Protokoll der Sitzung vom 12.06.2019

Zum Abschluss will ich noch mal deutlich machen, was die Zielstellung dieses Entschließungsantrags ist: Wir wollen die Schulgesetzreform begleiten im Sinne einer demokratischen und diskriminierungsfreien Schule für alle, die in und außerhalb von Schule tätig sind und wirken.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Wünscht die CDU-Fraktion das Wort zur Begründung? Ja. Herr Abgeordneter Tischner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, herzliche Grüße zunächst an die Vertreter der Elternschaft, an die Vertreter der Landesschülervertretung, an Frau Langner vom Verband der Förderschulen, Frau Vitzthum von der GEW – herzlich willkommen, dass Sie als Praktiker heute dieser Debatte beiwohnen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte den Entschließungsantrag damit begründen, dass ich bereits in der vergangenen, in der ersten Lesung zum Schulgesetz darauf verwiesen habe, was die Erfolge des Thüringer Bildungssystems in den zurückliegenden Jahrzehnten waren, was die Erfolge gewesen sind, die die Schüler, die die Lehrer erzielt haben. Ich habe in meiner Rede damals beschrieben, was die Herausforderungen sind, mit denen sich das Thüringer Bildungssystem derzeit auseinanderzusetzen hat. Es sind die Auseinandersetzungen um die Frage: Wie finden wir Tausende Kolleginnen und Kollegen, die in

den nächsten Jahren eingestellt werden müssen? Es sind die Fragen um den Unterrichtsausfall, es sind die Fragen um Hunderte langzeitkranke Lehrer, es sind die Fragen um tausendfach fehlende Zeugnisnoten oder natürlich auch die eklatanten Stundenplankürzungen. Die Kernfrage angesichts der Herausforderungen der Thüringer Schullandschaft ist: Wie erreiche ich beste Qualität in unseren Thüringer Schulen und wie gelingt es, in Zukunft gute Schule in Thüringen zu betreiben?

Thüringen hat über viele Jahre ein erfolgreiches und gutes Schulgesetz gehabt, das vor allem Rechtssicherheit geschaffen hat.

(Beifall CDU)

Mit unserem Entschließungsantrag zu diesem Tagesordnungspunkt liefern wir erneut praktikable Vorschläge, Vorschläge, für die es keine Schulgesetzänderung brauchte, sondern gemeinsames, verantwortungsvolles Handeln in diesem Hohen Hause. Ihre Hilfeschreie nach Änderungsanträgen der Opposition zu diesem Schulgesetz, sehr geehrte Kollegen von Rot-Rot-Grün, die Sie immer wieder hier ausstoßen, sind verfehlt. Eine Gesetzesnovelle, der es nicht bedarf, weil sie Probleme schafft und keine Probleme löst, braucht keine Änderungsanträge, sondern eine solche Schulgesetznovelle braucht die Einsicht bei Linken, SPD und Grünen, dass sie überflüssig wie ein Kropf ist.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, in unserem Entschließungsantrag schlagen wir einen Teil der vielen Maßnahmen vor, die wir immer wieder hier in den Thüringer Landtag eingebracht haben, unter anderem die Steigerung der Ausbildungskapazitäten, die schnelleren Einstellungsverfahren – gestern wieder großes mediales Thema –, das MINT-Zentrum für mehr Lehrerinnen und Lehrer in den Naturwissenschaften, ein besseres Zulagen- und Beförderungssystem, was Rot-Rot-Grün ja vor Kurzem erst abgeschafft hat, ein besseres Personalentwicklungskonzept und überhaupt die Überarbeitung des Personalentwicklungskonzepts sowie ein Sofortprogramm zur Reduzierung des Unterrichtsausfalls. Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat Abgeordneter Dr. Hartung von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit der heutigen zweiten Lesung des neuen Schul

(Abg. Schaft)

gesetzes geht ein fast auf den Tag sechsmonatiges parlamentarisches Verfahren zu Ende. Wir haben intensiv in den zuständigen Ausschüssen darüber beraten. Wir haben zwei Anhörungen gemacht, zunächst eine mündliche Anhörung zum Gesetzentwurf, dann zum Änderungsantrag der Koalition noch eine schriftliche Anhörung. Diese umfangreichen Beratungen sind auch intensiv von den Anzuhörenden wahrgenommen worden und haben zu intensiver Arbeit in den Ausschüssen geführt. Dabei muss man sagen, dass die Qualität dieser Arbeit ziemlich unterschiedlich war. Wir als Koalitionsparteien haben einen fast 60 Punkte umfassenden Änderungsantrag eingebracht. Die Änderungen der CDU-Fraktion oder der AfD suchen wir vergeblich. Heute haben wir einen Entschließungsantrag auf den Tisch bekommen, aber auch der sagt fachlich eigentlich nichts, außer dass wir auf das Gesetz verzichten sollen. Keine Änderungsanträge durch die CDU, kein alternativer Gesetzentwurf, keine Vorschläge, wie es besser gehen soll – nichts.

Das ist im Prinzip genau das, was wir in diesem Verfahren bemängeln müssen: Dass trotz der intensiven Anhörung, trotz der intensiven Beteiligung der Menschen draußen, der Verbände, der Interessenverbände, Gewerkschaften, aller Angehörten keine Alternative außer Kritik aus der Fundamentalopposition gekommen ist. Das ist nichts weiter als populistisches Spektakel.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich kann mich noch sehr gut an die letzte Legislatur erinnern. Da war der Kollege Emde der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Das war nicht immer einfach. Wir haben miteinander gestritten, wir haben unterschiedliche Auffassungen gehabt, aber am Ende konnten wir diskutieren und sind dabei eigentlich immer zu einem Ergebnis gekommen, wo sich der eine oder andere vielleicht nicht zu 100 Prozent wiedergefunden hat, aber wir haben ein Ergebnis bekommen, wir konnten miteinander reden. Das ist jetzt irgendwie gar nicht mehr der Fall. In der CDU gibt es nur noch das Tischnerische Vakuum und das war’s.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir Koalitionsfraktionen haben – glaube ich – mit unserem Änderungsantrag noch mal drei wesentliche Eckpunkte herausgearbeitet. Das Erste ist die Zukunft der kleinen Thüringer Schulstandorte, das Zweite ist die Weiterentwicklung schulischer Inklusion und das Dritte ist der Ausbau von Partizipation an Schulen.

Zunächst zum ersten Punkt: Wir müssen feststellen, dass entgegen aller Prognosen erfreulicherweise die Zahl der Schüler in Thüringen steigt. Bis Mitte der 2020er-Jahre werden wir wahrscheinlich wieder 250.000 Schülerinnen und Schüler in Thüringen haben. Das ist positiv, das ist eine gute Entwicklung, aber leider – und das ist das Problem – werden sich diese 250.000 Schüler sehr ungleich über das Land verteilen. Während wir in Kommunen wie Jena, Erfurt und anderen Städten entlang der Autobahn eine deutliche Erhöhung der Schülerzahlen finden, werden wir einen weiteren Rückgang im ländlichen Raum konstatieren müssen. Herabgebrochen auf die Situation vor Ort bedeutet das nichts anderes, als dass wir in den Städten weiterhin aus den Nähten platzende Schulgebäude haben werden und im ländlichen Raum weiter ausblutende, kleine Schulstandorte.

Wenn wir dem Rechnung tragen wollen, müssen wir notwendigerweise genau darüber nachdenken: Was wird aus diesen kleinen Schulstandorten? Wir als Sozialdemokraten wollen diese kleinen Schulstandorte erhalten, wir wollen uns zu ihnen bekennen und wir wollen ihnen auch eine Entwicklungsperspektive geben. Es kann nicht sein, dass es in kleinen Lehrkörpern drei, vier, fünf Lehrer geradeso schaffen, den Unterricht aufrechtzuerhalten, sie aber für das pädagogische Konzept gar keine Entwicklungsperspektive haben, dass sie geradeso alles aufrechterhalten, aber eben nicht mehr nach rechts oder links denken, sich nicht mehr weiterentwickeln können, sich nicht austauschen können und wenn einer krank wird, ist sofort der Unterricht für ganze Klassen gefährdet. Das ist etwas, dem wir uns widmen müssen, und wir haben als letztes Bundesland in Deutschland jetzt Mindestparameter für die Schulgrößen vorgegeben. Diese Mindestparameter untersetzen wir mit einem Angebot, mit Kooperationsangeboten an den Schulen, damit sich genau diese Schulstandorte entwickeln können, ohne die kleinen Schulstandorte plattzumachen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

damit sich mehrere kleine Schulen zusammenraufen können und ihre Stärken, ihre Qualitäten weiterentwickeln können und damit sie damit erstmals eine Entwicklungsperspektive in diesem Land haben, damit wir erstmals nicht darüber nachdenken, dass das, was klein ist, plattgemacht wird oder auf Teufel komm raus mit einem viel zu geringen Lehrerpool aufrechterhalten werden soll, sondern wir geben eine Perspektive, dass Lehrer über die Schulen hinweg miteinander kooperieren können. Das ist meines Erachtens ein sehr innovatives Konzept und ich glaube, das ist durchaus eine Möglichkeit, die Pro

bleme und Herausforderungen der Zukunft anzugehen und zu lösen.

Der zweite Punkt, die Inklusion, ist da draußen vielen Menschen sehr wichtig. Wir haben – glaube ich – alle in den letzten Tagen und Wochen unheimlich viele Zuschriften von Betroffenen bekommen, die sich große Sorgen machen, und ich möchte auf diese Sorgen durchaus einen Moment eingehen.

Wir haben viele Eltern, die schildern, wie es ihren Kindern ergangen ist, viele Eltern, die Angst haben, dass das jetzt allen Kindern so geht usw. Ich möchte das als Erstes feststellen: Die Eltern, die schildern, wie es ihren Kindern ergangen ist, kritisieren damit nicht den neuen Gesetzentwurf, sondern das bestehende Gesetz. Sie kritisieren das, was jetzt gilt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir haben im Prinzip diesen Sorgen dadurch Rechnung getragen, dass wir zunächst in unseren Koalitionsvertrag aufgenommen haben, dass wir uns eindeutig zum Erhalt der Förderschule bekennen. Wir wollen also alle Schularten erhalten und dazu gehört natürlich auch die Förderschule. Dazu bekennen wir uns und das bleibt auch aufrechterhalten.

Das haben wir auch in unserem Änderungsantrag konsequent umgesetzt. Der Passus, der im Gesetzentwurf enthalten war, die Entwicklung von Förderschulen zu Schulen ohne Schüler, ist raus, ist gestrichen. Es wird keine Förderschulen ohne Schüler geben. Es wird so lange Förderzentren geben, wie es Schüler gibt, die dort gefördert werden müssen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unsere Maßgabe, das ist unser Versprechen. Da möchte ich den § 7 a Abs. 1 zitieren: „Förderschulen sind sonderpädagogische Zentren für Unterricht, Förderung und Beratung. Sie kooperieren mit den allgemeinen Schulen, um jeden Schüler zu einem […] bestmöglichen Abschluss zu führen.“ Das ist unser Versprechen, das ist unsere Ansage. Und da steht nichts davon, dass das Förderzentrum, dass die Förderschule geschlossen wird. Das ist nicht Inhalt unseres Änderungsantrags und nicht Inhalt des Gesetzes.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil, wir haben darüber hinaus den Elternwillen noch einmal in unserem Änderungsantrag gestärkt. Da heißt es jetzt explizit in § 8 a Abs. 3 des neuen Schulgesetzes, dass der Elternwille für

die Lernortentscheidung das entscheidende Kriterium ist. Das steht jetzt mit unserem Änderungsantrag im Gesetz.

Wir haben darüber hinaus festgesetzt, dass die Begutachtung von Kindern mit einem höheren Förderbedarf bereits in der ersten Klasse mit dem ersten Schultag beginnen kann, da, wo es sich andeutet, auch eher, und dass dieses Gutachten in einer überschaubaren Zeit von sechs Wochen vorliegen muss. Das ist ein wichtiges Zugehen auf die Eltern. Im ursprünglichen Entwurf stand drin: am Ende der Schuleingangsphase. Das ist aus unserer Sicht viel zu spät. Wir müssen in dem Moment, in dem wir es erkennen können, den Schülern die Möglichkeit geben, die optimale Förderung zu erhalten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt, den ich hier noch herausheben möchte, ist die Stärkung der Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten in diesem Prozess. Wir sind der Überzeugung, dass es wichtig ist, die Schüler-, Eltern- und Lehrervertretungen zu stärken. Wir schaffen darüber hinaus eine unabhängige, nicht weisungsgebundene Ombudsstelle, an die sich Schüler mit ihren Problemen der Mitbestimmung, aber auch mit Problemen zum Lernablauf wenden können. Wir schaffen eine Stelle, die unabhängig von der Organisation der Schulämter und Ähnlichem eine Möglichkeit gibt, auch Probleme zu klären, ohne damit in jeder Hinsicht anzuecken.

Wir zeigen mit diesem Gesetz gangbare Wege auf, die Schulen in Thüringen für die 2020er-Jahre fit zu machen. Ich glaube, mit unserem Änderungsantrag wird das ein gutes, ein rundes Gesetz. Ich bitte Sie um Zustimmung und denke, dass damit ein langer Prozess einen würdigen Abschluss findet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drei Sätze möchte ich noch zu diesem Entschließungsantrag bringen. Ich habe mir das mal durchgeschaut. Das war ja nun relativ kurz und lag jetzt nur auf unseren Bänken. Ich lasse mal hier diese Revolutionslyrik weg und gehe mal auf die Anträge, die da gestellt werden, ein. Die Landesregierung, heißt es in Punkt II.1, soll den Gesetzentwurf zurückziehen. Liebe Kollegen von der CDU, der ist jetzt im parlamentarischen Gang. So einfach geht das nicht mehr. Der Zug ist abgefahren.

Zweitens: Die Ausbildungskapazitäten an Thüringer Universitäten und Studienseminaren sollen erhöht werden. Liebe Kollegen von der CDU, wir haben 300 Stellen mehr für die Ausbildung gefordert, Sie 200. Sie haben unseren 300-Mehr-Stellen-Antrag

abgelehnt. Wo ist da die innere Konsistenz in Ihrer Politik?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt, da geht es um das Einstellungsverfahren und die Einstellungsgarantie für Lehramtsanwärter. Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Das ist mit dem Beamtenrecht nicht vereinbar. Da gilt nämlich immer noch die Bestenauslese. Insofern erspare ich mir jetzt den Rest. Alles, was Sie hier aufschreiben, hat in etwa das Level, was wir aus der ganzen Zeit kennengelernt haben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Tischner von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nur ein Satz zu Herrn Hartung: Schade, wohin es mit der Bildungspartei SPD gekommen ist.

(Beifall CDU)

Nichts haben Sie geliefert, nichts gesagt, schade.