Schade finde ich auch, dass in Ihrem Alternativantrag Rahmenbedingungen aufgelistet werden, die Sie als Grundlage für einen dann verbindlichen Pflegepersonalschlüssel für nötig halten, Sie aber den wesentlichen Aspekt, dass es gerade in diesem Berufsbereich um die Frage der Entlohnung geht, überhaupt nicht aufgenommen haben. Es steht kein Wort in Ihrem Alternativantrag drin, dass es gerade im Bereich der Pflege eine gute, eine ausreichende Entlohnung braucht. Das wissen Sie. Es war nicht nur die Frage der Demografie und die Frage der Attraktivität und der Rahmenbedingungen, nein, insbesondere die Entlohnung und die Arbeitszeiten. Nun mag das vielleicht auch damit zu tun haben, dass die CDU eigentlich immer schon gerade hier in Thüringen Niedriglöhne als Standortvorteil gesehen hat. Vielleicht haben Sie deshalb den Bereich der Entlohnung ausgelassen.
Aber wie falsch diese Einschätzung gewesen ist, das zeigt sich mittlerweile und das zeigt sich insbesondere bei den Pflegeberufen.
Lieber Kollege Mohring, wenn Ihr es ernst gemeint hättet, dann hättet Ihr mit uns im Sozialausschuss
vernünftig diskutiert, hättet Änderungsanträge vorgelegt und dann hätte man sie mit aufnehmen können.
Zum Antrag selbst: Das gesamte Thema „Mangel in der Pflege, Pflegenotstand in Deutschland“, die öffentliche Diskussion zu diesem Thema, was den Bereich angeht, wie wir in dieser Gesellschaft gut mit unseren Alten und Kranken umgehen, ist aktuell nicht zu überhören. Herr Zippel hat auch noch mal ganz deutlich darauf hingewiesen. Ja, es stimmt, endlich diskutieren wir bundesweit über die Hilferufe aus der Pflege, denn es braucht eben mehr Personal und es braucht auch mehr Zeit für die Menschen, die zu pflegen sind.
Trotz alledem will ich an dieser Stelle sagen – weil oftmals so eine Negativdiskussion an den Tag gelegt wird, das reicht nicht und das klappt nicht mehr und es sind ganz, ganz viele Probleme. Herr Zippel hat darauf hingewiesen, dass auch schon einige Einrichtungen sagen mussten: Aufnahmestopp, es geht im Moment nicht, wir haben das Fachkräftepotenzial nicht mehr vorhanden. Aber trotzdem will ich an dieser Stelle einmal ganz deutlich ein Riesendankeschön an alle Menschen sagen, die im Krankenhaus arbeiten, die in der ambulanten, stationären Pflege arbeiten, die alles das, was zu leisten ist, tagtäglich trotz allerschwerster Bedingungen leisten. Sie leisten insgesamt Großartiges.
Das machen die bis an die Stelle, wo es eigentlich gar nicht mehr weitergeht und vielleicht ist deshalb auch vielfach nicht wahrgenommen worden, was es schon für Probleme gibt, denn es geht um Arbeit am Menschen und für den Menschen, und dafür setzen sich die Beschäftigten dort ein.
Ich hatte es schon erwähnt – wir, die Fraktionen Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, haben vor einem Jahr den Antrag Pflegepersonalschlüssel eingebracht und wir haben sehr intensiv darüber diskutiert. Ich erwähnte schon, dass die öffentliche Aufmerksamkeit und die politische Diskussion in den letzten Jahren intensiver geworden sind. Natürlich, weil es Fachkräftemangel gibt, aber auch weil die Menschen, die in diesen Berufen tätig sind, mittlerweile selbst den Mut und die Kraft haben, sich öffentlich zu positionieren. Es vergeht kaum eine Diskussion in den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten oder auch an anderer Stelle, wo nicht das Thema „Pflege und Situation in der Pflege“ im Fokus steht.
Deswegen freue ich mich auch, dass wir heute diesen Antrag auf den Tisch legen können und dass wir ihn – so hoffe ich doch – heute beschließen. Es haben sich an der Anhörung sehr viele beteiligt, die
Spitzenverbände, freie Träger, die Gewerkschaften und, und, und. Deswegen war das, was wir im Rahmen der schriftlichen Anhörung an Zuschriften bekommen haben, eine Grundlage, Handlungsbedarfe nicht nur zu sehen, sondern den Handlungsbedarf umzusetzen. Nun kann man auch lange darüber philosophieren, dass man sagt, der Arbeitsmarkt ist leergefegt, wir haben die Leute nicht. Aber das ist im Prinzip die falsche Denke. Wir müssen jetzt handeln und wir müssen verbindliche Vorgaben machen, wir müssen verbindliche Regelungen, an denen man sich orientieren kann, politisch auf den Tisch legen. Darauf zu warten, dass sich etwas entwickelt, das, glaube ich, kann nicht unsere Aufgabe sein.
Und wenn Sie das gewollt hätten – so ähnlich haben Sie ja auch bei der Novellierung des Kita-Gesetzes argumentiert, als wir den Personalschlüssel angehoben haben. Sie haben immer wieder nachgefragt, ja, wir haben gar nicht genug zusätzliches Personal – aber das Wesentliche ist doch, dass die Grundlagen und damit auch die Arbeitsbedingungen verbessert werden,
dass es richtige und konkrete Vorgaben gibt und dass wir den Beruf insgesamt so attraktiv gestalten. Ich sage das grundsätzlich für alle Berufe, die mit, für und am Menschen arbeiten, dass wir die Grundlagen vorgeben und die Entlohnung stärken.
Durch Personalvorgaben in der Pflege wollen wir für bessere Arbeitsbedingungen sorgen und wir haben Ihnen dazu unseren entsprechenden Antrag auf den Tisch gelegt.
Vielleicht noch einiges an Zahlen und Fakten. Sie alle im Hause und insbesondere diejenigen, die im Sozialausschuss mitarbeiten und mitdiskutieren, wissen, dass die längere Lebenserwartung, der ganze demografische Aspekt zu einer steigenden Zahl der Pflegebedürftigen in Thüringen führt. In Thüringen lebten 2005 circa 67.000 Pflegebedürftige, 2015 waren es schon etwa 27.000 mehr und für 2030 werden über 100.000 Pflegebedürftige in Thüringen prognostiziert. Das ist dann noch einmal eine Steigerung um mehr als 20 Prozent. Das wird – ich hatte es erwähnt – zu einem zusätzlichen Fachkräftebedarf in Thüringen führen. Bis zu 8.000 zusätzliche Fachkräfte werden wir bis 2030 brauchen. Deswegen müssen wir uns auch um die Thematik der Altenpflegerinnen und Altenpfleger in Thüringen bemühen und wir müssen uns um mehr bemühen. Das ist selbstverständlich.
Genau deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir die Abfolge zur Einführung eines verbindlichen Pflegeschlüssels so gewählt, wie wir ihn jetzt auf den Tisch gelegt haben. Die Entwicklung eines bundesweit wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs ist der richtige Weg. Allerdings ist damit frühestens ab dem Jahr 2020, eher später, zu rechnen und damit greift das alles in der Praxis viel zu spät.
Deswegen haben wir gesagt, wir brauchen schnellstmöglich einen verbindlichen Schlüssel, weil wir und alle, die an der Diskussion beteiligt waren, auch wissen, dass sonst insbesondere diejenigen, die sich möglicherweise für eine Arbeit in der Pflege entscheiden, dann abwandern, naheliegend in den Krankenhausbereich, wo die Situation noch – ich sage: noch – nicht ganz so brenzlig ist. Das Personal wandert entweder in andere Bereiche oder in andere Bundesländer ab. Wir appellieren hier in unserem Antrag an Träger und Pflegekassen, einen Personalschlüssel einzuführen, der sich zumindest an den Richtwerten anderer Bundesländer orientiert.
Wir wollen hier in Thüringen im Dialog mit den Pflegeanbietern, den Gewerkschaften, den Akteuren des Pflegepakts Arbeitsinhalte neu definieren, um berufliche Wege in die Pflegeeinrichtungen zu vereinfachen. Auch das haben wir im Antrag eingebracht.
Dann kommt es darauf an, ob wir uns bewusst sind und ob wir wollen, dass mit der Einführung eines verbindlichen Schlüssels auch eine Einkommenssteigerung verbunden sein wird und verbunden sein muss.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. Die damit verbundenen Kostensteigerungen dürfen zukünftig nicht allein durch die zu Pflegenden und die Angehörigen getragen werden.
Das hat selbst die große Koalition auf Bundesebene gesagt. Im Bund hat die Koalition einen Freibetrag von 100.000 Euro für Angehörige vereinbart. Deswegen müssen wir auch bundesweit über eine Weiterentwicklung und bessere Finanzausstattung der Pflegeversicherung diskutieren. Das haben wir in unserem Antrag unter Punkt 5 auch erwähnt. Wir wollen, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine Weiterentwicklung und bessere Finanzausstattung der Pflegeversicherung mit den Zielen der Stärkung der Pflege, der besseren Betreuung und sorgenden Zuwendung, der Fachkräf
tesicherung sowie der Kostenentlastung der Betroffenen, der Angehörigen und der Sozialhilfeträger einsetzt.
Ich glaube, das ist eine Forderung, der widersprechen Sie auch nicht. Im Übrigen hat selbst der neue Bundesgesundheitsminister, Herr Spahn, schon darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht verbindliche Pflegeschlüssel notwendig sind. Ich glaube nicht, dass Sie ihm widersprechen wollen.
Noch mal einiges zum Alternativantrag. Ich habe schon gesagt, dass ich über die Zeitabläufe sehr verwundert bin, dass Ihr Antrag aus meiner Sicht Ursache und Wirkung irgendwie ganz anders definiert, als wir das sehen. Wir sagen, das Fehlen des Pflegepersonals ist eine Folge fehlender Regelungen. Deswegen haben wir gesagt, der Gesetzgeber muss handeln. Wir können auch nicht immer nur auf die Bundesebene gucken, sondern wir müssen auch da, wo wir Verantwortung tragen, nämlich hier in Thüringen, unsere Hausaufgaben machen.
Deswegen haben wir für uns in Anspruch genommen, dass wir diesen Teufelskreis durchbrechen wollen. Fachkräftemangel begegnen heißt, Arbeitsbedingungen verbessern. Das haben wir in diesen Antrag aufgenommen. Im Übrigen hat sich dazu mittlerweile auch der Bundesrat schon mehrheitlich positioniert.
Wir brauchen attraktive, gute Arbeitsbedingungen, wir müssen über Arbeitszeiten reden, wir müssen über die Personalausstattung insgesamt reden und wir müssen natürlich über eine gute Entlohnung reden, denn aus meiner Sicht ist der Fachkräftebedarf ein Argument für und nicht gegen eine gesetzliche Personalbemessung.
Jetzt hatte ich leider nicht mehr die Gelegenheit, noch einen Fakt zu überprüfen, weil ich dankenswerterweise auch mal als Erste reden durfte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Herr Zippel hatte darauf hingewiesen, dass wir einen Punkt nicht eingebunden haben. Das ist der Punkt 6 aus dem Alternativantrag der CDU – wenn ich das gerade mal zitieren darf. Ihr Punkt 6 heißt: „das Potenzial ausländischer Fachkräfte aus EUund Drittstaaten zu nutzen und die Fachkräftegewinnung von Altenpflegefachkräften aus dem Ausland zu optimieren und bestehende Hürden abzubauen. Dabei müssen insbesondere a) die Verfahrensdauer der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse durch das Landesverwaltungsamt verkürzt werden; b) das geforderte Sprachniveau anzuerkennender Altenpfleger zunächst auf B1 herabgesetzt werden (vergleiche Beispiele Bayern oder Hessen), um dann mit Fördermöglichkeiten inner
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da Sie – ja, da können Sie ruhig klatschen – leider Gottes das nicht im Sozialausschuss einbringen konnten, aus welchen Gründen auch immer, würde ich jetzt gerne – und ich konnte es auch nur ganz schnell mit den Fraktionen absprechen – diesen Punkt 6, allerdings nur verbunden mit dem Punkt a, das heißt die Verkürzung der Anerkennungsverfahren, in unseren Antrag mit übernehmen wollen. Ich weiß jetzt nicht, wie das nach Geschäftsordnung möglich ist, aber diesen Punkt würden wir gerne mit aufnehmen. Den zweiten Punkt, das Sprachniveau abzusenken, halte ich für einen Punkt, über den man reden müsste. Ich sage Ihnen auch warum. Das konnte ich mit meinem Kollegen Dr. Hartung vorhin auch noch mal ganz kurz diskutieren. Die Frage des sprachlichen Niveaus, das heißt Verständigung untereinander und miteinander, sowohl bei den Beschäftigen, ihrer Leitung als auch mit den zu Pflegenden, ist eigentlich ein wesentlicher Punkt, das muss ich Ihnen nicht erläutern, gerade bei älteren Herrschaften, wo ich Schwierigkeiten sehe.
Deswegen würde ich Ihnen den Vorschlag machen, dass wir den Punkt inklusive des Abschnitts unter a übernehmen. Ansonsten würde ich Sie dann alle, auch Sie von der CDU, bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Internet, das Thema der vorliegenden Anträge ist ja ein chronisches und zugleich ein täglich akutes Problem für diejenigen, die in der Pflege arbeiten und die auf Pflege angewiesen sind. Der Personalmangel in der Thüringer Pflegebranche ist den politisch verantwortlichen Akteuren allerdings schon lange bekannt.
Am 7. November 2012 wurde der Thüringer Pflegepakt mit dem Ziel unterzeichnet, eine qualitativ hochwertige Pflegeversorgung im Freistaat Thüringen bedarfsgerecht zu sichern, die Aus-, Fort- und
Weiterbildung sowie die Rahmen- und Beschäftigungsbedingungen in der Altenpflege, speziell die Vergütungen der Pflegeleistungen und die Entlohnung der Mitarbeiter, zu verbessern.
Angesichts der großen und wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen in Thüringen ist damit eine notwendige Zielsetzung formuliert. Unter dem Eindruck des akuten Fachkräftemangels in Thüringer Pflegeheimen und einer alternden Gesellschaft frage ich an dieser Stelle im Sinne einer Zwischenbilanz nach den konkreten Ergebnissen des Thüringer Pflegepakts. Diese können jedoch nicht so großartig ausfallen, sonst würden wir uns heute hier nicht zum wiederholten Male darüber austauschen müssen.