Ja, zu Recht müssen Sie aufschreien, weil das ein ganz gefährlicher Punkt in Ihrem Gesetzentwurf ist. Möglicherweise sehen wir uns woanders wieder und besprechen die Fragen noch konkreter. Offensichtlich muss man Ihnen oft nachhelfen bei den Fragen, wie Verfassungsrecht in diesem Land anzuwenden ist und wie Gesetze in diesem Land anzuwenden sind.
Aber das Entscheidende ist, und darauf kommt es an, man muss sich mal eine Sekunde vorstellen, Sie würden damit durchdringen. Dann haben wir überall in Thüringen zerstückelte Verwaltungsgemeinschaften, nicht mehr leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaften, das, was Gudrun Holbe sagt, steigende Umlagen für die Verwaltungsgemeinschaften, sinkende freiwillige Leistungskraft und möglicherweise auch dauerhaft nicht mehr erreichbare leistungsfähige Strukturen in den Verwaltungsgemeinschaften. Und dann am Ende des Weges, wenn Sie damit durchkommen würden, wollen Sie genau das erreichen, womit Sie vorher beim Verfassungsgerichtshof gescheitert sind, nämlich das existenzielle Ende der Verwaltungsgemeinschaften festzulegen. Dagegen werden wir uns mit aller Kraft stellen.
Vielen Dank. Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldungen. Zunächst Herr Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Ministerpräsident, Sie gestatten auch, dass Frau Scheerschmidt noch vor Ihnen spricht? Herr Adams, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen hier im Thüringer Landtag, liebe Gäste, wie weit muss man neben der Kappe sein, wenn man hier nach vorn geht, uns sagt, ein Kollege hat eben etwas Subjektives ausgedrückt und ich sage Ihnen mal, wie es objektiv ist?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier in diesem Landtag spricht jeder für sich, für seine Fraktion, und das ist natürlich immer subjektiv, Herr Kollege Mohring,
abzusprechen und den anderen zu diskreditieren, so wie Sie es eben gemacht haben und in infamer Art und Weise eben mit Kollege Kuschel gemacht haben.
Jetzt will ich Ihnen etwas sagen. Subjektiv ist alles, was ich hier auch sagen werde, aber es gibt Sachverhalte, die sind objektivierbar. Ich glaube, darüber sollten wir Einigkeit haben. Objektivierbar ist auch der Wille der rot-rot-grünen Koalition, weil er für alle Menschen, die es wissen möchten, in diesem Buch aufgeschrieben ist. Das ist der Koalitionsvertrag. Sie laufen durch das Land, weil Sie das politisch brauchen, um etwas größer zu scheinen, und sagen, das größte Projekt von Rot-Rot-Grün …
Herr Mohring, es ist landläufig bekannt und mir sehr deutlich aufgefallen, dass Ihnen die Größe Ihrer Fraktion nicht ausreichend ist und Sie größer scheinen möchten. Ich schließe mich den Worten des Herrn Staatskanzleiministers an. Man muss nicht nur Ministerpräsident werden wollen, man müsste es auch können. Das ist mein Ratschlag für Sie.
Nun komme ich zum Koalitionsvertrag zurück. Der Koalitionsvertrag, den Sie für sich ummünzen – subjektiv, das dürfen Sie –, aber ich lade alle ein, einmal objektivierbar nachzulesen, was in diesem Buch steht. Ja, wir wollten eine Gebietsreform, die Thüringen nützt. Wir haben dafür geworben. Es ist mir wichtig, dass Sie auf der Seite 75 lesen können: „Grundsatz dieses Prozesses ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.“
Ja, die CDU wieder auf Klassenfahrt beim Lachen, wie die Pennäler. Wir haben das im Bürgergutachten angeboten.
Wir haben das in Regionalkonferenzen angeboten. Da sind Sie mit Pappe gekommen und haben Papplärm gemacht. Wir haben das auch angeboten, indem wir darauf gehört haben, was die Menschen sagen.
Herr Kellner, was ich verstehe und was Sie verstehen, mag Zweierlei sein, aber ich sage Ihnen, was ich gehört habe. Ich habe gesehen, dass sich ein Verein gegründet hat, der gesagt hat, wir wollen diese Gebietsreform nicht. Ich habe verstanden, gesehen und gehört, dass ein Ministerpräsident nicht oben gestanden hat, sondern gesagt hat: Das ist in Ordnung, ich möchte mit euch reden.
Die Einladung des Ministerpräsidenten, darüber zu sprechen, stand über viele Monate. Er hat gesagt: Es ist alles offen, wir können darüber reden. Wir alle wissen, weil es stattgefunden hat, dass Kollegen der CDU in den Verein gegangen sind und gesagt haben: Das macht ihr aber nicht. Deshalb gab es das Gespräch nicht. Vielleicht gab es das auch nicht, weil einige gesagt haben, wir möchten dieses Gespräch nicht führen. Das ist alles in Ordnung und darf so sein. Man darf es nur nicht anders behaupten, wenn man redlich sein will, Herr Kollege Mohring.
Diese Gespräche sind offen da gewesen. Dann kam eine Klage dazu, die Sie gewonnen haben. Herr Mohring und liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, das Vorschaltgesetz ist an dem formalen Fehler gescheitert, dass ein Protokoll bei der Beschlussfassung nicht vorgelegen hat. Das hat das Gericht entschieden. Diese formelle Nichtzulässigkeit hat das Gericht festgestellt und die materielle Prüfung überhaupt nicht mehr bis zum Ende durchgeführt, sondern nur noch Hinweise gegeben.
Formell – das reicht – ist dieses Gesetz gescheitert. Herr Mohring, wenn Sie redlich sein wollen, hören Sie auf, den Menschen etwas anderes zu erzählen.
Es gibt formelle Verfassungswidrigkeiten und eine materielle Verfassungswidrigkeit. Ich glaube, Sie hatten uns darlegen wollen, dass Sie das auch irgendwie gelernt und verstanden haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz ist formell gescheitert. Es ist formell verfassungswidrig. Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel. Dass es materiell möglicherweise vom Gericht nicht gerügt worden wäre, werden wir sehen, wenn das heute hier schon viel mitdiskutierte Gesetz zur Fortentwicklung der Thüringer Gemeinden im Thüringer Landtag beschlossen ist. Dann werden wir sehen, ob dagegen – das war der wesentliche Kern des Vorschaltgesetzes – jemand Klage erhebt. Dann wird das Gericht entscheiden, dann werden wir das alles sehen. Aber so lange müssen Sie zur Wahrung der Redlichkeit aufhören, den Menschen zu erzählen, dass der Wille zur Gebietsreform verfassungswidrig gewesen wäre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU – das nehme ich den Kollegen ehrlich ab – hat immer der Selbstverwaltung der Gemeinden das hohe Wort geredet. Es war immer die Selbstverwaltung, die unbedingt gewährleistet werden musste. Ich frage Sie: Wie gewährleisten Sie diese kommunale Selbstverwaltung denn, nachdem eine Kommune einmal in eine VG gegangen ist und nie wieder herauskommt, weil die anderen sagen, wir möchten das nicht? Wie manifestiert sich da die kommunale Selbstverwaltung? Das ist eine sehr gute Frage, die wir immer wieder gestellt haben. Deshalb öffnen wir die Tür wieder, um den Gemeinden die Möglichkeit zu geben zu sagen: Nach vielen Jahren sehen wir unsere Entwicklung hier nicht. Was soll daran falsch sein? Was soll da der kommunalen Selbstverwaltung widersprechen? Deshalb ist auch das Beispiel, das Herr Rusch gebracht hat – er hat ja selbst tief in sich hineingeschmunzelt, als wir ihn darauf angesprochen haben –: „Weil eine Kommune sagt, dort darfst du demnächst 50 fahren, fahre ich heute schon mal 50“, vollkommen falsch.
Das Beispiel wäre richtig, wenn er sagen würde: Die wollen heute das Schild, dass ich da 50 fahren kann, um 10.00 Uhr aufstellen, ich fahre schon mal hin, damit ich als Erster mit 50 dort langfahren
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU spricht den Kommunen Selbstverwaltung nur insofern zu, wie es Ihnen in ihr parteipolitisches Kalkül passt. Da machen wir nicht mit. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Als Nächste hat Abgeordnete Scheerschmidt für die SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, man muss sich mal entscheiden, was man will. Jetzt will die CDU die Verwaltungsgemeinschaften auf Biegen und Brechen schützen. Wir waren es doch nicht, die die Mindestgrößen für die Verwaltungsgemeinschaften aus dem Gesetz genommen haben. Ich glaube, es waren die Kollegen der CDU.
Ich habe diesen Satz hier im Dezember schon mal formuliert. Dieser Satz „Die Verwaltungsgemeinschaften sollen nicht mehr weiterentwickelt werden.“ stammt auch aus dem Jahr 2011 und nicht von Rot-Rot-Grün. Kollege Adams hat es schon gesagt: Selbstverwaltung nur wie es der CDU in den Kram passt, nur für die Gemeinden, die sich nicht weiterentwickeln wollen, die sich nicht umorientieren. Für die Gemeinden, die sagen, wir wollen einen anderen Weg beschreiten, gilt dieses Recht der Selbstverwaltung nicht.
Da kommt der Zwischenruf, man soll den Willen der Menschen achten. Der Wille der Kommunen, die sich freiwillig auf den Weg machen, ist wohl nicht zu achten, nur der Wille der anderen Kommunen ist zu achten? Demokratie gilt nur so, wie es in den Kram passt, nämlich für die, die sich einfach nicht auf den Weg machen wollen. Aber ich muss mich doch mal entscheiden! Zwangsfusionen wollen Sie nicht, aber auf der anderen Seite Zwangsverwaltung in den Verwaltungsgemeinschaften. Ich habe es vorhin gesagt, was damals gut war – wir sind jetzt fast drei Jahrzehnte weiter, man muss umdenken.
Wir haben hier mehrfach die Rahmenbedingungen erläutert, die Bevölkerungsentwicklung. Man kann sich doch vor dem nicht verstellen. Die Kommunen, die nicht möchten, sollen in ihren Strukturen bleiben. Aber was Sie fordern, dass alle zwanghaft in den jetzigen Strukturen gehalten werden, geht einfach nicht. Frau Holbe, Rosinen picken will keiner. Nein, das will keiner. Es gibt ein Leitbild und es gibt die Leitlinien. Deswegen sind einige Fusionen nicht genehmigt, weil es keine Rosinenpickerei und keine Abwehrfusionen und keinen Wildwuchs oder Abenteuerlichkeit gibt, wie Sie das ständig schildern. Nein, es wird sehr wohl abgewogen im gemeindlichen Interesse. Dazu brauchen wir keine Änderung der ThürKO. Das steht jetzt schon im Gesetz, in § 46. Ich schätze Sie als Kommunalpolitikerin, aber hören Sie auf, durch die Lande zu marschieren und die kleinen Gemeindeparlamente zu verunsichern! Hören Sie auf mit Ihrer Taktik, Herr Mohring,