Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

einmal im Jahr in ihr Heimatland zurückgeführt worden, dann haben sie sich auf eigene Faust wieder durchgeschlagen. Diese Zeit der Abwesenheit wurde ihnen praktisch als Urlaub berechnet und dann haben sie ihre Ausbildung fortgeführt. Das ist völliger Wahnsinn! Das war zwischen den Jahren 2012 und 2014. Heute wäre das gar nicht mehr das Problem. Sie hätten eine Duldung, sie könnten hier eine Ausbildung machen. Genau das ist ein Fortschritt. Das hat die Landesregierung geschafft. In diesem Zusammenhang kann man sehr wohl sagen, ja, wir haben aus diesen Fehlern gelernt, wir wollen die nicht weiter fortführen.

Es geht aber noch weiter. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, Menschen hierherzuholen. Mittlerweile ist der Radius – Herr Thamm und auch Herr Kubitzki haben das hier gelegentlich schon angesprochen – viel größer geworden. Wir werben aus China an, wir werben aus Vietnam an, wir werben von den Philippinen an.

Da möchte ich ein weiteres aktuelles Beispiel erzählen, das ist noch nicht ganz so lange her. Da habe ich mich mit einem Klinikdirektor bzw. einem Geschäftsführer unterhalten und der hat mir erzählt, dass er jedes Jahr 20 Menschen aus Vietnam anwirbt und pro Kopf etwa 7.500 Euro bezahlt. Wenn er 20 anwirbt, landen in Deutschland vielleicht zehn. Die bildet er dann aus und danach gehen die fast alle in die alten Bundesländer. Ständig! Der hat mir ganz klar gesagt: Wir haben hier ganz viele Flüchtlinge, schickt mir die jungen Leute, ich bilde die aus. Schickt mir so viele ihr habt, ich bilde die aus.

Das sollten wir tun. Wir sollten anfangen, die Menschen hier in Ausbildung zu bringen, die sowieso da sind, die sich hier etwas aufbauen wollen und die wir, egal ob sich Herr Assad nun durchsetzt oder nicht, nicht ohne Weiteres nach Syrien beispielsweise zurückschicken können. Das sollten wir tun.

Ich möchte noch etwas erzählen. Ich war gestern bei einer Versammlung der Mitarbeitervertretung der kirchlichen Krankenhäuser hier in Thüringen. Die haben mir gesagt: Hört auf, Fachkräfte, Pflegefachkräfte aus dem Ausland abzuwerben! Nehmt die Leute, die hier sind, die Deutsch sprechen, nehmt die, bildet die aus! – Genau das sollten wir tun. Wir müssen aber Sorge dafür tragen, dass die Menschen …

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Herr Har- tung, Notarzt!)

Missbrauch von Notrufen, Herr Fiedler.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kostet bis zu 3.000 Euro, Herr Fiedler.

Wenn wir ausländische Fachkräfte anwerben oder hier ausbilden, sollten wir aber dafür sorgen, dass die dann nicht dadurch vertrieben werden, dass ein ausländerfeindlicher Pöbel à la AfD sie im Prinzip durch die Kommunen jagt, in denen sie leben und arbeiten. Das gilt es dann zu verhindern. Warum sollten die denn hierherkommen? Sie verdienen im Westen mehr Geld, sie haben ein besseres Arbeitsklima, sie haben ein besseres Lebensumfeld. Das größte Hindernis für das Anwerben ausländischer Fachkräfte ist die AfD, die jetzt so einen scheinheiligen Antrag stellt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und genau das muss man an dieser Stelle thematisieren. Das größte Hindernis, unsere eigenen Leute als Fachkräfte hier zu halten, ist das Fehlen eines flächendeckenden Tarifs in der Pflege. Das ist das zweite große Hindernis.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das vertreibt nicht nur die ausländischen Fachkräfte, das vertreibt auch unsere eigenen. Ohne diesen Tarifvertrag werden wir niemals zu den westdeutschen Ländern aufschließen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Überholen werden sie!)

Wir werden sie nicht halten können. Genau das ist das Problem. Das müssen wir abstellen. Übrigens sind wir da auch komplett konträr zur AfD, das will die nämlich überhaupt nicht, dass die Menschen ordentlich bezahlt werden und ordentliche Tarife bekommen.

Das nächste Problem ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch da müssen wir viel mehr tun, nicht nur dafür, dass sich hier ausländische Fachkräfte wohlfühlen, sondern dafür, dass dieser Beruf attraktiv wird. Herr Thamm, darüber müssen wir noch mal reden. Ich glaube nicht, dass wir den Bedarf an Auszubildenden aus unseren eigenen jungen Leuten hier generieren können. Denn wenn wir sie in die Pflege holen, fehlen sie uns beim Studium für die Lehrer, holen wir sie dorthin, fehlen sie bei der Meisterausbildung. Das haben wir heute erst diskutiert. Wir werden ohne das Anwerben von ausländischen Menschen, ohne das Ausbilden von Flüchtlingen, die hier sind oder welchen Weg wir auch immer beschreiten, die Personalprobleme nicht lösen können. Ich bin der Überzeugung, wir sollten diese Probleme angehen, wir sollten das Umfeld schaffen. Das bedeutet, dass wir denen dort die Straßen nicht überlassen, dass sie die Migranten jagen, dass sie die fremdländischen Arbeiter jagen, alle, die ein bisschen anders aussehen und nicht gut Deutsch sprechen. Diese Leute sollten wir nicht in Verantwortung kommen lassen. Dafür tragen wir alle Verantwortung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

Herr Kollege Hartung, für die Verwendung des Begriffs „Pöbel à la AfD“ muss ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen. Das ist keine parlamentarische Ausdrucksweise.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Nehme ich dankend zur Kenntnis!)

Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Herold von der AfD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne, es ist schön, dass zu vorgerückter Stunde im Hohen Haus doch noch ein bisschen rhetorisches Konfetti verteilt wurde. Bisher waren die zwei Sitzungstage ja eher recht langweilig.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für Sie vielleicht!)

Ja, ich habe reichlich Bälle zugespielt bekommen. Es wird mir ein Vergnügen sein, einen nach dem anderen zu retournieren.

Herr Kubitzki, ich verbitte mir Ihr dilettantisch geheucheltes Mitleid. Unsere Fraktionsspitze hat Termine und ist nicht etwa deswegen weg, weil ihnen dieser Antrag nicht gefällt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Während des Plenums, ich lache mich krank!)

Beruhigen Sie sich, Frau Rothe-Beinlich, denken Sie an Ihren Stresslevel, sonst enden Sie eines Tages wie das Rumpelstilzchen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sind Sie noch ganz knusp- rig?)

Ich möchte gerne kurz auf den Vorwurf eingehen,

Bitte mäßigen Sie sich.

die Anwerbung von Ausländern sei für die AfD jetzt ein Novum. Herr Kubitzki, wenn Sie mal unsere Programme lesen würden und nicht nur immer irgendwelche Verlautbarungen schlecht ausgebildeter und schlecht gewaschener Dritter über die AfD, dann würden Sie wissen, dass wir uns seit Jahren für eine qualifizierte Einwanderung aussprechen.

Wir haben natürlich ein lebendiges Interesse daran, dass qualifizierte Fachkräfte jeder Art den Fachkräftemangel in Deutschland beheben, wenn sie hier mit Qualifikationen erscheinen und nicht ohne Pass und ohne Zeugnisse oder mit einem gekauften Zeugnispaket, wie ich selber auch schon erleben durfte. Es ist ja so, dass wir natürlich in den letzten Jahren in Osteuropa und überhaupt in allen Anrainerstaaten, wo wir Zugriff bekamen, aufgrund des Lohngefälles angeworben haben. Das Lohngefälle war es dann letzten Endes auch, was zum Beispiel die Angeworbenen und hier Ausgebildeten oder mit Sprachkursen Versehenen flugs, nachdem sie mitbekommen haben, wie der Hase läuft, Richtung Westen, Richtung Bayern, Richtung Hessen hat entfleuchen lassen.

Weil der Vorwurf kam, woher wissen Sie denn das: Herr Thamm, wir wissen natürlich auch, dass es verschiedene Initiativen gibt, die gerne ukrainische Pflegefachkräfte nach Thüringen hineinbegleiten möchten und auf dem Weg dorthin mit beträchtlichen bürokratischen Hürden zu kämpfen haben, wie mit dem Sprachkurs, der in der Ukraine erworben wird, aber nur bis zum Niveau B 2 reicht, wo dann die Sprachschüler das Problem haben, dass sie eben die C 1, die eigentlich benötigt wird, um eine sozial menschliche Pflege zu organisieren, dass sie diese C 1 im Ausland schlecht oder gar nicht erreichen können und wir dazu nach einem Modell suchen oder nach Unterstützung seitens der Landesregierung, dass diese Fachkräfte aus der Westukraine mit B 2 und mit einem anzuerkennenden Pflegediplom in Thüringen bei einem Arbeitgeber beginnen können und dann dort innerhalb von ein oder zwei Jahren die Sprachkompetenz C 1 erwerben.

Im Zuge dieser Unterstützung des Erwerbs der Sprachkompetenz wird dann darüber auch zu reden sein, wie man Arbeitskräftebindung an dieser Stelle betreibt. Hier wurde angesprochen, dass wir gesagt haben, Pflegekräfte in jeder Art im Krankenhaus oder auch im Altenheim sollten kulturkompatibel ausgebildet sein oder eine entsprechende Herkunft haben. Im Zuge der Recherche für diesen Beitrag sind wir auch auf eine Äußerung gestoßen, dass sich zum Beispiel muslimische Alte und Kranke sehr gern aus Gründen der Kulturkompatibilität von muslimischen Pflegekräften im Altenheim oder im Krankenhaus pflegen lassen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hartung?

Später. – Die entsprechende Fundstelle werde ich gern nachliefern.

(Abg. Dr. Hartung)

Herr Kubitzki hatte ja selbst schon angesprochen, dass er auch Damen aus diesem religiösen und Kulturkreis ausbildet. Das ist ein sehr ehrenwertes Unterfangen. Ich nehme aber an, diese Frauen werden – und das wird sich vielleicht in der Zukunft zeigen – auch deswegen diesen Beruf ergreifen wollen, weil sie darauf zielen, dass sie dann in den entsprechenden Pflegeeinrichtungen auch ihre eigenen Leute gern pflegen möchten, denn es gibt durchaus bereits Nachfrage auf diesem Markt.

Den Einwand oder den Vorwurf, die AfD sei daran schuld, dass keine Fachkräfte mehr nach Deutschland kämen, halte ich für eine tollkühne Behauptung.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Aber die Wahrheit!)

Ich frage mich, warum zwar keine Fachkräfte kommen, weil die AfD hier politisch aktiv ist, aber warum jeden Monat nach Erfurt zum Beispiel um die 50 Migranten einreisen und nach Deutschland jeden Tag mehrere Hundert. Die lassen sich also alle von der AfD nicht abschrecken, hier fröhlich ins deutsche Sozialsystem einzuwandern. Und wenn sie das alles geschafft haben, dann haben sie ja immer noch die Gelegenheit oder auch die Chance, unter Umständen von nicht registrierten und der Regierung einfach so durchgeflutschten Gewalttätern eventuell gemessert zu werden.

(Beifall AfD)

Die Sache in Ilfeld mit den Pflegekräften aus der Ukraine ist uns natürlich auch bekannt geworden. Es gibt aber noch mehr Initiativen, die sich dafür einsetzen, ukrainische oder westukrainische ausgebildete Pflegefachkräfte nach Thüringen zu transferieren. Leider wird diesen Leuten überhaupt keine Unterstützung zuteil. Das Landesverwaltungsamt macht Dienst nach Vorschrift. Da sitzt unbestätigten Berichten zufolge eine einzelne Bearbeitungskraft, und die Bearbeitung der Anträge auf Anerkennung der Berufsabschlüsse dauert ein Dreivierteljahr. Mittlerweile sind die Antragsteller aus der Westukraine dann wahrscheinlich alle in Polen untergekommen, die ebenfalls ein großes Interesse daran haben, diese Arbeitskräfte für sich zu gewinnen.

Es wurde hier angesprochen, das Sprachniveau zu senken. Das halten wir schlicht für eine – nun ja, sagen wir mal – völlig kontraproduktive Idee. Wer in Thüringen unterwegs war – und das behaupten Sie ja auch alle fortgesetzt und ständig –, der kennt ja auch die Vielfalt der Thüringer Dialekte. Ich arbeite seit 14 Jahren mit Einwanderern aus Osteuropa zusammen und ich weiß, wie Sprachentwicklung verläuft und wie lange es dauert, bis jemand, der B1-Niveau spricht und auch ein Zertifikat dafür vorweisen kann, eine ordentliche Patientenkommunikation schafft. Ich frage mich, ob Sie den Alten in Gießübel oder in Ruhla – oder sonst wo im Thürin

ger Wald – eine Pflegekraft zumuten wollen, die mit Mühe und Not B 2 geschafft hat. Was soll das für eine menschliche Pflege sein, wenn das alles nur auf Waschen, „Guten Tag“, „Schönen Tag noch“, „Danke“, „Bitte“ beschränkt bleibt. Oft ist es auch nicht mehr, was die Leute bei allem guten Willen mitbringen. Spracherwerb funktioniert nur im Inland im Sprachbad. Nur da können wir davon ausgehen, dass die Antragsteller auch C 1 erreichen.

Wir haben vom geschätzten Kollegen Herrn Dr. Hartung – wobei ich hier noch anmerken muss, Herr Kollege, als approbierter Mensch, Ihre Bemerkungen sind, nun ja, etwas berufsunwürdig.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man keine Argumente hat, muss man den politischen Gegner nicht so beschimpfen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entschuldigung, ich be- schimpfe nicht, ich habe nur gefragt!)

Natürlich haben wir ein Interesse daran, Pflegekräfte zu gewinnen, die hier auch in das gesamte gesellschaftliche Gefüge passen. Es ist für die Leute doch viel angenehmer, sie kommen aus der Westukraine nach Westeuropa, als wenn sie aus Vietnam oder von den Philippinen kommen. Das erzeugt unter anderem schreckliches Heimweh. Was sollen die Leute hier in einer Kultur, wo das Wetter nicht passt, das Essen nicht schmeckt und die Patienten doppelt so groß und doppelt so schwer sind wie die kleine zierliche Pflegekraft aus Vietnam? Ich halte das für ein völlig kopfloses Unterfangen. Und die sind dann auch wieder weg. Die vielberühmten 20 oder 30 Chinesen, die vor Jahren hier mit großem Tamtam importiert wurden, von denen sind fast alle wieder nach Hause gegangen. Also, wir sollten auch irgendwo mal lernfähig sein.