Protokoll der Sitzung vom 27.04.2018

Auch die Vorstellung, man könne Demokratie anhand mechanisch, paritätisch besetzter Gremien festmachen, ist als falsch zurückzuweisen. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern: Wenn wir uns als AfD für eine Stärkung der direkten Demokratie aussprechen, dann werfen Sie uns nicht selten vor, dass es eine Gefahr für den Rechtsstaat sei, komplexe Fragen auf simple JaNein-Abstimmungen zu reduzieren und jedem schlecht informiertem Bürger gleiches Stimmrecht zu geben wie vermeintlich besser qualifizierten Polit-Profis. Nun, hier wollen Sie Studenten, die in Zeiten von Bachelor und Master vielleicht nur sechs und manche nur vier Semester an den Hochschulen verbringen, die gleiche Urteilskraft geben wie Wissenschaftlern mit einer 20- oder sogar 30-jährigen beruflichen Erfahrung. Wir fragen uns: Wie passt das zusammen?

(Beifall AfD)

Von der Entartung, anders kann ich es jetzt nicht begrifflich belegen, des Hochschulsenats zu einer Art Legislativorgan, wo knappe Mehrheitsentscheidungen eher die Regel als die Ausnahme sein dürften, möchte ich jetzt hier mal ganz absehen.

Viertens und einstweilen letztens lehnen wir den Gesetzentwurf wegen der Pseudoautonomisierung der Hochschulen ab. Vor circa einem Jahr erklärte Minister Tiefensee – ich zitiere mit ihrer Zustimmung, Frau Präsidentin –: „Mit dem neuen Thüringer Hochschulgesetz wollen wir Mitbestimmung und Autonomie weiter ausbauen und die Arbeits-, Lehr- und Forschungsbedingungen an den Hochschulen gezielt verbessern.“ Sie wollen also, sehr geehrter Minister Tiefensee, durch die Einsetzung eines mit Stimmrecht ausgestatteten Vertreters Ihres Ministeriums als Vollmitglied der Hochschulräte die Autonomie stärken? Das ist doch wohl ein Witz.

(Beifall AfD)

Diese typisch zentralistische Vorstellung rot-rot-grüner Ideologen bedeutet mitnichten nur eine Einbeziehung des Ministeriums in grundlegende strategische Entwicklungsplanungen der Hochschulen, wie es der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, und auch diese wäre schlicht und generell fehl am Platze, wie es das Centrum für Hochschulentwicklung treffend in seiner Stellungnahme zu den Änderungsanträgen formuliert. Nein, meine Damen und Herren, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, hierbei handelt es sich um nichts anderes als um die Instal

lierung eines Politkommissars in der administrativen Hochschulsteuerung.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, wenn mit Ausnahme der zahlreichen Unzulänglichkeiten dieses Gesetzentwurfs im Rahmen der Anhörungen, der vielen Gespräche und Diskussionen über die Novelle des Hochschulgesetzes eines klar wurde, dann die Tatsache, dass das bisherige Thüringer Hochschulgesetz nach wie vor eine überregionale Anerkennung genießt, weil es den Geist des Miteinander und den Geist einvernehmlicher Lösungen in den Hochschulen in besonderem Maße und in hervorragender Art und Weise gefördert hat.

(Beifall AfD)

Wir haben im Anhörungsverfahren beeindruckende und leidenschaftliche Appelle an die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen gehört, von dieser Reform doch noch abzusehen. In Zeiten, in denen unsere Hochschullandschaft vor ganz anderen Herausforderungen steht, wird hier eine ideologisch motivierte Umkrempelung des Thüringer Hochschulwesens ohne Not vorgenommen, eine Reform, mit der unsere Hochschulen wahrscheinlich noch sehr viele Jahre zu kämpfen haben werden.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, es zeigt sich einmal mehr, dass Rot-Rot-Grün jeglichen Bezug zur Realität verloren hat, und es bleibt am Ende zu hoffen, dass unsere Hochschulen sich mit der Umsetzung dieser Reform Zeit lassen; genug Zeit, bis eine neue Landesregierung, hoffentlich unter Beteiligung der AfD, diese Reform dann wieder kassieren wird. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordnete Henfling das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, ich finde es zutiefst langweilig, Herr Höcke, was Sie hier gemacht haben, ich glaube, ein paar sind auch hier gerade kurz weggeknickt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Gesetz, sondern es ist nur Phrasendrescherei, die Sie gemacht haben. Ich glaube, was wir hier nicht machen müssen, ist, uns von Pseudodemokraten erklären zu lassen, wie Demokratisierung

von Hochschulen funktioniert und was für Hochschulen wichtig wäre.

(Beifall DIE LINKE)

Faszinierend finde ich allerdings die Brücke, die CDU und AfD hier schlagen. Umso wichtiger wäre es wahrscheinlich, tatsächlich mit Blick auf die nächste Legislatur hart dafür zu kämpfen, dass Sie hier definitiv keine Verantwortung übernehmen dürfen. Vor allen Dingen, dass Sie sich hierhinstellen und sich aufspielen in einem Land, in dem es übrigens beste Bürgerbeteiligungsgesetze in ganz Deutschland gibt, deswegen ist eigentlich auch an dieser Stelle schon widerlegt, dass wir hier pseudodemokratisch vorgehen. Ich glaube, wir haben uns sehr genau Gedanken darüber gemacht und wir haben auch im Prozess sehr genau hingehört, was die Leute gesagt haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Borniertheit“ darf man nicht sagen, aber das wäre leider das Treffendste an dieser Geschichte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Herrn Gemmeke als Politkommissar – egal,

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Wir mussten kurz lachen!)

wir mussten kurz lachen, aber das ist eine andere Geschichte.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Kollege Christian Schaft ist dankenswerterweise schon auf die Sachen, die Mario Voigt hier noch mal vonseiten der CDU angebracht hat, tiefgreifend eingegangen. Es ist auch nicht das erste Mal, das sind auch keine neuen Vorwürfe und Kritikpunkte gewesen, von daher lassen Sie mich noch mal ein bisschen was Allgemeines zu dem Hochschulgesetz sagen.

Ich glaube, wir haben heute hier eine gute und eine, wie ich finde, fast schon historische Chance, Thüringen als zukunftsfähigen Hochschulstandort auszubauen, in einer Zeit, in der Machtstrukturen im Wissenschaftsbetrieb zu Recht nachhaltig infrage gestellt werden. Erst kürzlich konnte man im „SPIEGEL“ unter dem Artikel „Machtmissbrauch an Hochschulen“ vom 20. April lesen, dort hieß es, dass viele Wissenschaftlerinnen – das Gendern hat der „SPIEGEL“ nicht gemacht, das machen nur wir – in Deutschland unter veralteten Strukturen leiden. Ein ähnlicher Tenor wurde uns auch in den Beteiligungsprozessen entgegengebracht. An Thüringer Hochschulen herrscht eben kein konsensualer Geist, das ist die Erfahrung, die wir haben, sondern ein Machtgefälle wie an vielen deutschen Hochschulen, und man braucht schon sehr viel Chuzpe, um die Hochschulen in Thüringen als Konsens

(Abg. Höcke)

hochschulen zu bezeichnen, wie es teilweise auch in den Anhörungen passiert ist. Allein dieser Titel ist ein Schlag ins Gesicht aller Gruppen, die am bestehenden Gesetz Kritik geäußert und Änderungsbedarf angemeldet haben. Damit meinen wir eben alle Gruppen und nicht nur die hier immer wieder hoch und runter zitierten Gruppen, die sicherlich aufgrund ihres Status an den Hochschulen eine gewisse Privilegierung genießen, aber die eben nicht alle Gruppen repräsentieren. Das wurde uns in den Dialogforen, in den Werkstattgesprächen und auch in den Anhörungen mitgegeben und das kann man nicht einfach wegignorieren. Gerade darum ist es wichtig, nicht nur auf die zu hören, die am lautesten sind, sondern alle Beteiligten gleichwertig einzubeziehen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das wurde in der Vergangenheit aus unserer Sicht nicht genügend getan und auch beim jetzigen Prozess scheinen einige zwischen Anzuhörenden erster und zweiter Klasse zu unterscheiden, auch das hat mein Kollege Schaft schon angesprochen. Die Pressemitteilung der CDU ignoriert einen Großteil der Anzuhörenden. Direkt während die Anhörung noch lief, hat sie quasi schon entschieden, wo sie steht. Respekt gegenüber Anzuhörenden und Respekt gegenüber verschiedenen Statusgruppen sieht aus meiner Sicht anders aus. Das finde ich wirklich kritikwürdig, ich finde, das ist auch keine gute Oppositionsarbeit.

(Beifall SPD)

Um der breiten Kritik am deutschen und auch am Thüringer Wissenschaftssystem gerecht zu werden, braucht es eine grundlegende Reform und genau diese gehen wir heute mit dieser Novelle mutig an. Herr Voigt, ich kann Ihnen versichern, wir werden heute nicht anfangen, Angst vor unserer eigenen Courage zu haben, und mit Ihnen noch mal neu bzw. von vorne anfangen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der bereits erwähnte Artikel aus dem „SPIEGEL“ benennt einige Probleme relativ deutlich, die wir auch in Thüringen kennen. Deutsche Hochschulen sind stark hierarchisch organisiert. Im Gegensatz beispielsweise zu den Departmentstrukturen wie etwa an skandinavischen Hochschulen oder auch an amerikanischen setzen wir immer noch auf die Allmacht der Lehrstühle. Verbindliche Regeln für eine gleichwertige Arbeit an den Instituten werden als wünschenswert erachtet, genauso wie eine Stärkung und Ausweitung der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten. Dies wird ebenso vom Wissenschaftsrat geteilt. Der Artikel im „SPIEGEL“ kommt zu dem Schluss, dass sich das System nicht von sich heraus ändert, das hat auch schon Trotzki ge

sagt, ich zitiere: Womöglich bedürfe es auch entsprechender politischer Vorgaben.

Das ist die große Chance, die wir hier haben. Sie liegt schon lange vor uns, wurde bisher aber aus unserer Sicht nicht ergriffen. Wir haben sie ergriffen und das Ergebnis kann sich aus unserer Sicht sehen lassen. Von der Stärkung der GovernanceStrukturen wie den Befugnissen des Senats, stärkere Einbeziehung der Beteiligten durch paritätische Gremien und Studiengangkommissionen über Grundsätze Guter Arbeit, die Stellung der Lehrbeauftragten bis zur geforderten Ausweitung von Gleichstellungs- und Diversitätsfragen haben wir das Hochschulgesetz auf breiter Ebene zukunftsfähig gemacht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solch eine grundlegende und notwendige Reform kann man eben nicht mit ein paar Änderungen einzelner Paragrafen im alten Gesetz vollziehen. Wenn sie nicht mehr tragen, müssen sie gegebenenfalls geändert werden. Das nennt man „Demokratie“ und das haben wir hier getan. Damit sprechen wir keinen Generalverdacht gegen eine einzelne Beteiligungsgruppe aus oder stempeln alle vorherigen Zustände als unhaltbar ab. Wir haben zusammen mit den Beteiligten den Ist-Zustand analysiert und gemeinsam Veränderungen erarbeitet. Unhaltbar war hier aus unserer Sicht nur eins, nämlich das Agieren der CDU. Das könnte man fast als Grundtenor für Ihre Oppositionsarbeit festhalten. Vielleicht nutzen Sie die nächste Legislatur, um Ihre Oppositionsarbeit zu verbessern. Wir werden darauf zurückkommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Oh, oh, oh! Wer weiß, ob ihr da noch hier seid!)

Ach, Frau Tasch, um mich mache ich mir keine Sorgen, eher darum, was die CDU für Entscheidungen trifft, blau-schwarze Koalition – Nachtigall, ick hör dir trapsen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ihr könnt froh sein, wenn ihr hier in der nächsten Le- gislatur noch sitzt!)

Noch mal, Frau Tasch: Mir geht es nicht um mich. Mir ist es relativ egal, ob ich hier in der nächsten Legislatur noch sitze, in der Opposition oder in der Koalition. Es geht hier nicht um einzelne Personen, sondern es geht darum, wie Sie sich als CDU in Thüringen entscheiden werden. Auf diese Probe werden Sie nächstes Jahr gestellt werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie was? Meine Prognose wird sein, dass das Kuschelverhältnis mit der AfD viel zu hoch sein wird.

(Unruhe CDU)

Frau Abgeordnete Henfling hat das Wort und alle anderen hören ihr bitte zu.