Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

Keine neue Kultursteuer in Thüringen und Deutschland – Verhältnis zwischen dem Land und den Religionsgemeinschaften weiter auf der bewährten verfassungsrechtlichen und vertraglichen Grundlage gestalten Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/6965 -

Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Prof. Dr. Hoff.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir hatten ja vor Kurzem schon eine Aussprache hier im Landtag, am 30. Januar 2019. Diese Aussprache stand noch unter der Frage „Kultursteuer statt Kirchensteuer?“ und die heutige Aussprache signalisiert: keine neue Kultursteuer in Thüringen, in Deutschland – also den Wunsch, eine Debatte sofort zu beenden.

Nun ist es ja trotzdem nicht so, dass man eine Debatte einfach quasi beendet, indem man im Parlament sagt, es darf über etwas nicht mehr diskutiert

werden. Man darf aber auch im Umkehrschluss nicht zu der Auffassung kommen, nur weil etwas diskutiert wird, sei jede Frage, die man auch im öffentlichen Raum erörtert, sofort eine Festlegung, in der mitgeteilt wird: So muss es sein. Wenn wir in dieser Form eindimensional vorgehen bei jeder Frage, die man stellt, jeder These, die man diskutiert, dann dürfte es künftig an unseren wissenschaftlichen Institutionen relativ dürftig werden. Denn dann ist jede These, die man irgendwie formuliert, die möglicherweise auch begründet eine Kontroverse initiieren soll, an deren diskursiven Ende man bilanziert, man ist aus einer Diskussion schlauer herausgegangen, als mein reingegangen ist, unmöglich. Und der Ministerpräsident hat zu diesem Thema – das deutlich mehr als die Frage einer Kultursteuer umfasst, sondern sich mit der Frage des Verhältnisses von Staat und Kirche, dem Verhältnis und den Fragestellungen, die Kirchen und kirchliche Gemeinden aufrufen müssen vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Wandels, den wir auch als Parteivertreterinnen und Parteivertreter, als Staat, als Parlament, auch als Landesregierung erfahren, auseinanderzusetzen hat –, in diesem Verhältnis und dem spezifisch verfassungsrechtlichen Verhältnis von Staat und Kirche, das sich nun auch 100 Jahre jährt mit der Weimarer Reichsverfassung, zunächst vor allem Fragen aufgerufen. Und schon damals hat die CDU gesagt: Wir lassen nicht zu, dass der Ministerpräsident eine entsprechende Frage stellt und zur Debatte stellt, sondern wir unterstellen ihm, dass er eine Steuererhöhung für alle will. Das heißt, wir nehmen an der Debatte in ihrer Komplexität gar nicht teil, sondern reduzieren es auf eine Position, die wir in den politischen Raum stellen, und sagen aber, über den eigentlichen Kern, was heißt gesellschaftliche Veränderung für unser Staat‑Kirche-Verhältnis, wollen wir nicht diskutieren, sondern wir sagen, der Ministerpräsident hätte gesagt – was er nicht gesagt hat und wofür ich auch heute noch mal stehe und sage, er hat es nicht gesagt –, es soll eine Steuererhöhung für alle geben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insofern würde ich dafür plädieren, dass es auch in der aufgeregten Mediengesellschaft möglich sein muss, politische Debatten zu führen, politische Themen auch kontrovers – natürlich kontrovers – zur Diskussion zu stellen, ohne dass diese Überlegungen sofort denunziert werden oder vom Tisch gefegt werden. Und in der Mitwirkung an einer politischen Meinungsbildung liegt ja auch eine demokratische Aufgabe. Verantwortliche Politik muss in der Lage sein, soziale Veränderungen wahrzunehmen – und darum geht es in dem Kern dieser Diskussion

(Abg. Adams)

und darauf auch zu reagieren. Und die Veränderungen der Gesellschaft, die in den letzten Jahrzehnten in religiöser, weltanschaulicher Hinsicht eingetreten sind, sind ja auch unübersehbar. Es geht darum, dass wir an dieser Debatte auch als Freistaat Thüringen teilnehmen, auch als Vertreterinnen und Vertreter der politischen Akteure teilnehmen, ohne einen Anspruch darauf, dass jeder Diskussionsbeitrag morgen sofort in eine Entscheidungsgrundlage münden muss. Würde man diesen Maßstab – so wie die CDU ihn mit dem Antrag hier zugrunde legt –, den allgemeinen Maßstab, anlegen, hätte der frühere Ministerpräsident Dieter Althaus seine Überlegungen zum Bürgergeld nie zur Diskussion stellen dürfen.

(Beifall DIE LINKE)

Dieter Althaus hat die Debatte zum Bürgergeld damals aufgemacht als einen Beitrag in einer Debatte, die heute unter dem Gesichtspunkt des Grundeinkommens und des bedingungslosen Grundeinkommens breit gesellschaftlich geführt wird, zu einem Zeitpunkt, als darüber nur sehr, sehr wenige Leute diskutiert haben. Und sagt man jetzt rückblickend: Nein, Dieter Althaus, eine solche Diskussion hätten Sie niemals als Ministerpräsident führen dürfen, weil es keinen gesellschaftlichen Konsens gab? Den gibt es ja auch übrigens Jahre nach diesem Beitrag von seiner Seite aus nicht. Sondern ist nicht auch die Aufgabe von Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die eben in einem Austausch mit gesellschaftlichen Akteuren sind und die an diesem Austausch auch mit eigener Positionierung teilnehmen, sich solchen Debatten auch zu stellen und auch Thesen kontrovers zur Diskussion zu stellen? Und genau darum geht es.

(Beifall DIE LINKE)

Die im guten Sinne politische Debatte auch über die Frage des Staat‑Kirchen‑Verhältnisses – und jüngst hat, eingeladen durch das Evangelische Büro Thüringens, ein sehr, sehr interessanter Diskussionsbeitrag rückblickend auf 100 Jahre Weimarer Reichsverfassung und die dortigen Regelungen stattgefunden – sind eben im Fluss und keineswegs abgeschlossen. Und deshalb sind die von der CDUFraktion an die Landesregierung gestellten Fragen eindeutig dahin gehend zu beantworten, dass seitens der Landesregierung, eingeschlossen den Ministerpräsidenten, keine Überlegungen bestehen, den staatlichen Einzug der Kirchensteuer zugunsten einer allgemeinen Kultursteuer abzuschaffen. Es gibt folglich auch keine Überlegung zu einzelnen steuerlichen Parametern und zur steuerlichen Belastung. Diesbezüglich werden auch keine Bundesratsinitiativen geplant. Und es ist auch nicht geplant, dass die Ablösung der Staatsleistung und die

staatliche Finanzierung von Moschee-Gemeinden realisiert wird, weil die Landesregierung auch keine Initiative zur Änderung des geltenden Religionsverfassungsrechts beabsichtigt.

Ich würde diejenige Rednerin oder denjenigen Redner der antragstellenden Fraktion bitten, diese Aussagen, die ich ganz bewusst etwas langsamer und sehr deutlich vorgetragen habe, in Rechnung zu stellen, damit die Diskussion im Anschluss an diesen Sofortbericht nicht wieder in dem Gestus geführt wird, dass, egal, was ich hier sage, die These aufgemacht wird, der Ministerpräsident oder die Landesregierung würden eine entsprechende steuerrechtliche Initiative im Bundesrat oder an anderer Stelle planen. Aber unabhängig davon, dass keine konkreten politischen Initiativen vorgesehen sind, nehmen wir uns trotzdem das Recht heraus, Diskussionen auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Kirchen zu führen; nicht zuletzt, weil auch auf Kirchentagen diese Debatte geführt wird.

Wer sich anschaut, was in den umfangreichen Befragungen, die mit Instituten in den Gemeinden beispielsweise der evangelischen Kirche vorgenommen wurden, in denen die soziale Struktur der Kirchengemeinden evaluiert worden, auch eruiert worden ist, wenn man sich die Ernsthaftigkeit dieser Debatte innerhalb der Kirchen anschaut, dann würde ich mir wünschen, dass wir über diese Fragestellungen, über die wir auch mit den Kirchen diskutieren, auch im politischen Raum genauso unaufgeregt diskutieren können.

Die Landesregierung wahrt – und ich betone das noch mal sehr deutlich – selbstverständlich das geltende staatliche Religionsrecht, wobei ich jetzt mal sage, dass wir das überhaupt betonen müssen – wie sollte es in einem Rechtsstaat auch anders sein? Das kann aber eben, wie gesagt, nicht bedeuten, die Augen vor Entwicklungen zu verschließen, die etwa den Bundesinnenminister in der Auftaktveranstaltung der neuen Staffel der Deutschen Islam Konferenz Ende letzten Jahres bewogen haben, den Begriff der Moschee-Steuer in die Diskussion einzuführen, um durch die verlässliche Eigenfinanzierung von Religionsgemeinden deren Abhängigkeit von ausländischen Finanziers zu mindern. Ich verweise hier auf meinen Redebeitrag, den ich im Januar in der Debatte dieses Landtags hierzu schon gehalten habe, weil ich dort sehr ausführlich auf die Struktur der muslimischen Gemeinden eingegangen bin und eben auch kritisch angemerkt habe, dass die Idee einer Moscheesteuer an der Struktur der Gemeinden so, wie sie derzeit verfasst ist, vorbeigeht. Das heißt also, wenn wir eine Moscheesteuer nach Kirchensteuermodell etablieren würden, würde das bedeuten, dass sich die musli

(Minister Prof. Dr. Hoff)

mischen Gemeinden in ihrer bisherigen Struktur, die vor allem vereinsgetragen sind etc., vollständig neu konstituieren müssten und dass dies derzeit nicht zu sehen ist.

Ich denke, dass es eben auch wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass Ministerpräsident Bodo Ramelow deutlich darauf hingewiesen hat, dass diese angesprochenen Moscheegemeinden die für eine eigene Steuererhebung erforderlichen Voraussetzungen eben bisher nicht geschaffen haben, wie ich es eben ausgeführt habe, und deshalb anzunehmen ist, dass sie diesen Weg zur selbstständigen Finanzierung ihrer Aufgaben derzeit auch nicht gehen wollen. Das kann man jetzt unterschiedlich bewerten. Es muss aber wahrgenommen werden, um realistisch damit umgehen zu können. Es sollte auch Einigkeit bestehen, dass eine negative Entscheidung durch das religiöse Selbstbestimmungsrecht geschützt ist. Die muslimischen Gemeinden dürfen diese Entscheidung für sich treffen, wie sie sich konstituieren wollen, auch wenn dies bedeutet, dass sie keine moscheesteuerkonforme Struktur aufweisen, selbst wenn man sich das wünschen würde.

Diese breite Wirkung und religionsoffene Struktur des geltenden Religionsverfassungsrechts verkennt aus meiner Sicht der Antrag der CDU-Fraktion, wenn dieser die Bewährung der fortgeltenden staatskirchenrechtlichen Artikel der Weimarer Reichsverfassung auf die Frage der Kirchensteuererhebungsberechtigung verengt. Schon heute wären die Religionsgemeinden, die durchweg in einer zivilrechtlichen Rechtsform des eingetragenen Vereins bestehen, rechtlich in der Lage, Mitgliederbeiträge zu erheben. Auch die Kirchensteuer, die ausschließlich von Kirchenmitgliedern erhoben werden darf, stellt ja eine Form von Mitgliederbeitrag dar. Aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die vom Willen des Steuerschuldners getragene Mitgliedschaft notwendige Voraussetzung der Steuererhebung, und das – darauf lege ich eben noch mal Wert – setzt ein eindeutiges Mitgliedschaftsrecht und eine Mitgliedererfassung voraus. Hieran fehlt es eben den allermeisten entsprechenden Religionsgemeinden. Diesen Aspekt hat Ministerpräsident Ramelow in der Diskussion hervorgehoben. Ich verweise an dieser Stelle auf die entsprechenden Ausführungen aus der entsprechenden Debatte.

Aber ich frage mich – und das ist mir beim Lesen des CDU-Antrags immer stärker deutlich geworden –, warum eigentlich die CDU-Fraktion – und so kann man Ihrem Antrag entnehmen – an der Rechtstreue der Landesregierung zu zweifeln meint. Ich würde diese Frage an die Rednerin oder

an den Redner der CDU-Fraktion, die oder der nach mir sprechen wird, richten wollen. Ich würde Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Verpflichtungen gegenüber den Kirchen seitens der Landesregierung vollständig erbracht werden, und dass nicht nur der laufende Doppelhaushalt, sondern auch der Haushaltsplanentwurf der Landesregierung darüber ein beredtes Zeugnis gibt, denn in dem mit Ihnen in den vergangenen Wochen im Haushaltsausschuss beratenen Entwurf des Haushaltsgesetzes ist aktuell eine Staatsleistung an die Kirchen in Höhe von insgesamt rund 27 Millionen Euro vorgesehen. Sie werden auch nicht abstreiten können, dass die Landesregierung eine effektive Vorsorge zur Sicherung der religionsverfassungsrechtlichen Lage sogar über die laufende Legislatur hinaus schafft und die Landesregierung auch dadurch bewährte verfassungsrechtliche und vertragliche Verpflichtungen erfüllt. Insofern sehe ich auch nicht den Raum eines zusätzlichen Bekenntnisses des Landtags zu Artikel 140 Grundgesetz, auch schon deshalb nicht, weil Landesregierung und Parlament der Thüringer Verfassung und folglich auch deren religionsrechtlichen Artikeln verpflichtet sind, die sich im sechsten Abschnitt in den Artikeln 39 bis 41 unserer Verfassung befinden. Die Regelungen von Artikel 140 Grundgesetz sind in Thüringen gemäß Artikel 40 Thüringer Landesverfassung ebenso geltendes Recht wie das Verfassungsstaatskirchenrecht des Landes, dem ja auch dieser Landtag durch Gesetze jeweils zugestimmt hat.

Auch wenn das für die CDU-Fraktion für die öffentliche Debatte nicht so einen wunderschönen, öffentlich skandalisierbaren Anknüpfungspunkt bietet, lag der Schwerpunkt der Ausführungen des Ministerpräsidenten eben gerade nicht auf steuerrechtlichen Aspekten, sondern auf arbeitsrechtlichen Aspekten. Das kirchliche Arbeitsrecht ist unter dem Druck der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts geraten. Davon zeugen auch die Gespräche, die wir mit den beiden Kirchen führen. Hier stellen sich Fragen der Zukunftsfähigkeit von Regelungen, die ihre Plausibilität einer konfessionellen Situation verdanken, die fortwährend erodiert und deren rechtliche Tragfähigkeit unter dem Aspekt des Nichtdiskriminierungsrechts heute zunehmend infrage gestellt wird. Ich verweise auf die jüngsten Rechtsprechungen auch der vergangenen Wochen, die exakt an dieser Stelle angesetzt haben. Es wird Sie nicht überraschen, dass die langjährige Tätigkeit des heutigen Ministerpräsidenten als früherer Gewerkschaftsfunktionär ihm natürlich auch eine hohe Sensibilität in diesem arbeitsrechtlichen Feld verschafft. Ob es gelingen wird, die deutsche Rechtstradition zu be

(Minister Prof. Dr. Hoff)

haupten, ist angesichts der jüngsten Rechtsprechung nicht sicher. Und ohne diesen arbeitsrechtlichen Sonderweg als solchen bewerten zu wollen, spricht eben doch einiges dafür, dass da, wo kirchliche Träger mit anderen Betrieben im Wettbewerb stehen, die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleich gesichert werden müssen. Hier würde ich mir wünschen – und das kann ich dem Antrag der CDU-Fraktion nicht entnehmen –, auch seitens der CDU-Fraktion eine entsprechende Positionierung zu bekommen. Ich habe nachgeschaut, inwiefern sich möglicherweise die CDA, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft, oder die Christlich-Soziale Arbeitnehmerschaft in dieser Frage in jüngster Zeit positioniert hat. Es war mir leider nicht möglich, eine entsprechende Positionierung zu identifizieren. Es erscheint mir durchaus spannend, genau diese Frage auch an Sie zu richten, und bin gespannt, welche Position die CDU-Fraktion auf diesem Feld einnimmt, das, wie gesagt, noch mal den Schwerpunkt der Ausführungen des Ministerpräsidenten und der öffentlichen Debattenbeiträge dazu hatte, die ja auch nachlesbar sind.

Diese Entwicklungen erfolgen im Rahmen und unter Beachtung der religionsverfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsätze als normale Reaktion des Rechtssystems. Die sind fachlicher wie bürgerschaftlicher und jedenfalls politischer Debatte zugänglich. Insofern würde ich Sie bitten, an dieser Debatte teilzunehmen, die Debatte aber nicht auf einen Ihnen genehmen, öffentlich skandalisierbaren Punkt zu verengen, indem Sie behaupten, was nicht der Realität entspricht, dass der Ministerpräsident Steuererhöhungen für alle gefordert hat, sondern er hat die Frage nach der Kirchen- und Moscheesteuer gestellt. Aber für ihn tatsächlich relevant war die Frage gerade im sozialen und Pflegebereich: Wie stellt sich künftig die arbeitsrechtliche Situation derjenigen dar, die in kirchlichen Trägerschaftseinrichtungen tätig sind? Hierzu brauchen wir tatsächlich eine politische Diskussion. Auf die Debatte mit Ihnen dazu freue ich mich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gemäß § 29 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung werden Beratungen zu Sofortberichten grundsätzlich in langer, also doppelter Redezeit verhandelt. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags? Das sind alle Fraktionen.

Dann eröffne ich die Aussprache auf Verlangen aller Fraktionen zum Sofortbericht und eröffne die

Aussprache zu den Nummern II und III des Antrags. Als erster Redner hat Abgeordneter Kowalleck, Fraktion der CDU, das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin! Herr Minister Hoff, Sie haben sich ja an der Stelle ganz schön gewunden. Ich sage mal, es wäre schön gewesen, wir haben ja das zweite Mal das Thema in der Debatte, wenn der Ministerpräsident hier an dieser Stelle selbst klargemacht hätte, wofür er steht und dieses Thema mit uns besprochen hätte.

(Beifall CDU)

Offensichtlich geht er dem Ganzen hier im Parlament aus dem Weg. Nichtsdestotrotz äußert er sich hin und wieder schriftlich. Sie hatten es gesagt, vor zwei Monaten fast auf den Tag genau, hat die CDUFraktion die Vorschläge von Ministerpräsident Bodo Ramelow zum Thema „Kultursteuer“ im Rahmen der Aktuellen Stunde behandelt. An dieser Stelle hat unsere CDU-Fraktion ganz deutlich gemacht, dass wir den Vorschlag von Bodo Ramelow, die Kirchensteuer durch eine Kultursteuer abzulösen, ablehnen. Zum damaligen Zeitpunkt hatten die Koalitionsfraktionen nur Hohn und Spott für den Vorschlag ihres Ministerpräsidenten übrig, mittlerweile dürfte ihnen das Lachen vergangen sein.

Herr Minister, ich gehe auch noch mal auf Ihre Einlassung ein. Einerseits wollen Sie eine Debatte führen und andererseits wollen Sie unsere Argumente nicht hören. Da frage ich mich auch, wie geht das zusammen, wenn Sie im Vorhinein schon bestimmte Argumente und Diskussionen an dieser Stelle ausschließen. Wir als CDU-Fraktion haben ganz klar gesagt, wir wollen hier Licht ins Dunkel bringen.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was an dieser Stelle von Ihnen kam, Herr Minister, waren ganz einfach Nebelkerzen. Das war nichts Konkretes – im Gegenteil!

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Was wollen Sie denn noch?)

Ministerpräsident Ramelow hat dem Evangelischen Pressedienst am 13. März ein Interview gegeben, in dem er sich ausführlich zur Veränderung der Kirchenfinanzierung äußert. Die Wortmeldung wirft natürlich zahlreiche Fragen hinsichtlich der steuerlichen Belastung der Bürger auf. Gerade diese Fragen müssen auch vom Ministerpräsidenten beantwortet werden. Das ist er auch den Thüringerinnen und Thüringern an dieser Stelle schuldig.

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Weiterhin betreffen die Äußerungen in wesentlichen Grundzügen das Religionsverfassungsrecht. Da sage ich hier auch ganz klar: Das Religionsverfassungsrecht gehört zu den identitätsprägenden Strukturprinzipien unseres Staats. Das müssen wir in dieser Debatte auch beachten.

Wir sehen die Gefahr, dass mit dem Vorschlag von Ministerpräsident Ramelow das bewährte System der Kirchensteuer beseitigt, die Finanzierung der christlichen Kirchen gefährdet würde und am Ende alle Thüringer mehr Steuern zahlen müssen. Aus diesem Grund haben wir der Landesregierung mehrere Punkte aufgezeigt. Meiner Meinung nach wurden die nicht allumfassend beantwortet. Wir müssen hier auch weiter in der Debatte bleiben.

Kommen wir zu den Vorschlägen von Bodo Ramelow. Unter anderem schlägt der Thüringer Ministerpräsident vor, die von Mitgliedern der christlichen Kirchen über die staatliche Finanzverwaltung eingezogene Kirchensteuer durch eine von allen Steuerpflichtigen zu erhebende Kultursteuer zu ersetzen. Die Bürger sollen entscheiden können, wem die Kultursteuer zugewandt werden soll. Sie soll nach seinen Vorstellungen niedriger ausfallen als die Kirchensteuer und höher als die etwa in Italien erhobene Kultursteuer. Damit ergebe sich ein Zuschlag zur Einkommen-, Lohn-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer zwischen mindestens 0,8 Prozent und maximal 9 Prozent.

In ihrer Systematik als Steuerzuschlag entspräche die Kultursteuer dem Solidaritätszuschlag, der zurzeit schrittweise abgeschafft wird. Für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags hat sich die CDUFraktion vehement eingesetzt, umso befremdlicher ist es für uns, dass jetzt vom Thüringer Ministerpräsidenten eine Steuererhöhungsdiskussion angeheizt wird.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Die wird von euch angeheizt!)

Aus der Höhe des 2017 durch die Thüringer Finanzämter vereinnahmten Solidaritätszuschlags von 202 Millionen Euro lässt sich ableiten, dass 1 Prozent Steueraufschlag auf die genannten Steuerarten in etwa den Wert von 37 Millionen Euro hat. Damit avisiert der Ministerpräsident den Bürgern eine zusätzliche, nicht näher bezifferbare Steuerbelastung zwischen 37 Millionen und gut 330 Millionen Euro.

Und dann kommen wir auch noch einmal auf die verfassungsrechtlichen Bedenken dieses Vorschlags. Der Vorschlag greift nämlich zu kurz, von der steuerlichen Mehrbelastung ganz abgesehen, er greift nämlich auch tief in das deutsche Religionsverfassungsrecht ein. Bei den Kirchensteuern

handelt es sich um einen Mitgliedsbeitrag, den die Kirchen ausschließlich von ihren Mitgliedern über die staatliche Verwaltung einziehen und für diese Verwaltungsleistung im Übrigen auch zahlen. Eine Kultursteuer wäre demgegenüber eine allgemeine staatliche Steuer, die jedem Steuerpflichtigen abgezogen wird. 100 Jahre nach Trennung von Staat und Kirche wäre dies der Wiedereinstieg in die staatliche Finanzierung von Religionsgesellschaften, eine absurde Vorstellung, auch an dieser Stelle.

Durch das vorgesehene Recht der Steuerpflichtigen, über die Verwendung ihrer Kultursteuer bestimmen zu können, würde überdies das Recht der Parlamente beeinträchtigt, über die Verwendung von Steuern zu entscheiden. Hinsichtlich der Bestimmung der zuwendungsfähigen Gemeinschaften wäre überdies eine Präzisierung des § 52 der Abgabenordnung erforderlich.

Und dann kommen wir auch noch mal zu dem Motiv für diese Steuer. Als ein Motiv geben sowohl der Ministerpräsident als auch Sie, Herr Minister Hoff, an, auf diese Weise auch Moscheegemeinden finanzieren zu wollen. Einen Teil der Begründung wollen wir gelten lassen; das Ziel, die Moscheegemeinden aus der Abhängigkeit ausländischer Geldgeber herauszuführen, wird ja zurzeit viel diskutiert. Nicht gelten lassen kann man den tieferen Grund, dass sich diese Gemeinden den Regelungen des Religionsverfassungsrechts nicht anpassen wollen, obwohl sie ihnen ausdrücklich offenstehen. Unter Integrationsgesichtspunkten wäre es mehr als nur wünschenswert, dass sich muslimische Gemeinschaften in das Religionsverfassungsrecht hineinbewegen. Wenn sie das nicht wollen, bleibt ihnen die Möglichkeit, ihre Arbeit über die Vereinsfinanzierung abzusichern. Das bekommen größere Organisationen eben auch geregelt. Die Vorstellung, aus diesem Grund die Autonomie der Kirchen zu beeinträchtigen und das Religionsverfassungsrecht über den Haufen zu werfen, weil der Rechtsrahmen nicht zu den Moscheegemeinden passt, ist allerdings abenteuerlich. Der Ministerpräsident hält überdies die Zeit für reif, über die Staatsleistungen an die Kirchen zu reden und rät dazu, sie in eine rechtsstaatlich saubere Schluss- und Ablöseform zu gießen. Diese Staatsleistungen beruhen auf vielfältigen Verpflichtungen deutscher Föderalstaaten. Geregelt sind die Staatsleistungen in Staatsverträgen, zum einen in einem Staatsvertrag mit den evangelischen Kirchen aus dem Jahr 1994 und zum anderen mit dem Heiligen Stuhl aus dem Jahr 1997. Im Entwurf für den Thüringer Landeshaushalt, der aktuell beraten wird, sind für die evangelischen Kirchen 2020 20 Millionen Euro und für die römisch-katholische Kirche 6,34 Millionen Euro ein

geplant. Diese Zahlungen können nur durch eine entsprechende Entschädigung abgelöst werden. Die Frage ist, ob das zweckmäßig ist, denn die Ablösung müsste so ausfallen, dass die Kirchen die erwähnten Vermögenserträge daraus erzielen könnten. Formal müsste der Bund zunächst ein entsprechendes Grundsätzegesetz erlassen. Es wäre landesrechtlich dann ebenfalls zu konkretisieren.