Den genieße ich förmlich. Zweiter Punkt: Worüber reden wir eigentlich, wenn wir über den Antrag sprechen? Wir reden in Thüringen, wenn meine Recherchen richtig sind, über 14 börsennotierte Unternehmen.
Genau. Insofern stimmen wir da völlig überein. Die Frage ist nur - und jetzt kommen wir zum ernsthaften Teil, weil ich durchaus das Grundanliegen dieses An
trags zumindest für diskussionswürdig halte -, warum reden wir eigentlich über eine stärkere Beteiligung der Frauen nur in börsennotierten Unternehmen in der Funktion von Aufsichtsräten? Was ist denn eigentlich mit den Unternehmen, die in Thüringen einen Aufsichtsrat haben, aber beispielsweise unter das Mitbestimmungsgesetz 76 fallen? Was ist mit den Unternehmen, die eine Aufsichtsratsstruktur auf der Grundlage der Drittelparität haben? All das sind natürlich auch Unternehmen, in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden, wo man natürlich auch darüber reden muss, wie kann man das Verhältnis von zustande kommenden Entscheidungen verbessern. Damit bin ich inhaltlich durchaus bei dem Antragsbegehren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nämlich Frauen stärker auch in den Führungspositionen und damit auch in den Aufsichtsräten zu beteiligen. Allerdings hat der Kollege Kemmerich völlig recht, dass der Antrag in Ziffer 1 in sich etwas unschlüssig ist in der Formulierung. Schon deshalb bedarf es natürlich einer genaueren Diskussion des Antragsbegehrens in den Ausschüssen.
Zum Dritten will ich anmerken, ob eine Quote auf 40 Prozent festgelegt wird, auch darüber kann man trefflich streiten, weil es natürlich andere Quotenregelungen gibt, auch im Hinblick auf die Beteiligung von Frauen an wirtschaftlichen Entscheidungen, die sich beispielsweise daran orientieren, wie viel Beschäftigte in einem Unternehmen weiblich sind; das können natürlich mehr oder weniger als 40 Prozent sein. Ich weiß, dass diese Quote auf der Grundlage bestimmter Erfahrungen in Norwegen und anderer Länder basiert. Trotzdem finde ich, muss man diese Quote nicht als Gott gegeben hinnehmen und auch nicht als fixen Wert, sondern man muss darüber reden, was bedeutet eine Quote eigentlich für die bundesdeutschen Wirtschaftsstrukturen, die wir in den Unternehmen haben.
Letzte Bemerkung zu Ziffer 2, da sind wir allerdings sehr skeptisch. Ich weiß auch, dass diese Datenbank in Norwegen durchaus positive Effekte hatte. Allerdings will ich schon noch einmal auch problematisieren, dass eine zentrale Datenbank, in der sich jede Frau, jede Kollegin eintragen kann, die glaubt, berufen zu sein, für das Amt einer Aufsichtsrätin qualifiziert zu sein, sich eintragen zu können. Ob das der richtige Weg ist, kann zumindest bezweifelt werden. Summa summarum gibt es eine Menge Beratungsbedarf. Ich schließe mich deshalb meiner Kollegin aus der CDU-Fraktion an, beantrage die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und an den Gleichstellungsausschuss mit der Federführung im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lemb. Es hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Dr. Mario Voigt, CDU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren, Frau Rothe-Beinlich wird überrascht sein, ich kann Ihr Anliegen so stark unterstützen, weil ich nämlich für ein aktiengeführtes Unternehmen auch in Thüringen gearbeitet habe, da aber ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt habe, die ich doch gern zum Besten geben möchte. Die Realität, egal in welchem Unternehmen und egal welcher Größe, sieht heutzutage durchaus anders aus. Denn moderne Unternehmen können heute gar nicht auf gut ausgebildete Führungskräfte verzichten, männlich wie weiblich.
Wenn wir uns jetzt anschauen, wie das in Norwegen gelaufen ist, dann darf man ja durchaus feststellen, dass in Norwegen nach norwegischem Recht es ja zwei unterschiedliche Formen von Aktiengesellschaften gibt. Eine Aktiengesellschaftsform, die dort privilegiert bzw. quotiert worden ist, betrifft ungefähr 500 Unternehmen. Die mussten das einführen, aber ungefähr über 3.000 Unternehmen sind dabei außen vor geblieben. Hauptsächlich diejenigen, die es zuerst umgesetzt haben, waren Staatsunternehmen. Ich glaube, wenn wir dem Ansinnen, dem wir ja durchaus - und ich habe fraktionsübergreifend eine ähnliche Stoßrichtung vernommen - gerecht werden wollen, sollten wir uns kluge Wege überlegen, wie man es am Ende schaffen kann, dass Frauen mehr Führungsverantwortung bekommen. Ich habe nun selber in einem Unternehmen gearbeitet, in dem über 40 Prozent der Leitungspositionen von Frauen besetzt werden, insofern kann ich auch sagen, dass es ein natürlicher Prozess ist, weil Frauen sich natürlich auch durchsetzen. Ich meine, das sehen wir auch in der Politik, dass es ohne Quote passiert. Wir haben eine weibliche Bundeskanzlerin, eine weibliche Ministerpräsidentin und eine Präsidentin des Thüringer Landtags, das ist ohne Quote passiert. Ich denke, das spricht auch für die Qualität der jeweiligen Frauen.
Nun will ich einen Aspekt hinzufügen, der mir entscheidend für die Fragestellung Berufung von Aufsichtsräten scheint. Am Ende muss natürlich auch die Qualifikation der jeweiligen Bewerber entscheiden. Da dürfen wir feststellen, dass ein Großteil, fast 70 Prozent der AGs sind in Bereichen, sei es Ma
schinenbau, sei es IT, sei es Biotec, wo die Quote der Frauen, die in den Studiengängen vorfindbar sind, relativ niedrig ist. Damit will ich nicht ausschließen, dass sie nicht in der Lage wären, einen Aufsichtsrat zu besetzen, aber es liegt einfach in der Natur der Sache, dass man versucht, aus dem jeweiligen Fachgebiet heraus Aufsichtsräte zu berufen.
Über die Fragestellung Demokratiedefizit, was hier oben genannt worden ist, will ich gar nicht referieren. Ich will nur sagen, alle Aufsichtsräte sind im Rahmen einer Hauptversammlung demokratisch gewählt. Das ist ein Punkt, den sollte man nach meiner Meinung nicht gering schätzen. Über Demokratiedefizite würde ich gar nicht reden. Da will ich gar nicht in das Aktienrecht einsteigen.
Was mir aber wichtig erscheint. Ich glaube, Selbstverpflichtungsrecht der Unternehmen ist leicht formuliert. Ich glaube, man sollte durchaus spezifischer sein. Aktiengesellschaften sind in ganz spezieller Art und Weise normiert nach dem Aktiengesetz. Sie müssen seit ein paar Jahren, seit 2001, auch einen sogenannten Coporate Governance-Bericht abgeben, der zwar keine bindende Wirkung besitzt, aber mittlerweile in der Investorenansprache eine sehr hohe Bedeutung hat. Wenn man ernsthafterweise ohne Quotenregelung darüber nachdenkt, wie man das Ganze verbessern will, dann sollte man sich eher an dem Coporate Governance-Bericht orientieren, weil dort quasi durch die Hintertür Aktiengesellschaften ermutigt, wenn nicht sogar gezwungen werden, Frauen in Führungspositionen aufzunehmen. Deswegen kann ich Ihrem Ansinnen, wie es im Antrag formuliert ist, leider nicht zustimmen, aber in der Sache bin ich auch gerne behilflich, daran zu arbeiten, dass der Coporate Governance Kodex, auf dem die Berichte beruhen, am Ende vielleicht auch geändert wird. Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht. Möchte die Regierung sprechen? Ja, bitte Herr Staatssekretär.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich ist die Regierung noch anwesend.
Mir ist das Thema auch wichtig und der Landesregierung ist dieses Thema auch wichtig; denn wir wissen, Aufsichtsräte haben nach deutschem Ak
tienrecht ja tatsächlich eine wichtige Aufgabe. Sie haben die Geschäftsführung zu überwachen, sie besitzen umfangreiche Prüfungsrechte. Für die Aufgabe bedarf es auch einer hohen persönlichen und fachlichen Integrität.
Meine Damen und Herren, niemand kann ernsthaft in Abrede stellen, dass die notwendigen Qualifikationen bei Frauen und Männern gleichermaßen vorhanden sind. Die Tatsache, dass lediglich 31 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt sind und dass dieser Anteil mit der Größe von Unternehmen abnimmt, ist mehr als bedauerlich und hat auch verschiedene Ursachen, an denen wir arbeiten müssen.
Ich nenne nur einige Beispiele: Erstens fehlende Angebote zur Kinderbetreuung, da ist die Regierung dabei, dies entsprechend zu verbessern; zweitens natürlich immer noch traditionelles Rollenverhalten; drittens, das ist regional unterschiedlich, mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf usw.
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist zwar in den vergangenen Jahren immer etwas gestiegen, er bleibt aber trotzdem unserer Einschätzung nach deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Erhebung von gendergerechten Daten und wissenschaftlichen Studien hat immerhin dazu beigetragen, dass die gleichstellungspolitischen Defizite sichtbar geworden sind. In der Wirtschaft - und ich hoffe, nicht nur hier - setzt sich auch immer mehr die Meinung und die Erkenntnis durch, dass man auf die Kompetenz von Frauen nicht verzichten kann und will, weil man nur so auch mittel- und langfristig erfolgreich sein kann.
Festzustellen ist dennoch eines, und das wurde hier mehrmals benannt: Wir haben tatsächlich - da stimmt die Opposition mit der Regierungsfraktion und die Landesregierung überein - lediglich 14 börsenorientierte Unternehmen hier in Thüringen. Vor diesem Hintergrund mag man zweifeln können, ob denn tatsächlich eine Datenbank Sinn macht. Sinn machen könnte eventuell eine bundesweite Datenbank, die datenschutzgerecht gepflegt wird und bei einer Bundesbehörde angesiedelt ist. Ich denke, diese Debatte kann man aber auch sinnvoll im Ausschuss führen, um zu weiteren Schritten zu kommen, um tatsächlich eine vernünftige Genderpolitik auch in Thüringen weiter voranzutreiben. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann beende ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Ich habe mehrfach gehört, dass in Ausschüsse überwiesen werden soll, an den Gleichstellungsausschuss, an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Federführend wurde vorgeschlagen der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wir stimmen erst einmal über die Ausschüsse ab.
Wer dafür ist, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Gleichstellungsausschuss überwiesen wird, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine. Bei einigen Gegenstimmen ist der Antrag an den Gleichstellungsausschuss überwiesen.
Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit? Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mehrheitlich nicht an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überwiesen.
Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, den bitte ich jetzt um das Handzeichen? Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Bei einigen Gegenstimmen ist der Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen.
Wir entscheiden jetzt über die Federführung, beantragt ist der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit der federführende.
Wünscht die Fraktion DIE LINKE zur Begründung das Wort? Das sehe ich nicht. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Prof. Dr. Huber.
Fraktion DIE LINKE „Rettungsschirm für die Thüringer Kommunen“, der offenbar den Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarkts entlehnt ist, lässt Schlimmes befürchten. Es wird suggeriert, dass sich die Kommunen in Thüringen, ähnlich wie die Banken vor gut einem Jahr, in einer extrem schwierigen Situation, am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs befinden.
Insbesondere die kulturelle und soziale Infrastruktur in den Thüringer Kommunen soll akut gefährdet sein. Als Gründe werden mal wieder der angeblich nicht bedarfsgerechte Kommunale Finanzausgleich, die Steuerpolitik der Bundesregierung,
Von dem von Ihrer Fraktion, Herr Ramelow, hinlänglich bekannten politischen Pathos einmal abgesehen, geht es in dem Antrag im Kern um die weitere Finanzierung von kulturellen, sozialen und Jugendhilfeeinrichtungen in den Kommunen, deren Finanzierung nicht durch vertragliche oder gesetzliche Bindungen abgesichert ist. In diesem Zusammenhang wird vorgeschlagen, 8 Mio. € aus dem Landesausgleichsstock als Zwischenfinanzierung für soziale und kulturelle Einrichtungen in den Kommunen zur Verfügung zu stellen.
Wenn man den Antrag so liest, könnte man in der Tat, wie bei anderen Verlautbarungen, den Eindruck gewinnen, die Kommunen in Thüringen stünden flächendeckend kurz vor dem finanziellen Zusammenbruch. Ein Blick in die Veröffentlichungen des Landesamts für Statistik, die für jedermann, also auch für die Fraktion DIE LINKE zugänglich sind, belehrt uns jedoch eines Besseren. So werden in dem vorliegenden Antrag zunächst die zahlreichen Steuerrechtsänderungen seit 1999 angeführt, denen die Landesregierung zugestimmt habe und die zu Mindereinnahmen von 300 Mio. € pro Jahr in den Thüringer Gemeinden und Landkreisen geführt hätten. Die Fraktion DIE LINKE verkennt jedoch nach wie vor, dass nicht jede Senkung von Steuersätzen gleichbedeutend mit langfristigen Steuerausfällen in den Kommunen einhergeht.
Lassen Sie mich dazu ein paar Zahlen nennen: Die Nettosteuereinnahmen der Thüringer Kommunen entwickelten sich von 650 Mio. € im Jahr 1999 auf über 1,162 Mrd. € im Jahre 2008. Ungeachtet der im Jahr 2009 in allen öffentlichen Haushalten konjunkturbedingt zurückgehenden Einnahmen kann kaum davon die Rede sein, dass die Steuereinnahmen der Kommunen sich insgesamt strukturell schlecht entwickelten. Nach der Steuerschätzung vom November beträgt das Steueraufkommen auch dieses Jahr immerhin noch 1,031 Mrd. €, im Jahr 2010 1,005 Mrd. €, liegt also deutlich über dem der früheren Jahre. Allerdings ist auch die Landesregierung der Auffassung, dass Steuersenkungen kein Allheilmittel in Zeiten schwieriger öffentlicher Haushalte sind.
Im Rahmen der Diskussion um die Verabschiedung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes hat Thüringen daher auf die prekäre Situation der öffentlichen Haushalte hingewiesen und zur Zurückhaltung gemahnt. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die öffentlichen Haushalte Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen getroffen. Bund und Länder haben deshalb mit entsprechenden Sofortmaßnahmen reagiert, um die Konjunktur anzukurbeln. Es ist schon ein merkwürdiges Ansinnen in dem vorliegenden Antrag, Ziffer 4, wenn die Landesregierung die Bundesregierung auf die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise hinweisen soll. Meines Erachtens sind diese Auswirkungen der Bundesregierung hinlänglich bekannt und angesichts der erlassenen Gesetze jedenfalls im Ansatz zu bewältigen versucht worden.