Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

zialberufe in Thüringen aufgeführt. Hier geben mehr als die Hälfte der befragten Betriebe an, dass sie von einer Erhöhung ihres Mitarbeiterstandes in den nächsten fünf Jahren ausgehen. Zudem zeigt sich auch hier, dass diese Branche auch jetzt schon Rekrutierungsschwierigkeiten hat, insbesondere bei Pflegefachkräften wie Altenpflegerinnen und auch Gesundheits- und Krankheitspflegerinnen. Meine Kollegin Birgit Pelke hat das heute auch schon bei der Debatte um die Einführung eines verbindlichen Personalschlüssels für die Pflege deutlich gemacht. Da ist deutlich geworden, dass auch dieses Thema noch nicht abgeschlossen ist, sondern dass das im Ausschuss noch mal eine Rolle spielen muss.

Ein anderer Bereich, den die Studie aufzeigt, ist der Bereich der Digitalisierung. Die Studie zeigt nämlich, dass zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und insbesondere bei der Veränderung der Arbeitswelt der Aspekt der Digitalisierung eine große Rolle spielt und sie auf einer Seite ein enormes Potenzial bietet. Das sagt die Mehrheit der Thüringer Unternehmen. Fast 70 Prozent sagen, dass das perspektivisch für sie eine große Rolle spielen wird. Aus Sicht der Beschäftigten kann das natürlich Chancen, aber auch Risiken mit sich bringen. Unsere Aufgabe als Politik muss es doch sein, diese Risiken zu minimieren, indem wir die Entwicklung von Kompetenzen zur sozialen Gestaltung der Digitalisierung unterstützen und dadurch einer Entgrenzung von Arbeitszeiten und Arbeitsverdichtungen entgegenwirken, ebenso wie in dem Bereich die Rolle der Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eine große Rolle spielt.

Jetzt entsteht für uns als Parlament aus all diesen Bedarfen in ganz unterschiedlichen Bereichen ein Handlungsbedarf. Daraus ergibt sich auch ein Mix an unterschiedlichen Maßnahmen, der auch noch mal zeigt, warum der Antrag der CDU schlicht und ergreifend nicht weitgehend genug ist. Wir brauchen zum einen eine Verbesserung der Berufsorientierung. Junge Menschen müssen ausreichend über die Berufe informiert sein, die sie annehmen können. Es gibt in Deutschland inzwischen 327 anerkannte Ausbildungsberufe. Ich muss jungen Menschen die Möglichkeit geben, zu wissen, was diese Ausbildungsberufe sind, aber ebenso müssen sie ein realistisches Bild von dem Beruf und auch von den Arbeitsbedingungen haben.

Wir müssen die duale Ausbildung stärken. Da ist ein ganz zentraler Punkt, die Ausbildung attraktiv zu gestalten. Die kürzliche Berichterstattung über die hohen Abbrecherquoten in einigen Bereichen der Ausbildung hat gezeigt, wie entscheidend dieses Thema ist und wie wichtig die Frage der Ausbildungsbedingungen tatsächlich ist. Das hat jetzt den einen mehr und den anderen weniger überrascht. Aber die Frage der Ausbildung ist nun mal zentral dafür, junge Menschen perspektivisch in Thüringen halten zu können.

Wir brauchen außerdem Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Menschen, die erwerbslos sind, die geringe Qualifikationen haben, auch für Menschen, die sich beruflich noch mal verändern wollen. Gerade in der Pflege spielt auch das eine große Rolle. Dann ist es aber so, dass das, was für die Ausbildung gilt, natürlich auch für die Beschäftigungsverhältnisse gilt; das heißt, gute Arbeit ist für die Sicherung von Fachkräften entscheidend und dabei spielen gute Löhne und Mitbestimmung immer eine besondere Rolle. Wie wir zum Beispiel Tarifverträge stärken wollen, diskutieren wir für den Bereich der Altenpflege hier in dieser Legislatur als Koalitionsfraktionen schon sehr lange. Wir sagen, die Einführung eines allgemein verbindlichen Branchentarifvertrags für die Altenpflege wäre ein erster richtiger Schritt, um die Attraktivität dieses Berufs zu verbessern.

Mir ist besonders wichtig, dass wir betriebliche Lösungen entwickeln und dabei aber neben einer qualifizierten Beratung für Unternehmerinnen und Unternehmer auch eine qualifizierte Beratung von Betriebs- und Personalräten ermöglichen. Das ist in dem Kontext ein für mich sehr wichtiger Punkt.

Wir müssen darüber hinaus auch über die Frage diskutieren, wie wir verstärkt mit Zuwanderung aus dem In- und Ausland umgehen wollen, wie wir Menschen nach Thüringen holen, um sie zum Beispiel davon zu überzeugen, dass eine Ausbildung oder auch ein Studium in Thüringen attraktiv ist und es perspektivisch genauso attraktiv ist, hierzubleiben. Bei all diesen Aufgaben kann die Landespolitik unterstützend tätig sein.

Ich freue mich in diesem Sinne auf eine umfassende Beratung im Ausschuss, damit wir dort konkrete Lösungen für diese Probleme erarbeiten können und damit auch Ansätze für einen guten Arbeitsund Wirtschaftsstandort in Thüringen voranbringen, und bitte in diesem Sinne um die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeit als federführenden Ausschuss sowie an die Ausschüsse für Wirtschaft und Wissenschaft und für Bildung, Jugend und Sport. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Rietschel das Wort.

Sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, gegenüber dem Jahr 2005 hat sich die Anzahl der Auszubildenden im Freistaat Thüringen im Jahr 2016 mit circa 25.000 fast exakt halbiert. Auf der Angebotsseite müssen wir feststellen,

(Abg. Lehmann)

dass die Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2017 circa 5.000 unbesetzte Berufsausbildungsstellen in unserem Bundesland auswies. Vor diesem Hintergrund hat die Unionspartei einen Antrag vorgelegt, welcher neben berechtigten Forderungen – ich weise auf die Punkte 1 bis 3 hin – bei genauerer Überprüfung einige aus unserer Sicht untaugliche Maßnahmen zur Steigerung der betrieblichen Ausbildungszahlen und Stärkungen des Unternehmertums in Thüringen darstellt.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, Ihnen zunächst einige der Forderungen aus diesem Antrag in Erinnerung rufen. So soll zum Beispiel gemäß Punkt 3 des Antrags der Unterricht in den allgemeinbildenden Schulen mit berufspraktischen Komponenten angereichert werden. Im Ansatz ist dies natürlich lobenswert. Aber solange in weiten Kreisen der Elternschaft der gymnasiale Wahn – ich apostrophiere – unabhängig von Sozial- und Bildungsstand der Eltern eine Studienberechtigungsquote von circa 50 Prozent besteht, hat diese Forderung besonders bei Gymnasiasten, denen sowieso – ich apostrophiere wieder – Höheres vorschwebt, geringe Chancen auf Erfolg.

Nach Punkt 5 sollen die Eltern der Schüler mit Imagekampagnen für die duale Ausbildung beworben werden. Dies geschieht ja von der Industrie und auch vom Handwerk. Aber die Attraktivität handwerklicher und technischer Berufe hat in den letzten Jahren stark abgenommen.

(Beifall AfD)

Solange Eltern unabhängig vom Sozial- oder Bildungsstand die Hochschulreife als erstrebenswerten Abschluss ansehen – Quote circa 50 Prozent, ich erwähnte es schon – und ein Abitur mit Note 3 oder 4 für gut befunden wird, kann hier mit Appellen an die Elternschaft unserer Meinung nach nicht viel erreicht werden.

(Beifall AfD)

Heutige Eltern müssten eigentlich aus ihrer Vergangenheit – denn so alt können sie ja noch nicht sein – die Wertschätzung handwerklicher und technischer Berufe noch kennen.

Etwas spezieller wird gemäß Punkt 7 in diesem Antrag beabsichtigt, Unternehmensplanspiele in den Lehrplan einzuführen, als Punkt 8 das Bild des Unternehmers im Sinne der Konzeption des – apostrophiert – ehrbaren Kaufmanns hervorzuheben und darüber hinaus gehend in Punkt 9 nach bayerischem Vorbild ein sogenanntes Unternehmergymnasium als Pilotprojekt in Thüringen einzurichten.

Dies alles mag sich auf den ersten Blick innovativ anhören, offenbart jedoch bei genauer Betrachtung ein vordergründiges, den ökonomistisch-neoliberalen – ich sage es mal so – Zeitgeist huldigendes Verständnis, der Aufgabe der Institution Schule in

ihrer allgemeinbildenden Ausrichtung nicht zu entsprechen. Diese besitzt nämlich nicht nur die Aufgabe, als sogenannte verlängerte Werkbank die Interessen der Wirtschaft zu befördern, sondern hat den Schüler in qualifizierter Weise sämtliche Möglichkeiten aufzuzeigen, welche geeignet sind, als reife Persönlichkeiten die entsprechende Berufswahl in ihrer gesamten Bandbreite treffen zu können.

(Beifall AfD)

Es ist im Sinne einer umfassenden Persönlichkeitsbildung, auch solchen Unterricht wieder anzubieten, der auf den Erwerb praktischer Fähig- und Fertigkeiten abzielt. Hier wäre an den Schulen zum Beispiel an erster Stelle der fachpädagogisch begleitete Werkunterricht zu nennen. Dort durchläuft der Schüler den gesamten Prozess von der Zusammenstellung der benötigten Rohstoffe und Materialien etc. über deren Bearbeitung bis zum fertigen Produkt Einblicke in die Produktion bzw. in das Handwerk oder die Industrie. Auf diesem Wege wird vom Schüler durch den hohen Grad der Handlungsorientierung des Werkunterrichts mehr Einsicht in die Praxis betrieblicher Tätigkeitsfelder erworben als durch die Realisierung der in dem hierzu vorhandenen Antrag formulierten, stark theorielastigen und hinsichtlich ihrer mutmaßlichen Wirkung wenig effektiven Vorschläge. Bevor man über Lehrpläne mit Unternehmensplanspielen nachdenkt, sollte man über den Werdegang zum Unternehmer nachdenken. Der beginnt mit einer Berufsausbildung und über den Meisterbrief oder ein abgeschlossenes Hochschulstudium, egal ob FH oder Universität. In Ihrem Antrag wird dabei aus unserer Sicht der zweite oder dritte Schritt vor dem ersten gemacht.

Lassen Sie es mich ganz direkt formulieren: Zum engagierten und erfolgreichen Handwerker und Unternehmer wird man sicherlich nicht durch das alleinige Studium von Schulbüchern, der von Werbeagenturen konzipierten bunten Broschüren oder zeitlich begrenzten Schnupperkursen – ich sage es mal so – bei Beobachtungen in einem Betrieb, sondern primär durch die Ergebnisse, welche eine Schulausbildung geliefert hat, die sich gleichermaßen sowohl dem Erwerb theoretischen als auch praktischen Wissens sowie Fertigkeiten in beiden Bereichen widmet.

(Beifall AfD)

Diese Art von Schule ist in unserem Land jedoch nur mehr in ihren letzten Zügen zu beobachten. Für die Zerstörung der Hauptschule, die noch vor wenigen Jahren qualifizierten Nachwuchs für handwerkliche Berufe lieferte, tragen die bisher regierenden Parteien die alleinige Verantwortung. Dies gilt ebenso für die Entwertung der Realschule und den Niedergang des Gymnasiums, deren Abschlüsse heute in der Regel keine Gewähr mehr dafür bie

ten, zum Beispiel einen qualifizierten kaufmännischen Ausbildungsabschluss oder einen akademischen Grad erreichen zu können. Eine Studienberechtigungsquote von 50 Prozent 2014 in Thüringen sowie aktuelle studentische Abbrecherquoten von bis zu 50 Prozent im Bachelorstudiengang Mathematik an deutschen Universitäten legen hier ein beredtes Zeugnis ab. Die Abbrecherquote junger Auszubildender von circa 26 Prozent spricht deutlich für eine verfehlte Bildungspolitik.

(Beifall AfD)

Zugleich sollten nach unserer Ansicht die Hürden bei Leistungseinschätzungen an Schulen und Universitäten erheblich erhöht werden.

Liebe Kollegen von der CDU, lesen Sie bitte aufmerksam das Positionspapier und die Rede des Präsidenten des Thüringer Handwerkstags vom 21.02.2018 – ich weiß, Ihr Antrag ist aus dem Jahr 2017. In dieser Empfehlung sind alle Forderungen an die Politik zum dualen System und zur Erleichterung für das Handwerk dargelegt. Umfassender geht es nicht. Lassen Sie uns gemeinsam an der Umsetzung der dort gestellten Forderungen arbeiten.

(Beifall AfD)

Zum Antrag in der Drucksache 6/5554 von der Regierungskoalition: Vor dem Hintergrund der vorhergehenden Ausführungen wird der Antrag der Regierungsparteien, deren Vorschlag, einen konstatierten (branchenspezifischen) Fachkräftemangel im Freistaat zu beheben, in ein etwas fahles Licht getaucht. Diejenigen, welche maßgeblich für den desolaten Zustand im deutschen Bildungssystem verantwortlich sind, der als Teilursache des beobachteten Fachkräftemangels hier angeführt werden muss, schicken sich andererseits an, dem herbeigeführten Mangelzustand durch Auflistung rhetorischer Nebelkerzen Abhilfe schaffen zu wollen. Es ist hierbei nicht lohnenswert, an dieser Stelle die Details des Antrags zu kommentieren und auszuführen, schon deshalb, weil dieser bemerkenswerte inhaltliche Überschneidungen – man merke auf – zum bereits behandelten Antrag der Union aufweist. Diese inhaltliche Ähnlichkeit kann aus unserer Sicht als weiterer Indikator dafür angesehen werden, dass wir es in diesem Hohen Hause mit einer Parteienkonstellation zu tun haben, welche durch Nuancierungen in ihren Antragstexten – ungeachtet natürlich, das will ich nicht verhehlen – manche positiven Ansätze programmatischer Vielfalt vorgaukeln möchte. Lassen Sie mich hier noch einmal ganz kurz unmissverständlich formulieren in der Hoffnung, dass steter Tropfen auch den Beton in den Köpfen der Vertreter der Regierungsparteien auszuhöhlen vermag:

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Wenn Beton einmal getrocknet ist, bringt Wasser nicht viel!)

Ein Fachkräftemangel wird effektiv dadurch behoben, dass erst die Schulen in den Stand zurückversetzt werden, qualifizierte Bewerber für duale Ausbildungsgänge zur Verfügung zu stellen sowie eine allgemeine Studierbefähigung für die Minderheit derjenigen Schüler bereitzustellen.

(Beifall AfD)

So sind nämlich die Verhältnisse früher gewesen und so sollten sie auch wieder sein. Das ist hinsichtlich einer Studienberechtigungsquote von circa 50 Prozent nicht zu erwarten.

Zum Zweiten kann dem konstatierten Fachkräftemangel seitens der Regierungsparteien dadurch effektiv begegnet werden, dass durch längst überfällige Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie – Stichwort „neue Datenschutzgesetze bzw. Steuererleichterungen“ – die Thüringer Betriebe dazu befähigt werden, die zu erwartenden höheren Personalkosten bei der Einstellung geeigneter Bewerber aus der Region oder aus anderen Bundesländern betriebswirtschaftlich auffangen zu können, denn das ist das Problem.

(Beifall AfD)

Ich verweise nochmals auf das Positionspapier des Thüringer Handwerkstags vom 21. Februar, womit Sie eigentlich genügend Zeit gehabt hätten, diese Forderung 1 in Ihren Antrag einzuarbeiten. Es kann nicht sein, dass nur wenige prosperierende Unternehmen – die gibt es in Thüringen – in der Lage sind, zum Lehrlingsentgelt zusätzliche Prämien zu zahlen.

Jetzt kommen wir zum Finanziellen: Die zur Realisierung dieser Maßnahmen nötigen Finanzmittel könnten aus unserer Sicht zumindest in Teilen freigesetzt werden, indem die Landesregierung kontraproduktive Maßnahmen wie Inklusion, Erzeugung von Klassenverbänden mit hoher Migrantenquote, das Programm „Schule für alle“, das Konzept „Sprengelschule“ usw. zurücknimmt bzw. gar nicht erst ergreift.

(Beifall AfD)

Der dringende Appell meiner Partei an die Vertreter der Union sowie der Regierungsparteien in diesem Hohen Haus lautet daher: Machen Sie Politik für die Thüringer Bürger, welche Sie alle – mich inbegriffen – finanzieren, und verabschieden Sie sich endlich von ideologiegetränkten und wissenschaftlich nicht gestützten Projekten im schulischen sowie unternehmerischen Bereich. Unsere thüringischen Schüler und Unternehmer werden es Ihnen sicherlich zu danken wissen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Leukefeld, Fraktion Die Linke, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema „Fachkräfte“ ist in aller Munde. Wir haben ja heute schon in mehreren Stunden unter verschiedenen Ansätzen darüber diskutiert und wir werden das auch in Zukunft weiter tun. Insofern will ich mal sagen: Herr Bühl, der Frust ist aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt, wenn wir gemeinsam, und zwar in sehr komplexer Form, über die Zukunft von Thüringen, die Zukunft von Arbeit in Thüringen, von Wirtschaft in Thüringen und die Zukunft von Fachkräften in Thüringen reden und dort unsere Strategie vervollkommnen, denn der Kampf um die Köpfe, nicht nur in Thüringen, sondern in der Bundesrepublik, in Europa, ja, man kann sagen weltweit, ist eigentlich schon länger entbrannt.

Es ist gut, dass die Studie vom Zentrum für Sozialforschung in Halle vorliegt. Es ist auch nicht die erste Studie für Thüringen. Wir können aber daraus entnehmen, dass es erstens derzeit so viele Arbeitsplätze und sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gibt, wie es sie in Thüringen noch nie gegeben hat, nämlich über 800.000. Fast 40 Prozent der Beschäftigten sind älter als 50 Jahre. Daraus ergibt sich natürlich die Frage des Ersatzes und auch die Frage, welche Arbeitsplätze in Zukunft notwendig sind, auch entsprechend besetzt zu werden. Also in der Summe – das ist hier schon gesagt worden – brauchen wir 344.000 Menschen/Fachkräfte, in der letzten Studie waren das nur 280.000. Darüber kann man auch mal nachdenken.

Ich fand die Analyse des Bildungsstands des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials interessant, weil das nämlich auch etwas aussagt: Wir haben 74 Prozent Facharbeiter, wir haben 13 Prozent Akademiker und nur 6 Prozent ohne Berufsabschluss. Ob das immer passend ist, ist dann eine andere Frage, aber das ist unser vorhandenes Potenzial und wir stehen natürlich auch nicht bei null. Verschiedene Akteure, natürlich auch mit verschiedenen Interessen, stellen sich den Herausforderungen; wir stehen da nicht bei null, aber wir müssen es komplexer machen. Insofern ist das, was in dem Antrag der CDU steht und in der Anhörung entstanden ist, nicht sozusagen in den Papierkorb zu schmeißen, sondern wird für die weitere Debatte, die hoffentlich auch in die Gesellschaft und zu den Akteuren hineinstrahlt, weiterhin eine Rolle spielen.

Ich will nur mal sagen – das wissen auch alle –, dass wir eine Thüringer Allianz für Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung haben, wo die Akteure

schon zusammenarbeiten und wo es im Grunde genommen um drei wesentliche Dinge geht. Die erste Frage ist: Wie erschließen wir das vorhandene Arbeitskräftepotenzial besser? Zweitens: Wie erreichen wir durch gute Berufsorientierung, gute Berufsausbildung und dann auch Qualifizierung und Weiterbildung größere Effekte? Drittens geht es um die Frage der Standortfaktoren, vor allem der weichen Standortfaktoren, um Arbeit und Leben besser zu vereinbaren. Richtig ist auch, in einer Arbeitswelt, die von Automatisierung und zunehmender Digitalisierung und Roboterisierung geprägt ist, geht es letztendlich nicht nur um den Einsatz von Technik und Wissenschaft, sondern es geht vor allen Dingen um den Menschen als Hauptakteur. Da fällt mir in dem Zusammenhang das Zitat ein: „Der Mensch tritt neben den Produktionsprozess, statt sein Hauptagent zu sein.“ Das stammt von Karl Marx, dessen 200. Geburtstag wir am 5. Mai, also in wenigen Tagen, feiern.

(Beifall DIE LINKE)