Meine Damen und Herren, es ist offenkundig, dass der Gebrauch der sogenannten geschlechtergerechten Sprache noch keinen einzigen sexuellen Übergriff, beispielsweise in der Filmbranche, und noch keinen weiblichen oder männlichen Flirt in karrierefördernder Absicht verhindert hat. Die Gendersprache hat noch keinen einzigen Teilzeitarbeitsplatz für Mütter hervorgebracht. Sprache erzeugt so wenig gerechte wie ungerechte Verhältnisse. Das ist auch leicht zu verstehen; es gibt keinen mechanisch linearen Zusammenhang zwischen der Struktur einer Sprache und derjenigen der Wirklichkeit.
Das gilt insbesondere auch für das Geschlecht. Das grammatische Genus, das grammatische Geschlecht, hat mit dem biologischen Sexus, dem biologischen Geschlecht, nichts zu tun. Das generische Maskulinum umfasst nun einmal Frauen wie Männer gleichermaßen,
auch alle 58.000 bis 750.000 gefühlten Geschlechter, die sich Männern und Frauen einfach nicht zuordnen möchten. Kein normaler Mensch kommt auf die Idee, dass beispielsweise die Frage nach der Einwohnerzahl eines Landes nur die Männer meint, die dort leben. Kein normaler Mensch meint, dass sich auf dem Bürgersteig nur männliche Bürger bewegen dürfen. Es ist einfach falsch, wenn Ministerin Werner einmal sagte, dass entsprechende Bezeichnungen allein Männer erfassen würden. Der Arzt ist eben nicht nur der männliche Arzt und eben das nennt man das generische Maskulinum.
Wer mit Blick auf dieses generische Maskulinum und überhaupt mit Blick auf die eigene Art und Grammatik der deutschen Sprache eine Diskriminierung durch diese Sprache behauptet, der fantasiert schlicht und ergreifend.
Übrigens gibt es ja auch das generische Femininum. Im Text unseres Gesetzentwurfs ist es angesprochen, die Rede von Personen – Singular: die Person – schließt männliche Personen keineswegs aus. Und niemand denkt beim Hören des Worts Person allein an Frauen. Nun ist ja all das jedem einigermaßen Gebildeten hinlänglich bekannt. Und so fragt man sich, worum es bei solchen Sprachregelungen wie dem § 28 des Thüringer Gleichstellungsgesetzes eigentlich geht.
Meine Damen und Herren, Sprache ist eine lebendige symbolische Form, sie lebt und entwickelt sich weiter. Sie ist nicht starr. Sie lebt und entwickelt sich durch den Sprachgebrauch, durch Schreiben, Sprechen und Lesen derjenigen, die schreiben, lesen und sprechen, also durch die freie Sprachgemeinschaft. Es sind autoritäre und totalitäre Regime, die in die freie Sprachgemeinschaft eingreifen, und man kann den Umkehrschluss ziehen, dass sich dort, wo von Staats wegen in die freie Sprachentwicklung eingegriffen wird, autoritäre Herrschaftsstrukturen ausbilden und verfestigen. Das ist der eigentliche Kern der obrigkeitlichen Sprachpolitik unserer Tage. Es geht darum, Gesinnungen zu etablieren, ein Gesinnungsregime zu errichten.
Das Motto lautet dabei: Wer nicht unsere Sprache spricht, der ist gegen Gerechtigkeit, gegen dieses oder jenes, jedenfalls gegen uns, gegen die Macht. Das steckt dahinter und das erzeugt den obrigkeitlichen Anpassungsdruck. Darum geht es den politischen Sprachmanipulierern. Wenn die Abgeordnete Henfling hier im Plenum einmal sagte, Sprache schaffe Realität, dann hat sie genau dies gemeint.
Eine dogmatisierte Sprache erzeugt eine dogmendurchwirkte Wirklichkeit. Und mit Dogmen kennen sich die Grünen ja ganz hervorragend aus.
Aber eine Gesellschaft freier Bürger kann und muss auf solches verzichten, denn eine solche Gesellschaft lässt sich nicht von der Obrigkeit vorschreiben, wie sie zu sprechen, zu denken und zu schreiben hat.
Wir wissen, dass die Menschen im Land die sprachlichen Verrenkungen und die Verhunzung unserer Sprache durch feministische und genderistische Sprachdiktate ablehnen.
Eben deshalb sieht es der Gesetzentwurf der AfD vor, jenen § 28 aus dem Gleichstellungsgesetz zu streichen. Dieser Paragraf hat mit Gleichstellung nichts zu tun. Und damit manipulative Sprachregeln aus den Verwaltungsverfahren herausgehalten werden, sieht der Entwurf eine entsprechende Klärung in § 23 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes vor.
Meine Damen und Herren, in einem zu Recht berühmt gewordenen Buch über die Lingua Tertii Imperii hat der Philologe Victor Klemperer vor über 70 Jahren die Sprache des politischen Fanatismus diagnostiziert. Er sprach in seinem Buch von der Hysterie der Sprache, nämlich von der Hysterie der totalitären Sprache.
Hysterie erleben wir auch im feministischen und genderistischen Sprachfuror der politischen Korrektheit unserer Gegenwart.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Art, wie Sie sprechen, hätte er auch kritisiert!)
Vor wenigen Tagen wurde zum Beispiel Folgendes bekannt und in den Medien hinlänglich diskutiert: Der Akademische Senat der Alice Salomon Hochschule in Berlin, der Senat also dieser Hochschule, hat mehrheitlich beschlossen, nach einem Sexismusvorwurf des AStA das Gedicht des bolivianischschweizerischen Lyrikers Gomringer von der Fassade der Hochschule entfernen zu lassen. Das Gedicht lautet: Alleen/Alleen und Blumen/Blumen/Blumen und Frauen/Alleen/Alleen und Frauen/Alleen und Blumen und Frauen und/ein Bewunderer.
Der Autor dieser wunderbaren Zeilen ist heute 93 Jahre alt. Alt genug, um sich an sprachpolizeiliche Maßnahmen zu Zeiten seiner eigenen Jugend zu erinnern. Man fragt sich, was er wohl über geschlechtergerechte Sprache und über die Freiheit der Kunst in Deutschland denkt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, es liegt an uns, solchen verkrampften und überflüssigen Unfug zu beenden. Ein erster Schritt dazu wäre die Debatte zu unserem Gesetzentwurf im Ausschuss. Vielen Dank.
Aus den Reihen der Abgeordneten liegt mir jetzt eine weitere Wortmeldung vor. Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste und Gästinnen – für Frau Henfling! Sie lachen, aber eigentlich ist es überhaupt nicht witzig, worüber wir jetzt sprechen. Ich muss ehrlich sagen, als ich die Überschrift über dem sogenannten Gesetzentwurf der AfD gesehen habe, wo sie von Sprachmanipulation geschrieben hat, habe ich mich schon gefragt, ob eine solche Überschrift nicht doch mindestens auch in der Verwaltung zu Nachfragen hätte führen müssen, ist sie jedoch mitnichten wertfrei. Sie ist vielmehr Ausdruck der Gesinnung, für die die AfD steht. Sie macht auch deutlich, dass die AfD ganz offenkundig – ich nenne es einmal recht schlicht – Angst davor hat, Realität anzuerkennen.
Denn in der Tat ist es so: Sprache ändert sich. Das hat Herr Worm hier dargestellt. Sprache entwickelt sich. Sprache ist auch Ausdruck von Bewusstsein. Immanuel Kant – ich zitiere jetzt einen Mann – hat einmal gesagt: „Alle Sprache ist Bezeichnung der Gedanken.“ Sprache ist aber, das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, auch ein Instrument der Machtausübung und auch des Ausschlusses. Sprache, gerade die, die Verwaltung beispielsweise spricht oder schreibt, muss eine Sprache der Demokratie und der Gleichberechtigung sein. Das jedenfalls meinen wir. Deswegen haben wir das Gesetz, um das es der AfD hier geht, auch genauso formuliert. Nur so wird unser Staatswesen auch angemessen vertreten. Sprache ist auch, aber nicht nur Ausdruck von Bewusstsein, sie kann im Übrigen Bewusstsein auch verändern. Sprache ist mitnichten ein neutrales Werkzeug. Was die Nazis getan oder gedacht haben, wissen Sie von der AfD sehr genau. Das ist mir schon klar. Wer so denkt, der versteht das wahrscheinlich noch schneller.
Ich will aber ganz deutlich sagen, warum das generische Maskulinum nicht ausreicht. Es ist ein Klassiker der deutschen Sprache, dass es immer heißt, ihr Frauen seid mitgemeint. Dieses traditionelle Mitgemeintsein von Frauen führt, das muss man einfach so deutlich konstatieren, zu handfesten Benachteiligungen. Die Verwendung allein der männlichen Form wird daher dem Anspruch einer geschlechtergerechten Sprache nicht annähernd gerecht. Umgekehrt entfacht die Umsetzung sprachlicher Gleichbehandlung von Frauen tatsächlich Wirkungen in Bezug auf die Gleichberechtigung. Das ist mitunter tatsächlich ganz einfach. Warum eigentlich spricht insbesondere der Präsident im Landtag
oder auch die Präsidentin immer von einer Rednerliste, nicht einfach von einer Redeliste? Das ist grammatikalisch überhaupt nicht falsch. Es ist eine Substantivierung, die hier inbegriffen ist und die völlig richtig darstellt, dass es eine Liste gibt, auf der sich alle Menschen wiederfinden, die sich für eine bestimmte Debatte zu Wort gemeldet haben. Warum sprechen wir nicht auch einfach vom Redepult? Auch eine sehr einfache, sehr schlichte Darstellung, die deutlich macht, dass es mitnichten um Verkomplizierung oder Ähnliches in der Sprache geht, sondern schlichtweg um Klarheit. Ja, da muss sich vielleicht der eine und die andere auch bewegen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, geschlechtergerecht, so will ich es nennen, zu formulieren, denn neutral ist es eben nicht. Ich kenne noch viele Schreiben aus Universitäten, in denen von schwangeren Studenten die Rede war. Ich weiß nicht, was Sie für ein Bild vor Augen haben. In dem Fall ist es relativ eindeutig, dass es sich vermutlich um eine Frau, um eine Studentin handelt. Ich habe ja gesagt, relativ. Aber nichtsdestotrotz ist es nach wie vor an vielen Orten gang und gäbe, dass genau so geschrieben wird. Und die ältere Dame, die von meiner Kollegin Stange schon zitiert wurde, war es eben leid, immer nur als das Anhängsel von der Sparkasse betrachtet zu werden, wo es immer wieder so ist, dass der Ehemann traditionell zuerst genannt wird und die Frau dann oftmals nur mit dem Vornamen mitgenannt. Ganz egal, welche tragende Rolle sie vielleicht in dem Schriftverkehr eigentlich spielt. Es geht darum, als Frau, als Mensch in Sprache und Schrift erkennbar zu sein. Und das haben wir uns vorgenommen und das haben wir auch in diesem Gesetz so festgeschrieben, was die AfD jetzt mit einem anderen Gesetz ändern will. Ich glaube, dass es durchaus viele Möglichkeiten gibt, geschlechtergerechte Formulierungen zu finden. Man kann natürlich die männliche und die weibliche Form verwenden. Man kann aber beispielsweise auch – das Beispiel ist schon genannt worden – von Studierenden sprechen, wenn man alle Studentinnen und Studenten, alle Studierenden eben meint, die sich an einer Hochschule wiederfinden und die dort lernen. Man kann auch sehr gut beispielsweise auf Possessivpronomen verzichten, anstelle von „sein“ oder „ihr“ Zeugnis, einfach „das Zeugnis“ beispielsweise sagen. Man kann, ich sagte es schon, passivische Konstruktionen verwenden, wie: „Bei der Zulassung ist nachzuweisen“, statt: „Er oder sie hat nachzuweisen“. Es ist ebenso möglich, von beispielsweise „psychologischem Rat“, statt „Rat der Psychologin oder des Psychologen“ zu sprechen, und ich glaube, genauso ist es eben auch möglich, bei dem Beispiel „Schülerinnen und Schüler sollen ihre Arbeit“, statt „die Schülerin oder der Schüler soll ihre oder seine Arbeit“ zu sagen oder zu schreiben. Das ist alles relativ einfach und hat mit Sprachmanipulation wahrlich nicht das Geringste zu tun.
Im Übrigen gibt es auch feststehende Begriffe oder auch feststehende Kollektivorgane, die auch niemand geplant hatte umzubenennen. Deswegen geht dieses Beispiel der AfD mit dem Bürgersteig auch völlig ins Leere. Aber Bürgersteig hat auch eine Geschichte als Begriff und genauso haben viele Begriffe eben auch eine Geschichte, die sich mitunter einfach überholt hat. Ich will an ein ganz prominentes Beispiel erinnern, nämlich an die Bibel. In der Bibel war immer von dem „Herrn“ die Rede und der „Herr“, der da gemeint war, war ausschließlich Gott. Inzwischen sagt man zu jedem männlichen Wesen „Herr“. Auch das hat sich geändert, auch da sieht man, wie Sprache sich in der Tat den kulturellen Gegebenheiten angepasst hat. Und ich sage noch einmal ganz deutlich: Die übergeordnete Idee von geschlechtergerechter Sprache ist, sich gegenseitig einzuschließen. Das meint: in der Sprache, im Denken, im gesellschaftlichen Leben. Man könnte ja sich einfach wieder vor Augen führen, dass es einmal hieß: Am Anfang war das Wort – oder etwa nicht? Es gibt jedenfalls auch für die Verwaltung viele gute Leitfäden und Handreichungen. Ich will nur drei beispielhaft benennen. Das ist beispielsweise aus Berlin ein Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache in der Verwaltung, einmal ein Leitfaden aus Dresden, der sehr umfangreich auch viele Praxisbeispiele aufzeigt, oder aber auch ein Leitfaden aus Lübeck. Und da geht es eben nicht um Sprachpolizei oder um Manipulation, wie die AfD uns hier vorzugaukeln meint, sondern es geht um die Anerkennung von Lebensrealitäten und die Anerkennung von allen Menschen, die eben nicht nur „mit gemeint“ sein wollen. Denn „mit gemeint“ ist noch lange nicht sichtbar gemacht. Und auch wenn Herr Worm das vielleicht spannend fände, sich dazu im Ausschuss auseinanderzusetzen, wir alle wissen, dass es der AfD eben mitnichten um die Sache oder um eine sachliche Auseinandersetzung geht, und deswegen werden wir dieses Ansinnen genauso wie den Gesetzentwurf an sich ablehnen. Vielen herzlichen Dank.
Gibt es weitere Wortmeldungen? Das kann ich jetzt nicht erkennen. Dann hat Frau Ministerin Werner das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zunächst möchte ich den Titel des Gesetzentwurfs der AfD, den explizit erhobenen Vorwurf – und Frau Rothe-Beinlich ging
schon darauf ein – entschieden zurückweisen, im Bereich der Thüringer Landesverwaltung wird es zu einer geschlechterpolitischen Sprachmanipulation kommen. Diese Diffamierung von Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung ist eine Unverschämtheit, die so nicht stehen bleiben kann und sollte. Das Gegenteil ist der Fall.
Der zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion der AfD offenbart zudem eine rückwärts gerichtete Denkweise und eine daraus resultierende, rückwärts gerichtete Politik. Er erschöpft sich im Postulieren von Positionen, die gesellschaftlich hinlänglich überwunden sind, und ignoriert wissenschaftlich fundierte und anerkannte Studien. Allerdings verwundert das nicht.
Wir reden heute über das Thüringer Gleichstellungsgesetz, das bereits im Jahr 2013 den rechtlichen Hintergrund zum Abbau geschlechterdiskriminierender Sprache in Handlungsformen der öffentlichen Hand verankerte, nämlich in § 28. In dieser Norm hat der Gesetzgeber festgelegt, dass Behörden und Dienststellen bei Erlass von Rechtsvorschriften, Verwaltungsvorschriften, bei der Gestaltung von Vordrucken, in amtlichen Schreiben und bei Stellenausschreibungen so weit wie möglich geschlechtsneutrale Bezeichnungen zu wählen haben. Diese Regelung im Gesetz soll sicherstellen, dass durch die Thüringer Behörden alle Geschlechter und Identitäten gleichermaßen angesprochen werden. Die Ratio, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung damit verband – das zeigt ja bereits der Standort im Thüringer Gleichstellungsgesetz –, war natürlich vordergründig die Sichtbarmachung von Frauen. Aber spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober letzten Jahres zum dritten Geschlecht dürfte klar sein, dass eine geschlechtergerechte und inkludierende Sprache weitaus mehr ist als ein Instrument zur Gleichberechtigung von Frauen.
Wenn Sprache als ein Schlüsselwerkzeug für die Veränderung bestehender Geschlechternormen und die Aufhebung bestehender Diskriminierungen verstanden wird, dann sind geschlechtergerechte Formulierungen unumgänglich. Das Thema „gendersensible Sprache“ wir im Gesetzentwurf der AfD jedoch ausschließlich polarisierend und abwertend dargestellt. Das begünstigt eine automatische Abwehrhaltung, eine emotional aufgeladene Diskussion und unreflektierte Einwände. Dabei ist die Benutzung gendersensibler Sprache gar nicht so