Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

qualitativ zu verbessern, die Tarifbindung der Thüringer Betriebe signifikant zu erhöhen und Mitbestimmung weiter flächendeckend zu verankern, so nützt uns auch die schönste Imagekampagne nichts.

(Beifall DIE LINKE)

Davon jetzt einmal abgesehen gibt es immer noch Hunderte Jugendliche, die den Einstieg in eine berufliche Ausbildung gar nicht erst schaffen. Auch wenn es vielleicht möglich sein sollte, einen Teil der jungen Menschen, die sich auf ein Studium orientieren, für den dualen Bereich zurückzugewinnen, so ist es aus Sicht der Koalitionsfraktionen dringlicher, besonders auf die Jugendlichen mit Problemlagen zu schauen und hier neuere und bessere Wege zu finden und umzusetzen.

Die Berufseinstiegsbegleitung zum Beispiel findet in Ihrem Antrag, liebe CDU, gar keine Erwähnung. Die Koalitionsfraktionen sehen aber auch hier Handlungsbedarf. Neben der Stärkung der Berufsvorbereitung und der Berufsorientierung an den Thüringer Schulen messen wir der Berufseinstiegsbegleitung, insbesondere für Schülerinnen mit Förderbedarf, eine besondere Bedeutung zu. Durch die verhaltene Ausbildungsbeteiligung vieler Betriebe wurden vorhandene Potenziale in der Vergangenheit nicht genutzt. Gleichzeitig stehen aber die Thüringer Unternehmen vor der Herausforderung, dem steigenden Fachkräftebedarf zu begegnen. Die Stärkung der praxisnahen und am Bedarf orientierten Berufsorientierung und die Einstiegsbegleitung ins Berufsleben sind dabei nur ein möglicher Weg, ungenutzte Potenziale zu aktivieren. Weitere Möglichkeiten wird Ihnen meine Kollegin Ina Leukefeld in ihrer nachfolgenden Rede näher erläutern.

Liebe Kolleginnen, liebe Zuhörerinnen, es ist augenscheinlich, dass viele Punkte des CDU-Antrags von rein ideologischen Motiven gesteuert sind. So will die CDU, dass in Schulen mehr für das Unternehmertum geworben wird. Aber das geht komplett an der Lebensrealität der Schülerinnen vorbei.

(Unruhe CDU)

Die Wenigsten werden später eine eigene Firma gründen. Vielmehr ist es doch wahrscheinlich, dass sie Arbeitnehmerinnen werden. Wir halten es deshalb für sinnvoller, dass sich junge Menschen vor Beginn ihrer Berufsausbildung intensiv und kritisch mit der Funktionsweise des vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystems auseinandersetzen.

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Irgendwer muss eure Wohltaten verdienen!)

Dazu gehören selbstverständlich auch Themen wie „Konfliktregelung in der Ausbildung“, „betriebliche Mitbestimmung“, „Gewerkschaften und Streikrecht“ sowie das Tarifvertragssystem. Diese Auffassung vertritt im Übrigen auch die GEW, die Gewerkschaft

Erziehung und Wissenschaft. In ihrer Stellungnahme zum CDU-Antrag hat die GEW den einseitigen Bezug des Antrags auf wirtschaftlich verwertbares Wissen kritisiert und unterstrichen, dass Schule einen allgemeinen persönlichkeitsbildenden Auftrag hat, der darüber weit hinausgeht. Die Gewerkschaft kritisierte ebenfalls den starken Bezug auf das Unternehmertum

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und wünschte sich in Anlehnung an die tatsächlichen Interessen der Schülerinnen, dass die Rolle und die Rechte von Arbeitnehmerinnen einen eben solchen Stellenwert einnehmen mögen.

Um es abschließend zusammenzufassen: Der vorliegende Antrag der CDU betrachtet Ausbildung und Arbeit lediglich aus Sicht der Unternehmerinnen. Dieser Ansatz wird aber weder zu einer Stärkung der dualen Ausbildung führen, noch das Image von Thüringen als Arbeits- und Wirtschaftsstandort nachhaltig verbessern.

(Beifall DIE LINKE)

Wir können die Qualität von Ausbildung und Arbeit nur verbessern, wenn wir alle Blickrichtungen einnehmen, und dazu gehört eben auch die Sicht der Auszubildenden und die Sicht der Arbeitnehmerinnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, aus den dargelegten Gründen werden die Koalitionsfraktionen daher dem Antrag der CDU nicht zustimmen. Ich plädiere dafür, den in meinen Augen weitreichenderen Antrag der Koalitionsfraktionen in Drucksache 6/5554 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit, den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zu überweisen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun Abgeordneter Bühl das Wort.

Ja, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Sehr gut!)

sehr geehrte Frau Präsidentin, nach dieser Rede, die wir gerade von Frau Engel gehört haben, fällt es einem schon echt schwer, darauf etwas zu sagen. Also bei so viel ideologiegetriebenem Postkommunismus, den wir hier von Ihnen gehört haben,

(Abg. Engel)

(Beifall CDU, AfD)

muss ich ehrlich sagen: Das ist kaum erträglich. Und wenn Sie hier behaupten,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: So ein Quatsch!)

unser Antrag wäre ideologiegetrieben, dann haben Sie ihn augenscheinlich nicht gelesen und dann haben Sie auch alle Zuschriften nicht gelesen, die Sie bekommen haben, und das ist echt traurig bei einem Antrag, der hier schon fast ein Jahr vorliegt. Da hätten Sie sich mal ein bisschen mehr Mühe geben sollen bei Ihrem Versuch, unseren Antrag abzulehnen.

(Beifall CDU)

Ich bin mir sicher, Sie werden ihn ablehnen und Ihren Antrag, den Sie vorgelegt haben, als den viel, viel besseren darstellen. Aber ganz ehrlich, eigentlich müsste es Ihnen schwerfallen und eigentlich ist es auch eine ziemliche Enttäuschung, wenn man betrachtet, welche Diskussion wir im Ausschuss zu führen versucht haben. Ich war ja hoffnungsfroh, dass wir dieses Herzensanliegen von mir, die duale Ausbildung zu stärken, an den Schulen voranbringen und vor allen Dingen auch den jungen Menschen die Möglichkeiten einer dualen Ausbildung bewusst machen. Da sind wir nämlich bei einem Punkt, dass wir die Möglichkeiten aufzeigen wollen, die es heute schon gibt. Ich hatte Hoffnung, als Sie das an den Ausschuss überwiesen haben, aber die Hoffnung hat sich relativ schnell erledigt, als Sie dann schon die mündliche Anhörung abgelehnt haben, bei der wir mit den Partnern direkt hätten in die Diskussion einsteigen können. Das war dann schon zu viel des Guten, das wollten Sie dann schon nicht mehr.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Weil man die Konfrontation mit der Wirklichkeit scheute!)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, das war eine herbe Enttäuschung.

Sie haben sich dann darauf beschränkt, eine schriftliche Anhörung zu machen. Und wenn Sie sich dann mal die schriftliche Anhörung zu Gemüte geführt hätten – und Kollege Tischner hat ja schon versucht, das hier gut zusammenzufassen –, dann hätten Sie auch schnell begreifen können, dass unser Antrag genau in die richtigen Kerben geschlagen hat.

(Beifall CDU)

Ich will noch mal kurz zusammenfassen, warum wir unseren Antrag hier schon vor fast einem Jahr eingereicht haben. Zum einen haben wir die hohen Übertrittsquoten an das Gymnasium, die kann keiner von uns bestreiten. Zum anderen haben wir jetzt schon das Problem – falls Sie mal in einem

Unternehmen vor Ort sein sollten – ich glaube, Frau Engel ist das eher weniger, aber alle anderen vielleicht schon –, dann werden Sie sehen, welcher Fachkräftebedarf dort herrscht und was in den nächsten Jahren in den Thüringer Unternehmen passieren wird. Und ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie das hier nicht zeitnah angehen – wir müssen es jetzt angehen –, dann haben wir in der Zukunft das Problem, dass für Ihre sozialen Wohltaten dort keiner mehr das Geld verdienen wird. Das ist das Problem. Wir müssen die Unternehmer vor Ort stärken, damit auch Wachstum entstehen kann, denn nur mit Wachstum werden wir es dann auch schaffen, dass der Staat seine soziale Sicherungsfunktion wahrnehmen kann. Das ist einfach mal ein Fakt.

(Beifall CDU)

Da hätte ich mir von Ihnen gewünscht, dass Sie da auch mal ein bisschen auf die Wirtschaft zugehen. Ihr Antrag ist das genaue Gegenteil. Ihr Antrag schlägt erst mal auf die Wirtschaft drauf und sagt im nächsten Schritt, okay, aber bezahlen müsst ihr es dann trotzdem. Das ist beim besten Willen nicht das Verständnis, was man haben sollte, wenn man gut gemeinsam zusammenarbeitet.

Dass die Berufsorientierung ein wichtiges Feld ist und dass wir da was tun müssen, das haben einhellig – und ich komme gleich noch mal auf die einzelnen Anzuhörenden – eigentlich alle Anzuhörenden gesagt, dass wir hier einen Handlungsbedarf haben, dass wir den hier entsprechend auch erkannt haben und zum Thema in diesem Landtag gemacht haben. Und dass wir frühzeitig Eltern mit ins Boot holen müssen, um ihnen überhaupt erst mal aufzuzeigen, dass das Abitur nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss und dass es zwischen den verschiedenen Schularten entsprechend Wechselmöglichkeiten gibt und man auch nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung dann mit Berufserfahrung ein Studium anschließen kann, dass wir diese Information an die Eltern tragen müssen, auch das wurde von keinem der Anzuhörenden bestritten, sondern wir wurden in unserem Antrag bestärkt. Wir hatten eine breite Anzuhörenden-Liste, leider mit nicht so viel Beteiligung, aber das hätten wir wahrscheinlich in einer mündlichen Anhörung besser leisten können. Viele haben sich wahrscheinlich einfach nicht ernst genommen genug gefühlt bei diesem wichtigen Thema. Daran ist auch wieder Rot-Rot-Grün schuld. Wir hätten das gern weiterdiskutiert. Aber ich bin froh über jeden einzelnen Anzuhörenden und über jede einzelne Stellungnahme, die dort abgegeben wurde. Wir haben Praktiker angehört, wir haben die Berufsschulen angehört, die Andreas-Gordon-Schule hat geantwortet, dass es ein grundsätzlich sinnvoller Antrag ist und dass man vor allen Dingen – und das zeigt auch wieder, dass wir richtig getroffen haben – das Unternehmertum stärken muss. Zu diesem

Punkt, den Sie hier ganz sträflich in Ihrem Antrag völlig außen vor lassen, haben Praktiker in der Schule gesagt, dass das öffentliche Ansehen von kleinen und mittelständischen Unternehmen gestärkt werden muss, damit man eben Lust hat, bei diesen kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Ausbildung anzufangen.

Das Azubi-Ticket wurde angesprochen, auch das ist ein Thema. Im Übrigen muss ich dann ehrlich sagen, wenn Sie sagen, dass unser Antrag viel zu kurz greift: Wir machen ja nicht einen Antrag zu diesem Thema, wir machen viele Anträge. Wir haben hier auch schon das Azubi-Ticket thematisiert.

(Beifall CDU)

Wir haben hier im Übrigen auch schon andere Themen für Wirtschaftsförderung thematisiert. Das bringen wir in verschiedenen Anträgen. Da brauchen wir nicht einen Antrag, den Sie hier verkürzt auf den Tisch legen, sondern wir beschäftigen uns tief greifend mit diesen Dingen. Deswegen regt es mich auf, wenn Sie hier behaupten, unser Antrag würde zu kurz greifen, weil nämlich jeder Anzuhörende das anders gesehen hat, mit Ausnahme vielleicht der GEW, die es ein bisschen, sagen wir mal, mit weniger Freude betrachtet hat. Aber okay, das ist halt so. Wenn die Mehrheit der Anzuhörenden es gut findet, dann, denke ich, haben wir gut getroffen.

(Beifall CDU)

Wenn ich dann weiterschaue, die IHK hat eindeutig gesagt: Die Forderung der CDU-Fraktion entspricht genau den Kampagnenvorhaben der IHK. Wir arbeiten also Hand in Hand mit der Wirtschaft, damit entsprechend dort auch junge Leute in die Unternehmen kommen und dort gut Geld verdienen. Sie reden ja fast so, als ob man hier – wenn ich Frau Engel gehört habe, das ärgert mich wirklich – in Thüringen als Auszubildender in einem Bergwerk arbeiten würde und dort von früh bis abends geschlagen wird und dann gebückt nach Hause tritt. Das geht doch an der Wirklichkeit vorbei,

(Beifall CDU)

wie sich Unternehmer in Thüringen heute anstrengen müssen, zu Recht anstrengen müssen, um Auszubildende zu finden. Sie verkennen das völlig. Sie reden das schlecht, was in Thüringer Unternehmen getan wird.

(Beifall CDU)

Und dann wundern Sie sich noch, wenn die Wirtschaft da keine Lust hat, bei Ihnen mitzumachen. Also das muss ich echt sagen, das ärgert mich, das ärgert mich zutiefst.

Und wenn ich dann weiterschaue: Der Gemeindeund Städtebund hat gesagt, grundsätzlich ist unser Antrag zu unterstützen. Das Schulamt Nordthüringen hat gesagt, die Bündelung von Einzelaktionen

zur Berufsorientierung ist sinnvoll. Der Philologenverband hat gesagt, homogene Beratungsqualität ist wünschenswert. Die Walter-Gropius-Schule, die wir auch angehört haben – ein weiterer Praktiker –, hat uns mitgegeben, wir sollen ein Berufsorientierungskonzept zwischen den weiterführenden Schulen, Kammern und der Agentur für Arbeit machen. Und genau das haben wir dann auch in einen Änderungsantrag übernommen, denn uns ist es schließlich wichtig, eine Anhörung durchzuführen und dann entsprechend auch Schlüsse aus dieser Anhörung zu ziehen. Deswegen haben wir auch Änderungen übernommen.

Eine Datenbank von Firmen zu erstellen, die dann entsprechend auch in den Schulen genutzt werden kann, damit man Praktika vermitteln kann – auch das ist ein wichtiger Hinweis. Ich hatte heute – schade, dass sie jetzt nicht mehr da sind – eine Klasse aus einer Regelschule da, und da ist es gerade so, dass Praktika eben so mal frei Schnauze gesucht werden, das ist halt so. Wenn man aber eine Strategie dahinter hat, wie man Praktika vergibt, wie man junge Leute auch darauf aufmerksam macht, was es in der Wirtschaft oder im öffentlichen Bereich – das schließt sich ja gar nicht aus – alles gibt, dass man eine Strategie dahinter hat, dann ist es viel sinnvoller als das, was aktuell passiert.