Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu unserem dritten Schwerpunkt - ländlicher Raum und unsere eigene Umwelt: Mit der Akademie Ländlicher Raum hat die Landesregierung ein Instrument geschaffen, das über den LEADER-Ansatz hinaus die Akteure in den Dörfern und Kleinstädten mobilisieren und vernetzen soll. Dies wird angesichts der Aufgaben und der Chancen dauerhaft und effektiv nur gelingen, wenn der Akademie wesentlich mehr Mittel als bisher zur Verfügung gestellt werden und die Geschäftsstelle fachlich qualifiziert werden wird.

Wir fordern die Landesregierung auf, alle erforderlichen Maßnahmen für die Stärkung des Umweltund Naturschutzes zu ergreifen. Auch dieser Bereich sieht sich durch die Demographie und die Abwanderung großen Herausforderungen ausgesetzt - genauso übrigens wie durch die Umsetzung einer nachhaltigen Energieerzeugung. Viele Naturräume und Biotope, viele der Rote-Liste-Arten und viele uns wichtige Landschaften sind auf angemessene Eingriffe - ich betone angemessene Eingriffe durch den Menschen angewiesen. Wir müssen uns

dieser Herausforderung stellen, wenn wir nicht unsere Lebensgrundlagen oder - wenn Sie es etwas weniger allgemein möchten - unsere Potenziale für Ernährungswirtschaft, Tourismus und andere Wirtschaftszweige erhalten wollen. Wir Bündnisgrüne haben dazu verschiedene Anträge eingebracht. Hinweisen möchte ich insbesondere auf den Ankauf der BVVG-Flächen und die Schaffung eines landesweiten Flächenpools. Wir brauchen Biosphärenreservatserweiterung und endlich ein Biosphärenreservat Südharz. Wir brauchen Biotopvernetzung, wie etwa die Wildkatzenkorridore.

Abschließend - aus schlechtem aktuellen Anlass: Unser Antrag, das Programm gegen Rechtsextremismus um 2 Mio. € aufzustocken und damit in der Fläche zu professionalisieren, hat natürlich auch überhaupt keine Diskussion, geschweige denn Zustimmung erfahren, bei niemandem aus der Koalition.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere insgesamt 20 Änderungs- und Entschließungsanträge, die wir heute vorlegen, machen das zuvor Gesagte noch einmal deutlich. Wir können feststellen, die aktuelle Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute, die für das nächste Haushaltsjahr nur noch von 0,4 Prozent Wirtschaftswachstum ausgehen, werfen all Ihre Blütenträume, die auf die Mai-Steuerschätzung 2012 gerichtet sind, über den Haufen. Das können Sie alle gepflegt vergessen, dass da wieder mehr Geld hereinkommt. Der arme Herr Voß wird Ihnen nächstes Jahr einen ganz anderen Haushalt stricken müssen als in diesem Jahr - darauf bin ich gespannt.

Ich möchte abschließend Herrn Huster für die Leitung des Haushalts- und Finanzausschusses danken. Seine Art der Leitung machte diese Art von Marathon überhaupt möglich - in dieser Art und Weise, wie wir von der Koalition dort behandelt worden sind, erst recht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der Finanzminister Voß hat einmal gesagt: „Thüringen ist ein Insolvenzfall.“ Gut, dass das die RatingAgenturen noch nicht mitbekommen haben, und ärgerlich, dass die CDU nicht nur die Geschäftsführerin war, die die Insolvenz verursacht hat, sondern leider gleichzeitig jetzt auch die Insolvenzverwalterin spielen muss. Viel Spaß der SPD dabei, das gemeinsam hinzubekommen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe nun für die Landesregierung auf Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht.

(Abg. Meyer)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, es haben fünf Fraktionen gesprochen und ich denke, Sie haben einen Anspruch darauf, auch noch einmal die Sicht der Landesregierung zum Landeshaushalt 2012 zu erfahren. Ich möchte sie Ihnen gern darlegen und möchte mich zunächst einmal wie meine Vorredner auch persönlich bedanken bei allen, die jetzt im parlamentarischen Verfahren in der Tat in nicht einfachen Verhandlungen die ganze Zeit im Haushalts- und Finanzausschuss, aber auch in den Fraktionen dazu beigetragen haben, dass wir heute tatsächlich die abschließende Debatte über den Haushalt 2012 und alle Begleitgesetze hier vornehmen können. Herzlichen Dank Ihnen und auch der Verwaltung, die nicht minder beteiligt war, dass die Vorlagen dann auch manchmal unter sehr, sehr großem Zeitdruck verteilt werden konnten. Das gebe ich zu, ich habe auch Verständnis für den Unmut, den das hervorruft. Ich denke, das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen, also ein Dankeschön zunächst einmal.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, es sind natürlich die unterschiedlichen Sichten der Fraktionen hier zum Ausdruck gekommen. Ich will Herrn Kollegen Meyer und Herrn Kollegen Barth nur zurufen, sicher haben Sie sich sehr in den Haushalt hineingekniet, haben sich in vielen Anträgen bemüht, um einerseits aufzustocken, an der anderen Seite aber auch abzuschichten. Ich kann nur sagen, die Länder, in denen Sie die Verantwortung tragen, dann auch regierungsverantwortlich, da sieht das Tun dann in der Tat anders aus,

(Beifall CDU)

was sich die GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen leisten, aber auch FDP-Beispiele könnten wir hier nennen.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das wäre jetzt mal interessant.)

Ich kann nur sagen, was die Koalition aus CDU und SPD geleistet hat, kann sich sehen lassen. Deswegen ist das auch durch die Fraktionen im Thüringer Landtag, durch die Koalition hier bestätigt.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Was SPD und CDU sich leisten, das kann sich sehen las- sen.)

Was sie geschafft haben, kann sich sehen lassen. Dafür habe ich wirklich auch zu danken in den Reihen der Koalition, allen, die daran mitgewirkt haben.

(Beifall CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Land

tag ist immer wieder gefordert worden - und auch Herr Barth hat daran angeknüpft -, in wirtschaftlich guten Zeiten vorzusorgen für schlechte Zeiten. Genau das, meine sehr verehrten Damen und Herren, tun wir. Im Jahr 2011 hat die Wirtschaft geboomt, sie boomt in Thüringen Gott sei Dank auch noch, unverändert. Wir wissen aber, insgesamt trübt sich das Bild ein wenig ein, dennoch, wir hatten ein gutes wirtschaftliches Jahr. Die Arbeitslosigkeit erreicht ihren Tiefststand seit Anfang der 90er-Jahre in den Landkreisen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze von Sonneberg, Hildburghausen, Schmalkalden, Meiningen, Wartburgkreis bis hoch ins Eichsfeld mit Werten, die dem westdeutschen Maß der westdeutschen Flächenländer entsprechen, manchmal sogar noch darüber liegen. Sieben Landkreise in Thüringen haben eine Arbeitslosigkeit, die unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt liegt. Ich denke, das kann sich wirklich sehen lassen. Wir haben also gute äußere Bedingungen.

(Beifall CDU, SPD)

Ich habe es Anfang des Jahres gesagt, als es keineswegs, auch hier im Haus, allzu sicher angenommen wurde, wir wollen 2012 den Haushalt mit einer schwarzen Null vorlegen. Am Ende dieses Jahres kann ich sagen, wir haben 2012 den Haushalt mit einer schwarzen Null vorgelegt. Wir haben versprochen, wir haben gehalten. Das ist wichtig für die Verlässlichkeit in unserem Land.

Ich bin dankbar, dass der Thüringer Landtag dieses wichtige Projekt mit den im Haushalts- und Finanzausschuss beschlossenen Änderungen unterstützt, ja, dass der Landtag mit seiner Mehrheit diesen Haushalt mitträgt. Wir haben damit eine wichtige Wegmarke in der Finanzpolitik des Freistaats gesetzt. Nach den beiden Vorjahren - noch maßgeblich die Wirtschafts- und Finanzkrise in ihrer Nachwirkung - ist nun die Zeit der Konsolidierung erreicht, aus guten Gründen, wie ich meine. Solidität in der Haushaltspolitik ist auch ein Zeichen für die Solidarität in unserem Land und insbesondere zwischen den Generationen im Blick auf die nachfolgende Generation, die wir immer - schon rein moralisch - im Blick haben müssen bei dem, was wir heute machen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, ich möchte meinen und auch Ihren Kindern ein Land anvertrauen, in dem es ihnen, unseren Kindern, nicht schlechter gehen soll als uns, sondern möglichst noch besser.

(Beifall CDU)

Diesen Anspruch habe ich. Er ist keineswegs selbstverständlich, noch dazu, wenn ich unsere Europapolitiker ansehe, aber auch jeden, der mit offenen Augen über diesen Kontinent blickt. Wenn ich die Jugendarbeitslosigkeit ganz besonders in Spanien, in Frankreich, in Großbritannien sehe, das ist keineswegs selbstverständlich, aber wir erheben

diesen Anspruch. In diesem Sinne ist dieser Haushalt 2012 ein Zukunftshaushalt, ausdrücklich ein Zukunftshaushalt ausgerichtet auf das Jahr „Thüringen 2020“ und natürlich auch darüber hinausgehend. Thüringen hat heute noch die Möglichkeit, für die Zukunft vorzusorgen. Wir wollen diese Chance nutzen, auch um uns im Jahr 2020 und danach Handlungsspielräume zu erhalten. Das geht nämlich nur, wenn wir uns jetzt einschränken, wenn wir nicht weitere Schulden aufhäufen, die noch weitere Zinslasten verursachen, sondern Handlungsspielräume erhalten. Der Diskussionsprozess, der durch das Leitbild „Thüringen 2020“ angestoßen worden ist, hat das Bewusstsein für den Anpassungsdruck, vor dem wir stehen, geschärft und das ist inzwischen auch ein Konsens in diesem Land und bei den Oppositionsfraktionen. Bei ihnen hat es sich durchgesetzt,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Bei Ihnen aber noch nicht.)

zur Konsolidierung beitragen zu wollen, und selbst DIE LINKE hat erstmals einen Antrag gestellt zur Schuldentilgung. Das war bei Weitem nicht selbstverständlich über die zwei Jahrzehnte. Auch der Thüringen-Monitor zeigt uns, dass den Menschen im Land Konsolidierung, solide Haushalte eines der wichtigsten Güter ist, und auch dem tragen wir Rechnung.

(Beifall CDU)

Ich will an dieser Stelle die beiden größten Herausforderungen noch einmal nennen, vor denen Thüringen steht. Das ist erstens der demographische Wandel, der stetig voranschreitet, und wir können mit einiger Sicherheit die Bevölkerungsprognosen bis in das Jahr 2030, auch darüber hinaus, 2050, zur Kenntnis nehmen. Die Bevölkerungszahl sinkt insgesamt, das Durchschnittsalter hingegen steigt an. Die Auswirkungen werden in allen Lebensbereichen zu spüren sein. Das ist seit Langem bekannt und die Landesregierung hat deshalb eine ganze Reihe von Initiativen gestartet, ich nenne beispielsweise die Serviceagentur Demografischer Wandel. Es war sehr richtig, dass diese erste größere Tagung, der Kongress, gemeinsam mit dem Sozialministerium, mit den Sozialverbänden, mit den in der Gesundheitsbranche tätigen Mitarbeitern im sozialen Raum stattgefunden hat, weil wir hier vor diesen erheblichen Aufgaben für die Zukunft stehen. Auch die Akademie Ländlicher Raum ist mit Bewusstsein an dieser Stelle ebenso anzusiedeln.

Unser Ziel ist es, in allen Teilen Thüringens eine bedarfsgerechte öffentliche Infrastruktur weiter sicherzustellen. Dabei sollen verstärkt neue und flexible Finanzierungs- und organisatorische Modelle sowie Standards berücksichtigt werden. Auch in diese Verfahren steigen wir mit diesem Haushalt 2012 deutlich ein. Natürlich müssen wir auch darüber nachdenken, wie in den ländlichen Räumen

gerade bei abnehmender Bevölkerungszahl die Angebote von sozialen Diensten flexibel, das heißt auch mobil weiterentwickelt werden können, dass die notwendige Infrastruktur weiter gesichert wird. Denn lediglich mehr Geld, lediglich mehr Personal zu fordern, das kann keine nachhaltige Lösung sein. Ich sage ganz deutlich, wir müssen in diesem Bewusstsein hier arbeiten und auch weiter planen, nie mehr so viel Geld zur Verfügung zu haben, wie in diesem Jahr 2011 - nie mehr.

(Beifall CDU)

Wir müssen auch der Tatsache ins Auge sehen, dass wir immer anspruchsvollere Haltungen und Ansprüche, die sich auch aus einem technischen, technologischen Fortschritt generieren, aus einer größeren Bewusstseinshaltung, die wir alle für eine mündige Bürgerschaft fordern, die wir entwickelt haben, dem auch mit immer weniger Personal zu begegnen. Wir werden nie mehr so viel Personal haben, wie wir das im Moment noch vorhalten.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nur mehr Kosten.)

Wir brauchen intelligente, flexible, zielführende Lösungen mit Synergien, mit strukturellen Veränderungen, an denen wir arbeiten, da mache ich überhaupt keine Abstriche, auch das gehört dazu. Damit habe ich schon neben der Demographie die zweite Herausforderung genannt. Es ist die Tatsache, mit deutlich weniger Geld in Zukunft auskommen zu müssen, im Jahr 2020 gibt es einen Landeshaushalt mit rund 2 Mrd. € weniger als heute. Das heißt, sich zielgerichtet darauf einzustellen, das heißt, wirklich die Dinge vom Ende her zu bedenken. Das heißt, 2020 ist natürlich kein Ende, aber wenigstens mal einen Fixpunkt mit einer klaren Projektionsfläche zu haben, von dem aus wir die Haushalte 2020, 19, 18, 17 aufbauend bis 2012, den wir jetzt vorgelegt haben, der in dieses Raster passen muss und der, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesem Raster auch Rechnung trägt.

Ich komme nun zu den Schwerpunkten in diesem Haushalt 2012, den wir unter dem Eindruck des demographischen Wandels und rückläufiger Einnahmen aufgestellt haben.

Erstens: Der Haushalt kommt ohne Neuverschuldung aus.

(Beifall CDU)

Die Landesregierung löst also ihr Versprechen einer soliden, nachhaltigen Haushaltspolitik ein. Im Übrigen, wir tun nichts weiter als unsere Pflicht. Die Landeshaushaltsordnung gilt.

(Beifall CDU)

Es ist richtig, die Konjunktur hat uns einen kräftigen Rückenwind verliehen, das stimmt. Den nutzen wir auch und daran werden wir in den kommenden

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Jahren anknüpfen, was nicht einfacher wird, denn es deutet sich bereits an: Die Konjunktur droht im kommenden Jahr abzuflauen. Aber wir haben ein Fundament, auf dem auch die neue Lage schulterbar sein wird.

Der zweite Punkt: Wir setzen trotz Konsolidierungsdruck politische Akzente im Bereich Bildung, auch mit einem neuen Hochschulpakt, was bei Weitem nicht in allen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit hat, sondern wir schaffen hier Verlässlichkeiten weit über den Rahmen dessen hinaus, was in anderen Ländern gilt. Das ist unser Bekenntnis zu den Ressourcen unseres Landes, die im humanen Kapital liegen, in der Bildung. Wir sagen aber auch: Keine Bildung ohne Bindung. Deswegen dieser zweite Schwerpunkt Familie. Wir haben auch einen Schwerpunkt im Bereich der inneren Sicherheit, wenn ich an unsere neu beschlossene Polizeireform denke. All das bildet sich im Haushalt ab, bis hin zu dem, was wir auch im Forstbereich, im Bereich von Umwelt, Nachhaltigkeit und Energiewende tun.

Ich führe einen dritten Punkt aus: Das beste Mittel, um Thüringen zukunftsfähig zu gestalten, ist, für gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu sorgen, denn Unternehmen sind es nach wie vor, die mit ihren Investitionen Beschäftigung schaffen. Auch hier sage ich deutlich, das Konzept geht auf. Ein Konzept, was über viele Jahre hinweg angelegt war, für ein investitionsfreundliches Klima im Land zu sorgen, die richtigen Weichen zu stellen für die vielen Klein- und Mittelständler mit einer Unternehmensdichte, die es sonst nirgendwo gibt wie hier in Thüringen, aber auch für die größeren Ansiedlungen, allein Bosch Solar am Erfurter Kreuz mit rund 530 Mio. € Investitionen. Bis 2012 entstehen dort rund 1.000 neue Arbeitsplätze. Dies ist nur eine kleine Facette in einem großen Reigen

(Beifall CDU)