Protokoll der Sitzung vom 20.06.2018

(Abg. Herrgott)

Königsteiner Schlüssel hätten sie 2,7 Prozent „erreichen müssen“, tatsächlich betrug der Anteil 2,69 Prozent, also liegt auch Sachsen-Anhalt in dem Bereich nach der Statistik mit 0,08 Prozent „im Minus“. Jetzt sage ich Ihnen die Zahlen von Thüringen, ohne an dieser Stelle noch mal zu betonen, dass ich weiterhin ganz klar zu dem Punkt der freiwilligen Ausreise als Vorrang stehe, aber auch immer gesagt habe, wenn dieses Angebot zur freiwilligen Ausreise nicht angenommen wird, dann setzt Thüringen natürlich Bundesrecht um. Thüringen hat in dieser Zeit 657 Personen abgeschoben, nach Königsteiner Schlüssel hätten wir 2,67 Prozent der insgesamt abgeschobenen Personen stellen müssen, tatsächlich waren es 2,714. Also im Gegensatz zu den beiden anderen Ländern müsste jetzt bei Ihnen das Herz aufgehen, denn wir sind im Plus. Wir haben ein Plus von zwar nur 0,06 Prozent, aber ein Plus. Jetzt kommt die vielleicht spannendste Zahl in diesem Zusammenhang aus Bayern. Bayern, das Land, das auch jetzt wieder in jeder Debatte vorangeht und sagt, man müsste es so machen wie Bayern, dann wäre alles gut. Bayern hat nach Königsteiner Schlüssel 15,5 Prozent der Flüchtlinge abzuschieben. Abgeschoben wurden 3.282, das entspricht aber jetzt „nur“ wieder einem Anteil von 13,69 Prozent. Bayern ist also mit 1,85 Prozent im Minus und damit das Bundesland, das neben Hessen am stärksten im Minus ist, was diese Verpflichtung zur Abschiebung angeht.

(Unruhe AfD)

Mit anderen Worten noch mal ganz klar gesagt: Ich wehre mich dagegen und habe das auch deutlich für die Landesregierung gesagt, dass hier immer das Szenario aufgebaut wird, dieses Land würde sich nicht an bundesgesetzliche Vorgaben halten. Wir tun das.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ein bisschen!)

Das sage ich jetzt völlig unabhängig davon, wie man Abschiebungen bewertet. Da bin ich natürlich deutlich näher beim Kollegen Hartung als bei Ihnen. Das wird Sie nicht wundern. Das sind jetzt aber erst mal nur die reinen Fakten zu dem Thema.

Die zweiten Fakten, die ich nennen will, weil es Ihnen immer darum geht, das wäre auch insgesamt in Thüringen so schlimm, dass so viel abgebrochen wird: Wir hatten 2017 bundesweit tatsächlich 20.923 abgebrochene Abschiebungen vor Überstellung an die Bundespolizei, so unterscheidet die Statistik, und noch mal 1.800 nach Überstellung an die Bundespolizei, also tatsächlich ungefähr die Hälfte. Aber auch das ist ein bundesweites Phänomen. Wenn Sie jetzt schauen, dass der große Batzen schon vor Übergabe an die Bundespolizei abgebrochen wird, und wissen, dass von den 20.900 fast 14.000 im Vorfeld storniert wurden, dann ist die These von Ihnen, Herr Herrgott, eben gerade nicht richtig, dass man mit Ankerzentren das Problem lö

sen könnte. Diese geplanten Abschiebungen sind vielmehr alle im Vorfeld storniert worden, weil es Gründe gegeben hat, dass man sie nicht durchführen kann. Nur ein ganz geringer Teil, nämlich weniger als ein Viertel, ist tatsächlich am Tag selber storniert worden. Von daher, Ihre These ist falsch, dass das alles mit Ankerzentren zu lösen wäre. Bei Ankerzentren sage ich Ihnen weiterhin, dass es so sein wird, dass Sie dort nur die Probleme potenzieren, dass Sie die damit nicht lösen werden. Natürlich habe ich mal, und das auch völlig zu Recht, gesagt, wenn Sie diese Ankerzentren schaffen und den Menschen sagen, ihr habt dort keine Perspektive, ihr bekommt dort keinen Deutschunterricht und ihr müsst hier nur bis zu dem Tag X warten, an dem die Abschiebung vielleicht vollzogen werden kann, dann wird das passieren, was die Sicherheit in diesem Land mit Sicherheit nicht erhöhen wird, dass die Menschen in die Illegalität abtauchen. Dass das passiert, schaffen Sie mit genau solchen Zentren.

Was mir weiter noch sehr wichtig ist, ist die Tatsache, dass ich die zwei Angriffe, die Sie in Ihrem Antrag auf die Ärzte und die Härtefallkommission fahren, noch mal auf das Entschiedenste zurückweisen möchte. Die Fraktion der AfD unterstellt den an den Verfahren beteiligten Ärzten Gefälligkeitsgutachten, verkennt aber damit tatsächlich die Rechtslage, wie sie ist. Danach muss seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren im März 2016 eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, sofern gesundheitliche Gründe vorgetragen werden, die einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Dies bedeutet, dass an eine solche Bescheinigung erhöhte Anforderungen gestellt werden, dass ein einfaches ärztliches Attest gerade nicht ausreicht. Der Ausländer ist verpflichtet, diese ärztliche Bescheinigung unverzüglich der zuständigen Behörde vorzulegen. Verletzt ein ausreisepflichtiger Ausländer diese Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung sogar zurückweisen.

Vor diesem Hintergrund zu suggerieren, es gibt ärztliche Gefälligkeitsgutachten, finde ich tatsächlich eine Misstrauensbekundung gegenüber der Ärzteschaft, die so nicht hinzunehmen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Noch gravierender – und das sage ich an dieser Stelle auch, weil Sie diese Debatte um die Härtefallkommission bis zum Verfassungsgericht treiben – sind Ihre Angriffe auf die Härtefallkommission. Diese Härtefallkommission öffnet in besonders gelagerten Härtefällen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern, denen nach den allgemeinen Bestimmungen des Aufenthaltsrechts kein Aufenthaltstitel zustehen wird, die Möglichkeit, ein Bleiberecht zu bekommen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, ich bin

(Minister Lauinger)

stolz darauf, dass wir in Thüringen nach § 23 a Aufenthaltsgesetz von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, eben auch Fälle noch mal anzuschauen, die vielleicht juristisch gelöst sind und für die es eine juristische Lösung gegeben hat, aber die sich verschiedenste Menschen aus sozialen Einrichtungen und Verbänden anschauen und sagen, das würde aber neben den ganzen rechtlichen Kriterien eine menschliche Härte darstellen, die wir nicht wollen.

(Unruhe AfD)

Von daher ist es gut und richtig, dass Thüringen eine solche Härtefallkommission hat

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dass sich diese Härtefallkommission diese Fälle genau anschaut und dann in der Regel, wenn Sie sich die Entscheidungen der Härtefallkommission betrachtet, in großer Übereinstimmung zu der Entscheidung kommt, dass den Menschen aufgrund der besonderen individuellen Situation des Einzelfalls ein Bleiberecht gegeben werden soll.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Habt Ihr gehört, es geht um Menschen!)

Letzte Bemerkung von mir, ich habe es angedeutet und ich will es an dieser Stelle gern wiederholen, weil auch ich der Meinung bin, dass hinter jeder dieser Entscheidungen ein menschliches Schicksal steht und wir deshalb ganz klar weiter bei dem Bekenntnis der Landesregierung dazu bleiben, zunächst auf das Instrument der freiwilligen Ausreise zu setzen. Ich weiß auch, dass die Zahlen zurückgegangen sind, das liegt daran, dass ein Großteil der freiwilligen Ausreisen, die 2016/2017 erfolgt sind, in die Balkanstaaten erfolgt sind. Natürlich ist es schwieriger für Menschen, bei denen die Hauptherkunftsländer Afghanistan, Iran, Irak sind, jetzt zu sagen, dorthin reise ich freiwillig wieder aus, weil die Situation in diesen Ländern eben tatsächlich wirklich dramatisch ist und natürlich entscheidet man sich da nicht leichthin zu sagen, dahin kehre ich freiwillig zurück. Aber, es bleibt für diese Landesregierung klar, wir setzen zunächst auf dieses Instrument und nur, wenn dieses Instrument nicht greift, auch die Regeln der Härtefallkommission nicht greifen, werden wir, und das habe ich Ihnen, glaube ich, belegt und hoffentlich ein für alle Mal ausgeräumt, genau zu unseren bundesgesetzlichen Verpflichtungen stehen und diese auch umsetzen. Die hat Thüringen genauso umgesetzt wie alle anderen Bundesländer, hat aber die gleichen Probleme bei der Umsetzung wie alle anderen Bundesländer. An dieser Stelle vielleicht als Schlussbemerkung: Es wäre ganz gut, der Bundesinnenminister würde sich um diese Probleme kümmern, anstatt sinnlose Debatten über Zurückweisungen an Grenzen zu führen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich damit diese Aktuelle Stunde schließe.

Ich rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Grundschulschließung im Altenburger Land. Ist Ponitz bald überall?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5848

Abgeordneter Tischner hat sich für die CDU-Fraktion gemeldet. Bitte, Herr Tischner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schüler und Lehrer auf der Tribüne! Was wir in diesen Tagen auf offener bildungspolitischer Bühne erleben, sucht in der Geschichte des Freistaats seinesgleichen.

(Beifall CDU, AfD)

Da informiert das Schulamt das zuständige Ministerium über beabsichtigte temporäre Schulschließungen

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Schämt euch!)

der Grundschule Ponitz im Altenburger Land.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das ist peinlich!)

Das Schulamt wartet die Antwort des Ministeriums ab und informiert anschließend die Betroffenen über die Auslagerung der Schule. Als der mediale Aufschrei durch das Land geht, schaltet sich der Minister höchstselbst ein und pfeift sein Ostthüringer Schulamt vor aller Öffentlichkeit zurück. Bildungsminister Holter will von nichts gewusst haben. Bildungsminister Holter schiebt die Schuld auf das Schulamt und Bildungsminister Holter schiebt die Schuld auf den Schulträger.

(Beifall CDU)

Dieses Verhalten ist aus unserer Sicht untragbar und diese Vorgänge sind unverantwortlich gegenüber Lehrern, Eltern und Schülern. Man kann dem Kreiselternsprecher des Altenburger Landes nur recht geben. Er sagt, ich zitiere: „Es entsteht der Eindruck, dass das Bildungsministerium nicht weiß, was das Schulamt tut, oder aber dieses für unlieb

(Minister Lauinger)

same Aufgaben vorschiebt. Da hilft es auch nicht, wenn das Thüringer Bildungsministerium nun zurückrudert, auf Ahnungslosigkeit spielt und das Schulamt dann als Verursacher der Situation vorführt.“

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, das Beispiel Ponitz zeigt, dass der Bildungsminister einmal mehr seine Schulen und seine Schulämter im Regen stehen lässt. Aber Ponitz ist kein Einzelfall. Ponitz ist überall. Das zeigen auch Beispiele wie Obergrochlitz, Osterlandgymnasium, Ellrich, Mühlhausen und, und, und. Wir könnten – glaube ich – alle Beispiele aus unseren Wahlkreisen aufzählen. Noch etwas zeigt der Fall Ponitz sehr deutlich: Die Versprechung des Bildungsministers, dass aufgrund der neuen Schulmindestgrößen keine Schulen in Thüringen geschlossen werden, ist heiße Luft.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das, was Sie sagen, ist heiße Luft!)

Heiße Luft ist vor allem aber, was Sie, sehr geehrte Kollegen von Rot-Rot-Grün, den Thüringerinnen und Thüringern mit Ihren Kooperationsmodellen einzureden versuchen. Seit Monaten bemühen sich Kommunalpolitiker, Eltern, Schüler und Lehrer im Altenburger Land um Kooperationsmodelle. Noch im Landratswahlkampf ist Minister Holter vor Ort gewesen und hat einmal mehr viel Sand in die Augen der Bürger gestreut. Damals haben Sie, Herr Minister, große Hoffnungen geweckt und einen Kompromiss versprochen. Sie enttäuschten einmal mehr und werden jetzt, wo die Medien berichten, auf einmal aktionistisch. Wir werden genau beobachten, Herr Minister, wie Sie helfen, und wir werden darauf achten, dass das, was für Ponitz gilt, für jede andere Schule in Thüringen auch gilt.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Auch für Stützerbach?)

Sie, Herr Minister, haben die Bestandsgarantie für alle Thüringer Schulen gegeben – am 8. Mai im MDR – und Sie, Herr Minister, haben vor wenigen Wochen versprochen, keine Schule in Thüringen wird geschlossen – am 5. März in der TLZ. Wie Sie im Großen mit den Plänen zur Zukunft der Thüringer Schule enttäuschen, so enttäuschen Sie hier im konkreten Fall.

Diese Woche haben Ihre Ministerialbeamten in Ihrer Anwesenheit, Herr Minister, in Südthüringen öffentlich ausgeführt, ich zitiere: „Nicht jede Schule kann erhalten bleiben, sonst können wir uns die Nummer“ – gemeint ist das Schulgesetz – „ja sparen.“ So der Beamte. Es zeigt sich, dass Sie mit Ihren Kooperationsmodellen die Menschen hinter die

Fichte führen wollen und über Ihre wirklichen Absichten hinwegtäuschen.

(Beifall CDU)

Tatsächlich bringen Schulverbünde keinen einzigen zusätzlichen Lehrer an die Schulen. Im Gegenteil: Schulverbünde benötigen zusätzliches Personal. Das Beispiel Ponitz, aber auch Obergrochlitz, zeigt also ganz deutlich, was wir seit Monaten als CDU hier kritisieren. Ihr Ja zu kleinen Schulen im ländlichen Raum ist nicht mit Schulverbünden zu erreichen, sondern nur mit Personalschlüsseln, die den regionalen Bedingungen vor Ort auch gerecht werden.

Wir als CDU stehen zu den regionalen Besonderheiten in unserem Freistaat und wir als CDU erhalten die Schulen im ländlichen Raum.

(Beifall CDU)