Seltsamerweise habe ich, als in Hamburg, in Niedersachsen, in Bremen, Schleswig-Holstein im Jahr 2018 der Reformationstag zusätzlich zum gesetzlichen Feiertag erklärt wurde, auch nicht gehört, dass da so ganz schwierige Diskussionen gekommen sind und gleich wieder Land unter ist. Ich meine, in Bremen gibt es auch das eine oder andere an wirtschaftlichen Problemen zu bewältigen und trotz alledem hat man sich dort dezidiert entschieden, einen weiteren Feiertag auszurufen.
Frau Holbe, Sie haben gesagt – und das ist schon auch eine Ungerechtigkeit oder eine Unterschiedlichkeit –, dass es in Baden-Württemberg und in Bayern 12 bzw. 14 Feiertage gibt. Nun kann man über die wirtschaftliche Situation in den einzelnen Ländern streiten. Wenn wir mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen den Weltkindertag am 20. September in Thüringen zu einem gesetzlichen arbeitsfreien Feiertag erklären, dann ist es der elfte Feiertag hier in diesem Land. Ich glaube, insbesondere im Interesse von Familien und Zeit für Familien halte ich das für eine gute Entscheidung und freue mich sehr, dass wir heute hier zur Abstimmung kommen.
Wir haben uns als Koalitionsfraktionen, noch bevor wir den Gesetzentwurf eingebracht haben, mit Vertretern der Arbeitgeberseite und natürlich auch der Arbeitnehmerseite getroffen, um das Vorhaben im Vorfeld schon gemeinsam zu diskutieren. Natürlich – es ist schon geschildert worden – gingen die Meinungen dabei erwartungsgemäß weit auseinander. Die Gewerkschaften haben das Vorhaben begrüßt, die Arbeitgebervertreter haben den zusätzlichen Feiertag abgelehnt. Ein ähnliches Bild ergab sich auch in der Anhörung; Frau Holbe hatte darauf hingewiesen.
Das will ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Dem Einwand der Arbeitgeberseite, dass dieser zusätzliche Feiertag zu einem Verlust der Wirtschaftsleistung führt, können wir in dieser Form nicht folgen. Da muss man schon noch einmal ganz deutlich auch etwas zu Arbeitszeiten sagen. Denn wer über Verlust von Arbeitszeit durch einen zusätzlichen Feiertag redet, der muss auch
darüber sprechen – Sie haben es angedeutet –, wie viel Arbeitszeit die Arbeitnehmer in Thüringen tatsächlich leisten. Hier wird seit Jahren deutlich, dass die Thüringer Arbeitnehmer jedes Jahr fast eine komplette 40-Stunden-Woche an Überstunden leisten. Wenn man das mal hochrechnet, dann haben die Arbeitnehmer den zusätzlichen Feiertag in den letzten Jahren nicht nur doppelt, sondern dreifach oder eigentlich schon fünffach erwirtschaftet.
So viel muss man dann auch noch dazu sagen dürfen. Der DGB Hessen-Thüringen hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die wirtschaftlich starken Bundesländer noch mehr Feiertage haben. Insofern, glaube ich, ist das teilweise eine Phantomdiskussion, die wir an dieser Stelle betreiben.
Ja, es war auch ein Thema, dass in der Thüringer Bevölkerung nicht der 20. September, sondern der 1. Juni verwurzelt ist und als Kindertag wahrgenommen wird. Das wurde im Vorfeld und dann auch in der Anhörung thematisiert. Wir haben uns mit diesem Thema intensivst auseinandergesetzt. Wir haben genau das gesagt, was auch Sie, Frau Holbe, schon angesprochen haben: In vielen Einrichtungen, in vielen Kindergärten, in vielen Vereinen, in vielen Kommunen, Landkreisen und, und, und besteht eine gewachsene Kultur, was den 1. Juni als Kindertag, als gefühlten und gelebten Kindertag angeht. Wie gesagt, die Kindergärten, die Jugendklubs, die Vereine, die Schulen machen an diesem Tag große und viele Angebote für die Kinder, für die Familien und haben eine Reihe von Aktivitäten, die sie ausrichten. Genau diese gewachsene Kultur wollten wir nicht zerstören, indem wir dann den 1. Juni zum Feiertag erklären.
Mit Ihnen rede ich doch gar nicht. Können Sie sich da bitte auf der ganz rechten Seite etwas zurückhalten? – Deswegen haben wir uns bewusst für den Weltkindertag entschieden.
Jetzt will ich noch einmal darauf hinweisen, dass an diesem Weltkindertag bereits eine ganze Menge an Aktivitäten und eine Art Feiertagskultur bestehen. In vielen Städten und Gemeinden werden am 20. September Veranstaltungen, Feste und Feiern ausgerichtet. In Erfurt findet beispielsweise seit über zehn Jahren am 20. September eine regelmäßige Weltkindertagsveranstaltung statt. Die wird von der Diakonie Mittelthüringen, dem Caritasverband im Kirchenkreis Erfurt organisiert. Ähnliche Veranstaltungen gibt es auch in Jena, die gibt es in
Sangerhausen. Der Kinderschutzbund macht sehr viele Veranstaltungen zum 20. September und das thüringenweit.
Natürlich – darauf hat Herr Dittes in der Begründung unseres Entschließungsantrags hingewiesen – braucht es weitere Anstrengungen, um den neuen Weltkindertag mit Leben zu erfüllen. Uns geht es im Wesentlichen darum, die UN-Kinderrechtskonvention damit noch mehr in die Öffentlichkeit zu tragen, ihr noch mehr Geltung zu verschaffen und über Kinderrechte und über die Stärkung von Kindern zu reden. Deswegen haben wir verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, auf die Herr Dittes teilweise schon eingegangen ist.
Ich finde wichtig, dass wir mit diesem Entschließungsantrag noch mal festgehalten haben – unter I. –: „Der Thüringer Landtag stellt fest, dass die Bekämpfung von Kinderarmut, die Wahrung von Kinderrechten und der Kinderschutz zu […] zentralen Zielen d[ies]es Landes gehören.“ – und das noch mal deutlich in die Richtung der ganz rechten AfD. Bekämpfung von Kinderarmut, Wahrung von Kinderrechten und Kinderschutz sind hier bei uns in Thüringen und in Deutschland genauso Thema wie überall auf der Welt. Dafür haben wir uns gefälligst einzusetzen.
Jedenfalls ist der soziale Aspekt dieses Feiertags ein ganz wesentliches Anliegen; das hat Herr Dittes umschrieben. Wir möchten auf keinen Fall – und das sage ich speziell für meine Fraktion, aber ich denke auch für die Koalitionsfraktionen –, wir sollten nicht das Ziel aus den Augen verlieren, worum es uns intensivst bei diesem neuen Feiertag geht: Es geht uns vor allem darum, Familien mehr zeitliche Freiräume zu ermöglichen. Ich will das noch mal untersetzen. Immerhin 80 Prozent der Deutschen wünschen sich vor allem mehr Zeit für die Familie. Genau an diesem Tag wollen wir die Möglichkeit geben, den Besuch bei den Großeltern, den gemeinsamen Familienausflug machen zu können, gegebenenfalls auch mal in die Pflegeeinrichtung zu gehen und zu pflegende Angehörige zu besuchen, einfach Zeit miteinander und füreinander zu haben. Mit diesem gesetzlichen Feiertag wollen wir außer den Untersetzungen in Richtung Stärkung der Kinderrechte auch dafür Sorge tragen, dass in dieser heutigen Alltagshektik ein kleiner Beitrag dazu geleistet wird, dass die Menschen in Thüringen
wieder ein bisschen mehr Zeit für die wesentlichen Dinge im Leben haben, das heißt für die Familie und füreinander da zu sein. Genau dem wollen wir mit diesem zusätzlichen Feiertag Rechnung tragen und ich glaube, die Familien, für die wir das tun, werden das auch anerkennen. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Dittes hat mich gebeten, bei dem Feiertagsgesetz doch ein bisschen fröhlicher zu schauen, und die politische Rede gibt im Gegensatz zur Berichterstattung auch die Möglichkeit dazu. Deshalb möchte ich zunächst einmal beginnen mit: Helau, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Thüringer Landtag!
Aber zurück zur Frage des Weltkindertags und des neu einzuführenden Feiertags. Warum führen wir diesen Feiertag ein? Das haben mich viele Menschen, viele Bürgerinnen und Bürger in den letzten Wochen und eigentlich auch Monaten der Debatte, die wir darum geführt haben, gefragt. Ich glaube, dass ein Punkt sehr wesentlich ist: Die Menschen in diesem Land haben gut gearbeitet, haben fleißig gearbeitet. Wenn wir überlegen, dass wir in schwierigeren Zeiten zur Finanzierung der Pflegeversicherung einen Feiertag gestrichen haben, dann ist es doch folgerichtig, in guten Zeiten, nach zehn Jahren wirtschaftlicher Stärkung auch einmal etwas zurückzugeben und zu sagen: Jetzt ist dieser Feiertag auch wieder verdient und jetzt können wir ihn auch einführen, um Zeit für die Familie zu schaffen.
Warum aber der 20. September dann an dieser Stelle? Das, glaube ich, liegt auch auf der Hand. Wir haben den Vatertag, der ein Feiertag ist, wir haben den Muttertag, der immer ein Sonntag und ein Feiertag ist, und wenn man die Sache zu Ende denkt, in einer Gesellschaft, die sagt, wir wollen Zeit für die Familie, wir wollen Zeit haben für …
Der Muttertag ist wohl immer ein Sonntag. Da staune ich, dass ich Widerspruch aus der CDU bekomme, und kann das nicht verstehen. Vielleicht müssen Sie Ihren Feiertagskalender da einmal wieder geraderücken, meine sehr verehrten Damen.
Also wir haben diese beiden Tage und denkt man die Sache zu Ende in einer Gesellschaft, in der wir alle die Rückmeldungen bekommen, die sagen, wir wollen Zeit für unsere Familie haben, das Wichtigste ist, Familie und Beruf vereinbaren zu können, ja, Karriere machen zu können, aber auch Familie haben zu können und nicht nur die Kinder morgens wegzubringen und abends kurz zu sehen. Das ist den Menschen wichtig. Und dann sich den Kalender anzuschauen und zu sagen: Der 20. September, der Weltkindertag, ist der perfekte Tag dafür zu sagen, an dieser Stelle halten wir noch einmal inne, wir haben Zeit in der Familie, mit Kindern Zeit zu verbringen, aber auch, um mit Großeltern Zeit verbringen zu können, weil da ist man ja auch noch das Kind. Das ist uns wichtig.
Um Frau Holbe auch deutlich zu widersprechen: Sie haben gesagt, dieser Weltkindertag würde nirgendwo gefeiert werden. Darüber muss ich sehr staunen. Nicht nur, dass er in Köln und Berlin mit Teilnehmerzahlen über 100.000 ganz öffentlich gefeiert wird, wir haben auch in Erfurt, wir haben in Eisenach, wir haben in Jena, wir haben in Gera und Greiz ähnliche Feste, die immer im öffentlichen Raum stattfinden. Das ist auch das Wesentliche im Unterschied zum 01.06. Es hat sich eine wunderbare Tradition herausgebildet, dass in Kindergärten und in den Grundschulen am 01.06. Wandertage durchgeführt werden, dass man in der Gruppe, in der man Tag für Tag zusammen ist, da etwas Besonderes macht, Sportfeste, Spielfeste, oder sich Ähnliches vornimmt.
Und diese Tradition würden wir durchbrechen, wenn wir einen Feiertag auf diesen Tag legen würden. Deshalb ist es uns wichtig, einen anderen, einen ebenso eingeführten Feiertag zu nehmen und einzurichten, der von vielen bisher im öffentlichen Raum auch schon gefeiert wird.
Es gab Kritik – und der wollen wir uns auch stellen –, gerade vonseiten der IHKs, der Handwerkskammern, aber auch des Gemeinde- und Städtebundes. Die Argumentation war ungefähr immer so: Ein Feiertag mehr ist ein Arbeitstag weniger und wenn ich einen Tag weniger arbeite, muss ich die
gleiche Arbeit an den anderen Tagen verteilt machen, das führt zu mehr Stress. Das ist erst mal ganz eingängig und man sagt: Ja, das stimmt. Haben die denn darüber nicht nachgedacht? Aber wenn man diese Logik an sich heranlässt, dann würde es ja heißen: Wenn wir samstags jetzt immer wieder arbeiten gehen, hätten wir alle weniger Stress, weil wir ruhiger weiterarbeiten können. Das kann doch nicht die Logik sein zu sagen, mehr arbeiten führt zu mehr Erholung.
Das ist nicht logisch und das ist auch ganz klar. Ich denke auch, dass es eine gefährliche Logik ist zu sagen, ein Feiertag mehr ist schlecht für die Wirtschaft und ein Feiertag weniger wäre dann logischerweise gut für die Wirtschaft. Wenn man sich darauf einlässt, ist man auf der schiefen Bahn, auf der man in Österreich gerade angekommen ist,
indem man nämlich dort den Karfreitag streicht – den Karfreitag streicht, um der Wirtschaft etwas Gutes zu tun. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird Bündnis 90/Die Grünen, aber auch diese Koalition niemals tun.
wir wollen auch an das Leid vieler Kinder auf der Welt denken und vor allen Dingen wollen wir uns einem Recht der Kinder zuwenden. Es war sehr schön, dass das vom Kinderschutzbund vorgetragen wurde: Es gibt ein Recht auf eine behütete Kindheit. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll am 20. September hier in Thüringen in den Fokus der Gesellschaft gerückt werden. Deshalb ist es ein guter Feiertag, den wir heute einrichten. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Ihrem Gesetzentwurf können wir aus ganz vielen Gründen nicht zustimmen. Einer ist schon genannt worden: Er ist
natürlich dezidiert wirtschaftsfeindlich. Ein ganz wesentlicher Grund ist, auf den sind Sie selbst eingegangen, das fängt nämlich mit dem Datum an, dem 20. September. Wir haben hier in Thüringen, überhaupt in Ostdeutschland eine ganz lange Kindertagstradition, nämlich am 1. Juni. Frau Pelke hat es selbst gesagt, alle haben sich darauf eingerichtet, die Landkreise, die Kindertagesstätten, Jugendklubs, etc. pp., alle sind auf den 1. Juni fixiert. Sie, die immer so viel von Beteiligung schwafeln, Sie, die immer so viel von Beteiligung halten, was machen Sie? Sie ignorieren die Leute.