Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, der Fraktionsvorsitzende der benachbarten Fraktion hat ja manchmal auch herzerfrischende Bemerkungen. Meine Damen und Herren, wir haben das Thema, dieses aktuelle Thema gewählt, um zu erfahren, wie die einzelnen Fraktionen und natürlich vor allem die Landesregierung sich dazu positionieren.
Am 22.06.2011 fand die Innenministerkonferenz in Frankfurt am Main statt. Auf dieser Konferenz haben sich die Innenminister der Länder von CDU und SPD aus meiner Sicht bedauerlicherweise für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und somit für eine anlasslose Speicherung von sämtlichen Kommunikationsdaten ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass allen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 bekannt ist. In dem Urteil wurden die deutschen Vor
schriften zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Das Gericht hat in seiner Entscheidung vehement die anlasslose Speicherung umfangreicher Daten sämtlicher Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste kritisiert und auch dass die Hürden für die staatlichen Zugriffe zu niedrig seien. Auch wenn das Gericht darauf hingewiesen hat, dass eine Vorratsdatenspeicherung nicht generell gegen das Grundgesetz verstößt, sind wir der Auffassung, dass die von den Innenministern geforderte Vorratsdatenspeicherung, die der Datensammelwut der alten Regelung in nichts nachsteht, nicht mit den Grundrechten vereinbar ist, meine Damen und Herren.
17 Monate nach dem Urteil kann man nicht so tun, als gäbe es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber nicht zum ersten Mal ein Gesetz um die Ohren hauen müssen. Ich will hier nur an § 14 des Luftsicherheitsgesetzes erinnern, dieser Paragraph sollte den Abschuss von entführten Flugzeugen ermöglichen.
Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass das Bundesverfassungsgericht als eigentliche Legislative auftreten muss, das hat mit dem Rechtsstaatsprinzip und somit mit Gewaltenteilung nun wirklich nichts zu tun.
Der Gesetzgeber, meine Damen und Herren, sollte in der Lage sein, verfassungsmäßige Gesetze zu etablieren.
In den letzten Jahren scheint es so, dass die gesetzgebende Gewalt ohne Wenn und Aber versucht, die Grundrechte einzuschränken, und darauf hofft, dass es keiner mitbekommt. Nun wird trotz der massiven Kritik des Bundesverfassungsgerichts von den Innenministern ein Weiterso bei der Vorratsdatenspeicherung gefordert. Das, meine Damen und Herren, können wir weder verstehen noch akzeptieren.
Wer gleichwohl die Vorratsdatenspeicherung für notwendig erachtet, den muss ich leider enttäuschen, denn der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung konnte in keiner Weise in den letzten Jahren nachgewiesen werden. Seit der Einführung 2008 sind laut amtlicher Kriminalstatistik die Aufklärungsquoten nicht gestiegen: 2007 55 Prozent, 2008 54,8 Prozent und 2009 55,6 Prozent. Deswegen, meine Damen und Herren, sind wir der Ansicht, dass die Vorratsdatenspeicherung allein einem Zweck dient, und zwar die Datensammellust des Staates zu befriedigen.
Dafür aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir die Grundrechte nicht einfach aufgeben oder aushöhlen.
Eine anlasslose Speicherung von Telefondaten und Kommunikationsdaten verstößt nach unserer Auffassung gegen das Grundrecht aus Artikel 10 Grundgesetz, nämlich dem Post- und Fernmeldegeheimnis und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Für Eingriffe in den Schutzbereich dieser Grundrechte braucht es erhebliche Gründe und das, meine Damen und Herren, muss auch in Zukunft so bleiben.
Eine Speicherung von Daten kann es nach unserer Überzeugung nur aufgrund eines konkreten Verdachts einer Straftat geben.
Meine Damen und Herren, es wäre töricht, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung als unerlässlich zu erachten. Das anlasslose Speichern von Daten geht nur auf Kosten der Freiheit; die Sicherheit der Bürger wird nach den bisherigen Statistiken nicht erhöht. Wir haben jetzt schon Gesetze z.B. in der Strafprozessordnung, durch die die Sicherheit in Deutschland jahrzehntelang gut gewährleistet war. Es helfen somit nach unserer festen Auffassung nicht neue Gesetze, sondern nur die wirksame Umsetzung der bestehenden Gesetze und deren Vollzug. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bergner, Sie sind hier, denke ich, ziemlich klar am Thema vorbeigeschrammt, ich möchte es mal so nennen, mit Ihrer Ansicht, wir hätten wieder eine unkontrollierte Datensammelwut des Staates.
Die Datensammelwut befindet sich ganz woanders. Sie haben von Rechtsgrundlagen gesprochen, die beachtet werden müssen.
Dass Ihnen da die EU-Richtlinie nicht eingefallen ist, wundert mich doch sehr. An anderer Stelle haben Sie doch großen Wert auf die Umsetzung von EU-Recht gelegt. Neben dem Grundrecht auf infor
mationelle Selbstbestimmung gibt es auch ein Anrecht, dass der Staat seine Bürger vor Verbrechen schützt und Verbrechen wirksam bekämpft. Dazu gehört auch eine wirksame Aufklärung. Wenn Sie jetzt sagen, die Kriminalstatistik weist keine höhere Aufklärungsquote bei den Straftaten auf, seit es die Vorratsdatenspeicherung vorübergehend gegeben hat, dann ist es aber doch so, dass man umgekehrt auch argumentieren könnte, nachdem sich Absprachen für Straftaten oder Verabredungen mehr und mehr in die Telekommunikation verlagert haben und die Aufklärungsquote gleich geblieben ist, dann lag das daran, dass man auch auf solche Daten Zugriff hatte.
Bevor die Vorratsdatenspeicherung vom Verfassungsgericht für unzulässig erklärt worden ist, hatten wir als Bundesrepublik Deutschland einen Berichtszeitraum an die EU weitergegeben zur Evaluierung der Vorratsdatenspeicherung. Das waren 13.000 staatliche Zugriffe in einem Kalenderjahr. Deswegen meine ich nicht, dass hier Datensammelwut besteht. Wir halten eine verfassungsrechtlich zulässige, am Prinzip der Datensparsamkeit und Datensicherheit orientierte Nutzungsmöglichkeit gespeicherter Verbindungsdaten zum Zweck der Aufklärung und Verfolgung schwerer Straftaten ebenso wie das Bundesverfassungsgericht nach wie vor nicht nur für zulässig, sondern auch für verhältnismäßig und angemessen. Es gibt in der EU, das hatte ich schon letztes Jahr erzählt, eine Datenschutzgruppe, die Konferenz der Datenschutzbeauftragten der Mitgliedsländer der EU, die auch gesagt haben, wir sind nicht grundsätzlich gegen die Vorratsdatenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung, wir stellen nur bestimmte Anforderungen an eine Neuregelung auch der EU-Richtlinie, die in diesen Monaten erneuert werden soll.
Die Empfehlung eins war: Die zulässigen zu speichernden Verbindungsdaten müssen klar umschrieben und begrenzt werden. Da befinden sich die Datenschutzbeauftragten der Europäischen Union in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht.
Die zweite Empfehlung: Die Übermittlungsgründe müssen streng begrenzt und abschließend aufgezählt werden. Hier präferieren wir, dass es nur bei einem eng begrenzten Katalog schwerer Straftaten möglich wird, Verbindungsdaten abzufragen.
Die Empfehlung drei lautete, dass die Speicherfristen europaweit und einheitlich begrenzt werden müssten, denn die Evaluierung hatte ergeben - das hatte ich Ihnen auch im letzten Jahr schon mal erzählt -, dass Verbindungsdaten in anderen europäischen Ländern teilweise sehr lange gespeichert werden. 30 Prozent, die Angaben gemacht haben, speichern Daten länger als 12 Monate. Spitzenreiter in der Speicherfrist war, wenn ich mich richtig erinnere, Polen mit zehn Jahren.
Die vierte Empfehlung der Datenschutzgruppe war, dass die rechtlichen und technischen Vorgaben einer Übermittlung von Kommunikationsdaten genau bestimmt werden müssten.
Die zuständige Innenkommissarin Malmström hat im April bestätigt, dass zumindest die Anforderungen eins bis drei in die Überarbeitung auf Europaebene eingehen werden. Sie hat aber auch bestätigt, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht abgeschafft werden wird, sie wird allerdings möglicherweise eingeschränkt.
Daher ist auch die Bundesmeinung meiner Partei, die Speicherfrist von bisher sechs auf drei Monate zu begrenzen und nur für schwere Straftaten den Zugriff zu ermöglichen und das auch immer nur auf die Verbindungsdaten, sicher ein möglicher und sinnvoller Weg. Wir werden uns dafür einsetzen. Dafür stehe ich immer auch persönlich ein, wenn ich auch hier vorn etwas zu dem Thema sage, dass dem gebotenen Datenschutz die hohe Bedeutung zukommt, die er verdient. Dieser muss aber endlich auch mal auf private Datensammler ausgedehnt werden. Das ist, glaube ich, das Wichtigste. Meine und Ihre Kommunikationsdaten werden tagtäglich und millionenfach von den Kommunikationsdienstleistern unabhängig von einem staatlichen Zugriffsrecht gesammelt und ausgewertet. Wie weit auch Inhalte von den privaten Dienstleistern und Providern gespeichert werden, liegt dabei komplett im Dunkeln bzw. bei geschickter Standortwahl der jeweiligen Provider auch jenseits bestehender Kontrollbefugnisse. In den sogenannten sozialen Netzwerken gilt schon jetzt: Das Netz vergisst nichts. Da brauchen wir komplett neue Regelungen, zum Beispiel eine Vorschrift, die höchste Sicherheitseinstellungen vorschreibt bei Anmeldung in sozialen Netzwerken oder den besonderen Schutz von Daten und Netzwerkaktivitäten von Kindern. Dagegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Vorratsdatenspeicherung ein eher kleines Problem. Die zuständige Innenkommissarin Malmström hat einen Entwurf bis zum Ende des Jahres angekündigt. Ich denke, dass eine zu erwartende restriktivere künftige EU-Richtlinie schon jetzt den Weg weist und gestatten sollte, entsprechend enge Anforderungen an die Neuregelung auf Bundesebene zu stellen, die wir aber gemeinsam vorantreiben werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beschäftigen uns zum wiederholten Male auch mit der Vorratsdatenspei
cherung. Meine Kollegin Marx hat ja im Grundsatz sehr viele Dinge gesagt, die ich ausdrücklich unterstützen möchte. Ich bin eigentlich froh, dass die Innenministerkonferenz im Juni dieses Jahres den einstimmigen Beschluss gefasst hat, dass hier dringender Handlungsbedarf ist, meine Damen und Herren. Ich glaube, man kann es doch wohl den Innenministern abnehmen und auch dem Bundesinnenminister, der in diese Richtung nicht nur argumentiert, sondern auch die Dinge auf den Tisch gelegt hat.
Ich bin verwundert, ich war immer noch bisher der Meinung, dass unsere FDP im Lande gegebenenfalls dort den Dingen etwas ins Auge schaut und sich nicht den bundespolitischen Dingen anschließt. Wir haben nun einmal die Probleme, dass wir auch im Lande nach wie vor Terrorismus, Kinderpornographie, Betrug haben, wir haben Bombendrohungen in Schulen in Erfurt gehabt. Dann steigt auch der Erwartungsdruck, die Polizei soll ganz schnell aufklären, soll entsprechend das Ganze machen. Aber man will das Instrumentarium, was dazu gehört, nicht an die Hand geben.
Herr Kollege Bergner, bleib doch nur ruhig auf der ersten Reihe. Wir sind dort vollkommen unterschiedlicher Meinung. Wir waren vor Kurzem im LKA und haben uns ausgiebig mit den Kollegen dort unterhalten und haben uns dazu noch einmal sachkundig gemacht, wo uns das fachlich noch einmal ausdrücklich alles bestätigt wurde, dass es dringend notwendig ist, dass das Handwerkszeug an die Hand kommt und auch vor allen Dingen bleibt. Es ist ja gerade gesagt worden, die EURichtlinie, die sowieso auf dem Weg ist mit dem Entsprechenden, was dort alles anhängt.
Ich will das nur noch einmal deutlich machen. Wir wollen und werden den Kopf nicht in den Sand stecken. Wir unterstützen ausdrücklich unseren Innenminister und die Innenminister der Länder und den Innenminister des Bundes, dass es hier ganz schnell das entsprechende Gesetz dazu geben muss. Ich habe letztens im Focus gelesen, dass „Frau Schnarre“ diejenige ist, die das Ganze dort boykottiert. Ich kann eigentlich nur hoffen, dass das bald aufgeweicht wird und dass dort schnellstmöglich entsprechende Dinge dazu auf den Weg kommen. Ich glaube auch, wer sich das Bundesverfassungsgerichtsurteil angesehen hat, dort steht ganz klar drin, was dort gefordert wird vom Gesetzgeber. Das ist klar definiert, und wenn man diese klare Definition auch einhält, dann ist das Ganze auch durchführbar. Deswegen könnte man jetzt über viele Dinge hier noch philosophieren. Wir sind der Meinung, es geht nicht nur um den Datenschutz und um die Persönlichkeitsrechte, es geht mindestens genauso darum, dass auch Verbrechen bekämpft
Ich fordere ganz klar weiterhin unseren Innenminister auf und die Innenminister der Länder. Ich bin froh, dass dort kein FDP-Minister mehr dazwischen sitzt, der das Ganze immer wieder gestört hätte, sondern dass jetzt das Ganze wirklich in einer Hand ist. Vielleicht wäre das auch ein zukunftsweisendes Instrumentarium.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass unsere Landesregierung es weiter konsequent umsetzt. Wir stehen dazu und wir wollen die Aufklärung von Verbrechen und nicht das Vertuschen von Verbrechen fördern.