Protokoll der Sitzung vom 27.04.2018

gibt, durch Ihr Gesetz organisieren, glauben Sie dann ernsthafterweise, dass unsere Hochschulen dann noch wettbewerbsfähig sind, die geeigneten Wissenschaftler hier zu gewinnen? Natürlich nicht, weil die schon längst irgendwo anders einen Ruf erfahren haben, bevor überhaupt in Thüringen die Einladung ergangen ist. Das kann doch wohl nicht unser Ernst sein. Damit gefährden Sie ernsthafterweise die wissenschaftliche Qualität hier vor Ort.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich zu dem zweiten Prüfungsmaßstab der Exzellenzinitiative kommen, die Frage der Hochschulautonomie; ich habe es Ihnen bei der ersten Lesung auch schon gesagt. In dem Maße, wie Sie zwei Dinge mit dem Hochschulrat machen, gefährden Sie absolut die Balance in unserer hochschulautonomen Entwicklung: Das Erste ist, Sie entsenden zwanghaft einen Vertreter des Ministeriums in den Hochschulrat. Das begründen Sie angeblich mit Rückkopplungsprozessen. Aber das zeugt davon, wie wenig Vertrauen Sie eigentlich in die autonomen Entscheidungsprozesse in unseren Hochschulen haben. Tatsächlich haben sich unsere Hochschulen doch exzellent entwickelt. Jetzt machen Sie Folgendes: Jetzt senden Sie „Horch und Guck“ in den Hochschulrat, obwohl der Hochschulrat als ein Beratungs- und Strategiegremium vorgesehen ist, wie wir unsere jeweiligen Thüringer Hochschulen entwickeln wollen. Ihnen haben mehrere Experten in den Anhörungen gesagt, dass das nicht funktionieren wird, dass es dort dann den offenen Dialog, der bisher gepflegt worden ist, nicht mehr geben wird. Sie haben trotzdem daran festgehalten. Das zeigt, dass Ihnen wirklich das Vertrauen in die handlungsleitenden Leute in den Hochschulen abhanden gekommen ist. Das finde ich – offen gestanden – schwierig, weil Sie noch eine zweite Sache produzieren. Das wird am Ende dazu führen, dass unsere Hochschulräte komplett entwertet werden. Sie bürden ihnen nämlich die Aufgabe auf, den kaufmännischen Jahresabschluss zu prüfen. Es passiert Folgendes: Sie als Ehrenamtler sitzen in einem Hochschulrat, sollen den kaufmännischen Jahresabschluss eines mehrere Millionen schweren Unternehmens prüfen, und wenn Sie dann was nicht richtig gefunden haben, dann haften Sie am Ende auch noch als Ehrenamtler dafür. Und weil Sie die D&O-Versicherungen nicht zugelassen haben, wird das am Ende dazu führen, dass Sie nicht mehr die geeigneten Leute finden, die sagen: Ist doch super, ich habe eigentlich nichts zu entscheiden, aber ich darf prüfen, was er falsch gemacht hat, und wenn ich meine Prüfung nicht ordentlich mache – wozu ich übrigens kein Personal habe, also muss ich es selbst machen –, wenn ich was falsch mache, hafte ich auch noch vollumfänglich dafür. Das ist toll, oder? Also dafür in unseren Hochschulräten noch geeignete Leute zu finden, die nur ansatzweise dafür Sorge tragen, dass wir

gut aufgestellt sind, ich glaube, es versteht sich von selbst, dass das nicht der Fall sein wird.

Dann gibt es in dem Bereich der Autonomie noch einen dritten Punkt, den ich herausstreichen will, denn die Frage der Anwesenheitspflicht in den Seminaren, die man jetzt endlich mal zeitgemäß gestaltet habe, wird hier so gefeiert. Nennen Sie mich sentimental, aber dass ein Seminar, in dem die Studenten immer noch zusammenkommen, um gemeinsam über wissenschaftliche Konzepte zu sprechen, noch weiterhin Maßstab eines internationalen Wissenschaftsaustauschs sein wird, darüber sollten wir uns bitte schön einig sein. Das wird für die Zukunft sogar noch wichtiger werden, weil in dem Maße, wie selbst angeleitetes Lernen wie Online-Learning bei den Studenten stattfinden wird, es immer noch einen Platz braucht, wo sie sich gemeinsam mit dem Professor und mit den Studenten austauschen können. Wenn Sie jetzt aber sagen, der Student kann selbst entscheiden, ob er an einem Seminar teilnimmt oder nicht, dann rauben Sie der Hochschule zumindest in den Geisteswissenschaften einen ganz wesentlichen Platz, wo sich Argumente gegenseitig bewähren müssen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das ist massiv der falsche Weg. Wenn Sie die Anwesenheitspflicht in den Seminaren abschaffen, dann ist das ungefähr so, als wenn Sie dem Lehrling in der dualen Ausbildung sagen: Du musst gar nicht mehr kommen, es ist einfach gut, dass du da bist, du wirst sowieso bezahlt, alles schön. Das wird nicht funktionieren.

(Beifall CDU)

Wir brauchen inhaltlichen Austausch und deswegen brauchen wir auch Anwesenheitspflicht in den Seminaren.

Nun komme ich zum dritten und letzten Punkt, dem Eingriff in den Forschungsbereich. Die Zivilklausel haben wir hier schon häufig diskutiert, Sie haben sie quasi noch verschärft. Ich will nur noch mal für Klarheit sorgen, die Experten haben es Ihnen auch in den Anhörungen gesagt. Die Zivilklausel, die Sie im Gesetz haben, führt letztlich dazu, dass wesentliche Fragestellungen, angefangen von DNA-Analytik, Biologie, Chemie, Physik, IT, wo immer in Rede stehen könnte, dass dafür auch eine militärische Nutzung möglich ist, also sogenannte Dual-Use, dass das in Thüringen kaum noch Unterstützung findet und vielleicht sogar stigmatisiert wird. Und das produziert Ihr Änderungsantrag, den Sie vorgelegt haben. Ich will Ihnen das mal zitieren, weil sich auch hierzu Experten geäußert haben, ich zitiere das CHE: „In der Realität führt […] zu einer verpflichtenden Selbstverpflichtung, die militärisch nutzbare Forschung ausschließt; die vorgelegte Gesetzesformulierung nimmt damit das Ergebnis der doch eigentlich noch zu erfolgenden Entscheidungsfindung der Hochschulen bereits vorweg und verhindert so eine tatsächliche Selbstbestimmung

in Form einer autonom erarbeiteten Positionierung.“ Das sagt ein Experte – das Centrum für Hochschulentwicklung ist ein anerkannter Thinktank, wenn es um die Frage von zukünftigen Hochschulentwicklungen geht –, die sagen Ihnen, dass die Zivilklausel am Ende dazu beiträgt, dass in Thüringen wesentliche Forschung nicht gewährt wird. Erinnern Sie sich nur daran: Erfindungen wie das Internet oder GPS, die heute alle zivil genutzt werden, sind allemal in solchen Kontexten entstanden. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Sie schneiden nicht nur in der Hochschulautonomie und in der Anwesenheitspflicht von Seminaren wesentliche Fragestellungen von der Lehre ab, sondern Sie sorgen auch noch auf der Seite der Forschung dafür, dass der Thüringer Forschungsraum wesentlich unattraktiver für internationale Forschung wird. All das zusammengenommen führt uns als Fraktion dazu, dass wir Ihren Gesetzentwurf intensiv gelesen und bewertet haben.

Ich könnte noch weitere Fragen nennen wie die Erhöhung der Kostenstrukturen in den Hochschulen, weil letztlich das, was Sie an Prüfungsfähigkeit mit dem Attest für Studenten genannt haben, was Sie an Diversitätsbeauftragten genannt haben, alles Kosten sind, bei denen Sie zwar angeben, dass Sie keine zusätzlichen produzieren würden, was aber tatsächlich nur dazu führt, dass die Hochschulen mehr Geld für solche Fragestellungen ausgeben müssen, ohne dass sie ihnen vom Landesgesetzgeber rückerstattet werden. Das zeigt mir, dass Sie am Ende keine Übersicht darüber haben, was Ihr Gesetzentwurf alles an Stellschrauben in unserem wohl austarierten Hochschulraum verändert.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass all die Stellungnahmen, die ich gelesen habe, und auch diejenigen, die Unterstützung für bestimmte Bereiche Ihres Hochschulgesetzes gezeigt haben, nur auf einen Punkt fokussiert waren, auf diese simple Frage: Wie können wir eigentlich Hochschulen demokratisieren? Ich kann Ihnen eines sagen: Da kann man über verschiedene Aspekte reden. Aber ist das die zentrale Fragestellung, die der Thüringer Hochschulraum zu beantworten hat? Da kann ich Ihnen sagen: Nein!

(Zwischenruf Abg. Schaft, DIE LINKE: Doch!)

Nein, das ist nicht die zentrale Fragestellung gewesen. Die Fragestellung ist: Haben wir ein Gesetz, was Governance-Strukturen in Klarheit erhält? Die Fragestellung ist: Haben wir ein Gesetz, was Hochschulautonomie befördert, damit die Hochschulen selbstverantwortlich entscheiden können, wie sie sich selber positionieren?

(Beifall CDU)

Haben wir ein Gesetz, mit dem Forschung nicht eingeschränkt wird, sondern ermöglicht wird? Haben wir ein Gesetz, mit dem Lehre gestärkt und

nicht geschwächt wird? All das sind Fragestellungen, die Sie hätten adressieren können. Tatsächlich legen Sie ein Gesetz vor, was mehr Bürokratie, mehr Kosten, mehr Chaos produziert, die Wettbewerbsfähigkeit reduziert und dafür Sorge trägt, dass ein Gesetzentwurf, den Sie erst verteidigt haben, mit 56 Änderungsanträgen auf 27 Seiten aufgepeppt werden muss, damit er ansatzweise satisfaktionsfähig ist. Und das ist das, worüber wir heute hier reden. Ich kann Ihnen sagen, wir haben deswegen als CDU-Fraktion sehr behutsam einen Gegenentwurf vorgelegt, weil wir wollten, dass wir einem Maßstab gerecht werden.

Das führt zu meiner Ausgangsfrage zurück: Was ist eigentlich die Aufgabe von uns als Landesgesetzgeber? Unsere Aufgabe ist es, den Rahmen dafür zu spannen, dass 50.000 Studenten und 6.000 Wissenschaftler im Freistaat einfach sehr, sehr gut arbeiten, forschen und wirken können.

(Beifall CDU)

Und wenn dieser Maßstab gilt, dann kann ich Ihnen sagen: Ihr Gesetzentwurf wird im Vergleich zu allen nationalen und internationalen Fragestellungen an ein Hochschulgesetz nicht gerecht. Deswegen lehnen wir ihn ab und deswegen haben wir Ihnen auch genügend Möglichkeiten gegeben. Ich kann es heute nur noch mal sagen: Wir bieten Ihnen an, lassen Sie uns noch mal zurück über „Los“ gehen, weil das viel besser ist als das, was Sie hier abliefern. Sie schwächen unseren Hochschulraum und Sie stärken ihn nicht. Das finde ich sträflich. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Schaft das Wort.

Werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, die ja noch mal gewechselt haben nach der Einbringung! Herr Voigt, wir hatten gedacht, da kommen ein paar neue Argumente. Wir hatten gerade hinten in der letzten Reihe so ein bisschen das Gefühl, es ist dieselbe Rede wie eine der letzten zum Thema, noch mal hervorgeholt.

Ich will zum Anfang noch mal etwas sagen, weil Sie jetzt wieder gesagt haben, die Frage der Demokratisierung wäre nicht eine der zentralen Aufgaben, die wir im Hochschulbereich angehen müssen. Wenn Sie auf allen Hochschuldialogforen dabei gewesen wären, dann hätten Sie in dem Themenfeld eins, wo es um die Frage der Mitbestimmung und der Selbstbestimmung an den Hochschulen ging, gesehen, dass statusübergreifend auch durch Professorinnen und Professoren gesagt wurde: Es

besteht ein dringender Handlungsbedarf über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Medizinischen Hochschule Hannover hinaus, endlich wieder mehr Mitbestimmung und Mitwirkung für die Senate und für alle Statusgruppen zu erwirken. – Das hätten Sie gehört, wenn Sie bei allen Dialogforen dabei gewesen wären.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann will ich noch mal was sagen, weil es mich tatsächlich sehr aufregt. Das ständige Definieren von Expertinnen und Experten aus Sicht der CDU, die da bei aller wichtigen Arbeit, die sie leisten, aus den zehn Rektoren und noch einem neoliberalen Thinktank-Ableger der Bertelsmann Stiftung bestehen, CHE, das negiert, dass auch 50.000 Studierende und Tausende Beschäftigte an den Hochschulen durchaus aus ihrem Alltag heraus Erfahrungen haben, einen Wissensschatz haben, der wertvoll für die Gestaltung der Thüringer Hochschul- und Wissenschaftslandschaft ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dann noch ein anderer Punkt. Sie haben gerade gesagt, wir würden „Horch und Guck“ in die Hochschulräte schicken. Ich finde es schon ein bisschen – ich sage es mal so deutlich – hart, wenn hier mit dieser Formulierung dargestellt wird, dass eine kollegiale Zusammenarbeit und der Versuch einer engeren Abstimmung zwischen Land und Hochschulen hier gleichgesetzt wird mit Stasi-Methoden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt will ich Stück für Stück vielleicht auch noch mal im Rahmen meiner Rede ein paar Dinge abarbeiten, die Sie genannt haben. Ich nenne da nur die Frage der Zivilklausel und beispielsweise auch die Haftungsfrage. Ich will aber vorher, damit es nicht untergeht, auch noch mal deutlich machen, dass es eben nicht so ist, dass wir jetzt hier gesagt haben: Wir legen jetzt 27 Seiten Änderungsanträge vor, weil uns der erste Gesetzentwurf oder der Gesetzentwurf der Landesregierung nicht gefallen hat. Keinesfalls! Denn der im September 2017 vorgelegte Entwurf der Landesregierung hat sehr wohl einige Punkte, die ich an der Stelle gern noch mal – damit es nicht in Vergessenheit gerät – stichwortartig benennen will, die wir durchaus sehr begrüßenswert finden. Das ist die Frage, wie künftig die Wahl und Abwahl von Präsidiumsmitgliedern über die Hochschulversammlung stattfindet, das ist die Frage, wie Studienkommissionen arbeiten. Auch da noch mal, weil Sie gerade gesagt haben, dass dann über die Hälfte der Mitglieder in der Studienkommission – ich sage es mal so zugespitzt – de facto keine Ahnung hätten, über was sie da reden. Da bin ich

(Abg. Prof. Dr. Voigt)

noch mal bei dem Punkt von vorhin. Wer denn, wenn nicht neben den Lehrenden mit ihrem großen Wissens- und Erfahrungsschatz die Studierenden, die nicht umsonst beispielsweise in Akkreditierungsverfahren mit drinsitzen und angehört werden sollen, in den Studiengangskommissionen mit der Expertise auch darüber mitreden können, ob Studiengänge, so wie sie gestaltet sind, so wie Inhalte gestaltet sind, so wie Modulkataloge gestaltet sind, sinnvoll sind oder ob es dort einen Verbesserungsbedarf gibt? Auch das will ich gern noch mal deutlich machen, dass hier den Studierenden eine besondere Bedeutung zukommt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen begrüßen wir auch diese Änderung.

Der andere Punkt ist die Verankerung der Familie, die gleichstellungspolitischen und inklusionspolitischen Instrumente für alle, nämlich nicht nur für Mitarbeiterinnen, für Studierende, sondern über die ganze Hochschule hinaus.

Wir haben eine Promovierendenvertretung etabliert, damit auch endlich die Promovierenden in ihrer Vielfalt tatsächlich eine Stimme an der Hochschule erhalten. Wir haben – Eleonore Mühlbauer hat es schon gesagt – die Fachhochschulen gestärkt, indem wir gesagt haben: Durch das kooperative Promotionsverfahren sollen zukünftig Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler gestärkt werden, werden die Gleichstellungsbeauftragten gestärkt in ihrer Frage, welche Teilhaberechte haben sie, welche Freistellungsmöglichkeiten haben sie. Wir haben auch gesagt: Hochschulen sind vielfältig. Wir stehen zu dieser Vielfalt. Aber dafür ist es auch notwendig, Ressourcen bereitzustellen. Deswegen, so hat die Landesregierung gesagt, wird es Diversitätsbeauftragte an den Thüringer Hochschulen geben. Auch das ist nicht zu unterschätzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum habe ich gerade die Punkte genannt? Das waren Punkte, die in der Anhörung am 18. Januar auf eine breite Zustimmung gestoßen sind, beispielsweise bei der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, bei den Studierenden und, und, und. Es ist nicht nur so, wie Sie es jetzt schon wieder dargestellt haben. Klar, wir hatten einen Überhang von den zehn Rektoren, die, ich glaube, die ersten drei, vier, fünf Stunden ihre Stellungnahmen – natürlich berechtigt – abgegeben haben. Aber sich darauf zu fokussieren, wie es hier auch die CDU gemacht hat, und dann nach drei Stellungnahmen eine Pressemitteilung rauszuschicken, man wäre jetzt schon an dem Punkt angelangt, dass man die Anhörung bewerten könnte, das

missachtet die Vielfalt und Breite der Hochschulen und der Anzuhörenden und der Stimmen, die es zu diesem Gesetz gibt.

Was wir mit den Änderungsanträgen gemacht haben, ist: Wir nehmen die Anregungen in der Breite auf. Es ist ein sehr umfänglicher Gesetzentwurf, man muss ihn sich mal anschauen, die Landesregierung hat nicht nur ein paar Paragrafen geändert. Es ist de facto ein neues Hochschulgesetz, im ganzen Umfang wie er bei den Dialogprozessen deutlich geworden ist, auf den Tisch gelegt worden. Da ist es natürlich auch notwendig, dass bei einem so großen Gesetz viele Änderungen aus Anregungen resultieren, weil wir gesagt haben, wir nehmen die Anzuhörenden ernst, und zwar alle. Denn das ist nämlich das,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was uns von der Opposition unterscheidet, von Ihnen von der CDU, dass wir eine ernstzunehmende, konstruktive Sachpolitik machen und uns nicht nur auf einzelne Blickwinkel auch zu den Hochschulen reduzieren lassen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da will ich jetzt gern noch mal deutlich machen, was wir auch mit den Änderungsanträgen gemacht haben. Der erste Punkt ist – ich will es noch mal sagen, weil man es nicht oft genug sagen kann –: Wir demokratisieren die Hochschulen. Vielleicht noch mal ganz konkret: Wir brechen mit der Einführung der paritätischen Besetzung bei den Hochschulgremien ganz bewusst mit der scheinbar unantastbaren Professorinnenmehrheit. Warum? Weil Hochschulen im 21. Jahrhundert mehr sind als die Hochschulen aus den 70er-Jahren mit dem dazu resultierenden Bundesverfassungsgerichtsurteil.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn einen Großteil der Forschung und Wissenschaft tragen nicht nur die Professorinnen und Professoren, sondern viele wissenschaftliche Mitarbeiterinnen. Und auch Studierende werden doch auch immer früher in ihrem Studium mit praktischer Forschungsarbeit – völlig zu Recht und auch sinnvollerweise –, mit Forschung konfrontiert. Da kann man doch durchaus mal die Frage stellen: Wer ist denn eigentlich in der modernen Hochschule und Wissenschaftslandschaft noch der Grundrechtsträger der Wissenschaftsfreiheiten. Das sind aus unserer Sicht nicht nur die Professorinnen und Professoren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen machen wir mit der neuen Gremienbesetzung ganz bewusst einen Schritt im Sinne der

Demokratisierung, damit alle Mitglieder auf Augenhöhe eingebunden werden und mitentscheiden können. Weil es auch so ein bisschen durchgeklungen ist, will ich es an der Stelle auch noch mal gern sagen – ein Satz, den ich gern sage, aber mit der Wiederholung prägt er sich vielleicht ein –: Hochschulautonomie bedeutet aus unserer Sicht nicht, dass er gleichzusetzen ist mit dem Begriff der Leitungsautokratie.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um den Bedenken – und da sind wir bei der Frage, in welcher Vielfalt wir Änderungsanregungen aufgenommen haben – Rechnung zu tragen, dass durch die paritätische Besetzung und durch die Frage, wann wird wie entschieden, unklar ist, über welche Sachen nun in der paritätischen Besetzung oder welche mit der Professorinnenmehrheit entschieden werden, haben wir uns dafür entschieden, den Positivkatalog einzuführen. Und ich will es noch mal sagen: Eine Bürokratisierung von Entscheidungsprozessen gab es vor dem Gesetz und kann es natürlich auch nach dem Gesetz geben. Aber es ist doch so: Wir geben die Rahmenbedingungen an die Hand. Am Ende ist es Sache der Hochschulleitungen, aber auch aller anderen Statusgruppen, sich gemeinsam auf Augenhöhe gegenseitig mitzunehmen und dann dadurch Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Das ist nämlich der wichtige Punkt: dass am Ende auch ein Entscheidungsprozess in der Frage, wie lange er dauert, davon abhängig ist, wie frühzeitig und transparent alle Gruppen mitgenommen werden – und da nehme ich jetzt keine Gruppe aus der Verantwortung.