Auslöser dafür war in der Tat eine der monatlich wohl stattfindenden Durchsuchungen in den Räumlichkeiten der Jungen Gemeinde in Jena.
Die Ermittlungsbehörden und die Thüringer Polizei hatten es nämlich tatsächlich gewagt, eine Durchsuchung durchzuführen, ohne vorher das Landeskirchenamt zu informieren. Die Berichterstattung, die folgt, ist ein beispielloses Zeugnis für die Aufgabe wichtiger Grundpfeiler unseres Rechtssystems im hilflosen Umgang des Freistaats Thüringen mit den Kirchen im Allgemeinen und der Jungen Gemeinde in Jena insbesondere.
Der Superintendent des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Jena, Herr Sebastian Neuß, beschwert sich in einem Gespräch mit der „Thüringischen Landeszeitung“ zunächst über die Hausdurchsuchung ohne Vorwarnung, um dann aus dem Nähkästchen zu plaudern. Nach seinen Angaben habe das Justizministerium bereits 2013 tatsächlich zugesagt, dass im Zuge der Durchsuchung bei Pfarrern im Freistaat kurzfristig der für die Pfarrer zuständige Personaldezernent im Landeskirchenamt unterrichtet wird. Was dabei „kurzfristig“ bedeuten soll, kann Herr Neuß ebenfalls sehr genau sagen. Bei Razzien sei das Landeskirchenamt frühzeitig, das heißt unverzüglich bei Eintritt der Ermittlungsmaßnahmen, zu unterrichten.
Meine Damen und Herren, Sie werden sich alle noch gut daran erinnern, welcher schreckliche Skandal vor ein paar Jahren Deutschland erschüttert hat, als es um die Aufdeckung systematischen und über Jahre verdeckten Kindesmissbrauchs in Einrichtungen der Katholischen Kirche ging. Da wurde genau das kritisiert, dass die Kirche an dieser Stelle systematisch geschwiegen und die Ver
dächtigen gedeckt und geschont hat. An dieser Stelle hätte ich gern gewusst, wie Sie darüber gedacht hätten, wenn jemand gefordert hätte, vor Durchsuchungen in kirchlichen Räumen hinsichtlich dieses Missbrauchsskandals die Betroffenen vorher über die Durchsuchung zu informieren.
Die geradezu wahnwitzige Begründung, die Herr Neuß für seine Forderungen geliefert hat, heißt, dass damit das Seelsorgegeheimnis entsprechend geschützt werden könne. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich bitte hier auch die Zuhörer und Zuschauer noch mal um besondere Aufmerksamkeit.
Hier wird vom Superintendenten des EvangelischLutherischen Kirchenkreises Jena bestätigt, dass es zwischen dem Thüringer Justizministerium und mindestens der Evangelischen Kirche, wenn nicht sogar mit weiteren Glaubensgemeinschaften, eine mehr oder minder formelle Abmachung gibt, dass die Kirchenverwaltung vorab informiert wird, wenn es Hausdurchsuchungen in Räumlichkeiten der Kirche geben soll.
Es gab in Erfurt vor vielen Jahren auch mal den Fall einer Moscheegemeinde, die vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Ich weiß nicht, ob die durchsucht worden sind und ich weiß auch nicht, ob die vorher informiert worden sind,
Die Abmachung soll dabei selbstverständlich dem Schutz des Seelsorgegeheimnisses dienen. Herr Neuß entlarvt sich mit seiner nächsten Äußerung, dass es nach seiner Auffassung nicht im Ermessen der Durchsuchungsbehörde, also der staatlichen Organe, liegt, was das Seelsorgegeheimnis ist und was nicht. Ja, wo leben wir denn? Leben wir denn schon in einem Gottesstaat?
Meine Damen und Herren, das Seelsorgegeheimnis: Wer es glaubt, wird selig. Davon abgesehen, dass Herr Neuß offenbar ein mehr als problematisches Verhältnis zum Rechtsstaat pflegt, muss man sich vorstellen, was solche Aussagen in letzter Konsequenz eigentlich bedeuten. Sollte am morgi
gen Tage den entsprechenden Behörden in Thüringen etwas bekannt werden, dass es Missbrauchsfälle gibt – ich hatte das Beispiel gerade schon gebracht, das gibt es ja auch in evangelischen Gemeinden –, müsste nach der wohl bestehenden Abmachung
zwischen Justizministerium und Kirche bei Eintritt der Ermittlungsmaßnahmen, jedoch jedenfalls vor einer Durchsuchung der Räumlichkeiten des sogenannten Seelsorgers die Kirchenverwaltung informiert werden.
Dass bei solchen Benachrichtigungen immer ein Risiko existiert, dass Tatverdächtige bzw. Beschuldigte vorab über Untersuchungen informiert werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Wir hatten das ja auch vor ein paar Jahren auch irgendwo im Zusammenhang im Bundestag mit einem gewissen Abgeordneten einer gewissen Partei, der dem Bundestag heute nicht mehr angehört. Da gab es dann auch eine Serie von Rücktritten und wechselseitigen Beschuldigungen und irgendein Dienstlaptop ist auf rätselhafte Weise beizeiten verschwunden.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Christhard! Wenigstens den Namen könnten Sie richtig ausspre- chen!)
Ach, Frau Rothe-Beinlich, wenn einem die Botschaft nicht gefällt, schlägt man auf den Boten ein. –, sein Kollege Christhard Wagner, Beauftragter der Evangelischen Kirchen beim Landtag und der Landesregierung, fordern, dass es zwischen dem Freistaat und den Kirchen eine Vereinbarung geben muss, wonach ganze Räume in kirchlichen Einrichtungen dem Zugriff durch staatliche Behörden entzogen werden. Wie muss man sich das vorstellen? Als eine Art exterritoriales Gebiet? Gibt es da eine eigene Botschaft? Diese dürften dann grundsätzlich gar nicht vom Staat durchsucht werden, wie es in der TLZ vom 27. Februar heißt.
Angesichts der Tatsache, dass es, wie etwa im Fall der Jungen Gemeinde in Jena, eine Vernetzung bestimmter Kirchenkreise beispielsweise mit Linksextremisten gibt oder mit der geduldeten Praxis, dass sich Migranten ohne Bleiberecht durch eine Flucht
in das Kirchenasyl dem Zugriff des Rechtsstaates entziehen, darf es solche Vereinbarungen nicht geben. Darum geht es nämlich genau, unter anderem. Ja, es kann nicht sein, dass irgendwo ein Staat im Staate existiert, wo die Regeln, die für alle gelten, für gewisse Leute nicht mehr gelten. Das erinnert mich schon wieder an George Orwell: „Alle Tiere sind gleich, aber die Schweine sind gleicher.“
Eine Aushöhlung des Rechtsstaats durch die Schaffung von de facto rechtsfreien Räumen muss unterbunden werden. Wo ein Legitimitätsanspruch irgendwelcher Religionen – und hier sind ausnahmslos alle Glaubensgemeinschaften gemeint – über die Legalität des Rechts gestellt wird, wird letztlich die Verfassung infrage gestellt. Für den Verfassungsstaat gilt, die Berufung auf religiöse, kirchliche Legitimität gegenüber der bloßen Legalität des Rechts zerstört die Grundlage des staatlichen Gemeinwesens.
Zum Schluss. Forderungen auch seitens der Kirchen, die in eine entsprechende Richtung wirken, sind vom Rechtsstaat entschieden zurückzuweisen.
Frau Kollegin Herold, haben Sie gerade die großen Kirchen in Deutschland mit Schweinen gleichgesetzt?
ich habe gesagt, das Vorgehen erinnert mich schon wieder an George Orwell und die „Farm der Tiere“. Ich habe einen Autor zitiert und der hat gesagt: „Alle Tiere sind gleich!“, und das heißt auch, alle Tiere sind vor dem Recht gleich, aber die Schweine, die
ja bekanntlich Milch und Äpfel gefressen haben, haben sich in diesem System herausgenommen, gleicher zu sein. Vielen Dank.
Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete RotheBeinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, argumentativer Pürierstab wäre noch eine freundliche Umschreibung für das, was wir hier gerade erleben mussten.
Ich schäme mich, das will ich ganz deutlich sagen. Ich möchte mich im Namen des Thüringer Landtags beim Beauftragten der Evangelischen Kirche Christhard Wagner dafür entschuldigen, wie hier ohne jede Sachkenntnis über ihn vom Pult hergezogen wurde, anders kann ich es leider nicht sagen.