Protokoll der Sitzung vom 31.08.2018

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Missstände in Außenstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge müssen aufgeklärt werden. Gegebenenfalls sind notwendige Konsequenzen zu ziehen. Sofern bei Außenstellen des Bundesamts Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind, müssen diese überprüft werden. Das ist überhaupt keine Frage. Das war im Übrigen auch immer die Position der Bundestagsfraktion meiner Partei. Das ist unbestritten.

Aber lassen Sie mich vielleicht an der Stelle auch mal ein paar Sätze allgemein zum BAMF sagen. Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Das Bundesamt ist eine Bundesbehörde, die ist seit vielen Jahren dem Bundesinnenministerium zugeordnet, das Bundesinnenministerium wird seit vielen Jahren von der CDU geführt. Ich könnte jetzt sagen, wie schlimm alles ist. Ich möchte das nicht tun. Ich möchte das deshalb nicht tun, weil ich auch in der Zeit 2015, 2016, 2017 sehr viel mit Verantwortlichen des Bundesamts geredet habe. Mir ist noch sehr gut ein Gespräch mit Herrn Weise in Erinnerung, der diese Aufgabe damals übernommen hat, der neben der Debatte über „wie viele Bescheide sind eigentlich zu Ungunsten der Asylbewerber fehlerhaft“, vor allem immer auf eine Sache hingewiesen hat. Herr Weise hat damals schon gesagt: Ein so immenser Anstieg von Verfahren ist mit dem vorhandenen Personal einfach nicht zu bewältigen. Als Behördenchef hat er immer gesagt: Der eigentliche Skandal besteht auch darin, dass wir viele Antragsteller nicht bescheiden, und zwar über lange Zeit überhaupt gar nicht bescheiden können.

Wir hatten eine Phase, wo Leute zwei und mehr Jahre überhaupt darauf warteten, einen Bescheid zu bekommen. Seine Forderung, die er daraus abgeleitet hat, die leider nie gekommen ist, die ich immer unterstützt habe, war: Wir brauchen eine Altfallregelung. Also Leute, die nicht innerhalb einer bestimmten Zeit vom Staat ihren Antrag beschieden bekommen haben, bekommen daraufhin einen Aufenthaltstitel. Das wäre die Lösung gewesen, um vieles, was in dieser Phase beim BAMF nur schwierig zu bewältigen gewesen war, tatsächlich auf den

(Abg. Herrgott)

Weg zu bringen. Diese Altfallregelung wäre eine Lösung gewesen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt sage ich gern noch ein paar Sätze zu Thüringen. Nach den Presseberichten über die Bremer Außenstelle hat es Überprüfungen gegeben und es wurden auch noch in zehn weiteren Außenstellen des BAMF Überprüfungen angeordnet. Dazu gehört im Übrigen keine einzige in Thüringen. Die Thüringer Außenstellen waren nie betroffen. Aber die Innenministerkonferenz hat auch noch mal klargestellt, dass erwartet wird, dass Vorgänge, die nicht ordnungsgemäß gelaufen sind, tatsächlich überprüft werden.

Jetzt habe ich hier in meinem Redeentwurf noch mal die Hinweise auf die Zahlen. Das mache ich wie Herr Herrgott und erspare es mir. Es ist mehrfach vorgetragen worden, dass sich der angebliche Riesenskandal in Bremen zum Schluss doch als nur ein relativ geringfügiges Skandälchen entpuppt hat.

Die Rechtslage zur Überprüfung von Entscheidungen ist im Übrigen auch völlig klar und eindeutig. Da bin ich fast an dem gleichen Punkt wie gestern, wo ich sage, liebe AfD, schauen Sie einfach mal ins Gesetz. Nach § 73 Abs. 2a des Asylgesetzes hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge spätestens nach Ablauf von drei Jahren ab Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung als Flüchtling zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme vorliegen. Dass dies natürlich alles Einzelfallprüfungen sind, ergibt sich aus der Natur der Sache. So was kann man gar nicht pauschal prüfen.

Mit anderen Worten: All das, was Sie vortragen oder fordern, gibt es schon. Von daher kann ich dem sehr gut folgen, wenn die Regierungsfraktionen sagen, diesen Antrag sollte man ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, sodass wir zur Abstimmung schreiten können. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden, damit stimmen wir direkt über den Antrag in Drucksache 6/5825 ab. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfDFraktion. Herr Möller?

Ich wollte eigentlich die namentliche Abstimmung beantragen.

Dann machen wir das. Ich bitte alle, ihre Karten zu zücken. Wir stimmen über den Antrag der AfDFraktion in Drucksache 6/5825 ab. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.

Ich hoffe, jeder hatte die Gelegenheit zur Stimmabgabe. Nein, noch nicht. – Also ich kann davon ausgehen, dass jeder seine Stimme abgegeben hat. Das ist der Fall, dann schließe ich den Abstimmungsvorgang und bitte um Auszählung.

Wir haben ein Ergebnis. Es wurden 68 Stimmen abgegeben, davon 7 Jastimmen, 61 Neinstimmen und keine Enthaltung (namentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14

Keine Waffen in den Händen von Extremisten – Reichsbürger entwaffnen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/6040

Die Fraktion wünscht das Wort zur Begründung und der Abgeordnete Fiedler erhält das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße auch die vielen, die auf der Empore sitzen – immerhin zwei Mann, zweieinhalb, drei –, ich freue mich. Meine Damen und Herren, unser Antrag lautet „Keine Waffen in den Händen von Extremisten – Reichsbürger entwaffnen“.

(Beifall CDU; Abg. Gentele, fraktionslos)

Wir haben diesen Antrag eingebracht, weil die Landesregierung bei dem Themenkomplex nicht mit der notwendigen Vehemenz agiert, die nach unserer Auffassung angebracht wäre. Trotz mehrfacher Befragung im Innenausschuss und geheimen Gremien passiert hier leider immer noch viel zu wenig. Auch wenn diese Personengruppe deutschlandweit bereits seit den 80er-Jahren in sehr geringer Anzahl bekannt ist, haben sich deren Anzahl und vor allem deren Gewaltbereitschaft erst in den letzten vier bis fünf Jahren besorgniserregend entwickelt.

Kurz ein paar Fakten zur Verdeutlichung dieser negativen Entwicklung: Im Jahr 2015 wurde die Anzahl der Anhänger dieser Bewegung von den Sicherheitsbehörden deutschlandweit noch auf rund 4.500 Personen beziffert. Laut dem Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2017 wird die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter deutschlandweit auf etwa 16.500 Personen beziffert. Etwa 900 Personen davon werden von den Sicherheits

(Minister Lauinger)

behörden als Rechtsextremisten eingestuft. Zum Vergleich: 2016 waren es insgesamt noch rund 10.000 Personen, davon etwa 500 bis 600 mit rechtsextremistischer Einstellung. Das heißt, allein von 2016 auf 2017 haben wir im Bundesgebiet eine Zunahme um mehr als 60 Prozent zu verzeichnen. Über die Dunkelziffer will ich an der Stelle gar nicht sprechen. Erschreckend ist auch, dass Verfassungsschutzbehörden und das Bundeskriminalamt im Jahr 2018 schätzten, dass von 2015 bis Mitte 2017 mehr als 10.500 Straftaten durch Reichsbürger begangen wurden.

Wie sieht es in Thüringen aus? Auch im Freistaat hat diese negative Entwicklung in den letzten Jahren nicht haltgemacht. Waren es laut Verfassungsschutzbericht im Jahr 2016 noch circa 550 Personen, die dieser Szene zugeordnet wurden, beläuft sich die Zahl 2017 schon auf etwa 1.100 Personen. Wir sprechen hier also von einer Verdopplung im Vergleich zum Bundestrend. Die Zahl wird im Jahr 2018 definitiv nicht sinken. Davon bin ich jedenfalls überzeugt – leider. Laut Medienberichten werden von den über 1.000 Personen circa 50 der rechtsextremen Szene zugeordnet. Überdies sollen fast genauso viele legale Waffen im Besitz sein – oder mehr. Das heißt, diese Personen verfügen über eine sogenannte waffenrechtliche Erlaubnis nach dem Waffengesetz.

Auf besondere Affinität der Reichsbürger zu Waffen brauche ich an dieser Stelle sicherlich nicht besonders hinzuweisen. Denn Fakt ist: Der Anteil der Szene-Angehörigen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen liegt mit knapp 7 Prozent höher als in der Gesamtbevölkerung mit lediglich circa 2 Prozent. Nach unserer Auffassung ist es daher endlich an der Zeit, diesen Personen den Besitz von Waffen zu untersagen, sofern deren Zugehörigkeit zur Szene durch den Verfassungsschutz zweifelsfrei festgestellt wurde.

Wer die Gefahr dieser Menschen unterschätzt, den erinnere ich nur an die Erschießung des SEK-Beamten in Bayern im Oktober 2016.

(Beifall CDU)

Danke schön. Die Landesregierung hat angekündigt, von der Möglichkeit eines Sofortberichts keinen Gebrauch zu machen und damit eröffne ich die Beratung. Frau Abgeordnete König-Preuss hat für die Fraktion Die Linke als Erste das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen und auch liebe Zuschauer und Zuschauerinnen am Livestream! Der Antrag der CDU, der uns heute vorliegt, umfasst im Teil I Fragen, die alle bereits in Innenausschusssitzungen oder über

Kleine Anfragen, die der Abgeordnete Walk gestellt hat bzw. auch andere Abgeordnete, längst beantwortet sind. Zur Anzahl der im Freistaat gegenwärtig bekannten Reichsbürger, zur Entwicklung der Reichsbürgerszene im Freistaat innerhalb der letzten fünf Jahre, zur Anzahl der bekannten Reichsbürger, die über eine Berechtigung zum Führen von Schusswaffen verfügen usw. usf. – Herr Fiedler hat ja gerade auch schon mit seiner Einleitung letztlich deutlich gemacht, dass ein Großteil dieser Information bereits vorhanden ist. Insofern stellt sich die Frage: Was soll eigentlich der Antrag der CDU?

Richtig ist, das Verbot von Waffen bei Reichsbürgern zu fordern und das auch, soweit es möglich ist, umzusetzen, allerdings nicht nur bei Reichsbürgern, sondern wenn wir einmal dabei sind, dann sollten wir generell darüber reden, inwieweit überhaupt Waffen im Privatbesitz sein müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten auch darüber reden, bei wem, bei welchen Strukturen, bei welchen Gruppen über die Reichsbürgerszene hinaus eben auch eine entsprechende Gefahr besteht, dass Schusswaffen eingesetzt werden, um damit Menschen zu verletzen und Menschen zu töten. Ich finde, da sollte man dann schon noch mal grundsätzlicher sprechen und vielleicht auch andere, weitere Beispiele hier aus Thüringen mit hinzuziehen.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Kennen Sie unser Waffengesetz?)

Weil wir eben in Thüringen nicht nur mit Reichsbürgern und Waffenbesitz ein Problem haben, sondern auch ein Problem haben mit Waffenbesitz, aber auch mit Sprengstoffbesitz unter anderem innerhalb …

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Man kann doch aus allem alles ableiten!)

Sie wissen gar nicht, worauf ich hinauswill, aber Sie meinen trotzdem schon, mit Zwischenrufen agieren zu können.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Einlei- tung war doch sehr deutlich!)

Genau. Wir haben ein Problem mit Waffenbesitz und mit Sprengstoffbesitz, der angewendet wird, der eingesetzt wird, und das unter anderem auch in der extrem rechten Szene. Wenn Sie hier auf den vermeintlichen Sprengstoffbesitz der politisch linken Szene abheben, wo sich ja CDU und AfD wenig genommen haben in einer Debatte,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

in einer Diskreditierung eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses, empfehle ich Ihnen, dass Sie sich mal die Presseberichterstattung von gestern und vorgestern, die Recherche vom MDR, durchlesen und dann vielleicht mal

(Abg. Fiedler)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, sich beim Bündnis für Zivilcourage und Menschenrechte im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt für die Diskreditierung zu entschuldigen. Da müssen Sie nicht lachen, Herr Kowalleck, sondern da sollten Sie überlegen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Ich habe meinen Kollegen angelacht, nicht Sie!)

inwieweit Sie auch mit dazu beitragen durch entsprechendes Agieren – Sie als CDU-Fraktion –, dass eben zivilgesellschaftliche Bündnisse auch auseinanderbrechen, eben weil man ihnen kontinuierlich vorgeworfen hat, linksterroristisch zu sein. Da hat sich die AfD mitbeteiligt, da haben aber auch Abgeordnete der CDU sich beteiligt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)