Herr Kollege Fiedler, verstehe ich Sie richtig, dass Sie als CDU-Fraktion eine Klage in Erwägung ziehen, falls wir dieses Gesetz heute hier verabschieden?
Ich habe das noch nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass die Spitzenverbände uns das und das geschrieben haben. Ich war gerade in der Ausführung. Das entscheiden wir zum richtigen Zeitpunkt. Es kann auch sein, dass andere sich hier angegriffen fühlen. Es geht auch um aktives/passives Wahlrecht und, und, und.
Ich will gar nicht in alle Dinge – hier geht es darum und uns geht es darum, das Gesetz, was nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zu verändern ist, muss das jetzt in dieser Schnelle sein.
Muss das jetzt im laufenden Verfahren sein? Und uns geht es darum, dass der Gesetzentwurf rechtskonform ist. Darum geht es uns und um nichts anderes. Deswegen bleiben wir dabei, dass die Spitzenverbände gesagt haben: zu schnell. Und sie mahnen dringend an – ich habe sogar den Wortlaut noch mal hier, damit es noch mal jeder gehört hat –... Wie viel Zeit habe ich überhaupt noch?
Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen und der Thüringische Landkreistag – das hat mein Kollege schon vorgetragen, ich sage es noch mal – erachten die vom Innen- und Kommunalausschuss – also von Rot-Rot-Grün – gesetzte Anhörungsfrist von weniger als vier Arbeitstagen als unangemessen kurz.
Weiter bzw. abschließend: Die kommunalen Spitzenverbände bitten Sie – also die rot-rot-grüne Mehrheit im Innenausschuss, sprich in dem Fall jetzt die Koalitionäre – um Mitteilung, wie eine ordnungsgemäße und vor allem rechtmäßige Anhörung in diesem Gesetzgebungsverfahren gewährleistet werden kann. Ja, meine Damen, besser kann man es doch nicht mehr formulieren. Sie wollen jetzt hier nur wegen einer ideologischen Geschichte das im Galopp durchreiten und wollen, dass Wahlanfechtungen möglich werden. Und ich will mir nicht vorstellen, wenn insbesondere die wichtigsten Spitzenverbände, wenn es um Kommunalwahlen und Ähnliches geht, hier solche Bedenken …
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn Sie es ausschlie- ßen, können Sie es auch anfechten, Herr Fiedler!)
Es geht mir doch gar nicht um das Anfechten. Wir sind ein Parlament und wir haben Gesetze auf den Weg zu bringen, wo wir zumindest nach menschlichem Ermessen und nach bestem Wissen und Gewissen Gesetze machen.
Dass die Grünen oder die Linken das vielleicht nicht so wollen, ist mir egal. Wir sind Rechtsstaatspartei und bleiben es auch, meine Damen und Herren.
Ich will hier deutlich machen – ob es Ihnen passt oder nicht passt, ist mir vollkommen egal –: So dezidiert haben der Gemeinde- und Städtebund und der Landkreistag – ich drücke es mal vorsichtig aus – das das letzte Mal bei der Gebietsreform geschrieben. Deswegen, meine Damen und Herren, warne ich dringend davor und fordere auf, dass wir den Gesetzentwurf in den Innenausschuss zurücküberweisen, dass eine ordentliche Anhörung durchgeführt wird, weil uns sonst die Gefahr viel zu groß ist – nur um an einem 26. Mai oder irgendwas zu kleben –, dass hier das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird. Es geht um das Verfahren, und wer das einfach ignorieren und mit seiner Mehrheit einfach durchwinken und abstimmen will – ich kann Sie nur warnen, das zu machen.
Und ich springe auch nicht über das Stöckchen, das die Kollegin Marx mir hergereicht hat, unter dem Motto: Wir klagen. Wir weisen erst mal die, die abstimmen wollen, darauf hin, dass sie noch mal überdenken, auf welchen Pfad sie sich hier bege
ben, dass es hier wirklich sehr kompliziert ist. Ich will deswegen auch noch mal abschließend sagen: Wir sind hier wirklich in einer schwierigen Materie und die Menschen haben es verdient, dass sie auch, wo es möglich ist, am Wahlrecht teilhaben können. Aber man muss auch dabei sehen, dass am Ende das Ganze auch noch alles ordnungsgemäß funktioniert. Da bleiben meine Fraktion und ich dabei, wir sagen also: in den Innenausschuss zurücküberweisen, ordentliche Anhörung und natürlich dann mit diesem Inkrafttreten des Gesetzes, dass man sich dort wirklich nicht etwas aufdrücken lässt. Ich weiß nicht, hat das Innenministerium schon gesprochen?
Noch nicht. Ich bin sehr gespannt und werde aufmerksam zuhören, was das Innenministerium ausführt. Seid ihr überhaupt noch Verfassungsministerium oder ist das Justiz? Ich glaube, es ist geteilt, wenn ich es richtig sehe.
Ihr habt dafür zu sorgen, nicht umsonst haben die das doch ohne den Zeitpunkt angeliefert und dann ist es verschlimmbessert worden. Deswegen, meine Damen und Herren, langer Rede kurzer Sinn: Wir sind dafür, dass im Grundsatz die Dinge gelöst werden, was das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat. Wir sind aber genauso dafür, dass wir nicht andere Anfechtungsgründe hier im Lande selbst schaffen, wo vielleicht Kommunalwahlen wiederholt werden müssten. Wer das ernsthaft in Betracht zieht, der ist aus meiner Sicht falsch gewickelt. Überlegen Sie noch mal ernsthaft!
Meine Damen und Herren, wenn ich hier aus diesem Fenster schaue, dann sehe ich solche Bäume und solche Bäume. Wenn ich hier in das Rund schaue, dann sehe ich Menschen,
und zwar Menschen, die gleich in Rechten sind und wo es keinen Unterschied gibt in ihrer Würde. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Demokraten und dieser AfD-Fraktion,
denn die AfD stellt sich hier hin und sieht nicht nur solche Bäume und solche Bäume, sondern sie sieht auch solche Menschen und solche Menschen, und denen will sie unterschiedliche Rechte zuteilen. Ich finde das, was der Abgeordnete Möller hier heute an einem Menschenbild zum Ausdruck gebracht hat, ist das, was eigentlich jeden Verfassungsdemokraten aufschrecken muss und wo er sich fragen muss, engagiere ich mich tatsächlich im Sinne des grundrechtlichen Widerstandsrechts politisch genug, um einem Erstarken dieser wirklich rückwärtsgewandten, menschenfeindlichen Partei entgegenzutreten.
Die AfD hat heute in ihrem Redebeitrag nicht nur ihr Menschenbild offenbart, was eigentlich gar kein Menschenbild ist, sondern es ist ein Herrenmenschenbild. Sie hat sehr deutlich gemacht, was sie von der Verfassungsdemokratie in diesem Land hält. Der Abgeordnete Dirk Adams ist schon kurz darauf eingegangen. Der Abgeordnete Möller ist der Meinung, das Bundesverfassungsgericht hat sich aufgespielt,
über Verletzungen von Grundrechten, die in der Verfassung verankert sind, zu entscheiden, nämlich den Gesetzgeber darauf hinzuweisen,
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist der Vorsitzende des Justizausschusses! Da kriege ich im ne- gativen Sinne Gänsehaut!)
dass ein Gesetz diese Verfassung nicht umsetzt. Das ist die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts und
das ist der Wesensgehalt der Gewaltenteilung in einer repräsentativen, parlamentarischen Demokratie. Auch das unterscheidet uns Verfassungsdemokraten von der AfD, dass wir in der Tat der Meinung sind, man kann Demokratie verbessern. Aber man darf sie nicht abschaffen,
weil das diesem Menschenbild dieser Leute gesellschaftlich zum Durchbruch verhelfen könnte. Wir brauchen die Bundesverfassungsgerichtsbarkeit und wir brauchen Demokraten, die für Gewaltenteilung, Menschenwürde und Menschenrecht alltäglich eintreten.
Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Fiedler, und jetzt wird es vielleicht etwas rechtlich formaler. Ich habe seit vielen Jahren Landespolitik betrieben. Ich glaube, in den letzten vier Jahren habe ich immer zwei Worte sehr viel häufiger in den parlamentarischen Debatten gehört als in den vielen Jahren zuvor. Das waren das Wort „Schweinsgalopp“ und das waren die Worte „verfassungsrechtliche Bedenken“. Jetzt will ich Ihnen mal zu beiden Punkten etwas sagen und damit auch zum Verfahren im Innenausschuss, um der Legendenbildung hier auch ein bisschen entgegenzutreten – zum „Schweinsgalopp“ –: Die Fraktionen haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der bereits eine Regelung zum Inkrafttreten des Gesetzes beinhaltete, nämlich den 1. Januar 2020. Dann haben wir eine Anhörung gemacht. Während der Anhörung veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht am 21. Februar 2019 seinen Beschluss – ich glaube vom 29. Januar 2019 – und sagte – Frau Marx ist darauf eingegangen –, dass die Regelungen zum Wahlrechtsausschluss im Bundeswahlgesetz verfassungswidrig sind. Anders als in vielen anderen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber keine Frist eingeräumt, diesen verfassungswidrigen Zustand zu verändern. Dass diese Verfassungsgerichtsentscheidung, Herr Fiedler, nicht unbeachtet blieb, auch bei den kommunalen Spitzenverbänden,
zeigte die Stellungnahme des Landkreistags, die dieser dem Thüringer Landtag, dem Innenausschuss zur Kenntnis gebracht hat. Da hat sich nämlich der Landkreistag bereits in der ersten Anhörung zur Frage des Inkrafttretens und die Folgen der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung geäußert. Das heißt, der Landkreistag hat sein Anhörungsrecht zu dieser Frage bereits im ersten Anhörungsverfahren wahrgenommen,
der Gemeinde- und Städtebund allerdings weniger. Aber auch dieser hätte sich ja mit dieser verfassungsrechtlichen Frage bereits auseinandersetzen können, aus meiner Sicht auch müssen. Was wir dann aber gemacht haben, Herr Fiedler, ist, dass wir, nachdem wir uns entschieden haben – zur verfassungsrechtlichen Frage komme ich gleich –, das
Inkrafttreten nach vorn zu legen aufgrund dieser Entscheidung, dass wir sagen, okay, wir führen noch mal eine zweite Anhörung durch. Dann, Herr Fiedler, finde ich es von Ihnen ein bisschen verlogen, sich hier hinzustellen und zu sagen, wir wollten im Prinzip die kommunalen Spitzenverbände im Anhörungsverfahren drängen. Denn Ihr Vorschlag war es, Herr Fiedler, diese Anhörung so durchzuführen, wie wir es gemacht haben, letzte Woche im Innenausschuss zu beschließen, schriftlich anzuhören. Sie haben im Innenausschuss vorgeschlagen, dass der Innenausschuss noch in dieser Woche eine Sondersitzung durchführen kann. Das heißt, am Anhörungsverfahren hatten Sie überhaupt keine Kritik. Sie wollten lediglich, dass am Ende nicht der Landtag über das Anhörungsergebnis entscheidet,
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich habe ausdrücklich auf die Verfassungswidrigkeit hingewiesen! Das ist eine blanke Lüge!)
sondern der Innenausschuss selbst. Sie können gern im AIS das Protokoll noch mal nachlesen, ich habe es vor 5 Minuten getan, Herr Fiedler. Da werden Sie Ihren Redebeitrag wiederfinden. Sie waren nur der Auffassung, dass die Auswertung dieser Anhörung nicht der Landtag selbst vornehmen sollte, sondern der Innenausschuss. Da haben wir Ihnen gesagt, aus Verfahrensablaufgründen, aufgrund zwei mitberatender Ausschüsse ist dies nicht möglich. Das heißt, wir diskutieren hier nicht im Schweinsgalopp eine Regelung, sondern wir haben ein sehr ausführliches und langes Anhörungsverfahren in der Sache, aber auch zu dieser Fragestellung des Inkrafttretens im Innen- und Kommunalausschuss gehabt.