Protokoll der Sitzung vom 23.02.2018

(Ministerin Werner)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Ich frage, wer die Aussprache zum Sofortbericht wünscht. Das sind die CDU-Fraktion, Die Linke, die AfD, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Damit eröffne ich die Aussprache zum Sofortbericht zu Nummer II.1 des Antrags und zeitgleich die gemeinsame Aussprache zu den Nummern I und II.2 des Antrags in Drucksache 6/ 5314, zum Alternativantrag in Drucksache 6/5337 sowie zum Antrag in Drucksache 6/4820 und den Alternativanträgen in den Drucksachen 6/4871 und 6/5319. Als Erste hat Abgeordnete Holzapfel für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, danke für diesen allumfassenden Bericht, er kam quasi einer Regierungserklärung in Bezug auf Rente sehr nahe.

Die Rente muss für alle Generationen gerecht und zuverlässig sein. Dazu gehören die Anerkennung der Lebensleistung und ein wirksamer Schutz vor Altersarmut. Als Otto von Bismarck am 1. Januar 1891 die gesetzliche Rentenversicherung einführte, ahnte er sicher nicht, dass er damit die Basis für eine besondere Erfolgsgeschichte schuf. Die gesetzliche Rentenversicherung ist in unserem Land der Garant für die soziale Sicherung schlechthin. Die Rentenversicherung ist im Laufe ihrer Geschichte durch entsprechende Reformen immer wieder an politische, ökonomische und demografische Veränderungen angepasst worden. Eine der größten Herausforderungen für dieses staatliche Rentensystem war zweifellos die Wiedervereinigung Deutschlands. Das unter Konrad Adenauer eingeführte Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung zeigte hier seine außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit. Die Ansprüche aus dem Alterssicherungssystem der DDR mussten quasi über Nacht in die bundesdeutsche Rentenversicherung überführt werden. Wer sich an diese Zeit noch erinnern kann, weiß, dass dies ein Kraftakt ganz besonderer Art war, denn für die Bundesbürger war eines sicher: die Rente, personifiziert durch den christdemokratischen Arbeitsminister Norbert Blüm.

Ein Paradigmenwechsel wurde dann durch die Regierung Schröder mit seinem Arbeitsminister Walter Riester Anfang der 2000er-Jahre beschlossen. Die zuvor geltende Vorgabe, wonach allein die gesetzliche Rente den Lebensstandard im Alter sichern sollte, wurde durch ein Drei-Säulen-Modell ersetzt. Den Lebensstandard im Alter sollten ab sofort auch private und betriebliche Altersversorgungen ergänzen. Frau Ministerin, so weit sind wir gar nicht auseinander bei der Beurteilung der Säulen. Auch in

anderen Dingen könnten wir sicher gegenseitig ein Papier unterschreiben. Aber es gibt auch ideologische Hemmnisse, die dazwischenliegen, keine Frage.

Mit der Bitte um Verständnis für den kurzen historischen Rückblick betrachte ich nunmehr den vorliegenden Antrag der Thüringer Koalition. Kein Zweifel, die Feststellung, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West nach mehr als 25 Jahren längst überfällig ist, kann die CDU-Fraktion nur bestätigen.

(Beifall CDU)

Dies gilt auch für die Situationsbeschreibung Ihres Antrags zu Punkt I.2.a) und b) in Bezug auf die Angleichung und die Erwerbsbiografien. Nun können alle wieder loslegen und sagen: Ja, ihr habt regiert und ihr könntet ja und ihr hättet ja. Für das Gehabte gibt keiner was. Wir müssen nach vorn gucken und wir müssen es jetzt tun. Die Gelegenheit – das sage ich jetzt von hier aus – ist günstig. Sie gilt aber nicht für den Abschnitt II und insbesondere nicht für den Auftrag an die Landesregierung. Der Faktencheck ist eindeutig.

Ab 2025 – sicher hat man sich dabei was gedacht – wird die Rente in ganz Deutschland einheitlich berechnet. Der Rentenwert Ost wird dem im Westen geltenden Rentenwert schrittweise angeglichen. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 1. Juni 2017 beschlossen und der Bundesrat hat es am 7. Juli 2017 gebilligt. Im parlamentarischen Verfahren wurde noch eine Klarstellung bei der Rentenberechnung aufgenommen. Sollten die Durchschnittslöhne in den neuen Ländern schneller steigen, sodass die Rentenwerte Ost ebenfalls schneller steigen als in den sieben Schritten vorgesehen, wird die Rente nach dem bisher üblichen Modus angepasst. Oder anders gesagt: Ergibt die Berechnung nach der Rentenformel für die neuen Länder einen höheren Wert, als in den sieben Schritten vorgesehen, wird eine Rente nach dem höheren Wert bezahlt. Ab dem 1. Januar 2019 wird schrittweise auch die Bewertung der Arbeitsentgelte angepasst. Insoweit werden auch mögliche Überführungslücken in der Rentenüberleitung bei bestimmten Personen und Berufsgruppen geschlossen, sodass zum 1. Januar 2025 die Hochwertung ganz entfällt. Natürlich ist das eine riesige Zeitspanne. Da die Rentenversicherung die zusätzlichen Kosten der Angleichung selbst übernimmt und ab 2022 der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt erheblich aufgestockt wird, ist eine solide Finanzierung der Rentenangleichung gesichert.

Noch nicht Gesetzeskraft, aber mit einem klaren Bekenntnis hat sich der Bund zur Erhöhung des Anteils bei den Erstattungen an die Rentenversicherung für die Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR bekannt. Damit werden die ostdeutschen Länder

(Ministerin Werner)

entlastet. Auch dieses Begehren ist Ihrem Antrag zu entnehmen. Aber auch zur Beseitigung der Ungleichheiten bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, sowie die Einführung einer sogenannten Mütterrente II als einen wichtigen Baustein zur Bekämpfung von Altersarmut haben sich die Verantwortlichen auf Bundesebene erklärt. Es macht deshalb auch wenig Sinn, die eigene Landesregierung zu beauftragen, auf Bundesebene aktiv zu werden, um Dinge in die Wege zu leiten, die bereits schon Gesetzeskraft erlangt haben oder zu denen schon ein klares Bekenntnis vorliegt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gibt es denn den Fonds?)

Es steht für die CDU-Fraktion, meine Damen und Herren, außer Frage, dass eine zukunftssichere Altersversorgung eine breite politische Basis braucht. Die Rente muss auch für die nächsten Generationen gerecht, berechenbar und zuverlässig sein.

(Beifall CDU)

Deshalb haben wir mit der Drucksache 6/4871 einen Alternativantrag vorgelegt. Wenn wir wollen, dass die Empfänger die Rente als Lohn für ihre Lebensleistung betrachten, dann müssen wir dafür sorgen, dass diese Rente sicher über dem Grundsicherungsniveau liegt.

(Beifall CDU)

Wenn wir wollen, dass sich die Menschen neben der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig mit einer privaten und betrieblichen Altersvorsorge absichern, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass alle Säulen der Altersvorsorge gestärkt werden.

(Beifall CDU)

Dabei müssen wir die Erwerbsminderungsrente, die Grundsicherung und die Betriebsrenten ebenfalls in den Fokus nehmen. Wer nicht mehr fähig ist zu arbeiten, kann die Erwerbsminderungsrente beantragen. Die Höhe der Erwerbsminderungsrente berechnet sich individuell aus den bis zum Eintritt der Erwerbsminderung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten. In den zurückliegenden drei Jahren lag der Betrag bei voller Erwerbsminderung zwischen 704 und 792 Euro im Monat. Auch hier steigen seit dem 01.01.2018 die Auszahlungen und werden schrittweise bis 2024 um durchschnittlich bis zu 7 Prozent erhöht. Allerdings wird die Zurechnungszeit nur bis auf das 65. Lebensjahr gewährt, obwohl das gesetzliche Eintrittsalter bereits auf 67 Jahre fixiert wurde. Hier ist der Handlungsbedarf offensichtlich.

Wohl wissend, meine Damen und Herren, dass die Grundsicherung eine steuerfinanzierte Sozialleistung ist, die nicht dem Rentensystem zugeordnet werden kann, müssen wir auch auf diese Leistung unser Augenmerk richten, wenn wir Altersarmut

überzeugend entgegentreten wollen. Auch wenn bei der Grundsicherung ab dem 01.01.2018 eine Anpassung erfolgte, besteht hier weiter Nachbesserungsbedarf. Der Regelbedarf liegt bei 416 Euro, das Schonvermögen bei 5.000 Euro. Ab dem 01.01.2018 bleiben monatlich 100 Euro anrechnungsfrei. Dass bei der Berechnung von Einkommen in der Grundsicherung bei der Bedürftigkeitsprüfung die Kindererziehungszeiten im Alter angerechnet werden, bedarf ebenso einer Korrektur wie eine stärkere Berücksichtigung der familiären Pflegearbeit im Rentenbezug.

Aber auch das neue Betriebsrentengesetz, das am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, bleibt nicht ohne Kritik. Insbesondere für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in Thüringen müssen Hemmnisse im Verwaltungsablauf abgebaut werden. Derzeit stellen ungünstige steuerrechtliche sowie auch sozialversicherungsrechtliche Regelungen und die fehlende Transparenz die Haupthindernisse für eine breite Akzeptanz dar. Aufklärung und eine die Säulen übergreifende einheitliche Renteninformation aller erworbener Anwartschaften könnte auch eine zusätzliche Stärkung der Betriebsrente sein. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, im Bund aktiv zu werden und dort für eine bessere Anerkennung der Lebensleistungen sowie eine nachhaltige Weiterentwicklung der Altersvorsorge zu werben.

Es ist richtig, wir sprechen heute für Thüringen, und das ist auch so gewollt. Jedoch sind wir nicht der Nabel der Bundesrepublik, wenn wir auch in der Mitte liegen. Es ist wichtig, für alle Rentnerinnen und Rentner der Bundesrepublik zu sprechen. Dabei ist das, was der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, wenn er auch hier nicht so sehr im Fokus steht, in puncto Altersvorsorge aufzeigt, für ganz Deutschland wichtig.

(Beifall CDU)

Ich habe es gehört und sicher viele von Ihnen auch – das spreche ich jetzt mal so, wie ich auf der Straße angesprochen werde –: Die da oben kümmern sich ja doch nicht so richtig um uns oder sie wissen doch nicht alles. Aber ich habe von denen da oben gehört: Wir haben verstanden. Darauf baue ich und darauf hoffe ich, dass mit dem Koalitionsvertrag auch die Geschichte der Rente nicht zu den Akten gelegt wird, aber dass die Geschichte der Rente jetzt auf den richtigen Tischen liegt. Ich bedanke mich vielmals.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Als Nächste hat Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktion das Wort.

(Abg. Holzapfel)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, niemand hier im Haus bestreitet, dass es sich um ein drängendes Thema handelt, und das wissen wir auch deswegen, weil die Ostbeauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke in der vergangenen Legislatur massiv dafür geworben hat, Veränderungen in der Rente vorzunehmen, massiv dafür geworben hat, dass es die Ostangleichung der Renten gibt, und hiermit natürlich auch einen wichtigen Beitrag geleistet hat, das Thema auch auf die politische Agenda zu setzen.

Auch in Thüringen wissen wir das spätestens seit dem ersten Seniorenbericht, den die damalige Sozialministerin Heike Taubert im Juli 2014 vorgelegt hat. Der weist nämlich schon darauf hin, dass das Rentenniveau für die kommenden Generationen der Rentnerinnen und Rentner prägender sein wird als für die gegenwärtige. Der Seniorenbericht macht damit noch mal deutlich, dass uns Altersarmut in Zukunft noch stärker beschäftigen wird, und er formuliert einen klaren Handlungsauftrag für die Politik. Diesem Auftrag sind wir als Koalitionsfraktionen mit dem vorgelegten Antrag nachgekommen.

Die Ergebnisse des Seniorenberichts betten sich ein in eine gesamtgesellschaftliche Situation, die von zunehmender sozialer und ökonomischer Ungleichheit gekennzeichnet ist. Das zeigt zum Beispiel eine Auswertung des IMK, des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, zum Sozio-oekonomischen Panel. Sie stellt die Entwicklung der Löhne in Deutschland zwischen 1991 und 2014 dar. Die Auswertung zeigt: Während die Löhne der oberen Einkommen um 17 Prozent gestiegen sind, sind die der Geringverdienerinnen und Geringverdiener im gleichen Zeitraum lediglich um 3 Prozent gestiegen. Diese Ungleichheit, die sich bei den Löhnen zeigt, reproduziert sich bei den Renten. Nicht nur das: Wer wenig verdient, der hat eben auch weniger Möglichkeiten, privat vorzusorgen, und das verstärkt diese Ungleichheit zusätzlich. Das hat in den vergangenen Jahren auch dazu geführt, dass wir einen kontinuierlichen Anstieg der Menschen haben, die auch nach dem Renteneintritt noch arbeiten müssen. In Deutschland sind das derzeit etwa 1 Million Menschen. Da sind wir im europäischen Vergleich Spitzenreiter. In der EU insgesamt sind es 4 Millionen Menschen.

Das ist aber nicht alles. Das Rentenniveau zwischen Frauen und Männern klafft auch auseinander. Das überrascht jetzt wenig mit Blick auf den Westen. Da ist es auch ein Ergebnis eines Familienmodells, in dem der Mann der Alleinverdiener ist und Frauen „lediglich“ Zuverdienerinnen sind. Aber auch im Osten bekommen Frauen 23 Prozent weniger Rente als Männer, und das trotz hoher Erwerbsorientierung, trotz langer Erwerbsbiografien

und trotz geringer Lohnunterschiede. Das ist ein Zustand, den wir so nicht hinnehmen können.

Jetzt teilt sich die Altersvorsorge – das haben wir hier heute schon häufiger gehört – in drei Säulen auf und man könnte den Eindruck bekommen, in den vergangenen Jahren wäre es immer darum gegangen, im gleichen Maße diese drei Säulen auch zu bedienen. Das ist aber nicht der Fall. Die Initiativen des Bundes waren eben in den vergangen Jahren wenig auf die Stabilisierung der zentralen Säule, nämlich der gesetzlichen Rente, gerichtet. Im Mittelpunkt standen hier zum einen die Betriebsrenten – und jetzt verstehen Sie mich nicht falsch, Betriebsrenten sind wichtig und ich finde die auch gut, aber sie spielen im Osten nach wie vor fast keine Rolle,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Thüringen zum Beispiel gar keinen Zugang zu einer Betriebsrente haben. Die haben also von all den Verbesserungen, die dort vorgenommen werden, gar nichts. Das ist einfach immer noch keine ostdeutsche Realität.

Zum anderen hat der Bund vor allem auf private Altersvorsorge gesetzt. Aber wenn das Geld im Monat schon kaum reicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, wenn gut ein Drittel der Menschen in Thüringen von der Einführung des Mindestlohns profitiert haben, dann wissen wir auch: Diese Menschen haben gar nicht die Möglichkeit, privat vorzusorgen. Sie können das nämlich gar nicht bezahlen – wovon denn, meine sehr geehrten Damen und Herren?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

All das hat sich auch im Rahmen einer Anhörung bestätigt, die wir im vergangen Jahr im Sozialausschuss durchgeführt haben, zum Thema „Armut bekämpfen – Armutsprävention stärken“. Da wurde noch mal deutlich: Altersarmut und die Entwicklung des Rentensystems ist eine, wenn nicht sogar die zentrale Frage unserer Zeit. Auch deswegen haben wir uns entschieden, diesen Antrag hier heute vorzulegen.

Für mich ist klar: Wir brauchen einen neuen Generationenvertrag, der zum einen eine angemessene armutsfeste Alterssicherung für alle Rentnerinnen und Rentner ermöglicht, also ein Altern in Würde unter Anerkennung der Lebensleistung. Und zum anderen muss die Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler im Blick behalten werden. Soll eine gesetzliche Rente zukunftsfest sein, dann braucht es eine umfassende Reform, und das muss auch eine zentrale Aufgabe der kommenden Bundesregierung sein. Deshalb ist es schwer nachvollziehbar, dass der Koalitionsvertrag dazu eben kei

ne Novelle vorsieht, sondern dass lediglich eine Kommission eingesetzt werden soll, die Vorschläge erarbeitet, für deren Umsetzung die nächste Bundesregierung gar keine Zeit mehr haben wird. Das ist aus Thüringer Perspektive fatal und eigentlich auch deswegen nicht nachvollziehbar, weil die Handlungsfelder klar sind. Das halte ich für grob fahrlässig.

Mit Blick auf den Osten muss eine Rentenreform vor allem zwei Dinge berücksichtigen: Sie muss erstens eine Angleichung der Ost- und Westrenten vornehmen, die Vermeidung von Altersarmut im Blick haben und die Rentenlücken, die bei der Überführung einiger Personengruppen im Rahmen der Überführung des Rentensystems entstanden sind, korrigieren. Wir brauchen eine Angleichung der Mütterrente zwischen Ost und West und eine angemessene Versorgung der in der DDR geschiedenen Frauen. Die SPD hat im Wahlprogramm deswegen einen Gerechtigkeitsfonds gefordert, der all denen zugänglich gemacht werden soll, denen genau bei dieser Überführung des Rentenrechts Benachteiligungen zugekommen sind. Davon profitieren unter anderem auch die in der DDR geschiedenen Frauen. Das ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deswegen darf das nicht aus Beiträgen, sondern muss immer aus Steuern finanziert werden, weil eben nicht nur die Beitragszahler belastet werden dürfen.

Herr Thamm bedauert heute, dass wir den gesonderten Antrag, den die CDU dazu vorgelegt hat, gemeinsam mit dem Antrag generell zur Rente beraten. Herr Thamm, ich möchte Ihnen sagen, was ich bedaure. Es geht nicht so sehr um die Frage, was die CDU in den vergangenen Jahren dazu hätte machen können. Das ist immer müßig. Ich bedaure, dass die CDU im Bund verhindert hat, dass dieser Gerechtigkeitsfonds als Teil der Koalitionsvereinbarungen kommen wird. Ich bedaure, dass Sie – Frau Holzapfel – sagen, wir brauchen den Blick nach vorn, aber die CDU im Bund diesen Schritt nach vorn gar nicht machen möchte. Was Sie hier machen, ist Schaufensterpolitik. Sie wissen, dass Ihre Partei im Bund das gar nicht umsetzen will. Das halte ich für zynisch. Das haben die Thüringerinnen und Thüringer auch nicht verdient.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Rentenreform muss zweitens eine Perspektive für all diejenigen schaffen, die in den vergangenen 27 Jahren in Thüringen gearbeitet haben und mit niedrigen Löhnen konfrontiert waren. Sie haben unser Land aufgebaut und trotzdem relativ geringe Rentenansprüche erworben, die – wenn überhaupt – nur knapp über dem Niveau der Grundsicherung liegen werden. Auch aus diesem Grund sagen wir, wir brauchen eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Für das niedrige Lohnniveau in

Thüringen dürfen die Menschen nicht ein zweites Mal bestraft werden. Wir dürfen nicht auch noch zulassen, dass ihre Rente nicht für ein Leben in Würde reicht.

Das ist auch von großer Bedeutung, weil andere Formen der Absicherung, wie Betriebsrenten oder private Altersvorsorge, in Ostdeutschland eine untergeordnete Rolle spielen. Die Rente muss zum Erhalt des Lebensstandards im Alter dienen. Das geht nur mit einer starken gesetzlichen Rente. Da nützen auch Schreckensmeldungen zur demografischen Entwicklung oder zu steigenden Lohnnebenkosten nichts. Die Zukunft der gesetzlichen Rente ist die herausgehobene Frage der sozialen Gerechtigkeit. Nur so geht dann eben auch Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Das ist auch ein Thema für meine Generation, und zwar nicht nur deshalb, weil ich sage, dass ich auch selbst einmal eine Rente haben möchte oder dass die Beitragssätze stabil sind. Ich möchte, dass auch meine Eltern eine angemessene Rente bekommen, die ihr Leben lang gearbeitet und einen wichtigen Beitrag geleistet haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)