Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ganz widerlich, Herr Em- de!)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Tatsache!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne diesen bedauerlichen Zufall wäre dieser einmalig skandalöse Fall der Gesetzesverletzung niemals bekannt geworden.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Sie ha- ben vergessen zu sagen, dass Neuseeland noch einen Strand hat!)

An dieser Stelle stimme ich mit einer Aussage des Zwischenberichts überein: Die konstatierten Verfahrensfehler liegen deutlich aufseiten der Schule und des Schulträgers, der seinen schulaufsichtlichen Pflichten nicht nachgekommen ist. Allerdings bin ich mir der weiteren Schlussfolgerung im Bericht, die einzig auf die fehlende Kenntnis der Rechtslage aufseiten der Schule abzielt, nicht so sicher. Denn erstens ist mir keine Schulleitung in Thüringen bekannt, welche Interpretationsschwierigkeiten mit der Gesetzeslage hätte, und zweitens stellt sich die Frage, warum der Schulleiter bei einem Zitat der einschlägigen Bestimmung in der Länge von sieben Zeilen und 60 Worten ausgerechnet das entscheidende Wort „ganzjährig“ in „längeren Auslandsaufenthalt“ verwandelt, und das in Zeiten von Kopieren und Einfügen oder Copy and Paste am Computer. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

(Beifall CDU)

Wurde hier von Beginn an versucht, dem Minister Lauinger, welcher den Sinn einer Besonderen Leistungsfeststellung politisch immer infrage stellte, eine Gefälligkeit zu erweisen?

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Korschewsky)

Hier wurde durch die private Schule widerrechtlich eine Befreiung von der Prüfung ausgesprochen. Aber als sei es nicht schon eine schreiende Ungerechtigkeit genug gegenüber jedem anderen Abiturienten in diesem Land, lehnt Minister Lauinger das Angebot und die Auflage für das Nachschreiben seines Sohnes kategorisch ab und pocht auf seine Position. Währenddessen legt der Mitschüler des Lauinger Sohnes, welchem dabei auch kein Zacken aus der Krone gebrochen wäre, brav und treu die Besondere Leistungsfeststellung ab. Das wäre auch für den Sohn der Lauingers eine saubere juristische Lösung mit menschlicher Komponente gewesen. Übrigens eine Auffassung, die Ministerin Klaubert bis zuletzt vertrat, auch wenn sie sich dem Druck zur Ausfertigung eines anders lautenden Zeugnisses letztendlich ergab.

Meine Damen und Herren, was gab es noch? In einem anmaßenden Fall von Amtsmissbrauch ruft Herr Lauinger aus dem Sessel in seinem Ministerbüro im Justizministerium eine Beamtin im Bildungsministerium an.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Du hast einen Sessel im Büro?)

Er setzt sie unter Druck und droht ihr. Das Ganze wiederholt er dann noch einmal beim Abteilungsleiter. Einschüchterung von Beamten und Missbrauch einer Dienststellung – was braucht es eigentlich noch?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das gehört alles nicht zur Beratung des Zwischenberichts!)

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Lasst ihn mal ausreden!)

Als er nicht mehr anders kann und die Fakten ans Licht kommen – Sie lächeln es weg wie immer, Herr Lauinger –, belügt Dieter Lauinger unverfroren die Presse und damit die Öffentlichkeit.

(Beifall CDU, AfD)

Ich erinnere nur noch mal daran, dass er erst auf Nachweis zugab, nicht mit seinem privaten Handy im Bildungsministerium angerufen zu haben. Ich erinnere daran, dass er zunächst geleugnet hatte, in dieser Angelegenheit Privates und Dienstliches miteinander vermischt zu haben. Und ich erinnere daran, dass er trotz besseren Wissens als Jurist und ehemaliger Richter behauptete, dass die Ausnahmeregelung einer Durchführungsbestimmung exakt auf seinen Sohn zutreffen würde.

Meine Damen und Herren, das reicht aber alles noch nicht. Am Nachmittag des 27. Juli 2016, also

am ersten Ferientag, findet ein Gespräch im Bildungsministerium statt. Die Zeugnisse waren erteilt, nur noch nicht für Herrn Lauingers Sohn. Der Druck wurde erhöht, Herr Mauf, der persönliche Referent, Vertraute und Familienfreund Dieter Lauingers, taucht in der Führungsetage des Bildungsministeriums auf.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Ist das hier ein Krimi?)

Das ist ein Krimi, ja.

(Heiterkeit DIE LINKE)

In Folge heißt es in einer E-Mail des Abteilungsleiters Dr. Deppe: Nachdem ich nochmals die Möglichkeit eines Gesprächs mit der Ministerin, dem Pressesprecher Herrn Schenker und dem Vertrauten des Herrn Lauinger hatte, wurde mir dessen Entscheidung überbracht. Dieser Entscheidung hat sich Frau Ministerin angeschlossen, sie brachte aber gleichzeitig zum Ausdruck, dass unsere Variante, das Vorrücken in die elfte Klassenstufe mit der Möglichkeit, die BLF bis zum zweiten Schulhalbjahr abzulegen, auch für sie die sinnvollere gewesen wäre. Ich erklärte nochmals unsere Bedenken bezüglich der von Familie Lauinger favorisierten Variante.

Die spätere Zeugnisformulierung auf einem braunen Papier – sprich: Recyclingpapier –, welches im Bildungsministerium nicht, im Justizministerium aber sehr wohl verwandt wurde, liegt bei dem Gespräch auf dem Tisch.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das stimmt nicht, das ist schlicht falsch!)

Hat also der Minister mit seinem langen Arm aus dem Justizministerium selbst dafür gesorgt, wie das Zeugnis seines Sohnes lauten soll? Bisher ließ sich das nicht beweisen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja ein richtiger Satz!)

Auffällig ist nur, welche partielle Amnesie – übersetzt: zeitweiser Gedächtnisverlust – hinsichtlich des Auftauchens des braunen Papiers bei den an dem Gespräch beteiligten Zeugen zu verzeichnen ist.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei braunem Papier muss ich die ganze Zeit an die AfD denken!)

Meine Damen und Herren, noch zwei andere Sachverhalte, bei denen wir zu ganz anderen Einschätzungen kommen, als von der rot-rot-grünen Ausschussmehrheit festgestellt. Zitat Zwischenbericht: „Nach Ansicht des Ausschusses ist hier deutlich zu

betonen, dass weder in der Form noch nach dem Inhalt der E-Mail von Frau A. N.“ – einer Mitarbeiterin im Bildungsministerium – „eine Weisung als erteilt betrachtet werden kann.“ Hierzu das Gegenzitat, auch aus dem Zwischenbericht – aus einer Mail von Frau Nolte an das Staatliche Schulamt, 13. Juni: „nach hausinterner Abstimmung hat der Schüler N. L. die besondere Leistungsfeststellung als Voraussetzung für die Versetzung in die Klassenstufe 11 der Thüringer Oberstufe zu absolvieren. Ich bitte Sie daher, alles Notwendige zu veranlassen.“

Meine Damen und Herren, deutlicher geht es doch nun wohl kaum noch. Der Zwischenbericht erhebt den Vorwurf der Verletzung der Sorgfaltspflicht gegenüber den Beamten der Abteilung 2 im Bildungsministerium mehrfach, insbesondere auch, indem die Beamten der Hausspitze nicht alle entscheidungsrelevanten Unterlagen und Argumente vorgelegt hätten. Dazu sehen wir erstens keinerlei Anhaltspunkte zu dem, was von der Ausschussmehrheit festgestellt wurde.

(Beifall CDU)

Zweitens: Wenn, wie von Herrn Korschewsky ausgeführt wurde, mehrfach gravierende Verfehlungen der Ministerialbeamten vorgelegen hätten, warum hat dann der Dienstherr die daraus notwendig folgenden dienstrechtlichen Konsequenzen und Maßnahmen nicht eingeleitet?

Und drittens will ich dazu aus der Arbeitsweise der Hausspitze berichten. Am 24. Juni, also dem Tag der Zeugnisausgabe, sitzen Staatssekretärin Ohler und der zur Unterstützung aus der Staatskanzlei ins Ministerium abgesandte Pressesprecher Schenker mit Herrn Rechtsanwalt Metz im Innenhof dieses Landtags – es war gerade Landtagssitzung. Herr Metz ist gekommen, um über das Vorhaben der Regierung – auch eine schlimme Sache – zur Beendigung des Projekts zur Kommunalisierung der Schulhorte zu sprechen. Davon fiel dann aber in dieser Runde gar kein Wort, denn Rechtsanwalt Metz fand die Staatssekretärin und ihre Runde in temporärer Ratlosigkeit vor oder – wie es der Abgeordnete Korschewsky ausdrückte – kollektiver Ratlosigkeit.

(Beifall CDU)

Es ging um die Frage, wie man dem Anliegen von Herrn Lauinger denn nun noch Geltung verschaffen könnte. Auf dem Kaffeetisch im Innenhof lagen in großer Unordnung verschiedene Unterlagen. Eine sauber geführte Akte oder Gesetzestexte befanden sich nicht darunter. Nun wurde Herr Metz – er kam also dazu wie die Jungfrau zum Kind –, ohne dass er Kenntnisse über den Sachverhalt hatte, ohne

Vorlage von Unterlagen, ohne Studium der notwendigen Rechtsgrundlagen, nach seiner juristischen Meinung gefragt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das steht alles nicht im Zwischenbericht!)

Dabei war die an ihn gerichtete Fragestellung diffus nach seiner Aussage. Nach einigem Hin und Her, einem Anruf beim Juristen im Bildungsministerium und der schnellen Übersendung des Schulgesetzes, das man ja nicht zur Hand hatte, tätigte dann Herr Pressesprecher Schenker einen Anruf beim Herrn Wutz im Ministerium und forderte ihn auf, unverzüglich die Ausfertigung des Zeugnisses mit einem Versetzungsvermerk vorzunehmen. Dies tat er ohne fachliche Zuständigkeit seinerseits, ohne Weisungsbefugnis und ohne erforderliche Unterschrift der Staatssekretärin auf dem originalen Vermerk. Der Beamte Wutz kam aus diesen Gründen dieser Aufforderung natürlich nicht nach. Jetzt frage ich Sie in diese Runde: Warum hat die neben dem Pressesprecher sitzende Staatssekretärin nicht selbst zum Hörer gegriffen? Sie hätte eine Weisung erteilen können, hat es aber nicht getan. Hat Frau Staatssekretärin Ohler hier ihre Sorgfaltspflicht verletzt oder war sie selbst unschlüssig oder wollte sie selbst ganz bewusst keine Anweisung geben?

Meine Damen und Herren, das Drama fand aber am selben Tag noch eine Fortsetzung hier im Landtag. Der grüne Justizminister informierte den Chef der Staatskanzlei, dass es schlechte Presse geben könnte im Zusammenhang mit der Prüfungsbefreiung seines Sohnes. Der Chef der Staatskanzlei nimmt das schulterzuckend mit einem müden Lächeln entgegen. Schließlich ist man ja Kummer gewohnt, kein großes Thema

(Heiterkeit und Beifall CDU, AfD)

für das Frühwarnsystem innerhalb der Regierung. Er hält es nach eigener Aussage auch nicht für notwendig, wegen so einer Lappalie mit der zuständigen linken, also seiner Partei angehörigen Bildungsministerin, deren Haus schließlich betroffen ist, Kontakt aufzunehmen.

Herr Abgeordneter Emde, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Korschewsky?

Nein. Ich denke, es sind schon genug Nebelbomben geworfen worden.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So viel zum Niveau der parlamen- tarischen Debatte!)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das müssen Sie gerade sagen!)

(Unruhe CDU)

Herr Abgeordneter Emde, Sie haben das Wort.