Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall seitens der Abgeordneten. Seitens der Landesregierung, Herr Minister Geibert, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, zu dem Vorschlag der Fraktion DIE LINKE zur Flexibilisierung von Amtszeiten kann ich nur wiederholen, dass das vorgeschlagene Gesetz überflüssig und kommunalpolitisch schädlich ist.
Wie die zahlreichen Anträge auf Neugliederungsmaßnahmen im Jahr 2011 zeigen, scheinen auch die Gemeinden und Bürgermeister hier keinen Klärungsbedarf oder Regelungslücken zu sehen.
Die Amtszeiten der Bürgermeister und Landräte führen weder zu einer Behinderung von Neugliederungsmaßnahmen noch verhindern sie freiwillige Zusammenschlüsse. Insoweit betone ich nochmals, dass die Rechtsfolgen des Untergangs der Ämter einer aufgelösten Gemeinde bereits jetzt durch die Thüringer Kommunalordnung und das Beamtenrechtsrahmengesetz geregelt sind. Diese Regelungen sind sachgerecht und kommunalpolitisch erforderlich. Für Ämter mit einer so hohen Verantwortung wie denen des hauptamtlichen Bürgermeisters oder Landrats brauchen die Kommunen und braucht auch das Land qualifizierte Personen. Die Bewerber für diese Ämter müssen bereit sein, ihre bisherige berufliche Tätigkeit aufzugeben und sich der Kommune zur Verfügung zu stellen. Sie tragen das Risiko, nach Ablauf der Amtszeit nicht wiedergewählt zu werden, aber auch nicht oder nur unter Schwierigkeiten in die aufgegebene Berufstätigkeit zurückkehren zu können.
Es ist sehr fraglich, ob sich für die Landrats- und Bürgermeisterwahl in dem nächsten Jahr geeignete und motivierte Bewerber in ausreichender Zahl finden würden, wenn nicht einmal klar ist, für welchen Zeitraum sie gewählt werden, und zudem die finanzielle Absicherung für eine angemessene Amtsdauer aufgegeben werden soll. Der Landtag sollte deshalb schnell durch Ablehnung des Gesetzentwurfs klarstellen, dass die bestehende Rechtslage nicht geändert wird. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir in die Abstimmung.
Ja, als Erstes war Ausschussüberweisung an den Innenausschuss beantragt worden. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist gegen diese Überweisung an den Innenausschuss? Ablehnung bei den Fraktionen der FDP, der CDU und der SPD. Wer enthält sich der Stim
Wir kommen nun zur Abstimmung direkt über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/2998 in zweiter Beratung. Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Zustimmung bei den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf? Ablehnung bei den Fraktionen der FDP, CDU und SPD. Enthaltungen? Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Gesetz zur Änderung des Thüringer Datenschutzgesetzes und anderer Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/3086 ERSTE BERATUNG
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Thüringer Datenschutzgesetzes und anderer Vorschriften dient zwei Zielen: Zum einen soll der Datenschutz in Thüringen zur Umsetzung der Vorgaben des EuGH in der Rechtssache C-518/07 zur Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht im nicht öffentlichen Bereich an die europäischen Vorgaben angepasst werden. Zum anderen dient der Gesetzentwurf dazu, das Thüringer Datenschutzgesetz, wie koalitionsvertraglich auch vereinbart, den veränderten Anforderungen an die Verwendung personenbezogener Daten anzupassen und damit zukunftsfest zu machen. Ich möchte dies an einigen Beispielen illustrieren. Es ist u.a. vorgesehen, Regelungen zum Einsatz sogenannter Verbundverfahren, die mehreren Stellen die Verarbeitung personenbezogener Daten gestatten, zu schaffen. Derartige Verfahren, wie auf Bundesebene die Verbunddatei „Gewalttäter Sport“, geben der öffentlichen Verwaltung die Möglichkeit, Synergieeffekte bei ihrer Aufgabenerfüllung und damit auch der Verarbeitung personenbezogener Daten zu nutzen und können deshalb zukünftig verstärkt zum Einsatz kommen. Wegen des möglichen Zugriffs mehrerer datenverarbeitender Stellen müssen jedoch auch entsprechende Vorkehrungen zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit und der Transparenz sol
cher Verfahren getroffen werden. Dies soll in § 7 a des Thüringer Datenschutzgesetzes geschehen. Gleiches gilt für die Möglichkeit zum datenschutzgerechten Einsatz mobiler personenbezogener Speicher und Verarbeitungsmethoden nach § 7 b des Thüringer Datenschutzgesetzes. Ein Einsatz derartiger Verfahren ist gerade im nicht öffentlichen Bereich bereits üblich, findet aber auch verstärkt im öffentlichen Bereich, z.B. mit der Thoskakarte an Thüringer Hochschulen, statt. Hier muss das Datenschutzrecht auch für den öffentlichen Bereich entsprechend aufgestellt sein, um neben den Vorteilen des Einsatzes moderner Datenverarbeitungstechnologien eine ausreichende Transparenz für die Betroffenen sicherzustellen. Die vorgesehene Regelung der Videoüberwachung durch öffentliche Stellen in Wahrnehmung des öffentlich-rechtlichen Hausrechts gemäß § 25 a des Datenschutzgesetzes dient vor allem der Klarstellung und kodifiziert die Videoüberwachung auf Basis dieses allgemein anerkannten Rechtsinstituts. Als weiterer Punkt sind in dem Gesetzentwurf als § 33 Thüringer Datenschutzgesetz Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz aufgenommen worden, um die Gefahr von Schutzlücken für Tarifbeschäftigte des Landes und der Kommunen im Hinblick auf die noch ausstehende Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes zum Beschäftigtendatenschutz auszuschließen. Neben diesen beispielhaft genannten konkreten Vorgaben an rechtmäßige Datenverarbeitung durch Thüringer Behörden enthält der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung auch eine programmatische Stärkung des Datenschutzes. Hier ist in erster Linie die Bestellung behördlicher Beauftragter für den Datenschutz zu nennen, die nach § 10 a Abs. 6 des Thüringer Datenschutzgesetzes zukünftig leichter für mehrere datenverarbeitende Stellen bestellt werden können. Diese Möglichkeit trägt insbesondere den Bedürfnissen kleinerer Kommunen Rechnung, wie die Erfahrungen aus dem Achten Tätigkeitsbericht des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz zeigen. Weiterhin sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung in § 1 Thüringer Datenschutzgesetz die explizite Aufnahme der Grundsätze der Datenvermeidung und Datensparsamkeit als Leitlinien staatlicher Datenverarbeitung vor und führt darüber hinaus in § 4 Thüringer Datenschutzgesetz ein grundsätzliches Verbot der Profilbildung ein. Der zweite Regelungskomplex des Gesetzentwurfs umfasst die europarechtlich verordnete institutionelle Neuordnung der Aufsicht über den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich. Der Europäische Gerichtshof hat hier mit seinem Urteil vom 9. März 2010 festgestellt, dass auch die Aufsicht über den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich gemäß Artikel 28 der Europäischen Datenschutzrichtlinie in „völliger Unabhängigkeit und damit frei von einer Fach- oder Rechtsaufsicht der Landesregierung ausgestattet sein muss“. Dieser Forderung soll
durch die Übertragung der Aufsicht über den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich vom Landesverwaltungsamt auf den Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz entsprochen werden. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz wird diese Aufgabe, wie auch seine bereits bestehende Zuständigkeit im öffentlichen Bereich weisungsfrei wahrnehmen. Er soll aber durch die Normierung eines parlamentarischen Fragerechts dem Landtag zur Antwort verpflichtet werden, da der EuGH solche Rechenschaftspflichten gegenüber dem Parlament ausdrücklich für zulässig erachtet hat. Insgesamt enthält der Gesetzentwurf in sich ausgewogene Regelungen, die sowohl die Interessen der Datennutzer als auch die Interessen der von Datenverarbeitung betroffenen Personen angemessen berücksichtigen. Ich hoffe, dass der Gesetzentwurf erfolgreich beraten und zeitnah verabschiedet wird. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich eröffne die Aussprache und als Erster spricht von der Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Hauboldt.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als der Thüringer Landtag - ich nehme an, Sie können sich noch genau daran erinnern - vor etwas mehr als einem Jahr den Achten Tätigkeitsbericht des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz debattierte, rankte sich damals die Diskussion und die Debatte um Facebook und damals auch ganz aktuell um die Frage Google Street View. Neben dem Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten lag Ihnen gleichsam die Stellungnahme der Landesregierung zu dem Bericht vor, aber auch ein Antrag meiner Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/1310. Daran, meine Damen und Herren, wird eine Problematik im Bereich des Datenschutzes und der Ausgestaltung des in der Thüringer Verfassung verankerten und auf Bundesebene sich aus dem sogenannten Volkszählungsurteil aus dem Jahr 1983 entwickelten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung deutlich. Die Trennung des privaten Bereichs vom Bereich der öffentlichen Verwaltung und das Auseinanderfallen von Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenz und gegenwärtig noch geltende Zuordnung der Aufsichtsbefugnisse des Datenschutzbeauftragten ausschließlich für den Bereich der öffentlichen Verwaltung. Letzteres soll in Umsetzung des Urteils, wie es der Minister hier schon vorgetragen hat, des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. März 2010 nunmehr korrigiert werden.
datenschutzrechtliche Regelungen für den privaten Bereich einerseits und andererseits für den Bereich der öffentlichen Verwaltung haben werden. Wir sollten die Debatte um die Novellierung des Thüringer Landesdatenschutzgesetzes deshalb auch dafür nutzen, uns darüber auszutauschen, ob Thüringen initiativ für ein für Bund und Länder einheitliches Datenschutzrecht und für einheitlich und übersichtlich strukturierte Datenschutzregelungen für den privaten und den staatlichen Bereich werden sollte.
Bemerkenswert - meine Damen und Herren, lassen Sie mich das auch in dem Zusammenhang hier deutlich sagen - war ja vor Kurzem die Pressemitteilung des Thüringer Datenschutzbeauftragten. Ich sage sehr deutlich: Die Punkte, die dort aufgeführt worden sind, finden auch die Unterstützung meiner Fraktion. Ich freue mich, dass auch ein gewisser Biss deutlich wird durch den Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz, für die eigene Sache zu streiten. Die Punkte, die dort benannt worden sind, sind ja auch nicht neu. Die Kollegen in SchleswigHolstein und auch in Sachsen haben deutlich gemacht, gerade im Problemlager Google Street View und auch Handygate, was alles möglich und machbar ist. Es zeigt aber auch deutlich im Rahmen dieser Pressemitteilung, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen Datenschutzbeauftragtem und Landesregierung, implizit auch wohl Innenministerium, gibt hinsichtlich der eigentlich üblicherweise zu erarbeitenden Verfahrensweise eines Gesetzentwurfs, indem Gedanken, die dort eingebracht werden sollten, negiert worden sind - das ist sehr fragwürdig.
Aber nun zur Novellierung des Thüringer Datenschutzgesetzes selbst. In dem bereits erwähnten Antrag meiner Fraktion vom August 2010 hatten wir die Landesregierung aufgefordert, dem Landtag eine Novellierung des Thüringer Datenschutzgesetzes vorzulegen. Dies hat die Koalitionsmehrheit abgelehnt und zu unserem auch qualitativ untersetzten Antrag zur Begründung ausgeführt, dass die Landesregierung eine Novelle vorbereitet und ich zitiere den Abgeordneten Schröter, ich weiß nicht, ob er sich heute auch zu Wort meldet - es sei überholt. 12 Monate später liegt nun ein Gesetzentwurf vor, ich denke, ein klarer Fall von überholen statt einzuholen.
Die Fraktion DIE LINKE hatte Ihnen bereits damals notwendige Punkte für eine notwendige Novellierung benannt, die sich auch im Konzept für ein modernes Datenschutzrecht des 21. Jahrhunderts der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder wiederfinden lassen. An der damals formulierten Zielstellung werden wir den in der Drucksache 5/3086 vorliegenden Gesetzentwurf messen, so dass ich im Folgenden einige Punkte beispielhaft benennen und bewerten werde.
Es geht erstens um die Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere zur völligen Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht und der Vorratsdatenspeicherung. Es ist bereits mehrfach hier im Thüringer Landtag, zuletzt bei der Beratung des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion, thematisiert worden, dass Thüringen gegen Artikel 28 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr insofern verstößt, dass die Kontrolle der Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch nicht öffentliche Stellen durch das Landesverwaltungsamt, also eine staatliche Behörde, ausgeübt wird und damit nicht sichergestellt ist, dass die Kontrolle der Bearbeitung von personenbezogenen Daten in völliger Unabhängigkeit ausgeübt wird. Das geht so nicht, war aber in Thüringen bedauernswerte Praxis. Die Landesregierung schlägt nun vor, die Verantwortung für die Kontrolle der öffentlichen wie auch nicht öffentlichen Stellen beim Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz zusammenzuführen - ich verweise auf § 41 Abs. 1 - und dem Landesbeauftragten die Stellung einer obersten Landesbehörde in § 36 Abs. 4 zuweist. Dass es gegen eine solche Regelung keinerlei Einwände gibt, wenngleich die Einrichtung eines unabhängigen Datenschutzzentrums vergleichbar Schleswig-Holstein alternativ durchaus vorstellbar ist, wurde bereits in der Beratung des FDP-Gesetzentwurfs deutlich, den die Koalition aber noch im Mai dieses Jahres, meine Damen und Herren, ablehnte.
Wie die FDP-Fraktion sieht aber auch die Landesregierung Zweifel an einer vollständigen Unabhängigkeit und nimmt mit der Formulierung „soweit nicht die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz beeinträchtig ist“ - das haben Sie auch noch einmal deutlich gesagt in § 36 Abs. 1 - eine Einschränkung der vollständigen Unabhängigkeit vor. Hier, das sage ich sehr deutlich, fordern wir eine politische wie auch rechtssichere Klarheit, das heißt eine vollständige, unabhängige Kontrolle durch den Landesbeauftragten, die keinerlei Dienstaufsicht unterliegt. Wir sehen konkreten Nachbesserungsbedarf an dieser Stelle.
Angesichts der Haushaltsberatung - auch in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung - ist bereits heute, meine Damen und Herren, und umso mehr bei der künftigen Zusammenlegung der Kontrollbereiche beim Datenschutz eine bessere personelle, logistische, aber auch finanzielle Ausstattung notwendig. Das muss man auch noch einmal sehr deutlich formulieren. Die bisherigen Ausstattungsschwächen wurden insbesondere bei der nur stichprobenartig möglichen Überprüfung der Thüringer Kommunen in Sachen Datenschutz deutlich, die zum Teil alarmierende Prüfungsergebnisse in den
Kommunen zutage förderten. Aus diesem Grund ist es nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung einerseits von veränderten Anforderungen sowohl im Koalitionsvertrag als auch im Gesetzentwurf spricht, es andererseits aber dabei belässt, die bisherigen Stellen, Personal und Sachmittel aus dem Landesverwaltungsamt zu übertragen. Dies entspricht weder den veränderten und gewachsenen Anforderungen im Bereich des Datenschutzes noch den durch die Kontrolle zutage getretenen Problemlagen vor allem im staatlichen Bereich bei den Kommunen. Moderner Datenschutz, der auf die veränderten technischen Möglichkeiten reagiert, braucht nicht nur Kontrollinstanzen, er braucht diese in einer solchen Ausstattung, dass Kontrollen kein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben, sondern dass aus stetiger Kontrolle ein veränderter Umgang mit sensiblen personenbezogenen Daten im Sinne des Artikels 6 der Thüringer Verfassung erwächst.
Es ist auch unverständlich, hier erwarten wir eine Korrektur, dass der vorliegende Haushaltsentwurf diese veränderte Struktur nicht sichtbar macht. Bei der Polizeistruktur zum Beispiel waren Sie im Übrigen nicht so zimperlich und haben einen Gesetzentwurf bereits zur Grundlage Ihres Haushaltsentwurfs gemacht, obwohl hier Widerstand aus nahezu allen Fraktionen signalisiert wurde, anders etwa als bei der Aufgabenübertragung auf den Datenschutzbeauftragten. Hier erwarten wir von Ihnen, dass Sie klare Zahlen auf den Tisch legen, mit welchem Personal und welchen zur Verfügung stehenden Sachmitteln der Datenschutzbeauftragte künftig seine Aufgaben versehen kann.
Ein zweiter Punkt, meine Damen und Herren, Verankerung konkreter Schutzziele und Grundsätze insbesondere im Prinzip der Datensparsamkeit. Zumindest teilweise wohlwollend habe ich vor einem Jahr die Aussage von Ihnen, Frau Kollegin Marx, zur Kenntnis genommen. Sie sagten damals, die erlaubte Datensammlung und -verwertung von vornherein einzugrenzen ist sicher zielführender als lösungsgerechte oder Automatismen im Nachhinein vorzusehen. Wenn Sie, Frau Marx, damit nicht sagen wollten, dass man bei konkreten Verankerungen des Prinzips der Datensparsamkeit auf ausformulierte Schutzrechte für die von Datenerfassung Betroffenen dann verzichten könne, dies gleichfalls konkret und weitestgehend ausformulieren muss oder eher damit meinten, nicht die Nachsorge der Grundrechtsverletzungen sei das Gebot für den Gesetzgeber, sondern der Versuch des vorherigen Ausschlusses, so habe ich Sie verstanden, dann gebe ich auch Ihren Aussagen vollständig recht. In der Tat, die Landesregierung unterbreitet mit dem Änderungsvorschlag zu § 1 Abs. 2 erweiterte Leitlinien zur Datenvermeidung und Datensparsamkeit sowie zur Anonymisierung und Pseudonymisierung,
die über den bisher im Gesetz verankerten Zweck hinausgeht. Es kann durchaus dahingestellt bleiben, ob diese Grundsätze bereits im Rahmen einer Verfassungskonformauslegung im Hinblick auf Artikel 6 der Thüringer Verfassung in der Vergangenheit ohnehin bestanden haben. Eine klar im Gesetz definierte Zielstellung und Zweckbestimmung ist nicht nur im Rahmen für eine einfachgesetzliche Auslegung einzelner Normen von Bedeutung, sie ist eben auch Leitsatz, an dem sich letztendlich jede Datenspeicherung, -verarbeitung und -nutzung orientieren und messen lassen muss. Insofern ist es wünschenswert, wenn wir im Innenausschuss noch einmal gemeinsam überlegen, die Formulierung so konkret wie möglich zu fassen, damit sie auch rechtlich belastbar wird. Ich meine, wir sollten auch Überlegungen mit dem Ziel einer Formulierung anstellen, die an den Ausschluss einer grenzenlosen Speicherung personenbezogener Daten nicht nur einen Aufwandsvorbehalt stellt und da muss ich aktuell in diesem Zusammenhang auf die Erfassung der über 1 Mio. Handyverbindungsdaten in Sachsen eingehen, meine Damen und Herren.
Grundrechte gelten und sie dürfen nicht ihre Gültigkeit dadurch verlieren, dass ein Beamter oder Polizist oder Staatsanwalt oder Mitarbeiter in einer Meldebehörde der Meinung ist, das würde jetzt aber einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen. Die Umkehrung ist richtig. Der Grundrechtseingriff muss für den Staat weitestgehend erschwert sein und das Datenschutzgesetz ist ein Instrument hierfür, das auch nicht durch Spezialgesetze wie das Polizeiaufgabengesetz oder das Verfassungsschutzgesetz unterlaufen werden darf.
Zum Verbot der Profilbildung, meine Damen und Herren: Im privaten Bereich haben wir das Problem der Profilbildung bereits. Die Auswirkungen in der individuellen Lebensgestaltung sind bislang noch gar nicht absehbar, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Nutzung mobil auslesbarer Speichermedien und der Errichtung von Verbundverfahren. Auch im staatlichen Bereich ist die Aufnahme einer Regelung des Verbots der Verknüpfung von personenbezogenen Daten aus verschiedenen Erhebungen zu begrüßen. Die von der Landesregierung vorgeschlagene Regelung ist wohl eher als, ich will es mal so formulieren, butterweicher Ausschluss mit den Lizenzen zur Umgehung zu bezeichnen. Wir wünschen uns hier ein eindeutiges Verbot der Profilbildung durch staatliche Stellen. Nur im Falle einer gesetzlichen Ermächtigung zum Schutz von Grundrechten wäre eine Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Erhebungen überhaupt vorstellbar. Die Profilierung ist unbestritten. Weitgehender Eingriff in das Grundrecht, auch informationelle Selbstbestimmung, und der Staat als den Bürgern übergeordnete Instanz mit der gesetzlichen Ermächtigung zum
Grundrechtseingriff und dem Monopol der Gewaltanwendung ist nicht nur, Sie kennen das Beispiel, die Rewe-Handelskette und andere, die mal eben Kundenkarten ausreicht.
Zur Stärkung der Betroffenenrechte, zum Beispiel Transparenz der IT-Prozesse: Ich habe bereits die Verbundverfahren angesprochen, also die Verfahren, die automatisiert mehreren datenverarbeitenden Stellen gemeinsam die Verarbeitung personenbezogener Daten ermöglicht. Zur Stärkung der Betroffenen und zur Stärkung der Transparenz gehört es auch, die Festlegung zu Verbundverfahren nicht nur außerhalb der Verfahrensverzeichnisse nach § 10 zu erfassen und Einsichtsrechte zu gewähren, sondern im Interesse weitgehender Transparenz gehören die Verbundverfahren einschließlich der beteiligten Stellen zum unmittelbaren Bestandteil des Verfahrensverzeichnisses.
Dann komme ich zu einem weiteren Punkt, zum Beispiel bürger- und anwenderfreundliche klare Strukturierung und Formulierung des Gesetzestextes. Am Beispiel dieser Verbundverfahren wird ja deutlich, dass auch der Gesetzentwurf der Landesregierung diesem Anspruch nicht gerecht wird. Die schriftlichen Festlegungen zum Verbundverfahren können genauso eingesehen werden wie die Verfahrensverzeichnisse, werden dort aber nicht selbst aufgeführt. Betroffene von Verbundverfahren können zwar ihre Rechte gegenüber den beteiligten Behörden geltend machen, diese Rechte sind aber konkret nicht in § 5 Rechte des Betroffenen. Eine anwenderfreundliche und rechtsklare Struktur für diejenigen, die das Gesetz schützen sollen, sieht aus unserer Sicht anders aus.
Im Zusammenhang mit dem Verbundverfahren stellt sich zudem noch die Frage, ob hier ein Einsichtsrecht und die Festlegung zum Verbundverfahren überhaupt ausreichend ist oder es nicht vielmehr notwendig ist, dass die Behörden von sich aus im Falle von Verbundverfahren verpflichtet sind, die Betroffenen von den beteiligten Stellen über deren Aufgaben und Einzelbefugnis zur Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten sowie zur Art der verarbeiteten Daten und technisch-organisatorischen Maßnahmen zur Durchführung des Verbundverfahrens zu unterrichten.
Meine Damen und Herren, seit Jahren mahnt der Landesbeauftragte für Datenschutz in seinen Tätigkeitsberichten eine Regelung zur Videoüberwachung durch Kommunen, zur Durchsetzung des Hausrechts im Datenschutzrecht an. Wie dem Achten Tätigkeitsbericht zu entnehmen war, wurden im Jahr 2008 in Thüringen allein 273 Videokameras betrieben, von denen sich lediglich 22 auf die Vorschrift des § 26 Ordnungsbehördengesetz, also zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, stützten. 251 Videokameras wurden mit Hausrecht des Betreibers begründet, also 251 Vi
deokameras, für die in Thüringen keine klare Rechtsgrundlage bisher bestanden hat. Dies nimmt die Landesregierung nun endlich zum Anlass, mit dem § 25 a eine diesbezügliche Regelung in den Gesetzentwurf mit aufzunehmen. Doch damit erfüllt die vorgeschlagene Regelung nicht die Anforderungen eines modernen Datenschutzrechts, weil ähnlich bei der Profilbildung die Erforderlichkeit der Videoüberwachung und die Schutzwürdigkeit der Interessen Betroffener einen weiten Interpretationsspielraum eröffnet und die vorgeschlagene Regelung Videoüberwachung eher regelnd ermöglicht, als sie geeignet ist, diese einzuschränken. Auch die Gleichwertigkeit von Videoüberwachung und Videoaufzeichnung sehen wir als Fraktion eher kritisch.
Es gibt also unseres Erachtens eine Menge an Punkten, die wir im Innenausschuss und begleitend auch im Datenschutzbeirat - da hoffe ich, dass dieses Mal die Vertreter des Innenministeriums und des Justizbereiches mit zugegen sind, wenn wir diese Themen beraten - in den nächsten Wochen noch weiter kritisch hinterfragen und diskutieren müssen.
Positiv an diesem Gesetzentwurf ist, dass die Vorlage der Landesregierung diese Diskussion nun ermöglicht, nachdem der Landtag sich vor einem Jahr einer solchen Diskussion noch mehrheitlich verweigert hatte. Unstrittig ist für uns, dass wir die Kompetenz und den Sachverstand von Anzuhörenden im Rahmen einer öffentlichen und mündlichen Anhörung nutzen wollen und müssen, damit Thüringen zu einem modernen Datenschutzrecht kommt. Der vorliegende Entwurf ist sicher ein erster Schritt, aber keinesfalls aus unserer Sicht ausreichend und schon gar nicht der letzte. Ich danke Ihnen.