Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführerin hat Frau Abgeordnete Meißner neben mir Platz genommen. Die Rednerliste führt Herr Abgeordneter Bärwolff.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Günther, Herr Abgeordneter Hausold, Frau Abgeordnete Kanis, Frau Abgeordnete Dr. Kaschuba, Herr Abgeordneter Krauße, Herr Abgeordneter von der Krone, Herr Abgeordneter Lemb, Herr Abgeordneter Nothnagel, Herr Abgeordneter Recknagel, Herr Minister Dr. Poppenhäger, Herr Minister Reinholz zeitweise und Frau Ministerin Walsmann zeitweise.

Gestatten Sie mir noch folgenden allgemeinen Hinweis: Ich erinnere Sie noch einmal an den heutigen parlamentarischen Abend auf Einladung der Landespressekonferenz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch folgende Hinweise zur Tagesordnung: Wir sind bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 6 am Freitag als ersten, die Tagesordnungspunkte 1 a und b am Freitag als zweiten und den Tagesordnungspunkt 27 am Freitag als dritten Punkt aufzurufen. Der Tagesordnungspunkt 8 soll ohne Aussprache durchgeführt werden.

Der Abgeordnete Barth hat mit Schreiben vom 16. Juli 2012 beantragt, seine Kleine Anfrage 2318 gemäß § 90 Abs. 4 Satz 4 Geschäftsordnung zur mündlichen Beantwortung auf die Tagesordnung zu setzen. Da die Antwort der Landesregierung bis 12:00 Uhr am Tag vor der Sitzung schriftlich eingereicht wurde, unterbleibt dieser Aufruf.

Zu Tagesordnungspunkt 19 wurde ein Alternativantrag der Fraktion der FDP in Drucksache 5/4746 verteilt. Zu Tagesordnungspunkt 27 wird eine Neufassung aller Fraktionen verteilt. Zu Tagesordnungspunkt 38 wird eine Neufassung verteilt.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann rufe ich auf Tagesordnungspunkt 5

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drucksache 5/4668 ERSTE BERATUNG

Die Fraktion hat die Begründung beantragt und es spricht Herr Abgeordneter Koppe. Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns jetzt im aufgerufenen Tagesordnungspunkt erneut mit dem Ladenöffnungsgesetz beschäftigen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ja, leider.)

denn es liegt Ihnen von unserer Fraktion ein Gesetz zur Änderung desselben vor und aus unserer Sicht ist das absolut nötig.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Aus unserer Sicht nicht.)

Dabei will ich bemerken, Herr Kuschel, dass das Ladenöffnungsgesetz in der aktuellen Fassung ein vergleichsweise junges Gesetz ist. Erst Ende 2011 hat der Landtag mit Mehrheit dieses Gesetz geändert, ohne dass wir damals zugestimmt hätten. Im Gegenteil, wir haben damals schon bereits auf zahlreiche Probleme und die absehbar weitreichenden Folgen für die Betroffenen, also für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber gleichermaßen, hingewiesen. Dass wir mit unserer Einschätzung richtig lagen, haben Sie an den teils heftigen und erschrockenen Reaktionen der Gewerbetreibenden und ihrer Mitarbeiter gesehen.

(Beifall FDP)

Ich sage Ihnen, dieser Widerstand ist ungebrochen. Dass dies nicht ohne Wirkung auch bei den regierungstragenden Fraktionen bleibt, zeigt das massive Rückrudern. Die angedachte Verordnungsregelung des Sozialministeriums legt darüber Zeugnis ab, denn mit dieser Verordnung machen Sie plötzlich den Ausnahmefall zum Regelfall. Die strittige Passage des § 12 des Gesetzes wird durch die Verordnung derart ausgehebelt, dass nunmehr der ursprüngliche Gesetzestext in der Praxis nur noch sehr selten greift.

(Beifall FDP)

Dies ist nicht nur ungewöhnlich, sondern juristisch fragwürdig, beinhaltet doch gerade der ursprüngliche Gesetzentwurf einen klaren Gültigkeitskatalog für etwaige Ausnahmen. Ich zitiere § 12 Abs. 3 Satz 2: „… für bestimmte Personengruppen und in Einzelfällen Ausnahmen von Satz 1 durch Rechtsverordnung zu regeln.“

(Beifall Abg. Barth, FDP)

Sie legen diese Kompetenz des TMSFG und des Sozialausschusses aus unserer Sicht gefährlich weit aus. Rechtssicherheit, meine Damen und Herren, ist ein hohes Gut in diesem Land, Frau Taubert. Die Gesetzesregelung, die erkennbar von den meisten Betroffenen abgelehnt wird und die Sie über eine weitreichende Ausweichung der Verordnung zu kaschieren versuchen, steht diesem hohen Gut deutlich entgegen.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren von der Koalition, ich kann verstehen, dass Sie Ihr Gesicht wahren wollen. Allerdings dürfen Sie es sich nicht zu leicht machen. Wir wissen und Sie wissen auch, dass eine Verordnung im Einvernehmen mit dem Ausschuss durch einfache Mehrheit wieder geändert werden kann, selbstverständlich ohne Plenardebatte.

(Beifall FDP)

Aber nicht nur wir wissen, dass die Sicherheit einer ministeriellen Rechtsverordnung nur von zweifelhaftem Wert ist, auch die Verbände, die Arbeitnehmer und die Unternehmen wissen das. Daher rufe ich Sie auf, haben Sie den Mut, Ihren Fehler einzugestehen und setzen Sie die nötigen Veränderungen dort um, wo sie hingehören, nämlich im Gesetzestext selbst!

(Beifall FDP)

Haben Sie den Mut auf eine breite Allianz derer zuzugehen, die sich rege in die Debatte eingebracht haben! Wenn Politik sich fähig erweist, zuzuhören und aufgrund guter Argumente rechtssicher umzusteuern, dann schafft sie auch Vertrauen.

(Beifall FDP)

Also steuern Sie um, schaffen Sie Rechtsfrieden und verlässliche Rahmenbedingungen, in denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die erforderlichen Regelungen zu beiderseitigem Vorteil aushandeln können! Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat der Abgeordnete Christian Gumprecht aus der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema Ladenöffnung behandeln wir im Landtag innerhalb der letzten beiden Jahre, wenn ich richtig gezählt habe, bereits zum 13. Mal. Ist das nun ein gutes Omen, meine Damen und Herren? Es waren vier Gesetzentwürfe, zwei Aktuelle Stunden, es waren fünf Mündliche Anfragen, zwei Selbstbefassungsanträge und

(Beifall Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

der Verordnungsentwurf des Sozialministeriums im Ausschuss. Manche meinen, die Zahl 13 sei schwierig, andere meiden sie. Sie, Herr Koppe von der FDP, zeigen Beharrlichkeit. Ich weiß, das Thema ist Ihr besonderes Steckenpferd. Dennoch zeugen einige der Wortmeldungen nicht immer von Sachverstand, eher von Populismus. Das sage ich auch zum heutigen Antrag. Seit Anfang des Jahres drängen Sie die Landesregierung mit vier Mündlichen Anfragen zur Vorlage einer Rechtsverordnung. Just in dem Augenblick, wo das Sozialministerium diese Rechtsverordnung vorlegt, kommen Sie mit einer neuen Variante. Nun wollen Sie eine Gesetzesänderung. Das nenne ich Kontinuität nach dem Motto: Wir bleiben hinten dran, egal wie.

Meine Damen und Herren, über die vorliegende Rechtsverordnung kann man unterschiedlicher Meinung sein. Das billige ich jedem zu. Das drücken auch die Stellungnahmen, die der Rechtsverordnung beigelegt sind, aus. Die Spannweite der Äußerungen ist sehr groß. Das hat nun das Sozialministerium bewogen, die zwei oder drei Konkretisierungen der ursprünglichen Rechtsverordnung aus der Anhörung nochmals zu ändern. Unsere Fraktion hat sich deshalb entschlossen, ein Anhörungsverfahren zu beantragen, das der Ausschuss auch bestätigt hat und das nun in den nächsten Tagen versandt wird. Was Sie nun wollen mit dem Änderungsgesetz ist etwas ganz anderes. Sie wollen eine Reduzierung auf einen freien Samstag im Monat unter der zusätzlichen Bedingung, dass die Arbeitnehmer in dieser Woche bereits einen freien Tag hatten. Hier sind wir anderer Ansicht. Wir wollen die zwei freien Samstage im Monat beibehalten. Das entspricht unserer Intention, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Dann dürfen Sie aber diese Verordnung nicht beschlie- ßen.)

In höchstem Maße problematisch ist Ihre Forderung, dass der Arbeitnehmer diesen einen freien Tag noch extra selbst beantragen muss. So, denke ich, werden Arbeitnehmerrechte aufgeweicht und der Arbeitnehmer in den Status eines Bittstellers geschoben. Meine Damen und Herren, da machen wir nicht mit. Wir lehnen Ihren Antrag ab und halten auch eine Überweisung an den Ausschuss für nicht sinnvoll. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Danke schön, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht die Abgeordnete Ina Leukefeld für die Fraktion DIE LINKE.

(Abg. Koppe)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, einen schönen guten Morgen. Herr Gumprecht, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das einmal gezählt haben: 13. Ich habe das nicht mehr geschafft im Vorfeld, aber es war sehr viel. Um es gleich auf den Punkt zu bringen und zu sagen, wie wir uns da positionieren: Wir lehnen diesen Antrag ab - ganz klar.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir hatten einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der wurde mit „Gängelei“ bezeichnet; jetzt bezeichnen Sie übrigens die zwei freien Samstage auch als Gängelei. Wir wollten die Ladenöffnung generell begrenzen, meinen, von 6.00 bis 20.00 Uhr wäre okay. Das war hier nicht mehrheitsfähig. Dann sind, wie wir wissen, in letzter Minute im Sozialausschuss auf Antrag der Koalition die zwei Sonnabende in das Gesetz gekommen, die haben sich jetzt bewährt. Ich glaube, das Abendland ist weder untergegangen, noch ist es Gängelei.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Aber nur, weil es keiner umsetzt.)

Auch der neueste Akt der Wirtschaftsverhinderung, wie das Herr Barth in der Aktuellen Stunde bezeichnet hat oder - Zitat - „Die Spuren und Schäden im Einzelhandel sind signifikant.“, meine Damen und Herren, das können wir so nicht feststellen. Der ungebrochene Widerstand hält sich auch in Grenzen, Herr Koppe. Es sind 60.000 Beschäftigte im Einzelhandel. Die Einzigen, die Widerstand leisten, sind Arbeitgeber. Aber da das Ladenöffnungsgesetz ein Arbeitnehmerschutzgesetz sein soll, sind wir der Auffassung, dass es dabei bleiben sollte. Im Übrigen: Unserer Meinung nach schafft auch die Verordnung - und da gebe ich Herrn Koppe recht - keine Rechtssicherheit. Da wird sozusagen von hinten durch die Brust das ausgehebelt, was klar und eindeutig jetzt im Gesetz steht. Das schafft keine Rechtssicherheit, sondern viel mehr Bürokratie und Unsicherheit für Arbeitnehmer. Man kann sich auch noch einmal anschauen, wie sich das seit Inkrafttreten des Ladenöffnungsgesetzes nach der Novellierung, also zum 01.01.2012, im Einzelhandel entwickelt hat. Weder dramatische Umsatzeinbrüche noch gravierende Veränderungen bei der Zahl der Beschäftigungen sind zu verzeichnen. Im I. Quartal dieses Jahres wurde laut Thüringer Landesamt für Statistik der Umsatz um 2,5 Prozent gesteigert; die Anzahl der Beschäftigten blieb nahezu unverändert. Allerdings - da gebe ich Ihnen recht - sank die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um 1,2 Prozent, während die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 0,7 Prozent anstieg. Es ist allerdings sehr fraglich, ob das etwas mit dem Ladenöffnungsgesetz zu tun hat. Meines Erachtens eher nicht, denn insgesamt sind 60 Prozent aller Beschäftigten im Einzelhandel ohnehin in

Teilzeit oder auch in geringfügiger Beschäftigung, was wir ja sowieso auch immer schon kritisiert haben. Ich denke also, es sollte dabei bleiben. Die Argumente, die Sie anführen, dass mit dem Samstagsarbeitsverbot besonders Arbeitnehmer benachteiligt werden, die nur aus familiären Gründen samstags arbeiten können, halten wir also für minimal.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Realitätsfremd!)

Das ist auch nicht nachgewiesen, welchen Personenkreis das betrifft und wie groß der ist. Auch die Einkommenseinbußen, die angeblich damit verbunden sein sollen, weil viele Mitarbeiter erfolgsabhängig bezahlt werden und der Samstag der umsatzstärkste Tag der Woche ist, das wird wohl stimmen, konnte aber so nicht bestätigt werden, auch nicht von den Gewerkschaften. Deswegen unser Vorschlag: Lassen wir jetzt erst einmal alles so, wie es ist, schauen nach einem Jahr noch einmal nach und machen eine Evaluation, besprechen das auch noch mal sowohl mit den Arbeitgebern als auch mit den Gewerkschaften und mit den Beschäftigten. Vielleicht kommen Sie dann doch zu der Einsicht, dass unser Vorschlag, generell die Ladenöffnungszeit von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr zu begrenzen, ein richtiger ist. Das wäre dann auch für die Arbeitnehmer eine ganz klare Ansage und dann bräuchte es vielleicht auch die zwei freien Sonnabende nicht. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Als Nächster hat der Abgeordnete David Eckardt von der SPD-Fraktion das Wort.