Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Es ist Ihnen gelungen, den Antrag verführerisch so darzustellen, dass die Leute glauben, sie können bestimmte Dinge umgehen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie glauben es nicht, Sie wissen es.)

Er ist - und das haben wir mehrfach erfahren - nicht verfassungsgemäß und ich sage noch ein anderes Thema, er ist auch ungerecht. Ihr Antrag will nämlich sicherlich in der Absicht viele Mitfinanzierer einbeziehen. Dazu gehören infolge auch die Mieter. Die Umlage auf die Mieter haben Sie im Hinterkopf. Das wird aus der Stellungnahme des Mieterbundes deutlich; Sie nennen das „solidarisch“. Ich denke, Sie wissen, wie die Aufteilung ist; Mietwohnungen finden wir vor allen Dingen in städtischen Bereichen, weniger im ländlichen Raum. Dann viel Freude! Sagen Sie doch ehrlich den Mietern, jetzt seid auch ihr dran und jetzt müsst auch ihr zahlen. Zweitens: Ich sage sogar, der Antrag benachteiligt den ländlichen Raum, denn der Hauseigentümer im Dorf hat keinen Mieter, den er zur Heranziehung mit beteiligen kann, in der Stadt ja. Insofern sage ich, dieser Antrag ist auch ungerecht.

Demgegenüber steht der Entwurf der Landesregierung, der an den bisherigen Rahmen anknüpft und einige strukturell sinnvolle Korrekturen vorsieht. Unser ehemaliger Innenminister und heutiger Bundesverfassungsrichter Prof. Huber, dessen Handschrift der Gesetzentwurf deutlich trägt und der diesen auch intensiv mit den beiden Regierungsfraktionen abgestimmt hat, hat die Änderungen ja in der Einbringungsrede uns sehr ausführlich dargestellt. Ich möchte nicht darauf eingehen. Auch Herr Hey hat heute noch mal eine Reihe von Schwerpunkten hier

(Abg. Kuschel)

auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Dafür nochmals vielen Dank.

Ich möchte nur auf zwei Ansätze eingehen, die mir wichtig sind. Erstens die Möglichkeit der Kommunen, diesen eigenen Entscheidungsspielraum bei der Bemessung zu nutzen, natürlich unter der Bedingung, dass die Kommune leistungsfähig ist und bleibt. Als Haupthilfskriterium wurde hier die Kreditgrenze eingeführt. Eine Beitragsreduzierung, meine Damen und Herren, ist immer eine Begünstigung gegenüber dem Bürger. Es ist natürlich selbstverständlich, dass ein Verzicht andererseits nicht zu einer Überforderung der Kommune führen kann und darf.

Das zweite Anliegen, die pflichtgemäße Beteiligung der Bürger, die hier den Kommunen auferlegt wird, nämlich die Bürger an einer Variantenbetrachtung zu beteiligen, sie in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, dass politische Entscheidungen immer schwierig sind, aber wenn ich den Bürger zeitig mit einbinde, sich dann doch wesentlich erleichtern und damit ein hohes Gut sind. Der Bürger nimmt nämlich dann auch die Entscheidung wesentlich leichter an, obwohl es ihm schwerfällt. Wir erleben das an verschiedenen Stellen und, ich denke, dass damit auch gerade bei Planungen überbordende Wünsche und Vorstellungen plötzlich einen anderen Rahmen bekommen und nicht mehr angewandt werden. Jeder Bürgermeister ist gut beraten, das sehr genau auch zu befolgen.

Noch eine Anmerkung von mir zum Schluss. Ich möchte noch mal das Verfahren ansprechen. Es war in meinen Augen ein sehr transparentes Verfahren und bisher einmalig. Begonnen hat die Transparenz bei der Vorlage des Gutachtens, über die öffentliche Diskussion, die Beteiligung der Bürger und Verbände bereits im Vorfeld, die Veröffentlichung von Eckpunkten, bis hin zu dem gesamten Verfahren, das wir durchgeführt haben. Ich denke, ein Verfahren, das wir uns auch für künftige schwierige Gesetzesvorhaben merken sollten.

Meine Damen und Herren, wir werden der Empfehlung des Innenausschusses natürlich folgen und den Antrag der LINKEN ablehnen und den Antrag der Landesregierung annehmen.

Noch eine Anmerkung: Herr Kuschel, Sie haben aufgeworfen diese Diskussion aus dem Benshausener Urteil, das Thema „können“ oder „müssen“. Dies ist deutlich in dem Urteil zum Ausdruck gekommen und dies ist ein Urteil über unsere Gesetzesauslegung und daraus resultiert natürlich auch diese neue Auffassung. Ich denke, für die Beitragspflicht ist laut diesem Urteil nämlich erst deutlich zum Ausdruck gekommen, dass sie auch für die Vergangenheit bestand.

Eine zweite Geschichte: Sie sagen, gleiche Formulierungen in Sachsen und in Thüringen. Dort hatte auch ein Oberverwaltungsgericht geurteilt - eben anders. Aber sächsisches Recht gilt nun mal nicht in Thüringen. Wir müssen akzeptieren, was unser Oberverwaltungsgericht geurteilt hat, und das hat hier eine bindende Wirkung.

Sie haben das Thema Infrastrukturpauschale oder wiederkehrende Beiträge angesprochen. Den Unterschied, den Sie versucht haben darzustellen, sehe ich in anderer Weise. Eine Infrastrukturpauschale kann erhoben werden auch ohne eine konkrete Bebauung, ein wiederkehrender Beitrag nicht. Da ist immer in dem bezogenen Gebiet eine Bebauung notwendig.

Ich denke, das sind eine Reihe von Punkten, die ich hier noch einmal ansprechen wollte. Wir werden uns natürlich an das vorgegebene Gesetz der Landesregierung halten und ihm auch unsere Zustimmung geben. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gumprecht. Es hat jetzt das Wort Abgeordneter Bergner für die FDPFraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, das Thema Kommunalabgaben brennt unter den Nägeln. Immer wieder mussten wir erleben, wie die bestehende Rechtslage juristisch nicht standhielt, wie ehrenamtliche Kommunalpolitiker ins Feuer geschickt wurden für eine Rechtslage, für die sie nichts können. Wir mussten erleben, wie das Kommunalabgabenrecht zu Auswüchsen führte, die Betroffene in Verzweiflung stürzten. Meine Damen und Herren, wenn Ausbaubeiträge fällig werden, die in Einzelfällen sogar den Wert des Grundstücks übertreffen, ist jedes Augenmaß, ist jede Angemessenheit verlorengegangen.

(Beifall FDP)

Danke schön. Wenn Ausbaubeiträge unter dem Strich zur kalten Enteignung führen, kann das vom Gesetzgeber nach meiner festen Überzeugung nicht gewollt sein. Folgerichtig hat meine Fraktion als erste in dieser Legislatur das Thema angepackt und versucht, zumindest eine Lockerung der Probleme ähnlich dem sächsischen Beispiel zu erreichen.

(Beifall FDP)

So ist es kein Wunder, wenn wir grundsätzlich jeden Vorstoß begrüßen, der tatsächlich Abhilfe schaffen und die Menschen im Land entlasten

(Abg. Gumprecht)

kann. Grundvoraussetzungen dafür müssen aus unserer Sicht tatsächliche Erleichterungen, mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort und vor allem nach menschlichem Ermessen ein Maximum an Rechtssicherheit sein. Beide Gesetzentwürfe, die uns heute vorliegen, meine Damen und Herren, haben da allerdings nach unserer Auffassung ihre Haken.

Zunächst wende ich mich dem Gesetzentwurf der LINKEN und GRÜNEN zu. Unterstellt man ihm, er sei juristisch umsetzbar, dann verblüfft die Tatsache, dass anders als bei Beiträgen auch in die Taschen der Mieter gegriffen werden soll. Denn anders als bei Beiträgen könnte die Infrastrukturabgabe auf die Miete umgelegt werden, meine Damen und Herren. Das legt dann doch den Gedanken nahe, dass die LINKEN selbst nicht glauben, die Infrastrukturabgabe umsetzen zu können. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, Sie können es nicht umsetzen.

(Beifall FDP)

Selbst wenn die Infrastrukturabgabe rechnerisch zu angemessenen Ergebnissen führen sollte, selbst wenn die Belastung von Mietern in einem nicht übermäßig dramatischen Umfang steigen sollte, was bislang kaum zu belegen ist, steht fest, dass reihenweise Juristen darauf aufmerksam machen, dass es sich um eine grundsteuerähnliche Abgabe handeln würde und damit gar nicht auf Landesebene beschlossen werden kann.

Herr Kollege Kuschel, Ihnen liegt neben vielen Stellungnahmen von Juristen ein Gutachten vor, das Sie selbst in Auftrag gegeben haben und das Ihnen klipp und klar bestätigt, dass Ihr Entwurf juristisch scheitern wird. Wider besseres Wissen gaukeln Sie den Menschen im Land eine Scheinlösung vor, die nicht tragen wird. Das ist unehrlich und, ich meine, das ist unfair gegenüber den Betroffenen, deren Sorgen zu ernst sind, um sie für parteipolitisches Kalkül zu missbrauchen.

(Beifall FDP)

Sie kommen mir vor wie ein Architekt, der unverändert bauen lässt, obwohl ihm der Statiker sagt, deine Konstruktion kann nicht halten, und der dann nach dem Einsturz sagt, alle anderen sind schuld, ich hätte euch ein schönes Haus gebaut. Dass die GRÜNEN dieses Spiel auch noch unterstützen, Herr Kollege Adams, das disqualifiziert Sie von selbst, meine Damen und Herren. Es ist einfach unanständig, den Menschen eine Lösung zu versprechen, die sich nach der ersten Klage in Schall und Rauch auflösen wird. Deshalb, meine Damen und Herren, können die Liberalen dem Entwurf nicht zustimmen, er hält nicht ansatzweise, was er verspricht.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich lasse mir den Mut nicht neh- men.)

Kommen wir zum Entwurf der Regierung. Auch er verspricht nach meiner Überzeugung, Herr Minister, mehr, als er halten wird. Die versprochenen Lockerungen in der Pflicht zum Erheben von Ausbaubeiträgen sind so eng reglementiert, dass nur die wenigsten Gemeinden in den Genuss kommen werden. Der Versuch, wiederkehrende Beiträge wieder in großen Abrechnungseinheiten zu ermöglichen, ist mir zwar nicht unsympathisch, schon auch aus kommunalpolitischer Befindlichkeit, wenn ich das so nennen darf, aber er ist leider auch juristisch durchaus streitbar. Dazu komme ich noch, Herr Kollege Adams, was Ihre Begründung anbelangte. Mit der Einführung einer Schwelle von 150 € in § 7 Abs. 4 wird eine, wie ich meine, willkürliche Grenze gesetzt,

(Beifall DIE LINKE)

die zudem die wenigsten Gemeinden je erreichen können. Das ist einer der wenigen Punkte, wo wir eine Meinung haben, Kollege Kuschel.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Aber immerhin.)

Immerhin, genau.

Deshalb, meine Damen und Herren, werben wir für unseren Änderungsantrag, indem wir statt der unrealistisch niedrigen Grenze der Regierung für den halben Durchschnitt der gemeindlichen Verschuldung plädieren. Nun könnte man - das gebe ich zu - auch uns vorwerfen, dass dieser Ansatz nicht frei von einer gewissen Willkür ist, er ist aber zumindest deutlich näher dran an der Situation einer breiten Zahl von Gemeinden und ein deutlicher Schritt zu mehr kommunaler Selbstbestimmung. Auch uns, meine Damen und Herren, ist bewusst, dass der Änderungsantrag nur der erste Schritt sein kann, um mehr kommunale Selbstbestimmung zu ermöglichen. Auch uns ist natürlich bewusst, dass es dann einer Änderung des § 54 Abs. 2 der Thüringer Kommunalordnung bedarf. Aber darüber sind wir sehr gesprächsbereit.

Für uns, meine Damen und Herren, ist wesentlich für die Frage einer Zustimmungsfähigkeit, ob tatsächlich praktikable und erhebliche Erleichterungen für die Menschen erreicht werden können, ganz im Sinne von mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort. Es muss wenigstens in leistungsfähigen Gemeinden eine Frage der kommunalen Selbstverwaltung, eine Entscheidung der Verantwortungsträger vor Ort oder im Idealfall der Bürger sein, ob sie sich lieber einen vergleichsweise hohen Standard an freiwilligen Aufgaben leisten oder eben auf Beiträge verzichten wollen.

Ich halte fest, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verlangen deutlich breitere Grenzen für den möglichen Verzicht auf Beiträge und Lösungen, die Kaltenteignungen kein Thema mehr sein lassen. Skeptisch, Herr Minister, se

hen wir, ob sich Ihre Vorstellungen in Bezug auf wiederkehrende Beiträge rechtlich halten lassen werden. Mit dem Wegfall des räumlichen und sachlichen Zusammenhangs bedarf es - wie ich denke einer sehr guten Begründung, worin der besondere Vorteil der Beitragszahler liegen soll. Das heißt, es kann im Extremfall damit das gesamte Beitragsrecht auf unsicheren Boden geraten, gründet es sich doch ausdrücklich auf dem Vorteilsbegriff. Zwar scheint - und das ist, Herr Kollege Adams, der Unterschied - die Urteilslage in Rheinland-Pfalz dem Entwurf der Landesregierung einen gewissen Rückenwind zu geben, ob allerdings Thüringer Gerichte ebenso entscheiden werden im Streitfall, steht aus meiner Sicht in den Sternen. Unsere Sorge ist, dass diesbezüglich der Gesetzgeber die Kommunen wieder einmal in ein Abenteuer schickt.

(Beifall FDP)

Trotzdem, Herr Kollege Adams, und jetzt komme ich noch mal zu der Frage dieses Unterschieds, ist es eben ein Unterschied, ob ein kompletter Gesetzentwurf aus meiner Auffassung, und eben nicht nur aus meiner Auffassung, sondern von all den juristischen Fachleuten, die wir hier hören und lesen durften, eben einem Gerichtsprozess nicht standhalten wird oder ob es möglicherweise ein kleiner Bestandteil in einem Gesetz ist. Und es ist auch der wesentliche Unterschied bei diesem kleinen Bestandteil. In einem anderen Bundesland hat er bei aller Kritik, die ich dabei sehe, und bei allem Risiko, das ich dabei sehe, vor Gericht standgehalten, so dass ich die Kritik zwar äußere, dass ich auch vor der Gefahr warne, vor dem Risiko warne, aber trotzdem qualitativ einen erheblichen Unterschied sehe.

Meine Damen und Herren, ich werbe für die Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Es hat jetzt das Wort Herr Innenminister Geibert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich, bevor ich auf die Ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes eingehe, noch etwas zu dem sagen, was in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit behauptet wurde und auch heute hier wiederholt wurde. Ich bin bislang davon ausgegangen und das wurde durch die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Stellungnahmen auch bestätigt, dass sich alle Beteiligten ernsthaft mit den Problemen im Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts und den

hierzu vorgelegten Gesetzentwürfen auseinandersetzen wollen. In dieser Woche wurde ich eines Besseren belehrt. Gegenüber der Presse und auch heute wieder hier im Plenum wurden wider besseres Wissen in einer demagogischen Art und Weise die derzeitige Rechtslage und die von der Landesregierung vorgeschlagenen Änderungen falsch dargestellt.

(Beifall SPD)

Hier sollen Ängste in der Bevölkerung bewusst geschürt werden.

(Beifall CDU, SPD)

Ich möchte aus den Äußerungen einer Abgeordnetenhomepage zitieren: „Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken haben CDU und SPD im Innenausschuss des Thüringer Landtags beschlossen, dass die Thüringer Gemeinden verpflichtet werden, für alle Straßenausbaumaßnahmen rückwirkend bis 1991 Beiträge von den Anliegern zu erheben.“ Weiter wird ausgeführt: „Eine derartig rückwirkende gesetzliche Regelung, die rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht, ist nahezu einmalig in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte.“

(Beifall DIE LINKE)