Protokoll der Sitzung vom 15.06.2011

Ich will eines sagen, weil wir ja heute über Sparhaushalte reden. Jetzt will ich mal eine Rechnung aufmachen, vielleicht können Sie das nach Berlin durchgeben, Sie regieren ja in Berlin. Wer 18 Mrd. € sparen will, der braucht nur Folgendes tun, der führt einen gesetzlichen Mindestlohn ein, die Aufstockerbeträge von 11 Mrd. € werden gestrichen und die zusätzlichen Einnahmen von 7,1 Mrd. €, die über einen Mindestlohn, einen verbindlichen Mindestlohn in die Staatskasse gebracht würden, das bringt 18 Mrd. € und dazu hätten wir dann mehr Geld für Investitionen im Bereich Bildung oder in anderen Fragen.

(Beifall SPD)

Das wäre ein vernünftiger Weg, man muss ihn nur beschreiten.

Zum Schluss ein für mich noch mal wichtiger Punkt, an einer Stelle will ich auf Folgendes hinweisen. Ich glaube, die Debatte über die Situation auf den Arbeitsmärkten darf man nicht allein lohnpolitisch führen. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt, das gestehe ich gern zu, aber ich glaube, wir müssen sehr viel breiter denken. Wir müssen wieder über den Wert von Arbeit neu nachdenken. Das heißt, wie qualifizieren wir richtig? Wie stellen wir sicher, dass ältere Arbeitnehmer auch wirklich länger arbeiten können, dadurch, dass sie einen Qualifizierungsanspruch haben? Wie stellen wir sicher, bei enormen sich verändernden Rahmenbedingungen, auch für jüngere Kollegen, dass sie eine Qualifizierungsmöglichkeit haben, um voll produktiv im Unternehmen zu sein? Wie stellen wir zum Beispiel sicher, dass auch Familienbelange stärker berücksichtigt werden? Dafür haben wir heute Morgen die Allianz für Familie gegründet. Das sind Fragen, die aus meiner Sicht die Qualität und den Wert von Arbeit unmittelbar berühren. Das geht weit über das Thema Tarifpolitik und Löhne Ost und West hinaus.

(Minister Machnig)

Ich würde mich sehr freuen, wenn der Vorschlag, vielleicht kann man das ja in einer der nächsten Plenarsitzungen tun, des Kollegen Lemb hier aufgenommen würde. Was hat der Kollege Lemb vorgeschlagen? Er hat vorgeschlagen, dass es einen fraktionsübergreifenden Antrag gibt, in dem das Parlament darum wirbt, dass die Tarifbindung in Thüringen angehoben wird, dass wir wegkommen von den 22 Prozent, dass wir 30 oder 40 Prozent der Unternehmen in die Tarifbindung hineinbekommen, damit wir mehr Beschäftigte und damit mehr Fairness und auch bessere Aushandlungsbedingungen im Rahmen der Tarifpolitik hinbekommen. Ich würde mich freuen, wenn der Gedanke aufgenommen würde. Das steht dem Parlament gut an, gerade in solchen wichtigen ökonomischen, sozialen und zukunftsorientierten Themen seine Stimme zu erheben und klar Position zu beziehen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Die Redezeit ist insgesamt ausgeschöpft. Damit beende ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und eröffne den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Wer A sagt, muss auch B sagen: Konsequenter Ausbau der erneuerbaren Energien, Effizienzsteigerung und Energieeinsparung in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2883

Ich eröffne die Aussprache. Als Erste hat das Wort Frau Abgeordnete Anja Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach den beiden energiepolitischen Veranstaltungen der vergangenen Woche haben wir GRÜNEN Redebedarf. Deswegen, wer A sagt, muss auch B sagen. Wir wollen über Energieeffizienz, die Energiewende und Energieeinsparen reden, weil wir uns schon ein bisschen fragen: Was kommt denn nun zuerst in der Koalition bei CDU und SPD, die Parteien oder die Koalition oder das Land oder was denn nun?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fragen uns auch: Wie viele Thesenpapiere später entscheidet sich denn nun die energiepolitische

Zukunft Thüringens? Wollen wir eine Energiewende mit Augenmaß oder wird das jetzt Augenwischerei? Wollen wir jetzt den grünen Motor anspringen lassen oder auf der Bremse stehen? Wollen wir eine echte Energiewende oder ein bisschen was Halbes oder was Ganzes mit allem Drum und Dran? Oder vielleicht doch nicht? Wo geht es hin, wo genau bewegt sich Thüringen hin? Deswegen der Titel der Aktuellen Stunde.

Wir haben, das steht wohl fest, auch aktuellen Anlass, darüber zu reden. Man schaut auf uns, man schaut auf die Bundesrepublik, man schaut auf Thüringen, überall in der Welt und fragt sich: Gibt es jetzt dort endlich die ökologische Zeitenwende, ja oder nein? Wie sieht die aus? Wie wird das gestemmt?

Lassen Sie mich kurz über den Tellerrand Thüringens hinausblicken, nach Italien. Wer das Referendum am Wochenende mitbekommen und gelesen hat, dass auch dort endlich das Atomkraftzeitalter vorbei zu sein scheint,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

jedenfalls haben das die Bürger und Bürgerinnen entschieden, dann sieht man, dass sich ganz Europa tatsächlich in der ökologischen Zeitenwende, lassen Sie mich das so nennen, bewegt. 90 Prozent, das muss man sich mal vorstellen, der Italienerinnen und Italiener haben gegen die Regierung gestimmt und gesagt, nein, wir wollen keinen Ausbau der Atomkraft. Das ist ein Zeichen, das auch uns beeindrucken müsste. Wenn die europäische Dimension des Ganzen jetzt auch der letzte Klimawandelskeptiker in der hiesigen CDU-Fraktion zur Kenntnis nehmen würde, dann hätten wir hier auch richtig viel geschafft

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und wir hätten vor allem eines, wir hätten Klarheit. Das Referendum in Italien zeigt uns zwei Dinge: Es zeigt uns erstens, dass Atomkraft ausgedient hat, das wissen viele von uns schon länger, manche halt immer noch nicht, deswegen muss man es noch mal sagen. Es zeigt uns zweitens, dass gerade im Bereich der Energiewende Bürgerbeteiligung das richtige Instrument ist, um zukunftsfeste Entscheidungen zu treffen. Die Bürgerinnen und Bürger haben Ja gesagt zum Ausstieg aus der Atomkraft in Italien, sie haben Ja gesagt zu einer sicheren Energieversorgung und sie haben Ja gesagt zu nachhaltigen erneuerbaren Energien, sie haben Ja gesagt zum Verzicht auf Atomkraft. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, was richtig ist und was die kommenden Generationen verdienen.

Auf Bundesebene stehen historische Entscheidungen bevor. Für uns GRÜNE ist klar, dass der bevorstehende Ausstieg aus der Atomkraft die nunmehr dritte historische Zäsur in der Atompolitik darstellt.

(Minister Machnig)

Wir freuen uns und hoffen auf den endgültigen rechtssicheren Ausstieg aus dem Ausstieg vom Ausstieg.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil es gerade für uns GRÜNE eine wichtige Debatte ist, wird es in zehn Tagen einen Sonderparteitag geben, auf dem wir darüber sprechen werden, was das heißt. Für uns ist ganz klar, dass es Eckpunkte gibt, die entscheidend sind bei diesem, wenn Sie so wollen, historischen Moment, es darf eben nicht zu einer Deckelung des Ausbaus der Erneuerbaren kommen, denn die Energiewende gelingt nur mit mehr Energie von Sonne, Wind und Biomasse.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Energiewende heißt auch, dass es keine weitere Absenkung der Einspeisevergütung für Solar geben darf, heißt übrigens auch, dass wir Schluss machen müssen mit der Unterscheidung zwischen Onshoreund Offshore-Förderung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Energiewende heißt auch, dass wir nicht am Bürger vorbei Infrastrukturplanungen machen dürfen, denn genau darauf kommt es an, in Zukunft Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Diese Energiewende auf Bundesebene muss auch heißen, dass es nicht sinnvoll ist, darüber zu diskutieren, Wind aus dem Norden über lange Stromleitungen zum Porschewerk nach Stuttgart zu leiten, sondern da muss man sich über intelligente Wege unterhalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein letzter Punkt zur Bundesebene: Wir dürfen nicht in die Renaissance der Investition in Kohle kommen, sondern wir müssen neue Wege finden - deswegen Sonne, Windstrom, Biomasse. Die drei E in Thüringen sind deswegen richtig und wichtig, weil hier vier Ministerien am Arbeiten sind: das Kultusministerium, das in Forschung investiert, das Wirtschaftsministerium, das Wege vorgegeben hat, aber mindestens im Bereich Verkehr und Gebäudesanierung hinken wir hinterher. Deswegen lassen Sie mich hier deutlich sagen, für uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist wichtig, dass wir nicht nur darüber reden, die Erneuerbaren auszubauen, sondern im Bereich Energieeffizienz und -einsparung deutlich voranzukommen. Da vermissen wir Signale in der Verkehrspolitik, beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs, im Bereich Energieeffizienz, im Bereich Gebäudesanierung. Dazu möchten wir mehr hören. Wo sind die Vorrangflächen für Windkraft, wie passiert die Energiewende in Thüringen im Zusammenklang aller vier Ministerien, die betroffen sind? Wer A sagt, muss auch B sagen. Erklären Sie uns, wie die vier zusammenarbeiten wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster spricht für die CDUFraktion der Abgeordnete Henry Worm.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, „Wer A sagt, muss auch B sagen“, so der Titel dieser Aktuellen Stunde und treffender hätte die Überschrift für den Energieumbruch in Deutschland nicht sein können. Kompliment für so viel Selbsteinsicht bei der GRÜNEN-Fraktion.

(Beifall CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss diesen Umbau hin zu den erneuerbaren Energien nicht nur wollen, sondern dem Bürger auch sagen, wie er gelingen soll und was er uns letztendlich kosten wird.

(Beifall CDU)

Wir wollen diesen Energieumbau und wir sagen den Menschen auch wie, nämlich erneuerbar, transportierbar, speicherbar und bezahlbar.

(Beifall CDU, FDP)

Unsere Fraktion möchte den Weg des Energieumstiegs zielgerichtet, bestimmt und mit der notwendigen Verantwortung gehen. Wir haben dazu unsere energiepolitischen Leitlinien verfasst und vorgelegt und stehen hier natürlich ganz klar zu den entsprechenden Inhalten. Wir sind somit nicht nur bereit, A zu sagen, sondern auch B. Jetzt schaue ich ein Stück weit nach LINKS oder zu den GRÜNEN, denn dort sollte die Botschaft dringlicher denn je wahrgenommen werden. Wer heute den Energieumstieg fordert, kann nicht morgen gegen den Ausbau des Trassennetzes vor Ort demonstrieren.

(Beifall CDU)

Wer die Erneuerbaren will und sich dafür ausspricht,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer sagt das?)

der muss auch für die notwendige Infrastruktur in Form von Verteilnetzen und Stromtrassen sein.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da müssen Sie selbst lachen.)

Wir sehen deshalb auch die Notwendigkeit der 380-kV-Leitungen, und zwar in enger Kommunikation mit den Menschen vor Ort, aber auch mit der Bestimmtheit, dass diese Trasse gebraucht wird. Denn wenn wir wissen, dass vom Verhältnis her der größte Anteil der erneuerbaren Energien in den fünf neuen Bundesländern produziert wird - also im Verteilgebiet von 50Hertz - und dass auch noch von dieser Menge der erzeugten und vor Ort auch genutzten Energie jetzt schon gut 50 Prozent expor

(Abg. Siegesmund)

tiert werden müssen - das hat etwas mit der wirtschaftlichen Situation und mit der demographischen Situation vor Ort zu tun -, dann gilt auch die logische Konsequenz, dass bei einem Ausbau der erneuerbaren Energie auch die deutschland- und europaweite Verteilbarkeit gewährleistet sein muss.

Ein weiterer und für uns wichtiger Aspekt sind bezahlbare Preise und natürlich Versorgungssicherheit. Der Umstieg muss kosteneffizient gelingen. Zum Nulltarif werden wir ihn aber definitiv nicht bekommen und deshalb müssen die Interessen der Privathaushalte und unserer Wirtschaft im Auge behalten werden. Wir brauchen vor allem grundlastfähige Energieträger, damit auch in Zukunft eine verlässliche und sichere Stromversorgung gewährleistet werden kann.

Ein weiteres B möchte ich anfügen, es ist die Forschung. Wer A sagt, muss auch B sagen, dazu gehört auch, dass wir in die Forschung investieren. Hier gab es ja auch ein klares Bekenntnis der Landesregierung. In Energieträger, die noch in Kinderschuhen stecken, aber eine dauerhafte und sichere Versorgung versprechen und Geothermie ist da ein von uns bereits breit kommuniziertes Forschungsfeld und genauso gut die Bioenergieforschung. Dieser Umstieg - und auch das gehört dazu, wenn man nach dem A B sagen will - kann nicht zulasten der Umwelt und der Menschen anderer Regionen gestaltet werden. Eine ehrliche Ökobilanz muss Bestandteil des Energieumstiegs sein.

(Beifall CDU)