Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eigentlich ganz einfach. Ihre vermeintliche Sorge – das kommt in dem Antrag auch so ein bisschen halbherzig raus –, dass Tradition und Heimatpflege in Thüringen keine Rolle spielen würden, ist zudem übrigens mehr als unbegründet. Der Kollege Adams ist darauf auch schon ein Stück weit eingegangen. Ich will auch noch mal stichpunktartig auf Aspekte in Ihrem Antrag eingehen. Da die Mehrheit der AfD-Fraktion nicht aus Thüringen stammt, weiß sie vielleicht nicht – aber es ist ja schon angesprochen worden –, dass der Bezug zu Thüringen in den Jahren der Grundschule vor allem im Fach Heimat- und Sachkunde aber auch – und das ist jetzt das Spannende – fächerübergreifend schon immer und sehr traditionell einen großen Raum einnimmt, indem die Vermittlung geografischer, geschichtlicher, kultureller und heimatkundlicher Sachverhalte erfolgt, die einen Bezug zu Thüringen haben. Auch da noch mal der Hinweis: Der Lehrplan für das Fach Heimat- und Sachkunde ist über das Thüringer Schulportal im Internet einsehbar, also auch für Sie zu erreichen.

Das Lernen am anderen Ort, was Sie ansprechen und nicht sagen, wo das passieren soll – da will ich Ihnen nur mal eines sagen: Das Lernen am anderen Ort wird von der Thüringer Landesregierung bereits besonders und deutlich unterstützt. Die Mittel für diese Vorhaben an den Schulen wurden von knapp 700.000 Euro im Jahr 2017 auf über 2 Millionen Euro 2018 und 2019 erhöht. Das ist etwa das Dreifache – und im Übrigen genauso viel, wie Sie für Ihr angebliches tolles Landesprogramm insgesamt ausgeben wollen. Da sollten Sie sich mal fragen, ob das so viel Sinn macht, was Sie da aufgeschrieben haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann fordern Sie Fortbildungen für pädagogisches Personal. Da frage ich mich immer: Wo leben Sie

denn? Haben Sie schon mal was vom ThILLM gehört? Haben Sie schon mal was davon gehört, dass natürlich unsere Lehrkräfte Weiter- und Fortbildungen haben – und zwar immerwährend und zu jeder Zeit? Auch da frage ich mich: Was soll der Hype um diesen Punkt, denn es passiert?

Die Förderung von Feuerwehrsportvereinen, Aquarianern, Kultur- und sonstigen Vereinen und Gruppen entsprechend der jeweils örtlichen Interessenstruktur – „der jeweils örtlichen Interessenstruktur“ könnte man auch übersetzen: je nach dem, was die jeweilige Region für sich als wichtig erachtet oder als heimatrelevant, wenn Sie das so nennen wollen – findet kommunal und über die Landesverbände oder durch entsprechende Projektförderungen seitens des Landes statt und muss nicht durch Sie angeregt werden, denn da sind die zumeist ehrenamtlichen Menschen natürlich sehr engagiert dabei.

Im Übrigen, weil Sie vorhin wieder behauptet haben, die Förderung dieser Vereine passiert nur über das Landesprogramm, was Sie ja abschaffen wollen: Das ist natürlich größter Humbug. Doch, das haben Sie gesagt, dann müssen Sie es mal im Protokoll nachlesen.

Dann wollen Sie eine Förderung von Festen. Da weiß ich nicht – na doch, ich weiß, wo Sie wohnen –, aber örtliche Feste gehören überall dazu und die werden im Übrigen auch überall unterstützt, auch durch ganz viel Engagement. Ich hätte Ihnen jetzt beinahe eine Einladung zu einem Fest ausgesprochen, aber eigentlich hätte ich Sie nicht so gerne dabei, das muss ich auch sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Im Rahmen der Förderung von Kunst und Kultur – auch das ist schon gesagt worden – wird die Arbeit des Heimatbundes Thüringen vom Land unter anderem durch die Finanzierung einer Geschäftsstelle und einer Projektmanagerstelle gefördert. Als Dachverband ist der Heimatbund ein wichtiger Bildungsträger, der für eine Vielzahl von Themen in der Heimat- und Kulturpflege, aber auch der Naturund Denkmalpflege aktiv wird. Auf Initiative des Heimatbundes haben sich die amtlich bestellten Kreisheimatpfleger – denn die gibt es in Thüringen übrigens auch schon ohne Landesprogramm der AfD – zur „Ständigen Konferenz Heimatpflege“ in Thüringen zusammengeschlossen, um so die Akteure, Vereine und Institutionen der Heimatpflege noch besser einbeziehen zu können. Darüber hinaus – auch das ist bereits erwähnt worden – leistet die volkskundliche Beratungs- und Dokumentationsstelle in Erfurt für Laien und Wissenschaftlerinnen, Einzelpersonen und Institutionen eine hervorragende und vernetzende Arbeit.

Jetzt noch ein kleiner Lesetipp: Wenn man sich das Kulturkonzept des Freistaats Thüringen anschaut, das in der letzten Legislatur 2012 erschienen ist

und bis heute quasi als Grundlage für kulturpolitische Diskussionen und Entwicklungen gilt, dann empfehle ich Ihnen, sich da auch mal die Seite 118 anzuschauen – weil Sie immer befürchten, dass hier in Thüringen nichts passiert. Sie sind fehlgeleitet und da werden Sie sehen, dass natürlich – und das habe ich auch schon gesagt – die Heimat- und Brauchtumspflege – auch wenn ich den Begriff für mich persönlich ein bisschen schwierig finde – natürlich in Thüringen eine große Rolle spielen, auch in der Frage der Zivilgesellschaft und des zivilgesellschaftlichen Zusammenlebens. Aber aus den Traditionen, auf die man sich beruft, erwachsen Innovationen und Veränderungen. Das macht im Übrigen eine Gesellschaft auch lebens- und liebenswert. Das führt auch dazu, dass Menschen zueinanderfinden und miteinander Prozesse gestalten, bei denen nicht vorgegeben werden muss, in welchem Rahmen sie sich zu bewegen haben.

Alles, was ich Ihnen in Bezug auf Ihren Antrag mitgeteilt habe, könnten Sie natürlich wissen, wenn es Sie wirklich und ernsthaft interessieren würde, denn das ist alles nachles- und nachweisbar. Aber Ihnen geht es – wie eingangs erwähnt – lediglich um die Abschaffung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Diesen Gefallen werden wir Ihnen – das dürfte Sie nicht überraschen – natürlich nicht tun. Denn Teil meines Heimatgefühls im Übrigen ist eine tolerante, weltoffene und demokratisch verfasste Gesellschaft, die sich gegen Ausgrenzung einsetzt und willens und fähig ist, über ihren eigenen Tellerrand zu schauen – also das, was Sie nicht können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung der AfD-Fraktion. Herr Abgeordneter Möller.

Vielen Dank. Lieber Herr Adams, weil Sie ja so darauf gedrungen haben, dass der Heimat schon genügend Aufmerksamkeit in der Thüringer Schulbildung gewidmet wird, habe ich einfach mal den Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre heruntergeladen

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ist kein Lehrplan, das verstehen Sie nicht!)

und habe mal den Begriff „Heimat“ als Suchbegriff eingegeben. Er taucht zweimal auf. Immerhin zwölfmal taucht auf den 376 Seiten der Begriff „rechnen“ auf. Aber 57-mal taucht der Begriff „sexuell“ in diesem Bildungsplan auf. Daran sehen Sie schon, wie Sie Schwerpunkte setzen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch das gehört zur Heimat da- zu!)

Liebe Frau Mittelsdorf, Sie haben gesagt, wir müssen uns fragen, wie wir unser Bundesland entwickeln. Ich sage Ihnen, liebe Frau Mittelsdorf,

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Oh- ne s, aber das macht ja nichts!)

ja, Entschuldigung, Frau Mitteldorf –, so nicht.

(Beifall AfD)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Herr Minister Hoff, Sie haben das Wort für die Landesregierung.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Möller, ich weiß gar nicht – vielleicht muss man es mal psychologisch betrachten –, woher Ihre tiefe Angst vor Sexualität kommt. Ich kann dem Begriff Heimat sogar etwas Erotisches abgewinnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber fangen wir vielleicht mit der Klärung von ein paar Begriffen an. Man kann sich so richtig vorstellen, wie in der AfD-Fraktion so eine Plenarsitzung vorbereitet wird:

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mensch, Märzplenum. Wie treiben wir denn die Altparteien wieder vor uns her? Ah, Heimat, darauf springen die alle richtig an.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hat ja auch geklappt!)

Wisst ihr was, da fordern wir mal wieder ein Heimatprogramm. Das haben wir schon im Haushalt gemacht, daran erinnert sich wahrscheinlich keiner mehr,

(Zwischenruf aus dem Hause)

Lassen Sie mich doch mal reden! – machen wir jetzt mal ein Heimatprogramm, das haben wir im Haushalt schon gefordert, das legen wir jetzt einfach noch mal auf. – Jetzt ist es aber so – und das ist eine Frage, die ich tatsächlich an Sie stelle –, vor ein paar Wochen, als wir hier den Haushalt beraten haben, da war Ihnen das Heimatprogramm noch 3,5 Millionen Euro jedes Jahr wert. Jetzt kostet die Heimat nur noch 2 Millionen Euro pro Jahr. Woher kommt eigentlich dieser plötzliche Preisver

(Abg. Mitteldorf)

fall von Heimat? Wenn Sie so weitermachen, ist Ihnen die Heimat bald gar nichts mehr wert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das finde ich erst mal seltsam. Zweitens: Dann stellen Sie sich hier hin als Fraktionsvorsitzender der AfD und sagen, die AfD hat ein Programm aufgelegt. Nein! Sie haben zwei Seiten Papier vollgeschrieben. Das ist noch kein Programm. Sie haben zwei Seiten Papier vollgeschrieben und haben die Landesregierung gebeten, aus Ihren Überlegungen ein Programm zu machen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Kriegen Sie mit Widmung, Herr Hoff!)

Sie kriegen gleich noch mal von mir mit Widmung das, was die Landesregierung in diesem Bereich tut. Dann können Sie sich das Heft nehmen und schreiben fleißig mit.

Aber wir wollen vielleicht noch mal ein paar Sachen klären, weil wir haben ja hier, wie gesagt, so ein Hase-und-Igel-Spiel. Das kennt man ja aus dem Märchen: „Ick bin all hier!“ Dann ruft immer einer „Heimat“ und alle müssen ihm hinterherrennen, ob als Erster jemand am Ziel ist. Beim Konservatismusbegriff ist es ja genau das Gleiche. Da rennt auch immer jemand los, eine ganze Fraktion mit weiß-roten Krawatten setzt sich hin und sagt: Weil wir weiß-rote Krawatten tragen, sind wir eine konservative Heimatpartei. – Wir wollen einfach, wie gesagt, die Debatte heute vielleicht dazu nutzen, tatsächlich im besten aufklärerischen Sinne mal ein paar Sachen klarzustellen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: So blöd, wenn man die Deutungshoheit verliert!)

Konservatismus will – und das halten wir noch mal fest und da sind wir uns wahrscheinlich über die Fraktionen hinweg einig – die gewachsene Gesellschaftsordnung bewahren, bezieht sich positiv auf deren konstituierende Wertvorstellungen. Die liegen tatsächlich begründet in der Tradition – jetzt hören Sie gut zu, schreiben Sie mit – der Aufklärung und kulturell unterschiedlicher Einflüsse des Christentums, des Judentums und arabischer Philosophie und Kultur. Goethe, den Sie wahrscheinlich in Ihren Heimatbegriff mit einordnen werden, formulierte im „West-östlichen Divan“: „Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ – Und wenn der Ministerpräsident als tatsächlich im besten Sinne des Wortes konservativer Ministerpräsident

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was, dieser?)

einer christlich, jüdisch, abendländlichen Leitkultur, die häufig als Begriff vorgetragen wird,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Meint er jetzt den Ramelow?)

der sich die Muslime anzupassen hätten, dem interreligiösen Klammerbegriff der abrahamitischen Religion entgegensetzt und ganz bewusst entgegensetzt, dann argumentiert er bewusst als evangelischer Christ, als Ministerpräsident. Jeder Ministerpräsident dieses Landes muss im besten Sinne des Wortes ein konservativer und auch die Heimat bewahrender Mensch sein,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

weil er als Ministerpräsident stolz auf die besten Traditionen dieses Landes ist. Die besten Traditionen unseres Landes, unserer Heimat Thüringen bestanden immer aus den kulturellen Einflüssen, die durch Zuwanderung realisiert wurden. Um es auf den Punkt zu bringen: Heimat ist für alle da.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch genug Platz dafür.