Die Landesregierung hat sich für eine Annäherung an das rheinland-pfälzische Modell entschieden und kommt damit auch dem Interesse des Gemeinde- und Städtebundes sehr nah. Nach gründlichen verfassungsrechtlichen Prüfungen unter Einbeziehung der obergerichtlichen Rechtsprechung in Rheinland-Pfalz und Thüringen ist die Landesregierung zur Überzeugung gekommen, dass die verfassungsrechtlichen Risiken nur bei der in dem Gesetzentwurf der Landesregierung aufgenommenen Regelung hinnehmbar sind. Ein verfassungsrechtliches Restrisiko des Systemwechsels bleibt bestehen. Im Hinblick auf die gewünschte Entlastung der Bürger erscheint dieses jedoch hinnehmbar. Aber, Herr Abgeordneter Adams, hier liegt gerade der Unterschied der beiden Entwürfe. Der Entwurf der Landesregierung birgt ein Rechtsprechungsrisiko. Es gibt kaum einen Bereich mit so viel Rechtsprechung wie das Kommunalabgabenrecht. Aber der Entwurf von DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist evident verfassungswidrig. Das ist der Unterschied.

(Beifall CDU)

Kurz umrissen stützt sich die Neukonzeption auf den im Jahr 2006 in Rheinland-Pfalz vollzogenen Systemwechsel bei der Erhebung von wiederkeh

renden Straßenausbaubeiträgen. Bei vergleichbarer Problemlage bezüglich der Bildung von Abrechnungseinheiten vollzog sich ein Wechsel vom Instrument der Abrechnungseinheit in der Gemeinde, einem bloßen abrechnungstechnischen Verbund hin zu einer qualitativ neuen selbstständigen Gemeindeeinrichtung, welche das gesamte öffentliche Verkehrsnetz der Gemeinde erfassen kann. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 20. November 2007 ausgeführt, dass die Neufassung des dortigen § 10 a Kommunalabgabengesetz der verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Die für die Beitragserhebung unerlässliche Verknüpfung zwischen Abgabenlast und Sondervorteil bleibe - so das Gericht - erhalten.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das gilt aber auch für unseren Gesetzentwurf.)

Bedauerlicherweise nicht, weil Ihnen schon die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Aber das sind die zwei Tage Driehaus, die nur vorhanden sind.

(Beifall CDU)

Zweitens: Ein ebenso wesentlicher Aspekt beider Gesetzentwürfe sind die jeweiligen Kostenfolgen sowohl für den Bürger als auch für den Freistaat. Die Einführung der Infrastrukturabgabe führe, so der Deutsche Mieterbund, Landesverband Thüringen e.V., zum Ansteigen der Nebenkosten und damit zur Mehrbelastung des Mieters. Demgegenüber sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung innerhalb des bestehenden Beitragssystems eher Entlastungspotenziale, zum Beispiel in der Möglichkeit, den Gemeindeanteil in Abhängigkeit von der finanziellen Situation der Gemeinde über den Vorteil der Allgemeinheit hinaus zu erhöhen. Zudem können Beitragsforderungen der Vergangenheit in das bestehende System des wiederkehrenden Straßenausbaubeitrages integriert werden, statt sie über einmalige Beiträge finanzieren zu müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gegen den Gesetzentwurf der Landesregierung wurde zu Beginn dieser Woche und auch hier und heute erneut vorgebracht, dass die vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten zur Reduzierung oder zum Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nur theoretischer Natur seien und in der Praxis kaum Wirkung entfalten würden,

(Beifall DIE LINKE)

zitiert nach der Homepage www.frankkuschel.de.

Die Möglichkeit des Absehens von der Beitragserhebung stellt einen Ausnahmetatbestand von der grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinden zur Beitragserhebung dar. Nur dann, wenn die Beitragserhebung für einzelne Straßenausbaumaßnahmen zu keinem wesentlichen Vermögenszuwachs führen würde, sich somit schlicht für die Gemeinde nicht lohnt oder die finanzielle Situation ei

(Minister Geibert)

ner Gemeinde ungewöhnlich günstig ist, kann von der Beitragserhebung vollständig abgesehen werden. Aber auch hier sehe ich die bestehenden Möglichkeiten nicht nur als theoretisch an. Gerade für Straßenausbaumaßnahmen der frühen 90er-Jahre, für die Gemeinden aus den unterschiedlichsten Quellen finanzielle Mittel erhielten, sehe ich die Möglichkeit, wegen einer fast vollständigen Finanzierung durch Dritte von der Beitragserhebung abzusehen.

Nun zur Möglichkeit der Erhöhung des Gemeindeanteils über den Vorteil der Allgemeinheit hinaus. Zum 31. Dezember 2009 hat immerhin jede vierte Gemeinde in Thüringen das Kriterium der Schuldenfreiheit bzw. einer Pro-Kopf-Verschuldung von höchstens 150 € pro Einwohner erfüllt. Durch dieses Kriterium, den fehlenden Kreditbedarf und die anderen im Gesetzentwurf enthaltenen Kriterien wird das Risiko einer nachhaltigen Verschlechterung der Haushaltssituation durch die Festlegung eines erhöhten Gemeindeanteils minimiert. Hinsichtlich der Kostenfolgen für das Land ist die Aussage eindeutig. Die Novellierung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes darf für das Land keine nachteiligen finanziellen Folgen haben. Und auch Sie, Herr Abgeordneter Kuschel, haben heute für sich reklamiert, dem Land keine Belastungen aufbürden zu wollen. Diesem Umstand wurde dadurch Rechnung getragen, dass Ermessensvorschriften aufgenommen wurden. Die Gemeinden sollen mit Rücksicht auf ihre finanzielle Lage eigenverantwortlich entscheiden, ob sie z.B. ausnahmsweise auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichten können, den gemeindlichen Eigenanteil über den der Allgemeinheit hinaus erhöhen oder Beiträge für kleingärtnerisch genutzte Grundstücke für den Zeitraum deren kleingärtnerischen Nutzung stunden können. Im Gegensatz hierzu sind die im Gesetzentwurf der Fraktionen dargestellten Kostenschätzungen eher nebulös. Zudem wird nicht deutlich, wie der Freistaat diese finanzieren kann. Es ist die Rede davon, dass die bisherigen 20 Mio. € Fördermittel, im Wesentlichen Bundesmittel aus GVFG und Dorferneuerung, für den gemeindlichen Straßenbau unangetastet im Landeshaushalt bestehen bleiben sollen. Wie Sie sicher wissen, ist das frühere Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz seit Jahren ausgelaufen. Die Förderung des kommunalen Straßenbaus erfolgt derzeit aus sogenannten Kompensationsmitteln nach dem Entflechtungsgesetz. Dabei gilt die frühere Zweckbestimmung des GVFG bis einschließlich 2013 fort. Ab dem Jahr 2014 ist offen, in welchem Umfang Mittel bereitstehen. Nach 2019 wird der Bund keine Kompensationsmittel mehr bereitstellen. Letztlich hätte die Infrastrukturabgabe erhebliche negative Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte. Denn aufgrund der Umstellungs- und Verrechnungspflicht würde sich ein Finanzierungsproblem ergeben. Alle bislang vereinnahmten Stra

ßenausbaubeiträge sind aufgrund der freiwilligen Rückzahlungsregelung sofort zurückzuzahlen oder führen aufgrund der Verrechnung über einen Zeitraum von zwanzig Jahren zu Mindereinnahmen. Hierzu finde ich weder in den Kostenfolgen noch in der Begründung Aussagen zur Finanzierung. Da der Gesetzentwurf lediglich eine Verrechnung vorsieht, heißt das für mich auch, dass die übrigen Abgabepflichtigen diese Ausfälle nicht mittragen sollen. Der im Vorblatt dargestellte Gemeindeanteil von 15 Mio. € ist somit nichts anderes als eine Mogelpackung.

Anmerken möchte ich, dass ich die gesetzlich vorgeschriebene Zweckbindung von Drittmitteln für unseriös halte. Bei solchen fremden Finanzierungsmitteln obliegt es immer noch dem Dritten selbst, die Zweckbestimmung festzulegen. So kann sich der Landesgesetzgeber beispielsweise nicht über Zweckbestimmung des Fördermittelgebers Bund hinwegsetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich wirft insbesondere die Änderung eines bestehenden Abgabesystems rechtliche Fragen auf, was, wie die Stellungnahmen zeigen, verständlicherweise zu Unsicherheit der Betroffenen führt. Aber die von den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE vorgeschlagene Infrastrukturabgabe, die sich bereits abzeichnenden grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken sowie die kostenseitigen Wagnisse lassen nicht nur seitens der Landesregierung erhebliche Zweifel an einer dauerhaften und damit nachhaltigen Perspektive dieser Abgabeform aufkommen.

Gestern erreichte mich noch der Änderungsantrag der FDP zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Lassen Sie mich kurz darauf eingehen. Zum einen verdeutlicht dieser die grundsätzliche Bereitschaft der FDP-Fraktion, dem Gesetzentwurf der Landesregierung zu folgen und zum anderen fachlich an der Fortentwicklung des Beitragsrechts mitzuwirken. Dafür will ich mich ganz ausdrücklich bedanken. Der Wunsch der FDP, die Einräumung eines weitreichenden Ermessens bei der Beitragserhebung wurde ziemlich genau vor einem Jahr, und zwar morgen vor einem Jahr, am 25. März 2010, hier im Haus diskutiert. Natürlich haben wir uns damit im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auseinandergesetzt, letztendlich aber dagegen entschieden. Warum? An dieser Stelle möchte ich nicht in erster Linie rechtlich argumentieren, schließlich gibt es in anderen Bundesländern auch Ermessensregelungen. Eine wesentliche Rolle bei unserer Entscheidung spielten natürlich auch die finanziellen Auswirkungen. Die Einführung einer Kannregelung führt zu einem erheblichen Druck auf die kommunalen Entscheidungsträger, gegebenenfalls trotz schlechter Haushaltslage oder negativer Entwicklung von einer Beitragserhebung abzusehen. Diese Problematik hat übrigens der schon zi

(Minister Geibert)

tierte Prof. Dr. Driehaus in seiner Stellung gegenüber dem Innenausschuss angesprochen. Er fordert aus diesem Grund sogar, und das aus meiner Sicht zu weitgehend

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Er will auch keine wiederkehrenden Beiträge.)

- mag er auch nicht -, eine Beitragserhebung quasi kraft Gesetzes. Eine wohl nicht zu verhindernde Verschlechterung der finanziellen Situation einzelner Gemeinden schadet schließlich allen Bürgerinnen und Bürgern, den der betroffenen Gemeinden, die mit Einschnitten bei den Leistungen der Gemeinden rechnen müssen, und den anderen Bürgern Thüringens, wenn den betroffenen Gemeinden zur Stabilisierung ihrer Haushaltssituation andere öffentliche Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden müssen, welche wieder dann an dritter Stelle fehlen. Letztere dürfen sich meines Erachtens zu Recht fragen, warum zahle ich Straßenausbaubeiträge und die anderen nicht. Es ist somit in der Konsequenz eine Frage der Beitragsgerechtigkeit, die dagegenspricht.

Der Änderungsantrag schlägt darüber hinaus vor, dass nur ein Zeitraum von vier Jahren vorausschauend betrachtet werden muss. Darüber hinaus dürfte die Verpflichtung, andere öffentliche Einrichtungen herzustellen, zu erweitern oder zu verbessern, nicht geschmälert werden. Dies reicht nicht weit genug. Die Aufgaben der Gemeinden gehen natürlich deutlich über die Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung von öffentlichen Einrichtungen hinaus. Mit dem Änderungsantrag wäre bereits die Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung nicht mehr sichergestellt, geschweige denn die anderen Aufgaben der Gemeinde. Hierzu zähle ich u.a. die Sicherstellung der Kinderbetreuung oder des Brandschutzes, den Erhalt von Freizeit-, Erholungsoder Sportstätten oder auch aus der kulturellen Vielfalt die Museen oder Büchereien. Gleiches gilt für die zeitliche Komponente, welche die mittelfristige finanzielle Entwicklung der Gemeinde außer Acht lässt. Auch wenn für die Gemeinde erkennbar sein sollte, dass sie in den Jahren fünf, sechs oder sieben nicht mehr über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, kann sie einzelne Bürger, nämlich die, bei denen in den Jahren eins bis vier die Straßen erneuert werden, von der Beitragserhebung freistellen. Von Beitragsgerechtigkeit muss man an dieser Stelle, denke ich, nicht mehr sprechen.

Abschließend möchte ich noch etwas zur Höhe der Verschuldung sagen. Der Änderungsvorschlag der FDP-Fraktion ist für mich in Teilen nachvollziehbar. Auch wir haben überlegt, ob wir eine abstrakte Grenze in das Gesetz aufnehmen. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und letztlich Rechtssicherheit haben wir uns jedoch dagegen entschieden. Eine feste Grenze ist sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Gemeinden nachvollzieh

bar. Die von der Fraktion vorgeschlagene Regelung hätte folgende Konsequenz: Je höher der durchschnittliche Schuldenstand, also umso schlechter die finanzielle Situation einzelner Gemeinden oder die Summe aller einzelner Gemeinden, umso mehr Gemeinden können den Gemeindeanteil erhöhen. Ob dies das gewünschte Ergebnis sein kann, möchte ich bezweifeln.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Eine nette Auslegung.)

Wortauslegung - immer erste Wahl beim Juristen. Schließlich müssten einzelne Gemeinden aufgrund der Änderung der durchschnittlichen Verschuldung ihr Satzungsrecht jährlich anpassen. Auch dies kann unter dem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit nicht das Ziel sein. Auf den einzelnen Schuldenstand kann eine Gemeinde Einfluss nehmen, nicht jedoch auf die durchschnittliche Verschuldung aller Gemeinden. Um zu verdeutlichen, was der Antrag in Zahlen bedeutet, möchte ich nur noch sagen, welche Grenze derzeit gelten würde: 519 € pro Einwohner zum Stand 31.12.2009. Von einer günstigen Haushaltslage, die eine Erhöhung des Gemeindeanteils rechtfertigen würde, kann da wohl nicht mehr ganz die Rede sein. Die Landesregierung bleibt daher bei ihrer Auffassung, dass ihr Gesetzentwurf einen Kompromiss aller Interessen der Bürgerinnen und Bürger, der Gemeinden und des Landes darstellt, im Rahmen des finanziell Möglichen, des rechtlich Notwendigen und vor Ort Erforderlichen eine verträgliche Lösung herbeizuführen. Das Meinungsbild aus der Anhörung bestätigt diese Einschätzung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)