Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

(Zwischenruf Abg. Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Resolution!)

Wenn ich noch sagen darf, wenn wir morgen die Einbringung des Haushalts haben und ausführlich über diese Thematik diskutieren können, dann halte ich es einfach für unsinnig, noch eine Aktuelle Stunde vorzuschalten. Wir sollten uns auch im Interesse der Zeitökonomie daran halten, nicht eine Doppelung der Themen vielleicht auch aus ein paar populistischen Gründen hier anzustreben.

Ich will noch Folgendes sagen: Ich bin nun schon über 20 Jahre in diesem Landtag. Seit 20 Jahren erlebe ich die gleiche Debatte von jedweder Opposition an dieser Stelle. Seit 20 Jahren beschreibt die Opposition den Untergang, nicht des Abendlandes, aber zumindest der Kommunen und seit 20 Jahren stehen die Kommunen am Ende des Tages in der Regel besser da als vorher beschrieben, vielleicht sogar besser als das Land. Ich will das an ein paar Zahlen beweisen, Herr Ramelow, ein paar Zahlen dazu für Ihren Hintergrund. Vom Jahr 2000 bis 2010 tilgen die Kommunen Schulden in Höhe von 745 Mio. €. Das ist erst mal gut, dass die Kommunen Schulden tilgen, das heißt aber auch, dass sie mehr Mehreinnahmen haben als Ausgaben.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sa- gen Sie mal, haben Sie schon mal die Kom- munalordnung gelesen? Das ist ja die Höhe.)

Im gleichen Zeitraum hat das Land 5,18 Mrd. € Schulden gemacht. Das heißt also, die Schulden, die auch zulasten der Kommunen hier aufgenommen wurden, sind beim Land aufgelaufen. Man könnte sagen, das Land hat Schulden gemacht, damit sich die Kommunen entschulden können. Ich glaube, das kann nicht im Interesse unseres Landes sein.

Ich will eine zweite Statistik hier anführen, eine Mitteilung vom 08.09., das ist ganz aktuell vom Lan

(Abg. Ramelow)

desamt für Statistik: Im 1. Halbjahr 2011 haben die Kommunen mehr Ausgaben in Höhe von 61 Mio. € bzw. 2,9 Prozent als im vergleichbaren Zeitraum 2010 - also Mehrausgaben von 2,9 Prozent. Dagegen stehen aber 118 Mio. € bzw. 5,6 Prozent mehr Einnahmen, also wesentlich mehr Einnahmen

(Zwischenruf Abg. Enders, DIE LINKE: Wo sind denn die?)

als Ausgaben in einem Jahr, das ohnehin sehr positiv war, denn wir haben im Jahr 2010 den Kommunen noch einen Nachschlag gegeben. Diese Prognose wurde sogar durch die Wirklichkeit überholt. Deswegen denke ich, unsere ganze Debatte krankt doch wohl an einem: Wir streiten uns immer über die Prognosen, also über virtuelle Zahlen, wir streiten nicht über die realen Zahlen. Das geht nicht anders, wir müssen bei einem Haushalt abschätzen, das ist klar, aber ich denke, es ist gut, wenn wir uns mal in einer großen Erhebung die Situation der Kommunen wirklich in ihrer Realität darstellen lassen, damit wir für das, was die CDU-Fraktion, aber auch der Finanzminister vorhaben, nämlich eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs in Gang zu setzen, eine reale Basis haben.

Es ist klar, dass die Opposition immer die schlechteren Prognosen für ihre Erhebung nimmt, das sei Ihnen zugestanden. Aber ich kann nur sagen, die Landesregierung nimmt die realistischen Prognosen. Und die realistischen Prognosen besagen 173 Mio. € Mehreinnahmen bei den Kommunen. Ich denke, das sind nicht nur Gewerbesteuern, wie Sie, Herr Ramelow, vorhin angegeben haben, das sind auch Anteile an der Einkommensteuer, Anteile an der Umsatzsteuer und weitere Einnahmen, die ich jetzt nicht alle benennen will. Es ist nicht immer das Gewerbegebiet, das eventuell Mehreinnahmen bringt, und dann die Kommunen, die kein Gewerbegebiet haben, auch keine Mehreinnahmen haben.

Ich weiß wohl, das ist eine Durchschnittszahl, 173 Mio. € ist der Durchschnitt. Das heißt auch, dass einige, vor allen Dingen die Städte, die kreisfreien Städte besonders, wesentlich mehr eigene Mehreinnahmen haben werden. Es wird auch Kommunen geben, die wesentlich weniger eigene Mehreinnahmen haben. Ich denke, das muss man in einem künftigen Kommunalen Finanzausgleich berücksichtigen. Darauf werden wir Wert legen, dass das auch wirklich geschieht.

Sie haben in Ihrem Antragstitel noch gesagt, wir sollen die Resolution des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes unterstützen. Sie haben nicht geschrieben, welche, ich gehe davon aus, Sie meinten die letzte. Ich kann angesichts der knappen Zeit nur sagen, wir können diese nicht unterstützen, sie ist in vielen Punkten fehlerhaft. Wenn wir mehr Zeit hätten, vielleicht können wir das morgen noch einmal vertiefen, könnte ich Ihnen die Fehler auch darstellen. Einer fehlerhaften Resolution können wir

uns nicht anschließen. Ich empfehle eine wesentlich weniger aufgeregte Debatte zu diesem Thema. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Enders, DIE LINKE: Das ist doch eine Frechheit, ehrlich.)

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Carsten Meyer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich versuche mal zum Thema zu sprechen. Das andere große Thema machen wir morgen. Ich rede mal zur Resolution des Gemeinde- und Städtebundes, das hat DIE LINKE eigentlich auch so gewollt, auch wenn Herr Ramelow dazu nicht geredet hat. Er hat zum großen Thema KFA gesprochen und nicht zu der konkreten Resolution, die nur zwei Seiten hat. Dazu kann man in 5 Minuten schon etwas sagen.

Man kann in der Resolution des Gemeinde- und Städtebundes unterstützen, dass er sich zu Recht darüber beklagt, wie das Land mit ihm umgeht. Die Rückmeldung aus den Spitzenverbänden zur Kenntnis zu nehmen, nachdem man bereits in die Presse mit seinen Eckwerten gegangen ist, ist natürlich ein Zeichen dafür, welches Klima man gerne hätte. Da sollen die Spitzenverbände kujoniert und diszipliniert werden. Das ist Absicht, das kann ich gut verstehen, ich muss es aber noch lange nicht gut finden oder schon gar nicht tolerieren.

Wir sehen bei den Investitionen und beim Investitionsbedarf, dass die Begründung des Landes falsch ist, zu sagen, wir können dort streichen, weil kein Bedarf mehr da ist. Natürlich ist noch Bedarf da, aber die Frage ist, wie man diesen Bedarf nach Notwendigkeiten definiert, wenn kein Geld mehr vorhanden ist. Das traut sich das Land natürlich nicht, weil Standards zu hinterfragen oder Strukturkommissionen auch wirklich mal mit Ergebnissen zu organisieren eben gerade nicht gewollt sind bislang jedenfalls nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Kommunale Finanzausgleich ist noch ausreichend für die finanzielle Mindestausstattung, wenn man über alle Kommunen hinweg gleichmäßig schaut. Die Zahlen von Herrn Finanzminister Voß sind nicht bestritten worden. Aber natürlich haben auch all die Kommunen recht, die sich auf der Veranstaltung gemeldet haben, die ihre Beispiele hatten, aus den 200 oder 300 oder vielleicht sogar 400 Gemeinden, die genau das nicht mehr von sich sa

(Abg. Dr. Zeh)

gen können. Dieses Problem zu lösen, wird uns auch noch betreffen. Aber wie man das im Kommunalen Finanzausgleich gut hinbekommt, da haben wir mittlerweile wahrscheinlich 16 verschiedene Lösungen in Deutschland und keine davon findet die volle Zustimmung der Gemeinden und schon gar nicht der Länder. Ich bin gern bereit, die Debatte weiterzuführen, aber darauf möchte ich schon einmal hingewiesen haben, auch wenn wir uns über die Frage unterhalten müssen, dass wir insgesamt nicht mehr genug Geld haben.

Wir können dem Gemeinde- und Städtebund zustimmen, wenn es darum geht, dass die Kindertagesstättenfinanzierung in den KFA einbezogen worden ist. Das haben wir 2010 bereits kritisiert. Das war ein ganz mieser Deal der Koalitionsfraktionen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wissen wir alle. Der ist in den KFA gekommen, weil man damit verschleiern wollte, dass man an anderer Stelle beim KFA kürzen musste.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist seit 1991 im KFA.)

So wie Sie es in die Schlüsselzuweisung hineingepackt haben, Herr Höhn, Sie - okay, danke schön, dass ich Sie getroffen habe. Sie wissen um das Problem, Sie haben verloren in diesem Falle. Die SPD hat verloren mit dem Thema, es sauber abzugrenzen. Stattdessen hat die CDU sich durchgesetzt und konnte 40 Mio. € Kürzung verschleiern.

(Beifall DIE LINKE)

Kann man machen, muss man aber nicht gut finden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Auftragskostenpauschale ist richtig angesprochen vom Gemeinde- und Städtebund. Natürlich muss man grundsätzlich das Konnexitätsprinzip einhalten. Dass das bislang in vielen Teilen nicht eingehalten wurde, da hat der Gemeinde- und Städtebund völlig recht unserer Ansicht nach. Allerdings muss man dann auch fairerweise sagen, bislang haben die Gemeinden oder zumindest ihre Spitzenverbände und der Landkreistag es nicht für notwendig gehalten, dieses nun wieder gerichtlich zu überprüfen. Das hat ja möglicherweise auch seine Gründe in anderen Bereichen des KFA. Wenn das hier ein bisschen komplex und unübersichtlich ist, darüber müssen wir keine Worte verlieren. Ich erinnere nur an das Thema Kita-Finanzierung für Landkreise.

Die Brutalität der Schlüsselzuweisungskürzung ist natürlich der Handlungsunfähigkeit der Regierung in den letzten Jahren geschuldet. Diese Bremsspur hätte wesentlich weicher abgefedert sein müssen. Darüber müssen wir keine weiteren Worte machen, da sind wir ganz beim Gemeinde- und Städtebund.

Das kritisieren die Gemeinden zu Recht. Alle Bürgermeister, die hier in der Koalition sitzen, wissen auch, warum Ihnen der Wind jetzt um die Ohren weht. Das haben Sie verdient, denn Sie hätten es ändern können, vor allem die CDU.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber - das will ich in meiner letzten Minute deutlich sagen - wir haben auch Ablehnung von Positionen des Gemeinde- und Städtebundes. Fiktive Steuereinnahmen beschneiden nicht die kommunale Selbstverwaltung. Fiktive Steuereinnahmen gelten dafür, um das Leistungsprinzip auch bei Empfängern in den Kommunen durchzusetzen. Das verlangen wir von anderen, die vom Land Geld bekommen, auch. Dass man dafür sorgt, dass die begrenzten Mittel des Landes an die Kommunen ausgereicht werden, die leistungsfähig und bereit sind, ihre eigenen Einnahmen auszuschöpfen, ist richtig. Das zu kritisieren ist reiner Populismus. Da sollte der Gemeinde- und Städtebund sich noch einmal überlegen, ob er das entsprechend wieder ändert.

Die Vergleichswerte dazu müssen einer Überprüfung standhalten. Da gibt es Spielraum, wie wir wissen, welche Vergleichswerte man ansetzt. Ob die richtig sind, ist wahrscheinlich zum Schluss wieder eine Frage des schnöden Mammons. Ich bin mal gespannt, wie die flammenden Appelle der LINKEN dafür sorgen werden, dass wir, sagen wir mal 250 Mio. € im Haushalt umschichten können in die Kommunen hinein, ohne dass an anderer Stelle etwas aufläuft, was dann auch wieder zu Problemen führt. Diesen Realismus werden wir den Gemeinden leider sagen müssen, und zwar nicht nur dieses Jahr, sondern auch die nächsten Folgejahre. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Abgeordnete Hey.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Meyer, jetzt ging es nicht anders, Sie sind trotzdem auf den KFA eingegangen. Sehen Sie, das ist nicht zu trennen. Ich nehme das Thema dieser Aktuellen Stunde deswegen auch wörtlich. Im ersten Teil heißt es „Finanznot der Thüringer Kommunen ernst nehmen“. Ich kann Ihnen versichern, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, wir nehmen die derzeitige Situation der Kommunen ernst. Ich denke, das tut jeder von uns hier im Hause, ob er nun am Freitag vor zwei Wochen in der Messehalle in Erfurt war oder nicht.

(Abg. Meyer)

Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit - es hat ja jeder nur fünf Minuten - deshalb im Namen meiner Fraktion ganz deutlich und klar sagen:

Erstens: Die Kommunen stützen sich einnahmeseitig auf die Zuweisungen des Landes, hier also den KFA. Wir betonen dies hier nochmals: Dieser KFA gehört auf den Prüfstand in allen seinen Bestandteilen und natürlich dann auch in der Höhe und dem Ausgabevolumen der einzelnen Positionen. Wir werden diesen KFA auf den Prüfstand stellen und diese Diskussion mit unseren Koalitionspartnern auch führen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wann denn? Irgendwann?)

In der kommenden Zeit, Herr Kuschel, so wie es parlamentarisch vorgesehen ist.

Zweitens: Die Veranstaltung des Gemeinde- und Städtebundes hat eines deutlich aufgezeigt: Dieser Kommunale Finanzausgleich wird innerhalb der kommunalen Familie - ich will das jetzt mal vorsichtig formulieren - zumindest unterschiedlich interpretiert. Das liegt nicht nur unter anderem, sondern in der Hauptsache daran, dass dieser KFA mittlerweile kaum noch verständlich ist für die Bürgermeister und Kämmerer. Ich habe im Namen meiner Fraktion diese Diskussion an selber Stelle hier im Haus schon bei der letzten Haushaltsdiskussion geführt und gefordert, dass die Regularien des KFA, also die unterschiedlichen Verteilungssymmetrien mit all ihren Auswirkungen, Verästelungen und rechtlichen Regelungen, verfassungsmäßigen Spielregeln und Ermittlungsmethoden, dass das zukünftig transparenter werden muss für die Leute da draußen, die mit dem KFA und dessen Zuweisungen leben müssen, die in ihren Gemeinden und Kommunen damit wirtschaften müssen. Eines ist auch durch unseren Finanzminister sehr deutlich gemacht worden an diesem Freitag auf der Messe: Dieses Land, dieser Freistaat Thüringen befindet sich in ebenso schwerem Fahrwasser wie die Kommunen. Natürlich geht es in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren darum, auch innerhalb der kommunalen Familie das Verständnis dafür zu wecken, dass das Geld nicht nur weniger wird in Hildburghausen, Altenburg, Gera, Lobenstein und Eisenach, sondern auch in den Kassen des Landes. Aber um das noch einmal deutlich zu sagen: Ich kann keine Akzeptanz verlangen von den Verantwortlichen in den Kommunen, wenn sie das Zahlenwerk des KFA gar nicht mehr verstehen, gar nicht mehr nachvollziehen können.

Dieser Diskussion um eine Reform des KFA stellen wir uns selbstverständlich auch besonders gern, weil - da komme ich zum dritten Punkt - eines nicht passieren darf, dass es in diesem Land eine Spaltung gibt zwischen dem Land auf der einen Seite und der kommunalen Familie auf der anderen Seite. Wenn die einen nämlich sagen, wir hier in Alten

burg und Lobenstein und überall sonst verstehen nicht, wie ihr dort in Erfurt fiktive Einnahmen hochund runterrechnet und Korridore auslotet und Vergleichszahlen mal im bundesdeutschen Durchschnitt und mal im Ländervergleich, und uns am Ende das Geld fehlt, um in unseren Städten und Dörfern das öffentliche Leben aufrechtzuerhalten, und dann zeitgleich der liebenswürdige Appell an jeden einzelnen Landtagsabgeordneten ausgereicht wird, jetzt doch bitte mal dem Finanzminister und der Regierung in den Arm zu fallen. Ich denke, dass uns diese Veranstaltung des Gemeinde- und Städtebundes deutlich vor Augen geführt hat, wie die Stimmung in den Kommunen derzeit ist. Ich kann zumindest für meine Fraktion sagen, die Botschaft ist angekommen. Wir haben uns auf eine konstruktive Diskussion zum KFA und zur finanziellen Situation im Land Thüringen eingestellt. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Abgeordnete Bergner.