Protokoll der Sitzung vom 23.02.2018

Danke schön. Jetzt kommen wir zur AfD-Fraktion. Wünscht die Fraktion die Begründung ihres Antrags? Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Begründung zu den Anträgen aus dem Tagesordnungspunkt 16. Wünscht die CDU-Fraktion da noch mal das Wort zur Begründung? Nein. Und die AfD? Das sehe ich auch nicht, sodass wir nun zum Sofortbericht der Landesregierung zu Nummer II.1 des Antrags der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/5314 kommen. Frau Ministerin Werner, Sie haben das Wort.

(Abg. Thamm)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zunächst bin ich den Fraktionen von Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen sehr dankbar für die Vorlage des Antrags. Insbesondere in der Neufassung beschäftigt sich dieser doch mit den immer noch nicht abgeschlossenen Angleichungen der Lebensverhältnisse im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Thema ist auch mir ein ganz besonderes Anliegen. Insofern bedarf es jetzt nicht der Aufforderung an die Landesregierung, dass sie aktiv werden soll. Wir sind an vielen Stellen schon aktiv und ich werde im Weiteren darauf eingehen.

Bevor ich aber auf die Einzelheiten eingehe, einige grundsätzliche Gedanken zur gesetzlichen Rentenversicherung: Deren Einnahmen generieren sich in erster Linie über Beiträge aus Erwerbseinkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dieses Prinzip gilt, seitdem die gesetzliche Rentenversicherung 1889 mit dem Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung ins Leben gerufen wurde. Hinzu kam jedoch schon damals ein steuerfinanzierter Zuschuss des Staates. Das zeigt, dass die Sicherung im Alter von Beginn an auch als staatliche Aufgabe gesehen wurde.

Heute steht die in erster Linie beitragsfinanzierte gesetzliche Rentenversicherung vor besonderen Herausforderungen. Bedingt vor allem durch die demografische Entwicklung müssen immer weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für immer mehr Rentnerinnen und Rentner aufkommen. Der Fortgang und die Richtung dieser Entwicklung sind abzusehen. Die Konsequenzen aber, die bislang aus dieser Situation gezogen wurden, halte ich für unverantwortlich – Frau Stange hat dazu schon einiges eindrücklich beschrieben.

Zwar blieb der Beitragssatz in den letzten 30 Jahren nahezu konstant, das Rentenniveau sank jedoch bei gleichzeitig ansteigender Altersgrenze stetig auf heute nur noch 47,9 Prozent, trotz immer höherer steuerlicher Zuschüsse. So kommt auch der Rentenversicherungsbericht 2017 mit Verweis auf zusätzliche Maßnahmen zum Aufbau einer Alterssicherung zu folgender wohl umschreibender, aber doch umso alarmierender Aussage: „Der Rückgang des Sicherungsniveaus vor Steuern macht deutlich, dass die gesetzliche Rente zukünftig alleine nicht ausreichen wird, um den Lebensstandard des Erwerbslebens im Alter fortzuführen.“ Das heißt, die heute von vielen favorisierte Ausgestaltung des Drei-Säulen-Modells der Alterssicherung – also gesetzliche Rente, Betriebsrente, private Altersvorsorge – ist derzeit keine tragfähige Alternative zu einer den Lebensstandard sichernden gesetzlichen Rente. Diese muss weiterhin zentrale Säule einer Altersversorgung bleiben bzw. wieder werden. Und

das ist gerade in den neuen Ländern besonders wichtig, da hier die gesetzliche Rente einen Anteil von 90 Prozent aller Einkommenskomponenten an der Altersversorgung hat.

Während die Betriebsrente durchaus noch ausbaufähig ist, halte ich die private Altersvorsorge durch die Riester-Rente für gescheitert. Der große Nachteil der Betriebsrente ist, dass der Fokus stark auf tariflichen Regelungen liegt. Dabei ist es allgemein bekannt, dass die Tarifbindung seit Jahren rückläufig ist. Zudem wird bei der künftigen Rente kein fester Betrag mehr zugesichert, sondern nur noch als Ziel genannt. Das Ertragsrisiko liegt somit allein aufseiten der Beschäftigten. Hier sehe ich eine deutliche Gerechtigkeitslücke.

Auch die Riester-Rente in ihrer heutigen Form ist keine sinnvolle Ergänzung für eine Altersvorsorge. Sie hat sich nicht als Baustein der Altersversicherung bewähren können,

(Beifall DIE LINKE)

schon gar nicht für die ursprüngliche Zielgruppe, nämlich die Menschen mit geringem Einkommen. Niemand weiß, wie hoch die Kosten des eigenen Vertrags sind und wie hoch am Ende die Rendite sein wird. Es gibt lediglich die Garantie, dass mindestens die geleisteten Beiträge plus der staatlichen Förderung ausgezahlt werden müssen. Außerdem sind zu viele Stellen beteiligt – Arbeitgeber, Finanzamt, Rentenversicherung, Krankenkasse, Vertragsanbieter. Hinzu kommt, dass gerade Menschen mit geringem Einkommen, die später nur eine niedrige Rente zu erwarten haben, gar nicht in der Lage sind, hierfür zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit den vorliegenden Anträgen der Koalitionsfraktionen wird die Landesregierung gebeten, zu verschiedenen Punkten auf der Bundesebene aktiv zu werden. Hintergrund ist die Tatsache, dass es 25 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch kein einheitliches Rentenrecht gibt. Durch das Rentenüberleitungsgesetz sind Menschen in Ostdeutschland immer noch benachteiligt und die Gefahr einer Altersarmut ist in den neuen Ländern besonders ausgeprägt.

Lassen Sie mich auf die einzelnen Punkt eingehen, zunächst auf die seit Langem notwendige Angleichung der Renten in Ost und West. Mit dem Rentenüberleitungsabschlussgesetz gilt ab dem 1. Juli 2024 ein in ganz Deutschland einheitlicher aktueller Rentenwert. Die Angleichung erfolgt ab 1. Juli 2018 in sieben Schritten. Die Bezugsgröße und die Beitragsbemessungsgrenze werden zeitgleich entsprechend angehoben. Es ist für mich unverständlich, warum die Menschen in den neuen Ländern weitere fast sieben Jahre warten müssen, um gleiche Lebensverhältnisse in Bezug auf ihre Rente zu erhalten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Deutsche Einheit wäre dann fast 34 Jahre her, bevor das Rentenrecht diesen Prozess auch abgeschlossen hat. Die Senkung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung zum 1. Januar 2018 zeigt jedoch, dass Mittel für eine raschere Angleichung zur Verfügung gestanden hätten. Mit der Angleichung der Rentenwerte fällt auch die Hochwertung der Entgelte Ost stufenweise weg. Das Durchschnittsentgelt in den neuen Ländern hat aber erst 89,3 Prozent des Werts der alten Länder erreicht. So bestehen immer noch markante Unterschiede, die derzeit durch den Hochwertungsfaktor ausgeglichen werden. Es ist nicht zu erwarten, dass die Durchschnittsentgelte bis zum 1. Juli 2024 de facto angeglichen sind. Deshalb hatte Thüringen bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz einen entsprechenden Entschließungsantrag zur Abstimmung gestellt.

Sehr geehrte Damen und Herren, Benachteiligung bezogen auf die Rente für Menschen in Ostdeutschland findet sich noch deutlicher bei den Überführungslücken in der Rentenüberleitung. Bei der Überführung des DDR-Rentensystems – also auch seiner Zusatz- und Sonderversorgungssysteme – in bundesdeutsches Recht entwickelte sich das Problem, dass verschiedene Personen und Berufsgruppen benachteiligt wurden. Das Anliegen wurde bereits sowohl durch die Abgeordneten des Deutschen Bundestags als auch auf Fachministerebene diskutiert. So prüften beispielsweise bereits 2012 die Sozialministerien der neuen Länder nochmals die Möglichkeit, eine Bundesratsinitiative zur Einbeziehung von Diplomchemikern und Diplomphysikern in die Altersvorsorge der technischen Intelligenz. Es muss jedoch festgestellt werden, dass eine Bundesratsinitiative nicht erfolgreich sein würde, da die Bundesregierung bereits mehrfach eine Nachbesserung bei der Überführung der Sonderund Zusatzversorgungssysteme ablehnte. Die Bundesregierung versprach jedoch, im Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz die bestehenden gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf Härtefälle zu überprüfen. Dies ist unterblieben. Es ist also richtig und notwendig, dies erneut zu thematisieren, darauf werde ich noch einmal zurückkommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 wurden die Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung für ab 1992 geborene Kinder von einem auf drei Jahre verlängert. Die Kindererziehungszeit für die vor 1992 geborenen Kinder wurde durch das Rentenversicherungsleistungsverbesserungsgesetz ab Juli 2014 von einem auf zwei Jahre verlängert. Bei einem Rentenbeginn vor dem 1. Juli 2014 wird die Rente für jedes vor 1992 geborene Kind pauschal um einen zusätzlichen Entgeltpunkt erhöht.

Nach der letzten Rentenerhöhung am 1. Juli 2017 betragen diese Werte derzeit 31,00 Euro West und 29,69 Euro Ost. Mit der Angleichung der Renten in Ost und West werden sich diese Werte nivellieren. Jedoch ist es nicht nachzuvollziehen, warum diese Unterscheidung durch den Gesetzgeber überhaupt gemacht wurde. Weiterhin ist nicht zu erklären, dass die Anrechnung der Kindererziehungszeit für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, nicht um zwei Entgeltpunkte erhöht wurde. Hier sehe ich auch Verbesserungsbedarf, der zulasten des Bundes aus Steuermitteln zu finanzieren ist.

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sprechen auch das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets an. Dies gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen erworben worden sind. Das Gesetz regelt die Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR und deren Überführung in die allgemeine gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland. Die Aufwendungen, die der Rentenversicherung dadurch entstehen, werden vom Bund getragen und zu 60 Prozent durch die Länder diesem erstattet. Diese Quote muss in Zukunft entfallen. Damit würde der Bund seiner Verantwortung für eine nachhaltige Finanzierung der Renten nachkommen, eine Belastung für die Landeshaushalte würde wegfallen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wie bereits am Anfang ausgeführt, beträgt das heutige Rentenniveau nur 47,9 Prozent, Tendenz sinkend. Die Prognose für das Jahr 2031 beträgt 44,6 Prozent. Gleichzeitig wird prognostiziert, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung im gleichen Zeitraum auf 21,9 Prozent steigen wird. Das ist in keiner Weise hinnehmbar, da damit Altersarmut für große Teile der Bevölkerung quasi vorprogrammiert ist. Um das Sicherungsniveau zu stabilisieren oder besser noch anzuheben, sind also dringend zusätzliche Einnahmen der Rentenkassen geboten. Dies könnte auf der einen Seite durch höhere Beitragseinnahmen geschehen, beispielsweise indem der Kreis der Versicherten für die Rentenversicherung erweitert wird und somit auch weitere, nicht selten sogar leistungsstarke Personen in diese einzahlen.

Weiterhin sollte überlegt werden, ob die derzeit geltende Beitragsbemessungsgrenze noch zeitgemäß ist. Diese liegt 2018 bei 6.500 Euro in den alten und 5.800 Euro in den neuen Ländern. Es ist nicht einzusehen, warum hier höhere Einkommen nicht stärker belastet werden dürfen.

(Beifall DIE LINKE)

(Ministerin Werner)

Es lohnt sich hier auch mal ein Blick über die Grenzen. In Österreich beispielsweise ist der Beitragssatz zur gesetzlichen Rente um 22,8 Prozent höher als in Deutschland. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen aber nur 10,25 Prozent, 12,55 Prozent sind dagegen arbeitgeberseitig beizusteuern. Ich kann nicht erkennen, dass die Wirtschaft in Österreich dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat.

Aber es gibt natürlich noch weitere Ansatzpunkte. Zum Beispiel muss die Höhe des Steuerzuschusses zur Rentenversicherung zur Disposition gestellt werden. Allerdings ist dabei auch zu beachten, dass höhere Steuerzuschüsse auch refinanziert werden müssen. Dabei bietet es sich aus meiner Sicht an, Unternehmensgewinne mit einer zusätzlichen Abgabe an dieser solidarischen Aufgabe mit zu beteiligen. Als Beispiel möchte ich Folgendes anführen: Nach den Zahlen des Statistischen Jahrbuchs 2017 des Statistischen Bundesamts betrugen allein die Unternehmensgewinne und Primäreinkommen der Kapitalgesellschaften im Jahr 2016 547,9 Milliarden Euro. Wenn diese mit einem Solidarbeitrag von nur 3 Prozent belegt würden, wären das Mehreinnahmen für die gesetzliche Rentenversicherung von fast 16,5 Milliarden Euro. Aber auch andere Möglichkeiten müssen in Betracht gezogen werden – Stichworte wären hier: höhere Besteuerung von Erbschaften, eine sogenannte Reichensteuer und Ähnliches.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich auf die Regelaltersgrenze näher eingehen. Die Regelaltersgrenze wird seit dem Jahr 2012 beginnend mit dem Jahrgang 1947 bis zum Jahr 2029 stufenweise auf 67 Jahre angehoben. Die Stufen der Anhebung betragen zunächst einen Monat pro Jahrgang und anschließend ab dem Jahr 1959 zwei Monate pro Jahrgang. In dieser Übergangsphase ist die Regelaltersgrenze also abhängig vom Geburtsjahr. Personen, die nach dem 31.12.1963 geboren sind, erreichen die Regelaltersgrenze erst mit 67 Jahren.

Was heißt das aber in der Realität für die Beschäftigten heute? Im vergangenen Jahr gingen abhängig Beschäftigte im Schnitt mit 64,1 Jahren in Rente, denn in vielen, vor allem in körperlich anstrengenden Berufen, ist eine Berufstätigkeit bis 67 einfach nicht mehr möglich. Ich empfehle hier noch mal, sich den DGB-Index Gute Arbeit anzuschauen, welche Ängste Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Thüringen heute haben, überhaupt das Rentenalter gesund erreichen zu können. Somit kommt also die Erhöhung der Regelaltersgrenze quasi einer Rentenkürzung gleich, weil sich die Betroffenen auch unter Inkaufnahme von Abschlägen gezwungen sehen, aus dem Berufsleben auszuscheiden. Deshalb ist es richtig, darauf hinzuwirken, dass die Regelaltersgrenze wieder auf 65 Jahre abgesenkt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Ein weiteres wichtiges Ziel wird es sein, Altersarmut aktiv entgegenzuwirken. Hierzu bietet sich eine steuerfinanzierte Mindestrente, die über dem Niveau der Grundsicherung liegt, als Lösung an. Diese sollte dann auch wirklich von der Rentenversicherung ausgezahlt werden, um den entwürdigenden Gang zum Sozialamt im Alter zu ersparen. Über die Details hierzu wäre sicherlich noch zu reden, aber dies ist ein Ziel, an dem wir uns orientieren und für das wir auch kämpfen sollten.

Sehr geehrte Damen und Herren, auf die in der DDR geschiedenen Frauen bin ich bisher noch nicht eingegangen. Wir behandeln in diesem Tagesordnungspunkt mehrere Anträge und Alternativanträge gemeinsam, weil sie auch zusammengehören, Herr Thamm. Unter Nummer II.1 des Antrags der CDU-Fraktion wird die Landesregierung zu einem Bericht über die aktuelle Situation der in der DDR geschiedenen Frauen in Thüringen aufgefordert. Dieser Bitte komme ich gern nach. Ich möchte aber zunächst meiner Verwunderung Ausdruck verleihen, dass die CDU plötzlich einen solchen Antrag stellt. Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bund hätten seit Jahren die Möglichkeit gehabt, dazu eine befriedigende Lösung zu finden.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Das ist aber nicht geschehen. Im Gegensatz hierzu ist sich die Thüringer Landesregierung nicht nur seit Jahren darüber im Klaren, dass eine gerechte Altersabsicherung für die nach DDR-Recht geschiedenen Frauen ein besonderes Problem darstellt, sie ist dazu auch aktiv geworden. Denn in der DDR geschiedene Frauen, die nach derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen keine Witwenrente erhalten können und für die auch kein Versorgungsausgleich vorgesehen ist, sind in einer besonders prekären Situation.

Thüringen hat sich gemeinsam mit anderen ostdeutschen Ländern bereits seit Jahren für eine Lösung eingesetzt. Vor diesem Hintergrund hatte der Bundesrat auf Antrag von Thüringen bereits am 24. September 2010 eine Entschließung zur Verbesserung der rentenrechtlichen Situation der im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 Geschiedenen verabschiedet. Darin wurde die Bundesregierung nachdrücklich gebeten, eine befriedigende Lösung zu schaffen. Der Bund stand diesem Vorschlag bisher leider ablehnend gegenüber. Die Bundesregierung hat bisher keinerlei Interesse gezeigt, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Im Gegenteil: Aus Sicht der Bundesregierung sei bei allen Prüfungen deutlich geworden, dass eine rentenrechtliche Regelung zugunsten der bis 1991 in den ostdeutschen Ländern Geschiedenen nicht in Betracht kommt. Es sei keine finanzielle verwal

(Ministerin Werner)

tungsmäßig und insbesondere verfassungsmäßig verantwortbare Lösung ersichtlich.

Mit Schreiben vom 12. August 2011 hatte die damalige Sozialministerin, Frau Kollegin Taubert, die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau von der Leyen, erneut auf diese ungelöste Frage aufmerksam gemacht und die rasche Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe gefordert. In ihrer Antwort vom 15. September 2011 wies Frau von der Leyen darauf hin, dass sich in den Jahren 2001 bis 2003 eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales umfassend mit dem Thema befasst habe. Im Ergebnis seien alle Überlegungen, insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen, gescheitert. Eine erneut von den Ländern gewünschte Erörterung der Problematik durch Bildung einer neuen Arbeitsgruppe wecke Hoffnungen, die nicht zu erfüllen sind. Herr Thamm, deswegen sind Ihre Krokodilstränen hier gerade nicht überzeugend gewesen.

Der von der Bundesregierung am 31. Januar 2014 eingebrachte Gesetzentwurf eines Rentenversicherungsleistungsverbesserungsgesetzes wurde von der Thüringer Landesregierung wiederholt zum Anlass genommen, sich erneut für die Verbesserung der Situation für nach DDR-Recht Geschiedene einzusetzen. Die Thüringer Landesregierung war schon damals der Auffassung, dass für den in Rede stehenden Personenkreis eine Sonderlösung gefunden werden muss. Daher hat am 14. März 2014 im Rahmen der Anhörung des Gesetzes im Bundesratsplenum die damalige Sozialministerin, Frau Kollegin Taubert, erneut auf die Problemlage hingewiesen und die Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene angeboten. Eine gute Möglichkeit zur Lösung des Anliegens in jüngerer Vergangenheit wäre sicherlich auch das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz gewesen. Leider ist es auch hier unterblieben, eine entsprechende Regelung zu treffen.

Im Bundestag gab es einen Vorstoß von verschiedenen Abgeordneten und der Fraktion Die Linke im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Die Fraktion Die Linke forderte die Bundesregierung auf, umgehend einen Vorschlag für ein Entschädigungssystem zur Ergänzung der Renten von in der DDR geschiedenen Frauen vorzulegen. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Ich bedaure, dass durch diese Verzögerungsstrategie immer mehr Betroffene versterben und nicht mehr von einer möglichen Lösung profitieren werden.

Jüngstes Beispiel des Engagements Thüringens ist die Rede des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow anlässlich der Sitzung des Bundesrats am 2. Febru

ar 2018. Dort hat er sich nochmals nachdrücklich für die Schaffung eines Fonds ausgesprochen, um Härten aus dem Rentenanpassungsprozess nach der Wende auszugleichen.

Nunmehr sieht der Entwurf des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD vor, ich zitiere: „Für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess wollen wir einen Ausgleich durch eine Fondslösung schaffen.“ Davon abgesehen, dass hier wirklich Tempo vonnöten wäre, bedeutet dies nach meiner Lesart, dass nur die Frauen von dieser Lösung profitieren sollen, die ein Einkommen unterhalb des Grundsicherungsniveaus haben. Das reicht aber nicht aus, denn die Überführungslücken würden nicht vollständig ausgeglichen.

Ich will noch einmal betonen, dass hier wirklich Tempo vonnöten ist. Ich habe erst kürzlich an einem Treffen mit der Gruppe der in der DDR geschiedenen Frauen aus Thüringen teilgenommen. Es zeigt sich eine große Enttäuschung vor allem, wenn es um die Angleichung der Lebensverhältnisse Ost-West geht, und diese Enttäuschung wird weitergegeben an die Kinder, an die Enkel. Wir haben hier eine hohe Verantwortung, dem endlich etwas entgegenzusetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wird sich Thüringen im Bundesratsverfahren weiterhin für eine Lösung einsetzen, bei der alle nach DDR-Recht geschiedenen Frauen entschädigt werden. Insbesondere den im Antrag der Koalitionsfraktionen geforderten Ausgleichsfonds aus Steuermitteln mit einem Volumen von mindestens 500 Millionen Euro jährlich halte ich hier für zielführend.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Positiv ist auch hervorzuheben, dass er auf alle Menschen in Ostdeutschland abhebt, die durch die Rentenüberleitung der Nachwendezeit Nachteile erlitten haben.

Lassen Sie mich bitte zusammenfassen: Der Antrag der Koalitionsfraktionen geht umfassend auf die notwendige Angleichung der Lebensverhältnisse im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ein. Ich empfehle dem Hohen Haus, diesem Antrag zuzustimmen. Der Alternativantrag der CDU-Fraktion in Drucksache 6/4871 greift zu kurz und fällt hinter den Antrag der Koalitionsfraktionen zurück. Er sollte deswegen ebenso wie die Alternativanträge der AfD abgelehnt werden. Die Forderungen der CDU in ihrem Antrag in Drucksache 6/5314 sind durch den Antrag der Koalitionsfraktionen bereits realisiert. Der CDU-Antrag ist deshalb an dieser Stelle unnötig, ebenso natürlich die Alternativanträge der AfD. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Ministerin Werner)