Frau Herold, Sie haben ja überhaupt nichts verstanden. Wenn Sie dann beispielhaft anführen, dass es mal eine Moscheegemeinde gab, die vom Verfassungsschutz überwacht wurde, und da – Sie wissen es ja nicht – vielleicht Durchsuchungen durchgeführt wurden, muss ich konstatieren, dass Sie ja noch nicht mal verstanden haben, dass es ein Trennungsgebot gibt, und zwar aus guten Gründen. Sie haben überhaupt nichts verstanden, weder was die Rolle von Kirche noch was die Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten anbelangt.
Dass wir hier vom „Staat im Staate“ hören müssen, wenn es um Religionsgemeinschaften geht – vielleicht überlegen Sie wirklich noch mal, was Sie hier gerade gesagt haben. Eine derartige Verächtlichmachung von Religion habe ich nicht mal in der DDR erleben müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die AfD hat hier einen Antrag eingereicht, den sie überschrieben hat mit „Aushöhlung des Rechtsstaats stoppen“. Der Schutz von Menschen vor Lebensgefahr gehört zum kirchlichen Kernauftrag, sagte der damalige Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, 2014. Sein katholischer Kollege Kardinal Marx ergänzte: „Weit davon entfernt den Rechtsstaat in Frage zu stellen, können Kirchenasyle einen Beitrag dazu leisten, das oberste Ziel des Rechts zu verwirklichen: den Schutz der Menschenwürde.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werde dann auch noch näher darauf eingehen, Legalität bedeutet nicht immer auch die Legitimität einer Entscheidung. Wenn sich Kirchgemeinden für die Schutzgewährung aus Glaubens- und Gewissengründen entscheiden, dann tun sie das mit guten Gründen, weil sie einen Verstoß aus einer christlichen Grundhaltung heraus wahrgenommen haben und sie Menschen in Not helfen wollen, aus Respekt übrigens vor dem Gebot der Nächstenliebe.
Ich kenne keine einzige Kirchengemeinde, die leichtfertig mit dem Schutz von geflüchteten Menschen umgeht, die von besonderer Härte betroffen sind.
Es soll sich eben kein eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Institut bilden, sondern es soll die christlich-humanitäre Tradition gewahrt werden. Daher zeigen Kirchengemeinden – Hören Sie jetzt gut zu! – dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stets den Fall an, wenn Menschen bei ihnen Schutz gefunden haben. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, auf rein freiwilliger Basis können die zuständigen staatlichen Stellen die Angelegenheiten dann noch einmal prüfen. Den Kirchengemeinden, die sich derart für extreme Härtefälle engagieren, gebührt unsere Anerkennung und kein Argwohn.
Sie besitzen keinerlei rechtliche Handhabe und beanspruchen keinen rechtsfreien Raum. Es wird der kirchlichen Beistandspflicht für bedrängte Menschen nachgekommen oder um es mit Dietrich Bonhoeffer auszudrücken „dem Rad in die Speichen fallen“, eben ohne das Gewaltmonopol des Staates infrage zu stellen.
Aber es geht ja gar nicht nur um das sogenannte Kirchenasyl. Es geht auch um die Frage der Seelsorge und auch über die haben Sie sich ja verächtlich in einer Art und Weise geäußert, dass es mich schauert, sodass ich hoffe, dass Sie niemals Seel
sorge in Anspruch nehmen müssen. Seelsorgerinnen und Seelsorger haben zu Menschen, die ihnen persönliche Informationen preisgegeben, ein rechtlich geschütztes Vertrauensverhältnis und können sich auf das Beichtgeheimnis berufen. Dieses darf auch nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass bei Durchsuchungen von Diensträumen Aufzeichnungen und Datenträger beschlagnahmt werden, die für das laufende Verfahren nicht von Bedeutung sind oder die auch ohne Durchsuchung einfach der Ermittlungsbehörde ausgehändigt werden können. Und – Jetzt hören Sie mir gut zu! – das Bundesverfassungsgericht stellt extrem hohe Anforderungen an die Beachtung der Verhältnismäßigkeit bei Durchsuchung, Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und lässt bei besonders groben Verstößen gegen diesen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die gerichtliche Verwertung der Beweismittel nicht zu. Es bedarf also gar nicht irgendwelcher Vereinbarungen zwischen dem Staat und Religionsgemeinschaften, um diese unter Schutz zu stellen, sondern dieser ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die individuelle sowie gemeinwohlbezogene Bedeutung der rechtlich geschützten Vertrauensverhältnisse zwischen Seelsorgerinnen bzw. Seelsorgern und Menschen, die sich ihnen anvertraut haben, hat Verfassungsrang, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da können Sie jetzt lachen oder feixen, aber es kommt schlichtweg einer Verhöhnung des Rechtsstaats gleich, werte Abgeordnete der AfD, wenn Sie meinen, vor seiner Aushöhlung im Zusammenhang mit kirchlichen Tätigkeiten warnen zu müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist nämlich genau darauf zu achten, dass Grundrechte nicht eingeschränkt werden und Eingriffe streng am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemessen werden. Dem Antrag der AfD kann man nicht zustimmen. Vielen herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegen von der AfD-Fraktion, das war ja heute schon mal wieder eine Glanzleistung hier.
Wenn ich mir die Überschrift Ihres Antrags durchlese „Die Aushöhlung des Rechtsstaats stoppen – keine Privilegien für die Etablierung rechtsfreier Räume in den Kirchen“ dann klingt das ja ziemlich dramatisch,
hat aber leider extrem wenig Substanz. Der Popanz, den Sie hier aufführen, fällt bei genauerer Betrachtung aber recht schnell in sich zusammen. Das will ich Ihnen auch gern noch in ein paar Sätzen mit auf den Weg geben. Denn, was wollen Sie uns heute hier eigentlich weismachen mit diesem Wortbeitrag von Ihnen, Kollege Möller, und von Ihnen, Frau Herold? Sie wollen uns weismachen, es gebe hier Geheimabsprachen mit den Kirchen, dass diese im Vorfeld von Durchsuchungen immer informiert würden und dass damit die Möglichkeit bestünde, Beweise beiseitezuschaffen.
So viel zur Wunschvorstellung. Kollege Möller, Sie müssen dann die Texte auch richtig lesen und sich mal richtig informieren.
Da helfe ich Ihnen gleich gern auf die Sprünge, ein bisschen zuhören. Sie haben auch noch Redezeit, da können Sie noch mal vorkommen. Denn wie sieht es in der Realität aus, in der Realität abseits Ihrer Wunschvorstellungen, in Ihrem AfD-Dunstkreis und Ihrem kleinen Spiegelzimmer, wo Sie sich gern selbst betrachten und beweihräuchern:
Die Realität ist leider ein bisschen anders. Es gibt eine informelle Vereinbarung zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses. Was das Seelsorgegeheimnis ist, muss ich Ihnen jetzt nicht noch einmal erklären. Das haben die Vorrednerinnen bereits ausführlich getan. Diese Vereinbarung besagt – so auch die direkte Information von den Kirchen, die Sie sich im Übrigen hätten auch holen können –, dass es bei Durchsuchungen eine zeitnahe Information zu dem Zeitpunkt gibt, zu dem eine Strafvereitelung nicht mehr möglich ist. Diese Information dient lediglich dazu, eine Teilnahme kirchlicher Vorgesetzter der entsprechenden Beschuldigten, bei denen durchsucht wird, bei der Durchsuchung zu ermöglichen, um das Seelsorgegeheimnis zu wahren.
Kollege Möller, Sie haben entsprechende schutzwürdige Interessen, neben dem Seelsorgegeheimnis das besondere Verhältnis zwischen Arzt und Patienten und Ähnliches, hier aufgezählt. Bei der Beschäftigung mit diesem Antrag hätten Sie sich diese Frage eigentlich selbst beantworten können, haben Sie aber leider nicht getan. Das Seelsorgegeheimnis und der Schutz des Seelsorgegeheimnisses sind nämlich in unserem Land zum Glück völlig selbstverständlich.
Kollege Möller, wie hätte man das alles erfahren können, was ich Ihnen jetzt so kurz zusammengefasst erzählt habe? Sie hätten das erfahren können mit einem einfachen Anruf bei den Kirchen.
Dann hätte man Ihnen die Klarheit verschafft, Klarheit darüber, dass es keinen formellen Vertrag gibt, wie Sie hier suggerieren, irgendwelche Geheimabsprachen, Illuminati und Hinterzimmergeschichten – alles völliger Quark –, und Sie hätten auch Klarheit darüber erlangt, wie das Seelsorgegeheimnis in der konkreten informellen Absprache geschützt werden soll. Hätten Sie alles erfahren mit einem einzigen Anruf, hätten Sie uns jetzt hier etwa eine dreiviertel Stunde kostbare Lebenszeit erspart. Leider haben Sie das nicht getan. Schade für unsere Lebenszeit.
Aber da die Lebenszeit leider schon einmal rum ist, meine Damen und Herren von der AfD, will ich Ihnen gern auch noch einmal etwas zum Kirchenasyl erklären und das noch ein bisschen einordnen, auch das, was meine Vorrednerinnen hier gesagt haben, was nicht alles so den Tatsachen entspricht. Das haben Sie jetzt zwar in Ihrem Antrag in der Begründung so als letzten Satz noch ein bisschen hintendran geklatscht. Es bedarf aber dennoch einer deutlichen Erläuterung.
Die Notwendigkeit des Kirchenasyls wurde und wird von Kirchenvertretern bisher immer damit begründet, dass es in einem bestimmten Einzelfall eine zusätzliche Überprüfungsmöglichkeit bei besonderen Härten geben muss. Für diese Fälle, die von der reinen gesetzlichen Lehre und der Umsetzung in der Praxis eben leider nicht vollumfänglich erfasst werden, sollte es eine zweite Prüfinstanz geben – dazu gibt es auch eine Absprache vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge –, ohne Rechtscharakter – falls Sie dann von Ihren Kollegen im Bundestag demnächst eine Anfrage stellen wollen, erkläre ich es Ihnen gleich – besondere Fälle auf Anregung der Kirchen noch einmal eingehend in einer Art zusätzlichen Prüfschleife überprüfen zu lassen. Alles öffentlich einsehbar, alles mit drei entsprechenden Google-Suchanfragen, auch für Sie, sofort zu erahnen. Das ist jedoch nur entsprechend begründbar, diese zweite Prüfinstanz, auch durch das BAMF in den Ländern, wo es keine besonderen Regelungen nach § 23a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes seit 2005 gibt. Was ist der Paragraf? Er regelt die Einrichtung der sogenannten Härtefallkommission. Auch diese Kommission sollte Ihnen aus Thüringen heraus sehr gut bekannt sein, denn die Härtefallkommission stellt eine zusätzliche
Prüfinstanz neben den Prüfungen des BAMF in Thüringen dar, wo Härtefälle noch einmal entsprechend vorgelegt werden können. Da sitzen Parlamentarier drin und da sitzen auch ausreichend Vertreter der Zivilgesellschaft drin, auch der großen Kirchen. Die nehmen dann eine Einzelfallprüfung vor.
Wie diese Prüfung vorgenommen wird, darüber kann man sich wahrlich streiten, ob dieses Gremium immer zu hart, zu leicht, zu weich oder zu wenig intensiv prüft. In Thüringen sagen uns aber die Zahlen, dass ein sehr hoher Anteil dieser Härtefälle, die dort vorgelegt werden, auch angenommen wird.
Hier in Thüringen ist das nämlich bewährte Praxis mit der Härtefallkommission. Durch die Bildung dieser Härtefallkommission wird die Prüfung der besonderen Härten in Thüringen mit einem ausreichenden Spielraum gewährleistet. Das ist gut so, dass hier der Einzelfall noch mal geprüft wird, aber das sagt auch Folgendes: Denn mit dieser Härtefallkommission – und das richtet sich jetzt an die Kollegen der drei regierungstragenden Fraktionen – fehlt einem Kirchenasyl in Thüringen nicht nur der rechtliche, sondern auch der inhaltliche Begründungspunkt und die Voraussetzung.
Denn wenn Sie so argumentieren, dann können Sie sich noch 15 verschiedene Gremien ausdenken, wo nach der Ablehnung im ersten, im zweiten, im dritten, im vierten immer wieder der Einzelfall noch mal geprüft werden könnte, egal aus welcher Gemeinschaft dieser Antrag kommt. Es gibt eine Instanz in Thüringen, die nach der endgültigen Ablehnung noch einmal den Härtefall prüft und diese Instanz ist die richtige, die Härtefallkommission. Deswegen lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Kirchenasyl in Thüringen ist und bleibt ein nicht tolerierbarer Rechtsbruch,
Danke schön, Herr Abgeordneter Herrgott. Jetzt habe ich keinen weiteren Abgeordneten, sodass ich der Regierung, Herrn Staatssekretär von Ammon das Wort erteile.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich sehe es als Aufgabe der Landesregierung an, auch nach einer emotio
nalen Debatte immer wieder sachlich Stellung zu nehmen. Ich gebe zu, nach dieser Aussprache und auch nach dem Wortlaut des Antrags fällt es mir als evangelischer Christ schwer, die gebotene Sachlichkeit zu wahren. Ich werde mich aber darum bemühen.