Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

Was ist eigentlich das Revolutionierende, das Revolutionäre, das sich hinter den Begriffen „Digitalisierung“ oder „Industrie 4.0“, „Cyber-Physical Systems“, die Verschränkung von virtuellen und tatsächlichen Prozessen verbirgt? Während wir bei den drei ersten industriellen Revolutionen eine ganz besondere Qualität darin gehabt haben, dass der Mensch assistiert wird – bei der ersten Revolution durch die Dampfmaschine, bei der zweiten durch den Strom und das Fließband, das erfunden wurde, bei der dritten durch den Computer; immer wieder gibt es eine Assistenz des Menschen –, haben wir bei der vierten Revolution, die mit der Digitalisierung einhergeht, eine neue Qualität. Es geht letztlich darum, dass es um eine Teilsubstitution, sogar vielleicht auch eine Substitution von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf bestimmten Arbeitsplätzen bei ganz bestimmten Tätigkeiten geht, also eine Substitution, das heißt, wenn man es negativ sieht, auch eine Verdrängung.

Und diesem Prozess müssen wir uns stellen: der Digitalisierung von Produkten und Prozessen einerseits und der völligen Veränderung in der Arbeitswelt. Wie können wir diesem Prozess begegnen oder wo stehen wir? Das ist eine Ihrer ersten Fragen: Wo stehen wir eigentlich in Thüringen? Wo stehen wir eigentlich in Deutschland? Welche Chancen sind mit diesem Prozess verbunden?

Deutschland ist das Land mit einer enormen Industriedichte, das gilt auch für Thüringen. Deutschland hat etwa 22/23 Prozent der Bruttowertschöpfung durch Industrie, Frankreich 12, Großbritannien 13, USA 12. Der entscheidende Vorteil ist also, dass wir Digitalisierung nicht nur – wie die USA – aus der Warte der IT sehen und sehen dürfen, sondern dass wir in Deutschland in einer großen Volkswirtschaft den Nachweis erbringen können, dass wir das in der Industrie, im Mittelstand, im Handwerk, im Dienstleistungsgewerbe genauso wie in der Städteplanung, in den Energiesystemen implementieren können und trotzdem unser Wertschöpfungsnetzwerk erhalten können. Das können andere Länder nicht so. Wir können das nachweisen. Jetzt geht es darum, das auch für Thüringen zu generieren. Thüringen hat exakt die gleiche, ein wenig höhere Industriedichte. Wir sind auch bei etwa 22/23 Prozent der Bruttowertschöpfung, 76 Industriearbeitsplätze auf 1.000 Einwohner – das ist ein ganz hervorragender Wert. Den Südthüringern sei gesagt, 101 auf 1.000, das ist mehr, als Bayern im Durchschnitt hat.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Das stimmt!)

Diesen Vorteil zu nehmen und ihn zu verbinden mit den Chancen der Digitalisierung, ist eine enorme Herausforderung.

Jetzt fragen Sie zunächst: Wo kann eigentlich Digitalisierung, wo kann „Industrie 4.0“, in welchen Branchen zum Vorteil gereichen? Sie sprechen die in Ihrem Begründungstext bereits teilweise an. Im Sektor der Industrie ist es natürlich die Industriebranche, Automobil, es ist der Maschinen- und Anlagenbau, Kunststoff, es ist die Chemie und viele andere Sektoren, nahezu alle Branchen sind davon betroffen. Wir springen aber zu kurz, wenn wir Wirtschaft nur mit Industrie und „Industrie 4.0“ gleichsetzen. Das Handwerk ist gleichermaßen betroffen. Deshalb sprechen wir in Thüringen von „Wirtschaft 4.0“ und weiten den Begriff auf. Der Dienstleistungssektor, Handel – Einzelhandel insbesondere – muss bei uns im Fokus sein. Gaststättengewerbe, Gastronomie, der jetzt in anderem Zusammenhang angesprochene Tourismus werden eine Rolle spielen, die IT-Branche selbst sowohl in ihrer Dienstleistungsfunktion als auch in ihrem Wandel mit Digitalisierung selbst.

Aber, meine Damen und Herren, und auch das scheint in Ihrem Antrag auf, wenn Sie fragen: Wie will denn die Verwaltung in Zukunft mit diesem Begriff umgehen? Wir müssen noch weiter denken. Wir müssen über „Smart Governments“, also über die Frage „Wie wird Verwaltung, wie wird Politik mit Digitalisierung umzugehen haben?“ nachdenken. Und ich habe es bereits angesprochen: Wir reden in der Stadtplanung von „Smart City“, wir reden im Wohnungsbau von „Smart Home“, von der digitali

sierten Wohnung. Sie sehen, es ist der gesamte Fächer gesellschaftlichen Lebens aufgespannt. Wir als Politikerinnen und Politiker werden uns im Übrigen auch fragen müssen, ob in fünf bis zehn Jahren Politik auch noch so gestaltet wird, wie wir das hier tun. Ich sehe ganz viele Zettel auf dem Tisch und die Bürgerinnen und Bürger haben es relativ schwer, mit den sozialen Netzwerken in Politik einzugreifen, mindestens gut informiert zu werden. Die Entscheidungsprozesse – wir diskutieren jetzt gerade über Wahlbeteiligungen, nehmen mit Erschrecken das Ergebnis in Bremen zur Kenntnis, vielleicht wird sich da auch etwas tun. Wie kommen wir zu Entscheidungsprozessen und vielem anderen mehr? Liquid Democracy, von den Piraten geprägt, ist sicherlich ein Punkt, über den man auch diskutieren muss. So weit also zu Ihrer ersten Frage, welche Branchen davon betroffen sind.

Die zweite Frage ist: Wo stehen wir? Es gibt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, die ich Ihnen empfehle, im Januar 2015 herausgekommen. Es sind unter anderem auch die ostdeutschen Länder, also auch Thüringen, befragt worden, 1.800 Unternehmen. Lediglich ein Drittel sagt, dass wir bei der Digitalisierung in etwa oder sogar vollumfänglich auf dem Stand des Wandels der Produktions- und Arbeitsprozesse seien, lediglich ein Drittel. Wenn man diejenigen nimmt, die sich vollumfänglich der Digitalisierung anheim gestellt haben, sind das 10/15 Prozent. Wir sind also weit davon entfernt, auch in Thüringen, dass dieses Thema angekommen ist. Andererseits sagen in dieser Studie wieder 98 Prozent, die Digitalisierung wird einen Einfluss auf uns haben. Hier ist die Spanne sehr weit und die Lektüre wird Ihnen auch Aufschluss darüber geben, was die Unternehmen hemmt, in diesem Prozess weiter voranzukommen. Da ist einmal die Akzeptanz des Themas. Da sind die mangelnden Fachkräfte und deren Qualifikation als Gründe angeführt, die IT-Sicherheit, über die noch zu reden sein wird, wird angesprochen, aber natürlich auch Breitbandausbau und die Investitionen, die getätigt werden müssten, Ersatz-, neue Investitionen, die nicht finanziert werden. Daraus leitet sich nun ab, wo wir hier in Thüringen ansetzen müssen. Ich will das in einigen kurzen Stichpunkten skizzieren.

Das Erste ist, wir müssen für dieses Thema sensibilisieren und wir müssen Rat geben. Aus diesem Grund wollen wir das Wirtschaftsforum, was jetzt am 15.06. in Weimar stattfinden wird, unter das Thema „Digitalisierung und deren Chancen“ stellen. Das ist der Ort, wo die Thüringer Wirtschaft nach außen hin präsent ist, wo wir eine Plattform bieten werden über aktuelle Themen, also auch über dieses Thema, intensiv mit Fachleuten zu diskutieren. Es muss den Mittelstand noch mehr interessieren, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen – erstens.

(Minister Tiefensee)

Zweitens: Rat geben. Wir sind gerade dabei, uns zu bewerben, wenn dann die entsprechenden Vorhabensausschreibungen seitens des Wirtschaftsministeriums in Berlin auf dem Tisch liegen, um ein Pilotprojekt, ein Kompetenzzentrum für Beratung des Mittelstands, sowohl der Industrie als auch des Handwerks, in Thüringen zu kreieren. Wir wollen an dem ThEx, an dem Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum, quasi als Arbeitstitel ein „4.0“, eine Digitalisierung, anhängen und wollen dort und in den Außenstellen Nordhausen, Gera und Suhl Beratungsangebote für Mittelständler anbieten, damit man sich mit diesem Thema auseinandersetzt. Das ist der erste Punkt: Beratung, Sensibilisierung.

Der zweite wichtige Punkt ist: Wir müssen den Breitbandausbau voranbringen.

(Beifall SPD)

Ich hatte Gelegenheit, Ihnen darüber zu referieren, wo wir stehen. Schön, 56 Prozent der Haushalte in Thüringen sind mit 30 Megabit ausgestattet. Wunderbar! Die restlichen 46 – nein, was hatte ich gesagt? – 44 – es muss immer 100 rauskommen, sonst geht es Ihnen wie Andi Möller. Nach den Siegchancen befragt, sagte der mal, es steht so 70 zu 40. Die restlichen 44 werden wir doch irgendwie noch schaffen. Wenn man sich aber anschaut, dass diese 56 Prozent 30 Megabit im Wesentlichen die großen und mittleren Städte sind und dass es im ländlichen Raum relativ dünn ist, dann sind hier die Anforderungen an die Politik und die Unternehmen, an die Kommunen, an die Zweckverbände, an die Stadtwerke hinlänglich beschrieben. Dieser Tage, Stichwort „Digitale Dividende“, die Funkfrequenzen werden versteigert. Wir rechnen damit, dass wir vermittels des Königsteiner Schlüssels irgendetwas vielleicht um die 25 Millionen zusätzlich zu den Geldern von Herrn Dobrindt, den Geldern aus dem Juncker-Paket bekommen. So werden wir Schritt für Schritt mit Modellprojekten, mit unserer Förderrichtlinie, die jetzt gerade in der Endfassung, in der Endberatung ist, den Ausbau Breitband so weit vorantreiben, dass wir zu 100 Prozent im Jahr 2020 mindestens 30 Megabit erreichen können. WLANHotspots, auch hier sind wir dabei, Pilotprojekte anzusetzen. Wir wollen das Telemediengesetz auf der Bundesebene mit durch eine Bundesratsinitiative in der Weise verbessern, dass das leidige Thema der Störerhaftung besser behandelt wird. Das sind die Rahmenbedingungen, die wir brauchen.

(Beifall SPD)

Aber es geht darüber hinaus, meine Damen und Herren: Das ist eine weitere Frage, die Sie gestellt haben. Wir müssen unsere Förderprogramme noch stärker auf dieses Thema Innovation und Digitalisierung richten, die berühmte RIS3-Strategie. Sie wissen, dass wir die EFRE-Gelder hier einsetzen können, EFRE und ESF. Wir werden ein Drittel die

ser EFRE- und ESF-Gelder, nämlich rund 400 Millionen Euro, für Forschung und Entwicklung einsetzen und noch einmal etwa 37 Millionen Euro für FuE-Personal, denn wir wissen nicht zuletzt aus dieser Umfrage, es geht den Unternehmen darum, dass sie für Innovation Personal brauchen. Also diese 440 Millionen im Berichtsfinanzierungszeitraum bis 2020 stehen zur Verfügung.

Was haben wir nun für Programme und welche Schwerpunkte setzen wir? Sie kennen die FuESchwerpunkte, die vier, die wir uns gesetzt haben. Das sind einmal industrielle Produktion, industrielle Systeme, das Zweite sind intelligente, nachhaltige Verkehrslogistik, Mobilitätssysteme; Gesundheitswirtschaft und Gesundheit als dritter Schwerpunkt. Und schließlich geht es um Energiepolitik, die intelligent und nachhaltig ist. Also in diesen Bereichen werden wir die Gelder konzentrieren und haben dafür eine Fülle von Förderprogrammen, die ich jetzt nur kurz anreißen will. Ich denke, die Abgeordneten werden verstehen, dass wir vielleicht dieses oder jenes noch einmal schriftlich nacharbeiten. Also von der GRW über 250.000 Investition, Thüringen-Invest unterhalb von 250, Sie wissen das, Zuschuss 50.000, 200.000 Darlehen, haben wir eine Fülle von Existenzgründerprogrammen, die Gründerprämie, Mikrokredite. Wir legen Programme auf – innovatives Personal –, wo wir die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft fördern wollen. Man kann Diplomanden, Doktoranden damit beschäftigen, dass das Unternehmen innovativ wird. Oder wir können Beratungsangebote bieten, dass gestandene Unternehmer kleine Unternehmen beraten werden, und wir fördern das, egal, ob Handwerksbetrieb oder Industriebetrieb, mit 50 Prozent. All diese Programme sind Ihnen bekannt und die werden wir schärfen in Richtung Digitalisierung. Die Datensicherheit, ein wichtiges Thema, ich verwiese auf Unternehmen, kluge Unternehmen, die es in Thüringen gibt, die diese Probleme zum Teil gelöst haben. TecArt in Jena ist zum Beispiel ein solches Unternehmen mit seinem cloud-basierten Computing Business Programm. Ich will keine Werbung machen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das ist in Erfurt – oder?)

Bitte? In Erfurt? Ich bin mir nicht sicher – aber gut.

PDV-Systeme, die für Verwaltungen Programme entwickeln. Wir haben mit unserem VIS die entsprechenden Lizenzen erworben. Wir haben also Kompetenzen in Thüringen, um Programme sicher zu machen, selbst wenn es in die Cloud geht, mit Servern, die hier in Thüringen stehen, den Mittelständlern die Sicherheit zu geben trotz NSA-Debatte in Berlin. Wir können für die Datensicherheit sorgen. Aber auch da müssen wir Unterstützung, Beratung geben und müssen unsere Aufgaben, unsere Hausaufgaben bei der Förderung solcher Unter

(Minister Tiefensee)

nehmen leisten, damit wir die Datensicherheit gewährleisten können. Auch das kann ich jetzt hier nur kurz anreißen.

Um in der Zeit zu bleiben, will ich kurz auf das Thema Arbeit, gute Arbeit eingehen. Die Arbeitswelt verändert sich – Frau König hat es angesprochen –, und zwar in zweierlei Hinsicht. Das eine ist, wir müssen dafür sorgen, und das will ich zusammen mit meiner Kollegin Werner auch vorantreiben, dass wir die Menschen qualifizieren, damit sie diesen neuen Anforderungen gerecht werden können. Es reicht eben nicht, dass ich Kinder habe oder Enkel, die mit dem Computer umgehen können; ich muss es selbst verstehen. Ich muss selbst begreifen, wie diese Digitalisierung auf meinen Arbeitsplatz einwirkt, und ich muss up to date sein. Hier müssen wir Unterstützung geben bei der Qualifizierung von Personal. Und wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, dass wir anders zusammenarbeiten werden, dass der klassische Betriebsrat dann nicht mehr greift, wenn ein Projekt im Café von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr ausgearbeitet wird. Frau König hat es indirekt angesprochen. Das ist diese entgrenzte Arbeitswelt. Wenn es die Hierarchien nicht mehr gibt, wenn weltumspannend produziert wird, damit man im dreimal Acht-StundenSektor rund um die Uhr produzieren kann, was will da ein Betriebsrat, was will da eine Gewerkschaft in Deutschland leisten, wenn in dieser Art und Weise Wertschöpfungsketten völlig neu gedacht werden? Hier lasst uns gemeinsam in die Diskussion kommen und ich wünschte mir, dass Thüringen Vorreiter ist, wenn es um den Nachweis geht, wir haben innovative Unternehmen in all den Branchen, die ich aufgezeigt habe. Ich wünschte, dass wir vorbildlich sind. Wir haben innovative Verwaltungen, wir haben einen innovativen Ansatz, mit Bürgern umzugehen, als auch in der Frage, wir beschäftigen uns damit, dass die Arbeitswelt nicht entgrenzt wird, oder wenn sie zu entgrenzen droht, dass wir die entsprechenden Antworten haben und sie bundesweit vorbildlich diskutieren.

Der Antrag und die Zuarbeit, die wir Ihnen daraufhin noch leisten werden, bieten eine hervorragende Grundlage und ich danke Ihnen für diese Vorlage, wünschte, dass Sie alle Gäste sind, wenn wir in Weimar am 15.06. beim Wirtschaftsforum exakt diese Themen diskutieren werden, und freue mich über eine weitere gute Zusammenarbeit, nutzbringend für die Digitalisierung auch in Thüringen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Minister Tiefensee. Gemäß § 29 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung werden Beratungen zu Berichten der Landesregierung grund

sätzlich in langer, also in doppelter Redezeit behandelt. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht? Die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU. Auf Verlangen der genannten Fraktionen eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer II des Antrags. Gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu den Nummern I und III des Antrags. Als erster Redner hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Mario Voigt, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister, schönen Dank für die Ausführungen. Ich finde, das war eine sehr gute Darlegung der Strategie, die wir im Februar eingefordert haben, und insofern bin ich sehr dankbar, dass Sie das jetzt mit Inhalten untersetzt haben, Inhalte, die ich fast vollumfänglich unterschreiben kann. Insofern freue ich mich, wenn Sie das dann auch in die Wirklichkeit umsetzen. Das ist etwas, was Thüringen gut gebrauchen kann. Ich glaube in der Tat, dass wir bei „Industrie 4.0“, „Wirtschaft 4.0“ – wie man es auch immer nennen möchte – eher als Ermöglicher unterwegs sein können. Wir können nicht den Unternehmen vorschreiben, wie sie letztlich ihre Produktionsprozesse organisieren, wir können nicht dafür sorgen, dass sie Smart Factoring einführen. Wir können nicht organisieren, welche Produktautomatisierung sie präferieren. Was wir können, ist, eine Beratungsleistung anzubieten. Was wir können, ist, Finanzierungsströme offenzulegen und drittens dafür zu sorgen, dass wir intelligente Infrastruktur gewährleisten. Das sind die Punkte, die Sie ausgeführt haben, deswegen will ich da auch keine große Debatte darüber haben, da wir das im Februar de facto schon mal diskutiert haben. Insofern verwundert es mich ein bisschen, das will ich auch sagen, jetzt haben die Koalitionsfraktionen de facto einen Antrag gemacht, der uns denselben Spaß noch mal bereitet und Ihnen noch mal die Chance gibt, einen kleinen Testund Probelauf für Ihre Rede dann auf dem Wirtschaftsforum im Juni zu machen. Der ist, kann ich gestehen, gut gelungen. Wenn Sie diese Strategie so auf den Weg bringen, dann können wir im Freistaat schon gut unterwegs sein. Da bauen Sie natürlich auf Dingen auf, die wir schon in den Jahren vorher formuliert haben. Sie haben die RIS3-Strategie erwähnt; das ist letztlich eine Strategie, die darauf abzielt, Innovationen im Mittelstand mit technologischen Neuerungen zu verbinden, sodass Thüringen es vielleicht schafft, in einer Welt, die als Arbeitswelt sehr viel stärker mit disruptiven Elementen versehen sein wird, also dass „Industrie 4.0“ auch dafür sorgen wird, dass wir Prozesse erleben, die man vielleicht in „Industrie 1.0“, also bei der ersten industriellen Wende, so nicht erlebt hat. Beispiel ist, wenn Apple gestern an den Start geht und sagt, wir können uns vorstellen, ein Auto zu machen, das

(Minister Tiefensee)

ist die beste mobile Plattform, das beste mobile Gerät, das man sich vorstellen kann, ein Auto als Projektionsfläche für die Weitergabe von Daten, wird letztlich deutlich, wie sich Prozesse auch in dieser Welt verändern. Wenn man sich ansieht, Tesla als Beispielunternehmen, das in den USA von null auf hundert zu einem Autobauer geworden ist, dann sieht man daran, in welcher Art und Weise wir letztlich auf solche modernen Prozesse eingehen. Sie haben es beschrieben: 24/7-Serviceerwartung, also 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Wir erwarten als Konsumenten auch Lieferzeiten, die kürzer sind; die Produktinnovationen finden viel schneller statt.

Das alles in der Summe zusammen genommen führt letztlich zu der Frage, wie ein einzelnes Bundesland im Chor mit dem Bund drei Dinge machen kann. Das Erste, die Fragestellung, wie kann Infrastruktur verbessert werden, Breitbandausbau: Da will ich Ihnen sagen, da gehe ich nicht mit Ihnen einher. Ich finde, es ist unambitioniert, wenn Sie sagen, wir wollen erst im Jahr 2020 eine vollumfängliche Erschließung haben. Wir haben im Bundeskoalitionsvertrag – da haben Sie auch mit zugestimmt – formuliert: 50 Mbit pro Sekunde bis 2018. Ich finde, Sie sollten als Wirtschaftsminister in Thüringen nicht dahinter zurückfallen. Das ist schon ein Punkt, da müssen wir mehr leisten. Wenn Sie sich anschauen, Sie haben die 53 oder je nachdem, welchen Studien man traut, die 50 Mbit pro Sekunde jetzt schon in einem Großteil von Regionen Thüringens beschrieben. Insofern sollten wir die Chancen der nächsten Digitalen Dividenden nutzen, um dort das Geld in die Infrastruktur zu legen, im ländlichen Raum Erschließungen zu betreiben. Also diese Infrastrukturfrage ist ein Element, was wir gemeinschaftlich gestalten müssen.

Dann würde ich mir einen zweiten Punkt wünschen: Sie haben von TecArt und von anderen gesprochen. Das sind exzellente Unternehmen, die wir in Thüringen haben. Wir haben mit Ilmenau, Weimar, Erfurt und Jena exzellente Standorte mit sehr guten IT-Unternehmen. Denen fehlt teilweise Marktzugang, wenn es um Größenordnungen geht. Aber wenn Sie jetzt TecArt ansprechen, die sind mittlerweile Technologiepartner der Telekom in bestimmten Bereichen. Das ist etwas, damit können wir uns sehen lassen. Insofern geht es sicherlich darum, die besser miteinander zu vernetzen. Was ich mir wünschen würde – das habe ich auch im Februar schon gesagt –, ich glaube, wir sollten schauen, dass wir eine Art von IT-Cluster in Thüringen etablieren. Ich weiß, dass das in den Koordinationsgruppen der RIS3-Strategie auch mit diskutiert wird. Das ist okay, das ist etwas, was wir schon längerfristig angestrebt haben, das ist natürlich auch etwas, was die Partner selbst wollen müssen. Insofern denke ich, dass wir da im zweiten Segment, also bessere Vernetzung zwischen den Partnern, Chancen generieren können. Da gibt es die zwei Ele

mente: Einerseits der Antrag beim Bund, wenn er dann raus ist. Gut, deutschlandweit wird es nur vier solche Zentren geben, es wäre gut, wenn Thüringen eines davon wäre. Aber unabhängig davon ist es richtig, das am ThEx anzusiedeln und dann mit den Mitarbeitern so zu betreuen, dass wir eine engere Verzahnung zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und kommunalen Trägern haben.

Dann, glaube ich, gibt es ein drittes Segment, in dem man sich stärker engagieren muss. Das ist die Frage – Sie haben es beschrieben – der IT-Sicherheit. Da gibt es auch gute Unternehmen, Endnutzer-zu-Endnutzer-Verschlüsselungen, die auch in Thüringen entwickelt worden sind.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Da gibt es doch Open-Source-Software!)

Ja, du redest doch gleich, ist doch alles gut.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Nein, ist nicht gut!)

Ich glaube trotzdem, wenn wir darüber reden, Thüringer Unternehmen da auch Chancen zu bieten, für den Markt zu produzieren, dann kann das hilfreich sein. Da müssen wir bei IT-Sicherheit, glaube ich, ein bisschen weitergehen, als Sie heute in Ihrem Aufsatz formuliert haben. Ich hätte mir eher gewünscht, Sie hätten Ihre Rede heute in den Aufsatz der Zeitung geschrieben, da hätten Sie im Freistaat mehr für die Digitalisierung geworben als so ein – na ja, ich möchte jetzt kein unflätiges Wort benutzen...

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Der war sehr gut, der Kommentar, sehr zutreffend!)

Das glaube ich, dass Sie das so empfinden, Frau Marx. Ich weiß nicht, ob wir da so einen Pissing Contest machen müssen. Ich finde einfach, es ist unnötig. Ich glaube, dass die IT-Sicherheit von Deutschland an anderen Stellen entschieden wird. Aber das ist Ihr Punkt.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Schön doppeldeutig!)

Ja, kann man als doppeldeutig empfinden. Ich glaube einfach, dass es letztlich darum gehen muss, konkrete Lösungsvarianten zu finden und nicht als Minister sich hinzustellen, einen Artikel darüber zu schreiben: oh, das Bundeskanzleramt, BND und wer auch immer. IT-Sicherheit ist letztlich etwas, worauf der Individualnutzer auch selbst eingehen muss. Das ist das, was Sie in Ihrer Rede hier ausgeführt haben. Das kann ich auch nur begrüßen. Da sollten wir ansetzen und nicht darüber hinaus.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Gib der Präsidentin Zeit, damit sie das übersetzen kann!)

Das will ich lieber nicht, sonst kriege ich eine Rüge.

Ein vierter Punkt, der wichtig ist, ich glaube, da haben Sie auch einiges zum Ausdruck gebracht: Wir sollten dafür Sorge tragen, dass wir alle gesellschaftlichen und auch alle Altersgruppen in diesen Prozess mitnehmen. Dann, glaube ich, können wir in der Schule mehr machen. Deswegen würde ich mir wünschen, dass Sie mit dem Kultusministerium auch da versuchen, mehr zu machen. Wir haben das in der letzten Legislatur auch mit dem Koalitionspartner versucht, da gibt es schon mehr Möglichkeiten, die man in Thüringen angehen kann. Ich rede jetzt nicht von iPads in der Schule, ich meine, es geht nicht darum. Heutzutage hat mittlerweile jeder ein technologisches Gerät, womit er auf neue Informationen zugreifen kann. Es geht nicht um die Frage, da Unmassen von Geld zu investieren, sondern eher um die Frage, wie kann man besser Wissenstransfer herstellen und wie können wir digitale Bildung besser organisieren. Da gibt es Beispiele in Bayern, die eine digitale Bildungsoffensive gemacht haben, die – denke ich – sehr begrüßenswert ist und die man sich in Ruhe anschauen kann.

Last, but not least, und das ist ein Punkt, da gehe ich nicht ganz mit, wenn wir jetzt hier über eine Anti-Stress-Verordnung reden. Das finde ich auch schade an dem Antrag. Deswegen werden wir als CDU-Fraktion ihn auch ablehnen, weil der Antrag leider nicht den Inhalt Ihrer Rede wiedergegeben hat. Der Antrag ist letztlich eine vermantelte Forderung nach einer Anti-Stress-Verordnung, eingepackt in „Industrie 4.0“. Das finde ich schade. Wenn Sie eine Anti-Stress-Verordnung wollen, dann stellen Sie einen Antrag dafür. Aber tun Sie nicht so, als ob Sie das jetzt hier mit irgendwelchen Innovationsprozessen verkleistern wollen. Da zitiere ich jetzt mal ausnahmsweise nicht nur die Bundeskanzlerin, die natürlich gegen diese Anti-StressVerordnung ist, sondern auch Sigmar Gabriel, der selber gesagt hat, er sehe bei dem Thema vor allem Arbeitgeber und Gewerkschaften und nicht den Gesetzgeber in der Pflicht. Das halte ich für richtig, weil ich glaube, das müssen die Arbeitgebergruppen und auch die Gewerkschaften gemeinschaftlich miteinander verhandeln. Wir als Union setzen da auch auf Eigenverantwortung und unternehmerische Freiheit. Ich glaube, wir sollten davon abkommen, den Menschen vorschreiben zu wollen, was sie zu wollen haben, sondern wir sollten eher darüber nachdenken, wie wir unternehmerische Freiheit generieren können. Sie waren heute leider nicht da, wir haben über steuerliche Forschungsförderung gesprochen, auch da gibt es bessere Möglichkeiten.

Ich will ein konkretes Beispiel ausführen, was ich damit meine. Wenn Sie sich Unternehmen wie Volkswagen ansehen. Volkswagen bietet flexible Arbeitszeitmodelle an, aber sagt auch gleichzeitig für Mitarbeiter, die sagen, ich habe eine fest definierte Arbeitszeit, dass sie garantieren, dass unter

nehmensrelevante E-Mails eine halbe Stunde nach Ausloggen des Arbeitnehmers automatisch vom Server nicht mehr weitergeleitet werden, das ist quasi auch „Industrie 4.0“. Nämlich er erkennt, wann Arbeitnehmer nicht mehr für das Unternehmen zur Verfügung stehen. Und eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn startet der Server wieder und sagt: Okay, ich sende alle E-Mails weiter. Das ist eine flexible Lösung. Dafür braucht es keinen Staat, dafür braucht es auch keine Anti-Stress-Verordnung, sondern es braucht einfach einen Ansatz, wie man klug auf die Interessen der Arbeitnehmer eingeht. Ich finde es sehr amüsant, wenn man sich ansieht, Frau Nahles ist ja die, die das Thema „AntiStress-Verordnung“ pusht. Wenn es dann im August 2014 im Arbeitsministerium Massen an Beschwerde-E-Mails und Beschwerden darüber gegeben hat, dass die Mitarbeiter Überstunden schrubben müssen, dann ist das der beste Beleg, dass diejenige, die für eine Anti-Stress-Verordnung wirbt, am Ende den Kernbestand von Antistress nicht verstanden hat, nämlich den Dialog zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Fragestellung: Was ist ein sinnvoller Weg, gemeinschaftlich erfolgreich zu sein? Deswegen sagen wir, wir lehnen diesen Antrag ab, weil wir in den Punkten von „Industrie 4.0“ nah bei Ihnen sind, aber weil wir in den Aspekten von wieder Überregulierung von Unternehmen an einer Stelle, wo es vollkommen unnötig ist, einfach glauben, dass Sie den falschen Weg begehen. Deswegen lehnen wir den Antrag ab, danken trotzdem für die Debatte und würden uns freuen, im Ausschuss mal das Thema „Digitalisierungsstrategie“ ein bisschen vertiefend zu diskutieren, damit am Ende auch was Sinnvolles herauskommt.

Herr Dr. Voigt, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Brandner?