Ja, und das ist das Schöne. Ick kann mir hier hinstellen und sajen, dat ick in Berlin mir echt wohljefühlt habe. Aber wenn ich in Berlin am Wochenende beim Fleischer stehe – egal, ob ich dort eine Thüringer Bratwurst oder eine Preußische Bockwurst kaufe – und die Fleischerin mich fragt, wie viel hätten Sie denn gern, drei, vier, und ich sage „no“ und sie sagt: Wo kommen Sie her? Dann sage ich, aus Thüringen, weil man sich auch als Zugewanderter – und das wird sogar Ihr westdeutsch zugewanderter Fraktionsvorsitzender erkennen können –, auch als Berliner in Thüringen wohlfühlen und dieses Land, für das man die Ehre hat, Verantwortung tragen zu dürfen in dieser rot-rot-grünen Landesregierung, als seine Heimat anerkennen kann. Insofern zu Ihrem ausschließenden Begriff, sich als Berliner in Thüringen wohlzufühlen: Ja, genau, weil es dieses Land wert ist, dass mehr Menschen hierherkommen und sich hier wohlfühlen. Das ist doch der Sinn von Heimat, dass Menschen hierherkommen und dieses Land zu ihrer Heimat machen wollen.
Oder wollen Sie sich Ihr Land als Heimat nur quasi als eine sepiafarbene Postkarte anschauen und sagen: Heimat ist nur das, was früher mal schön war. Nein, Heimat ist das, was wir heute gestalten dürfen und zu unserem Land machen. Insofern komme ich noch mal darauf zurück, warum der Ministerpräsident im besten Sinne des Wortes auch ein Konservativer ist: Weil er auch im sozialen Sinne konservativ, bewahrend ist. Indem er sich dafür einsetzt, dass es sichere Renten, sichere Löhne, soziale Gerechtigkeit gibt. Bei sozialer Gerechtigkeit
sind wir genauso wieder bei einem Begriff, genau wie bei Heimat, wie bei Konservatismus, wie bei Frieden. Es sind alles Begriffe,
ob nun positiv oder negativ, jeweils nach der politischen Auffassung. Jeder Begriff kann instrumentalisiert, kann auch missbräuchlich instrumentalisiert werden. Aber natürlich kann jeder Begriff auch angewendet und sinnvoll verwendet werden. Insofern ist dieses ganze ideologische Brimborium, was derzeit um Heimat gemacht wird, doch eigentlich nichts weiter als der Wunsch aller demokratischen politischen Akteure, ein Land, eine Gesellschaftsordnung zu haben, in der Menschen sicher in die Zukunft schauen können und in der sie an der Veränderung, Gestaltung des Landes teilhaben können. Ein Land gestalten zu können, den Rahmen dafür zu haben, auch die soziale Sicherheit, das ist auch Ausdruck von Heimatpolitik.
Insofern stimme ich völlig zu, dass kritisiert wird, dass Menschen, die sich beispielsweise aus sozialen Erwägungen ausgegrenzt fühlen, sich als HartzIV-Bezieherinnen und -Bezieher gesellschaftlich nicht integriert fühlen, sagen: Dieses Land empfinde ich nicht als mein Land, weil es mich in dem, was ich wert bin, nicht anerkennt. Dass viele, die über Jahre, zum Teil Jahrzehnte, aus Thüringen jeden Sonntag ausgependelt und am Freitag wieder zurückgekommen sind, weil dieses Land für sie Heimat war, aber sie woanders Geld verdienen mussten, weil es eben eine Politik gab, die lange Zeit hier als Niedriglohnland kein auskömmliches Leben garantiert hat. Dass diejenigen sagen, sie wenden sich gegen so eine Individualisierungszuschreibung, die im Kern eine Übersetzung ist, wie in einem schönen Artikel einmal formuliert wurde, so ein Ratschlag, wenn man kein Brot hat, soll man doch Kuchen essen. Nein, es ist völlig richtig, wenn argumentiert wird: Heimatpolitik, heißt auch, denjenigen eine Heimat zu geben, die soziale Sicherheit für sich einfordern. Ja. Das heißt, eine anständige Sozialpolitik zu machen.
Wenn wir uns anschauen, wie wir in Arbeitsmarktpolitik investieren, wie wir in öffentliche Infrastruktur investieren, wie wir Niedriglöhne bekämpfen, wie wir uns für sichere Renten im Bundesrat in jeder Form einsetzen, dann ist das im besten Sinne eine Politik, die zu einem lange Jahre geprägten politischen Verständnis führt, zu dem Sie von der AfD aber nicht den Mut haben, es aufzubringen, nämlich eine neoliberale Politikvorstellung, die sagt: Der Staat hat sich zurückzuziehen, umzukehren und zu sagen: Nein, es geht nicht mehr um die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, es geht um Rekommunalisierung, es geht um öffentliche Daseinsvorsorge in kommunaler Eigenverantwortung. Das
ist Souveränität, sich dies zurückzuholen. Keine Sale-Leas-Back-Geschäfte mehr zu machen, mit denen öffentliche Energieversorger privatisiert werden.
Genau um solche Punkte geht es. Und genau deshalb kommen Menschen wieder zurück nach Thüringen. Genau deshalb schauen über 70 Prozent der Menschen in unserem Land positiv in die ökonomische und finanzielle eigene Zukunft, aber auch in die unseres Landes.
Lassen Sie mich aber noch zwei, drei, vier Aspekte sagen. Der erste: Wir brauchen kein Heimatministerium. Wir haben Heimatministerien. Wir haben ein Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft.
Es ist das Ministerium für Infrastruktur, Städtebau, Verkehr, demografische Entwicklung, ländlicher Raum, Landschaftsplanung, gesunde Ernährung – all diese Punkte, all das ist Teil dieses Ministeriums. Es ist ein Heimatministerium im besten Sinne des Wortes. Warum? Weil es das Ministerium ist, das für gleichwertige Lebensbedingungen in allen Landesteilen unseres Freistaats Thüringen Verantwortung zeichnet.
Wir haben ein Ministerium für Inneres und Kommunales, das für Sicherheit, Ordnung und den Rahmen für die kommunale Selbstverwaltung in allen unseren Landesteilen Verantwortung zeichnet. Wir haben einen Bildungsminister, der eine eindeutige Aussage getroffen hat. Natürlich wird völlig zu Recht kritisiert, dass sich über lange Jahre …
Insofern, meine Damen und Herren von der AfD, nur einmal still sein und einem Argument, was hier vorgetragen wird, auch lauschen! Der Bildungsminister hat völlig zu Recht hier dargestellt: Es hat lange Jahre einen kritisierten Rückzug des Staates aus der Fläche gegeben, der unter dem Begriff „Demografischer Wandel“ initiiert worden ist, der wirk
lich zum Angstbegriff geworden ist. Das hat noch zu Zeiten funktioniert, als es einen sogenannten Lehrer- und Lehrerinnenüberhang gab. Wir sind heute in einer Situation, wo wir Fachkräfte brauchen – im öffentlichen Dienst, in der Privatwirtschaft, insbesondere auch bei Lehrerinnen und Lehrern, weil wir mehr als 13.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben, die bis 2025 aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden werden. Aus diesem Grunde geht es auch darum, im ländlichen Raum kleine und Kleinstschulen in Organisationsformen zu bringen, in der keine kleine Schule im ländlichen Raum geschlossen wird. Das ist Heimatpolitik.
Es geht aber auch wieder darum, wenn sich das Infrastrukturministerium für einen thüringenweiten Verkehrsverbund einsetzt, dass 17 Landkreise und 6 kreisfreie Städte ihren Anteil dazu beitragen, dass über die Landkreisgrenze, über die Stadtgrenze hinaus geschaut wird und die Rahmenbedingungen von der kommunalen Selbstverwaltung geschaffen werden, damit wir tatsächlich einen thüringenweiten Verkehrsverbund haben, in dem die Menschen von Nordhausen bis nach Sonneberg mit einem Tarif durch unseren Freistaat fahren können und sich diesen Freistaat durch die Teilnahme an der öffentlichen Daseinsvorsorge, nämlich am öffentlichen Nahverkehr aneignen können.
Insofern, meine Damen und Herren, braucht es keine Heimatpolitik als ideologisches Brimborium, wie die AfD sie hier darstellt, sondern eine anständige Thüringenpolitik, wie diese rot-rot-grüne Landesregierung sie macht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport beantragt worden. Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und der Abgeordnete Gentele. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.
Es wurde Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien beantragt. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD.
Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU und der Abgeordnete Gentele. Damit ist auch diese Ausschussüberweisung abgelehnt und wir stimmen direkt über den Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/5390 ab. Herr Abgeordneter Möller?
Es ist namentliche Abstimmung beantragt und ich bitte die Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. Ich eröffne die Abstimmung.
Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um Auszählung.
Ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben. Es wurden 81 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 8, mit Nein 73 (namentliche Abstimmung siehe Anla- ge). Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/5390 abgelehnt.
Antisemitismus in Thüringen konsequent bekämpfen Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5415 dazu: Antisemitismus und politischem Extremismus jeglicher Couleur entgegentreten Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/5461
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen bis zur CDU-Fraktion, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream, „Antisemitismus in Thüringen konsequent bekämpfen“ ist ein gemeinsamer Antrag von der CDU, der Fraktion Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen und hat zum Ziel, in Thüringen, insbesondere hier im Thüringer Landtag, nicht nur ein klares Zeichen zu setzen, sondern konsequent gemeinsam zusammenzustehen, wenn es darum geht, sich gegen Antisemitismus einzusetzen.
„Wir ächten jede Form des Antisemitismus“ heißt es in dem Antrag, den wir hier jetzt gleich debattieren, der unter anderem auch zum Ziel hat, mit diversen Maßnahmen innerhalb der Sicherheitsbehörden, innerhalb des Bildungsbereichs, aber insbesondere auch mit einem Plädoyer und Aufruf an die Gesellschaft, an die Städte und Kommunen, an den ländlichen Raum in Thüringen gemeinsam dagegen zu stehen, sich gemeinsam gegen Antisemitismus in jeder Form einzusetzen. Zu diesen Formen des Antisemitismus gehören unter anderem auch Begrifflichkeiten wie „du Jude“ als Schimpfwort oder eben auch die Verwendung „Juden Jena“ in einer angeblich polizeilich so definierten Auseinandersetzung zwischen Fußballfans.
Ich will aus der Begründung des gemeinsamen Antrags zitieren: „Antisemitische Schmierereien im öffentlichen Raum, Verwüstungen jüdischer Friedhöfe, judenfeindliche Anfeindungen auf der Straße, Hetze in sozialen Medien – all das ist für jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch in Thüringen, schon wieder zur traurigen Realität geworden. Seit Jahren belegen der Thüringen-Monitor oder bundesweite Erhebungen, wie die ‚Mitte Studie‘: Antisemitische Einstellungen sind längst keine Randerscheinung mehr. Der letzte Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus des Bundes im Jahr 2017 offenbart, wie weit antisemitische Einstellungen und Verhaltensweisen in allen gesellschaftlichen Milieus greifen.“ Wir wollen dem etwas entgegensetzen. Wir wollen uns selbst gegen Antisemitismus in jeder Form stellen und insofern folgt der Antrag hier heute auch in Konsequenz dem gemeinsamen Verhalten von CDU, Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Und um an den letzten Satz noch einmal anzuschließen, wie weit antisemitische Einstellungen und Verhaltensweisen in allen gesellschaftlichen Milieus greifen: Ja, Antisemitismus zieht sich quer durch die gesamte Gesellschaft, von links bis rechts, von Menschen christlichen Glaubens über Menschen muslimischen Glaubens. Er ist überall auffindbar und die Frage ist: Sind wir bereit, uns dem zu stellen und uns dem entgegenzustellen, etwas entgegenzusetzen? Wir sagen ja und deswegen liegt heute hier der Antrag vor.