Protokoll der Sitzung vom 31.05.2012

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Bergemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein paar wenige Worte möchte ich doch noch mal dazu verlieren. Frau Kollegin Siegesmund, ja, richtig, Thüringen hat viele Jahre das Niedriglohnimage als Standortvorteil propagiert. Aber wenn Sie sich recht erinnern, habe ich schon in der letzten Debatte gesagt, irgendwann muss Schluss damit sein. Das war die ersten Jahre richtig, in den letzten Jahren war es falsch, klare Aussage. Da brauchen Sie also nicht immer zitieren, dass wir da nicht lernfähig sind, sondern das ist eine feste Position. Innerhalb unserer Union - das darf man auch hier mal sagen ist das bei so einem Thema Mindestlohn nicht so einfach. Wir sind eine Volkspartei, eine breite Volkspartei, wo alle Spektren drin sind. Da sind die Unternehmer dabei, die Arbeitgeber, die Arbeitnehmervertreter. Da haben wir auch ein ganzes Stückchen gebraucht, bis wir uns entschieden haben zu einem Antrag auf dem letzten Bundesparteitag, der nicht ganz meiner Intention entspricht. Ich hätte mir etwas anderes gewünscht, aber Mehrheit ist Mehrheit und wir haben uns zusammengerauft. Ich finde das auch gut so, dass wir an der Stelle gesagt haben, allen ist klar - Sie haben ja das zitiert - Würde in Arbeit, Arbeit ist wertvoll, das ist völlig klar. Der Generalsekretär unserer Partei hat ja heute auch noch mal klare Position, auch politische Position bezogen. Wir haben in Deutschland 41 Mio. Erwerbstätige, davon haben wir Gott sei Dank nach Stand Januar dieses Jahres rund 29 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, deutlicher Steigerungswert 3 Mio. mehr als vor sieben Jahren. Auch das trägt ja dazu bei, dass in das Gesamtsystem der Sozialsicherungssysteme Geld einfließt.

Nun bin ich ja der Letzte, der nicht weiß, dass wir ein Problem haben im Bereich der Dumpinglöhne.

Deshalb glaube ich, Sie haben die Low Pay Commission angesprochen in England, das ist ein Modell, es gibt sicher auch ganz andere Modelle. Ich glaube nicht, dass die Wissenschaft mir da weiterhilft. Wenn man die letzten Jahre zurückgeht, wie viele Studien - Herr Kollege Lemb hat es ja heute gesagt - angefertigt worden sind von Institutionen, Stiftungen, von allen drum herum, die über Jahre uns immer gesagt haben, was alles gut und richtig ist, Stichwort Finanzkrise, Stichwort Wirtschaftskrise - hat alles keiner vorhergesagt. Ich glaube, wenn gewählte oder benannte Vertreter aus Arbeitgeberund Arbeitnehmerlager, also sprich der Tarifvertragsparteien, die auch die Tarifverträge aushandeln, die sollen sich zusammensetzen und eine Lösung finden in so einer Kommission. Das funktioniert in Englang ganz gut, das geht mal hoch und runter je nach wirtschaftlicher Lage, wie sich das darstellt. Was mir nicht gefällt, ist - ich bin auch 45 Jahre Gewerkschafter -, was mein großer DGBVorsitzender sagt. Der sagt, wir wollen die 8,50 €, alles was darunter liegt, kassieren wir da mit ein. Die Politik macht mal da einen Vorschlag und dann wollen wir alles, was an Tarifverträgen da ist, einkassieren. Auch nicht ganz ehrlich, weil nämlich auch Gewerkschaften mit Arbeitgebern Tarifverträge gemeinsam ausgehandelt haben, die deutlich unter 8,50 € liegen, und das ist noch gar nicht so lange her.

(Beifall CDU)

Auch das muss man mal sagen. Wir kennen ja auch die Thüringer Beispiele.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aber nicht im eigenen Beritt, wo Sie selbst zuständig sind.)

Natürlich ist es auch einfach, wenn ich jemanden habe, der am Ende sagt, passt mal auf Freunde, gebt mir mal einen Wert vor und dann diskutiere ich darüber. Da sind wir uns alle einig, weil auch im Bundestag bis auf die FDP alle Fraktionen - von GRÜNEN, SPD, CDU -, die vertreten sind, einen Gesetzentwurf in Arbeit oder vorgelegt haben, wie man mit dem Mindestlohn umgeht. Aber wir haben in Thüringen auch im Gartenbau 5,93 €, im Bäckerhandwerk 6,26 €, bei Tischlern 6,43 € - alles rechtlich ausgehandelte Tarifverträge. Die einfach jetzt so wegzuwischen

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: Waren alle dumm oder wie?)

- ja, ja -, das halte ich für falsch, weil da beide Seiten am Tisch gesessen haben und haben wohl mit gutem Wissen und Gewissen geprüft, was kann ich in den jeweiligen Bereichen finanzieren, ohne dass das, was immer gesagt wird, es kostet uns Arbeitsplätze am Ende, wenn wir Mindestlohn einführen auch das ist ja wissenschaftlich nicht belegt -, eintritt. Aber wenn es so käme, ich müsste statt der

(Abg. Siegesmund)

ausgehandelten Verträge, die Tarifpartner geschlossen haben, jetzt plötzlich 2 oder 3 € mehr zahlen, glaube ich schon, dass es ein Problem geben wird. Das ist sicher unstrittig. Deshalb meine ich, wir sollten die Debatte, die auch gut ist, anstoßen, überhaupt keine Frage. Also Anstoßen ist vielleicht auch nicht das richtige Wort. Wir haben ja selbst gesagt, dass fast alle hier in diesem Hohen Hause an der Thematik arbeiten wollen. Ob wir, lieber Wolfgang, da will man gar nicht streiten, wir wissen ja genau, dass insgesamt über 4 Mio. in den Branchen über Mindestlohntarifverträge abgesichert sind. Wer da nun wen gedrängt hat, ist mir völlig egal. Klar ist, dass das zu Zeiten von Kanzlerin Merkel war, aber - man muss auch mal hinschauen - es gibt auch sehr viele positive Beispiele. Wir reden nämlich immer nur von den schlechten Beispielen. Es gibt auch in Thüringen im Bereich der Wirtschaft viele gute Beispiele, bei denen Arbeitgeber ihrer Verantwortung gerecht werden, über die Tarife bezahlen, deutlich darüber liegen, was sie können, was sie leisten können und sich nicht an irgendwelchen Werten von 8 oder 9 € festmachen oder 10 €, die gibt es. Mir selbst haben viele Unternehmer gesagt, das ist der richtige Schritt, wir brauchen endlich Bewegung in dem Thema, weil natürlich auch das Problem Dumpinglöhne steht.

Es ist das Arbeitnehmer-Entsendegesetz angesprochen worden. Herr Kollege Kemmerich hat, glaube ich, das Mindestarbeitsbedingungsgesetz angesprochen, was am Ende nur zum Zuge kommt, wenn das Entsendegesetz nicht greift. So ein kompliziertes Gesetz hat bisher noch nie Anwendung gefunden, noch nie. Es steht zwar auf dem Papier, aber wenn man sich damit auseinandersetzt, ist mir auch völlig klar, dass das gar nicht funktionieren kann.

Ich glaube schon, wir haben ja keine verbindliche Lohnuntergrenze wie in Frankreich und England. Da ist das etwas anders gestaltet. Auf dem Weg müssten oder sollten wir gemeinsam dahin kommen. Ich sage mal, der Beitrag, Herr Hausold, weil Sie so vehement vorgetragen haben am Ende; wissen Sie, ich bin schon ein etwas gesetztes Semester und habe viele Jahre in der ehemaligen DDR gearbeitet und war dort mal Gewerkschaftsvertrauensmann für eine kurze Zeit, für zwei Jahre, sage ich auch hier deutlich, weil das dann nicht mehr ging. Sie kennen ja diese Dreierkonstellation, die es da gab: Parteileitung, Betriebsleitung, Gewerkschaftsleitung. Ich konnte da für meine Kollegen in Tarifverhandlungen nie etwas durchsetzen. Das stand immer 2:1. Am Ende bist du immer zu deinen Kollegen getreten, hast nichts erreicht. Da sagen die, was machst du denn da? Ich habe denen erklärt, tut mir leid, wir hatten auch Mehrheiten. Die Mehrheiten waren gut organisiert, standen von vornherein fest. Da gab es Lohngruppe 2 und 3. Ich will es hier mal nicht sagen, mit wie wenig Geld die

Menschen damals heimgegangen sind. Vielleicht hätten Sie damals auch schon mal ein bisschen so auftreten sollen wie heute. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Ich habe keine weiteren Redeanmeldungen aus den Abgeordnetenreihen. Für die Landesregierung Minister Dr. Voß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Tarifautonomie ist eine tragende Säule der sozialen Marktwirtschaft. Das möchte ich bei all diesen Debatten in Erinnerung rufen. Tarifautonomie bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass sich Sachkundige auf Arbeitnehmer- und auf Arbeitgeberseite zusammensetzen und versuchen, für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten das Beste zuwege zu bringen. So was verschriftet man normalerweise in Tarifverträgen. Die Tarifpartner, die an diesen Verhandlungen teilnehmen, denen ist auf jeden Fall eine Sachkunde - Branchen, regional, betrieblich -, eine Problemnähe zu bescheinigen. Ich möchte das zu Anfang meiner Ausführungen betonen, weil die Frage der Entlohnung sehr stark unter Gerechtigkeitsaspekten diskutiert wird. Das ist sicherlich auch wichtig und ein guter Aspekt, aber man muss schon auf die Belange und die Situation der Betriebe eingehen. Genau das machen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Die Tarifautonomie ist ein Glück für unser Land. Sie hat nämlich dazu geführt, dass breite Bevölkerungsschichten an der Wohlstandsentwicklung auch haben teilhaben können.

Gleichwohl gibt es Probleme, es gibt Handlungsbedarf. Die Debatte hat es heute in verschiedenen Facetten gezeigt. Auch die Bundesregierung hat reagiert. Sie hat in den vergangenen Jahren verschiedene Instrumente, die es vorher so nicht gab, auf den Weg gebracht. Einmal das Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung, dass Lohnfindungen in den Tarifverträgen auch einen Gesetzescharakter, einen Allgemeinverbindlichkeitscharakter bekommen. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz wurde entsprechend geändert. Eine zweite Initiative ist das Mindestarbeitsbedingungsgesetz, was vielleicht flexibler gestaltet werden kann, aber es ermöglicht eine Verbindlichkeitserklärung auch in Bereiche, wo es keine Tarifverträge gibt. Das sind zwei Ansatzpunkte. Auch gerade hier in diesen beiden Punkten haben wiederum Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände eine wichtige Rolle gespielt.

Wenn ich auf Ihren Antrag eingehe mit der Festsetzung einer fixierten Lohnuntergrenze von 8,50 €, fragt man sich, Frau Siegesmund: Welche Rolle sollen denn dann die Tarifpartner spielen, wenn Sie

(Abg. Bergemann)

alles vorgeben? Da möchte ich auch mal an Herrn Bergemann anknüpfen. Er hat einige Tarifverträge, einige Tarife zitiert. Waren die alle dumm oder undurchsetzungsfähig? Offenbar scheinen doch hier die Probleme auch etwas tiefer zu liegen, als Sie es hier diskutieren. Auch die Politik signalisiert Handlungsbedarf auf Bundesebene. Es ist eine intensive Debatte entstanden, aber eben auch hier in Thüringen, das möchte ich hervorheben. Wir haben auf der Ebene der Landesregierung eine Arbeitsgruppe „Gute Arbeit - gute Löhne“, die sich genau seit einigen Monaten sehr intensiv anhand von wissenschaftlichen Aufbereitungen mit diesem Thema befasst. Diese Arbeitsgruppe wird auch Vorschläge entwickeln und wird Vorschläge auf den Tisch legen. Wir sind hier ein Stück vorangekommen und wir werden auch noch in den nächsten Tage über ein Abschlusspapier reden.

Lassen Sie mich zum Kernbestand Ihres Antrags zurückkommen. Sie beziehen sich auf den öffentlichen Dienst. Frau Siegesmund, da gehen Sie meines Erachtens nun wirklich fehl. Wir sind Mitglied in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder - übrigens fahren wir auch recht gut damit. Hessen und Berlin sind damals ausgeschert. Ob es dort besser geht, möchte ich noch infrage stellen. Wir sind Mitglied in dieser Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Es geht gerade dort um einheitliche Arbeitsbedingungen. Dazu gehört auch, den Lohn im öffentlichen Dienst sicherzustellen. Das ist auch der wesentliche Grund, warum wir dort nicht ausscheren. Ich denke, auch die Kommunen tun gut daran, in der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber zu bleiben, weil es auch dort darum geht, einheitliche Arbeitsbedingungen in der Bundesrepublik herzustellen. Dazu gehören nun einmal auch die Löhne.

Ich denke, man kann insofern zusammenfassen, dass es jedenfalls im Tarifbereich der Mitglieder dieser Tarifgemeinschaft einen Lohn unter 8,50 € gar nicht gibt. So ein Tarifvertrag ist nicht abgeschlossen worden.

Zweitens, dass wir mit dem Vergabegesetz, was zum 1. Mai 2011 beschlossen wurde, auch sichergestellt haben, dass unsere Partner, denen wir öffentliche Aufträge geben, eine Tariftreue ihrer Branche nachzuweisen haben, sonst bekommen sie die öffentlichen Aufträge nicht. Insofern sind wir auch auf Landesebene ein Stück vorangeschritten und insofern - bezogen auf Ihren Antrag - sehe ich eigentlich keinen Handlungsbedarf. Er besteht für den Bereich außerhalb des öffentlichen Dienstes. Ich verweise noch mal auf unsere Arbeitsgruppe, in der wir dieses diskutieren. Wir werden Vorschläge machen, das wird auch das Ergebnis der Arbeitsgruppe sein. Es kann auch sein - jetzt komme ich mal zu Ihrer Kommission -, dass durchaus die Idee einer Kommission nicht schlecht ist, aber nicht so, wie Sie sie konzipiert haben. Ihre Kommission darf nichts, sie darf nur in eine Richtung gehen und, ich

denke, das sollten wir nicht tun. Welcher ernst zu nehmende Mensch würde sich denn da zur Verfügung stellen, wenn ich im Grunde genommen schon eingemauert bin für die Dinge, die ich hier zu tun und zu lassen habe? Also offener muss es schon gestaltet werden.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Doch, doch, das tun Sie.

Für die generelle Frage des Mindestlohns und der Lohnsituation vielleicht Folgendes: Die eigentliche Schwierigkeit besteht wohl darin, das richtige Maß zu finden, denn Löhne sind auf der einen Seite Einkommen, sie sind aber auf der anderen Seite Kosten. Wenn ich hier in Ihrer Rede gehört habe, wie viele Milliarden der Staat sparen würde, dann haben Sie recht, aber das sind die Milliarden, die Sie der Wirtschaft aufladen, und das muss verkraftet werden.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Und der Staat zahlt, wenn der Lohn nicht reicht.)

Nein, wir können doch hier nicht alles...

Zwischen dieser Gratwanderung muss die Entscheidung fallen. Ich sage noch mal: Was auf der einen Seite Lohn ist, sind auf der anderen Seite Kosten. Ich habe nichts gegen hohe Löhne, ganz im Gegenteil - gar kein Problem -, aber sie müssen auch finanziert werden. Wir können nicht sehenden Auges dann hier Pleitewellen erzeugen, wenn man die Dinge überzieht. Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Ich glaube, ich kann jetzt die Aussprache schließen, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Es sind zwei Ausschussüberweisungen beantragt worden. Ich lasse zuerst über die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss abstimmen. Wer der Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Haushalts- und Finanzausschuss seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? Die gibt es nicht.

(Zwischenruf Abg. Untermann, FDP: Doch.)

Es gibt 1 Gegenstimme. Und Stimmenthaltungen? Gibt es keine.

Nun stimmen wir den Überweisungsantrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit ab. Wer der Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(Minister Dr. Voß)

und FDP. Jetzt frage ich nach den Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Fraktionen der CDU, SPD und 1 aus der FDP-Fraktion. Ich frage nach Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Eine Mehrheit hat diese Überweisung abgelehnt. Demzufolge wird der Gesetzentwurf im Haushalts- und Finanzausschuss beraten.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe auf Tagesordnungspunkt 7

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/4496 ERSTE BERATUNG

Es ist nicht angezeigt worden, dass eine der Fraktionen das Wort zur Begründung nehmen möchte. Demzufolge gehen wir direkt in die Aussprache und ich rufe als Erste auf für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Renner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bevor ich auf den vorgelegten Gesetzentwurf aus der CDU- und der SPD-Fraktion eingehe, noch einmal kurz ein paar Worte zu unserem Gesetzentwurf, der leider nicht an den Innenausschuss überwiesen wurde und dort daher auch nicht gemeinsam beraten wird mit dem bereits vorliegenden Gesetzentwurf zu der Thematik aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem heute vorgelegten Gesetzentwurf. Wir hätten diese gemeinsame Beratung gern angestrebt, aber wie an vielen anderen Stellen hier auch im Haus wird das anscheinend zunehmend Usus, sich der Debatte durch einfache Nichtüberweisung an die Fachausschüsse zu entziehen.

Sie haben Gelegenheit, mit uns kontrovers unseren Gesetzentwurf zu diskutieren, und zwar am 8. Juni. Wir werden selbst eine Sachverständigenanhörung durchführen. Wir haben dazu Experten und Expertinnen aus dem Bereich der Bürgerrechtsorganisationen, der Medien und der Zivilgesellschaft eingeladen und natürlich lade ich Sie auch ganz herzlich ein, mit uns auch kritisch unsere Vorschläge zur Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Gründung eines Demokratiezentrums zu diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Nun aber zu Ihrem Gesetzentwurf: Es ist schon einiges in den letzten Tagen in den Medien gesagt worden und deshalb will ich mich kurzfassen. Auch wir sind der Meinung, dieser Gesetzentwurf ist wenigstens von seiner äußeren Form her eine Mogel

packung. Die Neufassung suggeriert, man habe ganz viel geändert. Es gibt aber lediglich zwei Bereiche, in denen die Änderungen tatsächlich durchgeführt wurden und das sind die Informationen durch das Landesamt in Zukunft an die Staatsanwaltschaften und im Bereich der parlamentarischen Kontrolle. Auf eine ausführliche Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf verzichten Sie ganz. Vielleicht, der Verdacht liegt nahe, hat man das getan, weil man ansonsten gemerkt hätte, dass es wirklich keine Neufassung ist, sondern es hier auch ein einfaches Änderungsgesetz getan hätte. So viel zur Kritik, dass es sich hierbei um eine Mogelpackung handelt.

Jetzt zu den beiden inhaltlichen Regelungen, die von Ihnen vorgeschlagen werden. Zuerst zur Informationspflicht an die Staatsanwaltschaften, die von Ihnen in § 14 Abs. 2 geregelt wird und die - das sage ich mal ganz klar - auch auf die Empfehlungen der Schäfer-Kommission zurückgehen. Hier muss ich erst einmal bemerken, dass wir beim Durchlesen etwas stutzig geworden sind, weil wir glauben, es hat sich ein Fehlerteufel eingeschlichen. Vielleicht können Sie das mit Blick in das Gesetz nachvollziehen. Die bisherige Nummer 1 in Absatz 1 wird gestrichen und in Absatz 2 neu gefasst. Die alte Nummer 2 wird Nummer 1, aber der darin enthaltene Bezug auf die Nummer 1 alt, die jetzt nicht mehr da ist, bleibt erhalten und somit führt dieser Bezug jetzt ins absolute Nichts. Das kann ich erst einmal nicht verstehen, dass man bei so einem Thema - was auch im Augenblick nicht neu ist, weil es auch im Koalitionsvertrag schon angekündigt wurde, einen entsprechenden Gesetzentwurf in diese Richtung auf den Weg bringen will -, an so einer Stelle, ich sage mal, einen handwerklichen Fehler macht, aber das lässt sich sicherlich durch einen Änderungsantrag in der Debatte im Innenausschuss von Ihrer Seite korrigieren.

Nun zu den inhaltlichen Regelungen: Das Landesamt wird in Zukunft verpflichtet, bei Staatsschutzdelikten personenbezogene Daten, die zum Teil - das ist unsere Kritik - anlasslos und ohne richterliche Kontrolle durch nachrichtendienstliche Mittel erworben wurden, an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben, wenn dies erforderlich ist. Wir haben mit dieser Regelung zwei Probleme. Erstens: Wer übernimmt eigentlich die Erforderlichkeitsüberprüfung für diesen Schritt? Macht das das Landesamt in Zukunft selbst, also entscheidet das Landesamt darüber, wann es erforderlich ist, dass Informationen weitergegeben werden? Das wäre unsere Frage. Das zweite Problem, das wir damit haben, ist, dass damit dem Geheimdienst in Zukunft de facto eine Funktion im Strafverfolgungsverfahren zukommt. Wir sehen zumindest die Gefahr, dass damit das Trennungsgebot de facto unterlaufen wird.

Unser Vorschlag wäre, auch möglicherweise auf die Replik von Ihnen hin, wir sagen, es würde keine

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)