Meine sehr geehrten Kolleginnen, da es bei mir vorhin den Zwischenruf gab und auch wohl noch mal die Frage, wie viele Lehrerinnen- und Lehrerstellen
denn so abgebaut werden, will ich gern noch mal eine Zahl in den Raum stellen. Zwischen dem Jahr 2000 und 2010 wurden – und zwar über alle Schularten hinweg – 6.000 Lehrerinnen- und Lehrerstellen abgebaut und nur wenige Hundert neue Lehrer eingestellt. Es gab kein Personalentwicklungskonzept. Wer regiert hat, wissen Sie alle selbst. Vielen herzlichen Dank.
Da ich jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr sehe, haben Sie, Herr Minister Holter, für die Landesregierung das Wort.
Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, man muss vielleicht für euch und für Sie noch mal sagen, dass es diesen Antrag seit November 2018 gibt und sich daher in dieser Landtagssitzung mindestens dreimal die Gelegenheit ergeben hat, über Bildung zu sprechen. Ich bin ja dafür und halte das auch für richtig. Über Bildung kann man gar nicht genug reden, selbstverständlich, aber man sollte nicht ständig immer das Gleiche über Bildung reden, sondern tatsächlich auch eine Entwicklung aufzeigen.
Das Dilemma Ihrer Rede, Herr Kießling, bestand darin, dass Sie Unterrichtsausfallzeiten genannt haben, die aus dem Frühjahr 2018 waren, mit 8,3 Prozent. Die Zahl ist richtig. Im Herbst, Ende November, waren es aber 6,6 Prozent, ich will das bloß zur Klarheit hier sagen. Es gibt da also eine positive Entwicklung und wir werden sehen, wie sich das weiter entwickelt.
Es ist richtig, dass wir Langzeiterkrankte haben, konkret sind das zurzeit 971. Wir reden immerhin gemeinsam von rund 1.000. Ich will das nur einfach klarstellen, dass diese Langzeiterkrankten natürlich viel zu viele sind. Ich will Ihnen auch hier mitteilen, dass ich diese Woche beraten und entschieden habe, dass wir ein umfassendes Gesundheitsmanagement für Lehrerinnen und Lehrer einführen werden.
Wir werden mit einer Gefahrenanalyse in 200 Schulen beginnen. Die werden wir jetzt in den nächsten Tagen auswählen, werden das konkret vorbereiten, um dann entsprechende Angebote für
die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort zu machen. Es ist wichtig, das möglichst in der Region vor Ort zu machen, damit sie dann diese verschiedenen Angebote, die dort ermöglicht oder angeboten werden, auch nutzen. Ich will auch hinzufügen, dass auch wir mit in die Schule nehmen, dass das Schulbudget auch dafür gedacht ist, entsprechende Maßnahmen der Lehrergesundheit, Gesundheitsmanagement umzusetzen.
Zweitens will ich Ihnen sagen, dass wir eine Vielzahl von Registern gezogen haben. Bevor ich das sage, will ich – auch für die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer – noch mal deutlich machen: Ihr/Sie haben das gemerkt, die Debatte läuft auf verschiedenen Ebenen. Das ist auch richtig so, das will ich gar nicht kritisieren, ich will das bloß mal ein Stück versuchen abzuschichten. Das eine ist ein Rückblick, was in der Vergangenheit war. Das kann man intensiv tun, hilft uns im Moment aber herzlich wenig, weil wir Lösungen nach vorne brauchen. Und wir brauchen Lösungen – das ist die zweite Ebene – in der Jetzt-Zeit, was heute passiert, und wir brauchen Entscheidungen. Und so verstehe ich – zumindest will ich es allen Fraktionen abnehmen, dass sie sich Gedanken machen, dass die Situation, die wir jetzt haben, nicht erneut entsteht. Das sollte hier auch der Konsens sein, davon kann ich hoffentlich ausgehen.
Wenn wir also über die heutige Zeit reden, dann sind es verschiedene Maßnahmen. Es ist bekannt, dass ich seit dem 17. August 2017 hier im Amt bin, und wir haben in diesen über eineinhalb Jahren so viele Register gezogen, um den Unterrichtsausfall zu minimieren und ihm zu begegnen, wie das in den Vorzeiten überhaupt nicht möglich gewesen ist.
Das ist auf der einen Seite – was Torsten Wolf, Thomas Hartung und Astrid Rothe-Beinlich schon angesprochen haben – die Verbeamtung. Da kann man wirklich, Astrid, sich darüber streiten, ob sinnvoll oder nicht sinnvoll. Aber ich weiß, dass es für junge Leute ein hohes Gut ist – nicht nur für junge. 2008 wurde die Verbeamtung für Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen ausgesetzt. Wir haben sie wieder eingeführt und es ist auch gut so, dass sie wieder eingeführt wurde. Das ist auch eine Höchstanstrengung, die in den Schulämtern durch die Kolleginnen und Kollegen durchgeführt wird.
Wir haben darüber hinaus all die Dinge gemacht, die mit dem Besoldungsgesetz, sprich mit der Bezahlung der Lehrerinnen und Lehrer, verändert wurden, um also auch andere materielle Anreize zu geben. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen zwi
schen den Fraktionen hier im Landtag, aber damit muss man auch ganz konkret leben. Wir wollen in erster Linie das Lehramt Regelschule stärken und erreichen, dass auch die Schulleiterinnen und Schulleiter nun endlich mal amtsangemessen bezahlt werden. Es gibt Schulleiterinnen und Schulleiter in Thüringen, die über zwölf Jahre lang noch das Gehalt bezogen haben, was sie als Lehrerinnen und Lehrer bezogen haben. Das muss ausgeräumt werden und das wird dieses Jahr auch ganz konkret umgesetzt.
Ich könnte jetzt die ganzen Maßnahmen im Einzelnen noch mal aufzählen, dazu gehören auch die DaZ-Lehrerinnen und DaZ-Lehrer, dazu gehören auch die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, die wir nachqualifizieren. Seit dem 01.08.2018 sind das 47 Kolleginnen und Kollegen, seit dem 01.02.2019 nochmals 57. Im Verhältnis von rund 18.000 Lehrerinnen und Lehrern, die wir in Thüringen haben, ist es eine verschwindend geringe Zahl, aber – Herr Kießling, das greife ich auch gern auf, Sie haben ja auch von Qualität im Unterricht gesprochen – wir brauchen natürlich gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer.
In diesem Zusammenhang will ich Sie darüber informieren, meine Damen und Herren Abgeordneten, dass es diese Woche am Montag einen Gipfel gegeben hat. Der Ministerpräsident hat die Präsidenten und Direktoren der Lehrer bildenden Universitäten und Hochschulen eingeladen – Wolfgang Tiefensee, der Wissenschaftsminister, und ich waren dabei – und wir haben darüber gesprochen, dass wir auch für die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung Veränderungen brauchen; da sind sich auch die Universitäten und Hochschulen einig. Wir haben über viele Fragen gesprochen, die hier angeklungen sind, die ich gar nicht weiter vertiefen will. Am Ende haben wir uns darauf geeinigt, um etwas zu machen, dass wir eine Thüringer Allianz für eine gute Lehrerbildung schaffen, wofür ich den Vorsitz habe. Ich werde noch vor Ostern die Betreffenden für die zweite Phase einladen, sprich die Studienseminare und die Seminarschulen, um darüber zu sprechen, wie man die Übergänge günstiger gestalten kann, wie man aber auch mehr junge Menschen, Abiturientinnen und Abiturienten, gewinnen kann, ganz konkret Mangelfächer, beispielsweise MINT, aber auch Sport, Musik, Kunst und Religion, zu studieren, aber sie gleichzeitig auch zu motivieren, nicht nur in die Städte zu gehen, sondern auch in den ländlichen Raum, um das auch mal ganz platt zu sagen, auch auf die Dorfschule zu gehen. Das ist ja so.
Lehrer, der schon zwei Fächer absolviert hat, bereit ist, in einer beruflichen Zusatzqualifikation ein drittes Fach zu studieren, ist nach den heutigen Regeln, die der Freistaat aufgestellt hat, dieses zusätzliche Studium für diesen Kollegen oder für diese Kollegin gebührenpflichtig. Da kann man von ungefähr 5.000 bis 6.000 Euro ausgehen. Da sagen mir die Kollegen, das ist ja ein bisschen verrückt, du willst mich als Lehrer in dem und in dem Fach haben und ich soll noch dafür bezahlen. Das heißt, wir müssen darüber reden, ob man die Interessenten um diese Gebühr, die da zu zahlen ist, tatsächlich entlastet und der Freistaat diese übernimmt bzw. die Universitäten darauf verzichten, das muss im Einzelnen ausgehandelt werden. Ich will nur mal an einem Beispiel deutlich machen, wo solche Themen stehen. Das gleiche Thema ist das mit den Zeugnissen. Ich will damit bloß deutlich machen, dass wir auch Fragen haben, die in die Zukunft gerichtet sind, dass wir auch diese Dinge ganz konkret gemeinsam angehen.
Zur Einstellung: Einstellung ist eine Kunst an sich. Erstens muss man sich fragen: Was tut sich eigentlich auf dem Lehrermarkt? Die KMK – letztes Jahr war ich deren Präsident – hat im letzten Jahr zusammengetragen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer benötigt werden. Von 2018 bis zum Jahr 2030 werden in Deutschland jedes Jahr 31.900 Lehrerinnen und Lehrer benötigt – 31.900! Die höchste Zahl im Osten. Thüringen hat eine Unterdeckungsquote von 20 Prozent. Ein anderes ostdeutsches Bundesland hat eine Unterdeckungsquote von 50 Prozent, andere 30 Prozent. Damit wird sehr deutlich, dass die Herausforderung in Deutschland sehr groß ist und der Kampf um die Köpfe, um die Lehrerköpfe, richtig tobt – ein Überbietungswettbewerb mit Zulagen, mit Gehältern. Schleswig-Holstein führt jetzt die A13 für die Grundschullehrer und Grundschullehrerinnen ein, Berlin hat sie schon eingeführt. Das ist eine Spirale, die sich dort dreht, die natürlich – das sage ich den finanzpolitischen, haushaltspolitischen Sprechern – nicht aufzuhalten ist und auch uns irgendwann erreichen wird, das weiß auch die Geschäftskollegin Frau Taubert. Ich will damit bloß deutlich machen: Wir sind da nicht auf der Insel der Glückseeligen und über uns ist keine Glocke gestülpt, sondern es sind auch die Neben- und Randbedingungen, die in Deutschland herrschen, die tatsächlich eine Rolle spielen.
Der Markt ist leergefegt und trotzdem stellen wir ein. Die Zahlen sind nun mehrfach genannt worden, ich muss sie nicht wiederholen. Ich will Ihnen mal eine Zahl verraten: Zwischen dem – im Durchschnitt jetzt – Freiwerden einer Stelle und der Wiederbesetzung vergehen in Thüringen 37 Tage. 37 Tage! Da wird mir immer ein Beispiel erzählt, wo
es auch mal 120 Tage gedauert hat, auch diese Beispiele gibt es selbstverständlich. Aber wenn ich mal im Durchschnitt sehe, dass wir 37 Tage brauchen, sind das Höchstleistungen – Torsten Wolf ist darauf eingegangen –, die tatsächlich in den Schulämtern hier vollführt werden. Wir haben seit letztem Jahr auch eine Stabstelle im Ministerium eingerichtet und wir beraten monatlich darüber, wie wir die Einstellungen noch weiter forcieren können, damit tatsächlich auch der Unterricht abgesichert werden kann. Das gelingt uns nicht in jedem Fall, weil wir gerade für Regelschulen gar keine Angebote haben, und das drückt sich bereits im Studium schon aus, darüber haben wir gesprochen.
Die AfD, Herr Kießling, fordert einen Nachtragshaushalt. Der Doppelhaushalt 2018/2019 – Frau Taubert, das haben wir beide schon immer gesagt – ist ein Bildungshaushalt. Wir haben jetzt mit dem Haushalt 2020, der in der vergangenen Landtagssitzung eingebracht wurde, auch wieder Entscheidungen getroffen, auch darüber ist schon gesprochen worden. Das führt eben dazu, dass wir dieses Jahr 1.200 Lehrerinnen und Lehrer einstellen und das in der gleichen Größenordnung nächstes Jahr auch fortsetzen können, dass wir nicht nur frei werdende Stellen besetzen, sondern dass es uns auch gelungen ist – wir beide sind uns und mit dem Kabinett da auch einig –, dass wir faktisch jedes Jahr round about nochmal 300 neue Stellen geschaffen haben, die zusätzlich besetzt werden können.
Die spannende Frage ist: Wie schaffen wir es, junge Leute, Lehrerinnen und Lehrer, nach Thüringen zu locken bzw. dass sie entweder in Thüringen bleiben oder nach Thüringen kommen? Auch hier sind Entscheidungen gefallen. Die erste ist, wir werden demnächst eine Lehrergewinnungskampagne starten. Sachsen-Anhalt ist gerade an den Start gegangen, wir bereiten das mit einer Agentur vor. Aber es sind noch weitere Entscheidungen zu treffen. Ich hoffe da auf Zustimmung, auch aus der Oppositionsfraktion, zu meiner Entscheidung, dass Lehramtsabschlüsse anderer Bundesländer nun in Thüringen anerkannt werden. Es gibt nämlich Ausschlussgründe. Nach unserem Lehrerbildungsgesetz ist das nicht so ohne Weiteres möglich. Wenn wir aber diesen Wettbewerb um die Köpfe tatsächlich mitmachen wollen, dann müssen wir auch die beamtenrechtlichen und anderen Hürden ausräumen, die verhindern, dass diejenigen, die nach Thüringen kommen wollen bzw. die wir einladen wollen, nach Thüringen zu kommen, dann aufgrund von irgendwelchen Regeln, Gesetzen etc. nicht kommen können. Das würde sich ja widersprechen.
Wenn ich eine gute Kampagne mache – und davon gehe ich aus –, muss ich dahinter auch den Instrumentenkasten haben, um diejenigen, die ich da gewinnen und die ich anwerben will, tatsächlich auch in den Thüringer Schuldienst einzustellen. Das gehört natürlich zusammen.
Deswegen, Herr Kießling, ich verstehe Ihren Antrag, aber wir brauchen ihn nicht, weil die beiden Haushalte – der aktuelle, den wir jetzt haben, der Doppelhaushalt, und der zukünftige Haushalt für 2020 – Bildungshaushalte sind.
Zweitens: Wir ziehen jetzt alle Register, um in den nächsten Wochen und Monaten so viele Lehrerinnen und Lehrer einzustellen wie noch nie. Wir werden das Problem des Unterrichtsaufalls damit nicht eins zu eins beseitigen können, das muss man auch ehrlich sagen. Aber wir unternehmen alles und wirklich mit einem hohen Tempo, um das zu realisieren.
Und drittens: Wir wollen mit dem Schulgesetz – worüber ich jetzt im Einzelnen nicht referieren werde – und weiteren Entscheidungen – siehe auch Allianz für gute Lehrerbildung – dafür sorgen, dass in Zukunft eine solche Situation, die wir hier alle gleichermaßen bewerten und einschätzen – das ist ja auch in Ordnung so – nicht wieder entsteht.
Deswegen kann ich nur noch mal appellieren – und das verstehe ich bei Herrn Kowalleck und Herrn Tischner von der CDU nun wirklich nicht: Sie sagen immer, greifen Sie unsere Vorschläge auf. Ich habe Ihnen mehrfach angeboten, machen Sie mit. Sie haben damals das Angebot bekommen, bei der Kommission „Zukunft Schule“ mitzumachen. Sie haben das Angebot bekommen, bei der Erarbeitung des Thüringenplans mitzumachen. Sie verweigern sich dort und berufen sich aufs parlamentarische Verfahren und da legen Sie sich dann auch noch quer, wenn ein geordnetes parlamentarisches Verfahren laufen soll. Das verstehe ich nicht unter konstruktiver Opposition.
Unter konstruktiver Opposition verstehe ich, die Regierung zu kritisieren, aber auch eigene Dinge vorzuschlagen und dann auch per Antrag in den Landtag zu bringen. Das fehlt mir und deswegen kann ich nur sagen: Den Antrag der AfD brauchen wir nicht. Ich verlange und erwarte einfach, dass der Kurs, den wir eingeschlagen haben, für gute Lehrerbildung, für gute Schule, damit die Schülerinnen und Schüler tatsächlich jede Stunde nach Stundentafel auch bekommen können, weiter umgesetzt
wird. Ich weiß, dass mich die Koalitionsfraktionen da unterstützen, dafür bedanke ich mich. Ich weiß auch, dass in Thüringen viele Lehrerinnen und Lehrer, auch Eltern genau diesen Kurs unterstützen. Die Erwartungen sind höher, als man von heute auf morgen gleich umsetzen kann, aber wir brauchen die Geduld, wir brauchen aber auch die Kraft, genau diese Schritte zu gehen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister Holter, Sie haben gerade erklärt, dass Sie Einstellungsvoraussetzungen für Lehrer aus anderen Bundesländern jetzt praktisch vereinfacht haben. Haben Sie denn auch an der Bewerbungsfrist zur Einstellung unserer Leute etwas geändert, damit die nicht erst in die anderen Bundesländer gehen müssen?
Da haben Sie eben nicht zugehört. Das ist ja genau der Punkt. Erstens habe ich das noch nicht geändert, ich habe entschieden, dass …
Nun warten Sie doch mal ab. Sie wissen doch genau, wie Verwaltung läuft. Wenn ich entschieden habe, dass …
Entweder wollen Sie nun zuhören oder Sie wollen sich lustig machen. Dann kann ich auch grantig werden.