Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

(Beifall AfD)

Der zweite Punkt ist, dass ich auch nicht finde, dass man da als Minister, wenn man Eltern, Lehrer, Schüler hat, viele verunsichert sind, hergehen sollte und sagt: „Niemand kann sagen …“ – was auch immer. Das steht Ihnen nicht zu. Natürlich kann jeder kritisieren, jeder kann sagen, was er möchte, und ich glaube auch, dass die Stimmung in Thüringen so ist, dass viele kritisieren und versuchen, noch etwas an dieser Reform, wie Sie sie nennen, zu wenden.

Viele Eltern sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob die Schule, in die ihr Kind geht oder auch gehen soll, in ein paar Jahren noch vorhanden sein wird. Viele Schüler sind verunsichert, weil so viel Unter

(Abg. Dr. Hartung)

richt ausfällt wie noch nie und die Landesregierung keine Lösung anbietet – vor allem nicht mit diesem Schulgesetz. Viele Lehrer sind verunsichert, weil das neue Schulgesetz unsere Schullandschaft in ihren Grundpfeilern durcheinanderwirft und es auch momentan so aussieht, als ob man als Lehrer auch dagegen nicht viel machen kann. Selbstverständlich haben Lehrer, Schüler und Eltern ein Recht, verunsichert zu sein. Wenn die Landesregierung das umsetzt, was in diesem Gesetzentwurf steht, dann wird das schwerwiegende Folgen nicht nur für die Schüler heute, sondern auch für die zukünftigen Schülergenerationen haben.

Wenn ich Ihren Gesetzentwurf sehe, dann sage ich: Bestehendes kaputt zu machen, das fällt Ihnen offenbar ganz leicht. Mit einem Fingerschnipsen werfen Sie unser Förderschulsystem über den Haufen und

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie zerstören damit Bildungschancen vieler Kinder – und um die geht es doch. So schnell kann man ehrlich gesagt gar nicht mit den Augen klimpern, wie schnell Sie die Vorteile, die ein gegliedertes und leistungsorientiertes Schulsystem für unsere Schüler hat, verleugnen und sich auf den Weg zu einer Einheitsschule mit Einheitslehrern machen.

(Beifall AfD)

Herr Holter, wenn Sie sagen, Inklusion beginnt im Kopf, dann sage ich Ihnen, ich habe den Eindruck, dass das Prinzip Einheitsschule bei Ihnen im Kopf beginnt, und das ist absolut negativ für die Schulen in Thüringen.

(Beifall AfD)

Insgesamt setzen Sie einen bildungspolitischen Abschwung in Gang, der, einmal in Richtung Tal unterwegs, nur schwer wieder aufzuhalten ist. Für uns als AfD-Fraktion sage ich ganz klar, dass wir diese Umwälzung, die die rot-rot-grüne Landesregierung vornehmen möchte, nicht unterstützen und alles, was uns parlamentarisch zusteht, dagegen tun werden, um es aufzuhalten.

(Beifall AfD)

Wir als AfD stehen auf der Seite der Schüler, die die reguläre Unterrichtserteilung ohne Stundenausfall wollen. Wir als AfD stehen auf der Seite der Eltern, die das Beste für ihre Kinder wollen, nämlich eine gute Schulbildung, mit der ihre Kinder als mündige Staatsbürger ihr Leben selbst gestalten können. Wir als AfD stehen auf der Seite der Lehrer, die jeden Tag vollen Einsatz zeigen, aber an ihre Grenzen geraten werden, wenn die Landesregierung sie in Zukunft zwischen verschiedenen Schulen hin- und herfahren lässt. Und im Interesse dieser Schüler, Lehrer und Eltern werden wir das

tun, was ich gesagt habe, Ihnen unseren Widerstand entgegensetzen. Wichtig ist uns dabei der Schutz und die optimale Förderung derer, die dieses Schutzes besonders bedürfen, nämlich der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. In Thüringen und in Deutschland haben diese Kinder das Glück, auf ein hochwertiges, gut ausgebautes und vielseitiges Förderschulsystem zurückgreifen zu können, und das soll in unseren Augen auch so bleiben.

Deswegen finde ich es befremdlich, wenn Sie in der Problembeschreibung Ihres Gesetzentwurfs sagen, dass Förderschulen weiterhin möglich sein sollen, und dann der Satz folgt, ich zitiere wörtlich: „Die damit verbundenen absehbaren Konsequenzen, insbesondere hinsichtlich des Lehrerbedarfs und der Kosten des Schulaufwands, sind zu tragen.“ Sie suggerieren an dieser Stelle, dass der Erhalt der Förderschulen ein finanzieller Mehraufwand wäre, was doch mitnichten der Fall ist, wenn man sich die Lage mal anguckt. Die Förderschulen existieren schon, sie sind ausgestattet und entsprechend ausgebildete Lehrer unterrichten dort. Ein finanzieller Mehraufwand gegenüber dem, was jetzt ist, entsteht doch nicht durch den Beibehalt der Förderschulen, sondern durch Ihren Irrweg, das komplette Schulsystem inklusive aller Schüler, ob beeinträchtigt oder nicht, in ihre Welt der Inklusion zu pressen.

Wenn Sie flächendeckend den Gemeinsamen Unterricht mit der Brechstange durchsetzen, dann heißt das selbstverständlich, dass Sie die Ressourcen, namentlich die Lehrer, die momentan in den Förderschulen unterrichten, dort abziehen werden. Wenn Sie flächendeckend Gemeinsamen Unterricht durchsetzen, heißt das, dass der Unterricht für alle Kinder, also für diejenigen, die eine besondere Betreuung brauchen, aber auch für diejenigen, die eben keine brauchen, darunter leidet. Das sind die Konsequenzen Ihres Gesetzentwurfs und darüber sollten Sie Eltern und Kinder mal informieren.

(Beifall AfD)

Dass die Inklusion mit der Brechstange ohne ausreichende Vorbereitung nicht funktioniert, zeigt sich auch an weniger prominenter Stelle Ihres Gesetzentwurfs, wo Sie dann plötzlich zu den Kosten des Landes zugeben, ich zitiere: „Im Rahmen der beabsichtigten Weiterentwicklung des gemeinsamen Unterrichts wird ein nicht prognostizierbarer Personalmehrbedarf entstehen.“ Und zu den Kosten der Kommunen sagen Sie dann ganz lapidar: „Die konkrete Höhe der eventuellen Steigerung sonstiger Sachkosten durch den Ausbau des gemeinsamen Unterrichts ist nicht prognostizierbar.“

(Heiterkeit CDU)

An der Stelle, an der Sie es tun müssen, wo es um die Kosten geht, dass deutliche Mehrkosten durch den Gemeinsamen Unterricht entstehen werden

und dass auch Mehrkosten auf die Kommunen zukommen, können Sie es nicht beziffern und für beides stellen Sie auch offensichtlich kein Geld zur Verfügung. Das wirkt nicht nur planlos, sondern lässt auch den Schluss zu, dass Sie gerade durch das Ausblutenlassen der Förderschulen am falschen Ende sparen werden.

(Beifall AfD)

Und am Ende kommt dann natürlich die Konsequenz: Sie behaupten dann, so groß wären die Mehrkosten für den Gemeinsamen Unterricht dann gar nicht. Das währenddessen an allgemeinbildenden Schulen wie an Förderschulen der Unterricht drunter und drüber geht, scheint Sie auch nicht zu interessieren. Es ist also kein Geheimnis, dass Sie als Landesregierung einen anderen Weg gehen als den, den wir als AfD bevorzugen würden. Das Ziel der Landesregierung ist ganz klar die Entkernung der Förderschulen als Kurzziel oder mittelfristiges Ziel und langfristig die Schließung der Förderschulen als solche. Und dagegen gibt es natürlich berechtigten Widerstand.

Diesen Widerstand versuchen Sie zwar in Ihrer Rede auszublenden, dennoch scheint die Landesregierung ihn bemerkt zu haben, denn in dem Gesetzentwurf werden einige Verrenkungen gemacht, um den Begriff „Schule“ umzudefinieren und so zu tun, als würden Sie als Landesregierung nicht schon die ersten Schritte in Richtung Schließung der Förderschulen tun. In § 13 Abs. 1 Satz 4 des Entwurfs wird eine Definition davon, was Schule sein soll, eingefügt. Im nächsten Satz folgt dann die Aussage – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis –: „Förderschulen gelten abweichend von Satz 4 auch dann als Schulen, wenn sie ausschließlich Schüler fördern, die ein Schulverhältnis zu einer allgemeinen Schule begründet haben.“ Mit anderen Worten, die Landesregierung behauptet: Wir stellen ja ein Gebäude hin, in diesem Gebäude sind keine Schüler, in diesem Gebäude sind vermutlich auch keine Lehrer, in diesem Gebäude wird definitiv kein Unterricht erteilt, aber dieses Gebäude hat den Namen „Schule“; wir als Landesregierung sagen das und deswegen muss das jeder glauben.

Meine Damen und Herren der Landesregierung, sehr geehrter Herr Minister Holter, Sie schreiben Gesetze nach dem Motto: Einbildung ist auch eine Bildung. – Und das ist wirklich irre.

(Beifall AfD)

Mit großer Sorge sehe ich auch, dass Sie anderen Schularten wie dem Gymnasium oder der Regelschule an den Kragen wollen, das ist ja schon angesprochen worden. In § 3 a des Entwurfs legen Sie fest, dass das Schulsystem fortan nicht nur nach Schularten gegliedert, sondern vor allem auch nach Schulstufen aufgebaut sein soll. Gleichzeitig erinnern wir uns daran, dass Bildungsminister Hol

ter schon im August angekündigt hat, Lehrer nicht mehr nach Schularten, sondern schulstufenbezogen ausbilden lassen zu wollen. Auch hier erkennen wir, dass von der Landesregierung eben keine Schulvielfalt gewollt ist. Sie wollen keine Grundschule, Sie wollen keine Regelschule, Gymnasien und Förderschulen, Sie wollen als Endziel Einheitsschulen, in denen dann keine Differenzierung nach Leistungen mehr möglich ist. Das, meine Damen und Herren der Landesregierung, hat aber nichts mit Bildung zu tun, sondern ist schlicht und ergreifend gleichmacherischer Unsinn, der uns und unser Land ins bildungspolitische Mittelalter zurückwerfen wird.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Ihr Vorschlag zu den Klassen und Schulgrößen. Gemeinschaftsschulen müssen mindestens 260 Schüler in den Klassenstufen 5 bis 10 und in der Oberstufe mindestens 40 haben, insgesamt also 300. Gymnasien hingegen müssen deutlich mehr Schüler vorweisen, um erhalten zu bleiben, nämlich 540. Also Gymnasien müssen im Endeffekt, wenn man es zusammenrechnet, 240 Schüler mehr haben als Gemeinschaftsschulen mit gymnasialer Oberstufe. Das ist eine offensichtliche Ungleichbehandlung, das ist ungerecht und wird zweifellos dazu führen, dass Gymnasien gegenüber Gemeinschaftsschulen zurückgedrängt werden, obwohl diese Schulform doch bei Eltern und Schülern erwünscht ist.

(Beifall AfD)

Und, Herr Hartung, Sie haben das vorhin so schön gesagt, Ihr Ursprungsgesetzentwurf wäre ein Schulschließungsprogramm geworden. So ganz lapidar haben Sie das mal hier hingeworfen. Ich glaube, das ist nach dem jetzigen Entwurf nicht anders.

Ihre Vorschläge zu Schul- und Klassengrößen sind insgesamt kritisch, insbesondere auch für die Grundschulen, auf die ich eingehen möchte.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hartung?

Am Ende gerne, wenn ich noch Zeit habe.

Wie willkürlich das Ganze ist, können wir auch daran erkennen, dass Herr Minister Holter die Schulgröße für Grundschulen zunächst auf 160 Schüler pro Schule festgelegt hat, diese Zahl aber nach massiven Protesten revidiert hat, und plötzlich braucht man dann nicht mehr 160 Schüler pro Grundschule, sondern nur noch 80. Wo da die rote Linie bleiben soll, das bleibt wohl Ihr wohlgehütetes Geheimnis. Auch für Grundschüler …

Frau Abgeordnete, es gibt einen weiteren Wunsch von Abgeordneten Wolf auf eine Zwischenfrage.

Mit Blick auf die Redezeit gern, wenn es am Ende möglich ist.

Auch für Grundschüler sind Ihre Vorschläge also ganz besonders kritisch. Wenn die Mindestschülerzahl dann nicht erreicht werden kann, was gerade auf dem Land zweifellos vorkommen wird, dann ist die Schule natürlich von der Schließung bedroht. Wenn sie nicht geschlossen werden will, dann muss sie sich zu einer Kooperation mit anderen Schulen bereit erklären, was für Grundschüler im Extremfall heißen kann, dass sie nicht nur die von Ihnen auf 35 Minuten festgelegte maximale Schulwegszeit haben, sondern auch zwischen verschiedenen Schulen hin- und herpendeln müssen oder eben Lehrer haben, die sie selten sehen, weil die Lehrer zwischen den verschiedenen Standorten hin- und herpendeln müssen. Und da hilft es auch nicht, immer zu sagen, es ist alles freiwillig. Diese Argumentation kennen wir ja von der Gebietsreform, da sagen Sie auch immer, ja, die Fusionen sind alle freiwillig. Aber Fakt ist doch: Entweder die Gemeinden fusionieren oder es kommt eine Konsequenz. Und das Prinzip wenden Sie jetzt auch bei den Schulen an und sagen: Entweder ihr kooperiert oder ihr werdet geschlossen. Und das ist nicht das Prinzip „Freiwilligkeit“, das ist das Prinzip „Friss oder stirb“.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!)

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Glau- ben Sie das wirklich?)

Und ich sage auch ganz deutlich, dass ich das gerade im Grundschulbereich fatal finde und dass wir als AfD diese Entwicklung nicht wollen. Für alle Schulen außer der Gemeinschaftsschule ist absehbar, dass es durch Ihr Kooperationsmodell zur Schulschließung oder eben auch zu einer massiven Verschlechterung des Unterrichts und der Situation der Lehrer kommen wird. Ihr Gesetzentwurf ist kein Weg, den Lehrermangel zu bekämpfen – ich habe auch noch keinen Vorschlag gehört, der sich darauf bezieht –, kein Weg, dafür zu sorgen, dass weniger Stunden ausfallen. Ihr Gesetzentwurf ist ein rot-rotgrünes Chaosstiften auf dem Weg zum Einheitslehrer an der Einheitsschule.

(Beifall AfD)

Ich sage Ihnen jetzt schon voraus: Wenn dieses Gesetz so umgesetzt wird und wenn in der nächsten Legislatur nicht durch bürgerliche Kräfte gegengesteuert werden kann, dann ist unsere Schulland

schaft in zehn Jahren einfältig statt vielfältig, leistungsschwach statt leistungsorientiert und in ihrem heutigen Kern zerstört.

(Beifall AfD)

Und Minister Holter hat ja angekündigt, das Ganze bis 2030 geschafft haben zu wollen.

Wir als AfD stellen uns natürlich vor, dass zumindest eine intensive Diskussion geführt wird. Ich bitte daher um Überweisung des Gesetzentwurfs an verschiedene Ausschüsse, und zwar an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, an den Haushalts- und Finanzausschuss und auch an den Innen- und Kommunalausschuss.

Weil ich das ganze Thema sehr wichtig finde, möchte ich auf Ihren Antrag zur UN-Behindertenrechtskonvention noch gesondert eingehen. Allgemein finde ich das Thema wichtig, weil ich es wichtig finde, dass wir als Gesellschaft oder auch als Parlament diskutieren, wie wir mit Menschen, die mit einer Behinderung leben müssen, umgehen und wie wir sie unterstützen können. Leider ist das ein Bereich, der von Rot-Rot-Grün konsequent vernachlässigt wird und sich auch in Ihrem Antrag überhaupt gar nicht wiederfindet. Auch bei Ihnen in der Einbringung, Herr Schaft, habe ich viel von Inklusion gehört, aber nichts über die Menschen, um die es eigentlich geht.

(Beifall AfD)