Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

(Ministerin Dr. Klaubert)

bedingungen des Systems, in dem sie arbeiten, den sogenannten Statusgruppen, die ich gerade schon erwähnte, erklären. Jeder Generation Elternvertreter, jeder Generation Schülervertreter, jeder Generation eines neuen Vereinsvorstands – wir wissen, dass der Turnus in diesen Bereichen zwei Jahre beträgt – muss die Gelingensbedingung von Schule neu erklärt werden. Das ist basisdemokratische Schulentwicklung mit Statusgruppen.

Liebe Kollegen, man kann das so fordern. Man kann das so wertschätzen. Aber wenn man das so fordert, dann muss man auch die entsprechenden Zeit- und Geldmittel zur Verfügung stellen.

(Beifall AfD)

Zentralisierung, dieser Begriff verweist auf die Notwendigkeit, die Koppelungsprobleme zu lösen, die selbstverständlich in teilautonomen Systemen auftreten. Wir haben ja keine autonomen Schulen im Land, sondern teilautonome Schulen. Autonomisierung kann der Schule ein unverwechselbares Profil geben. Natürlich, wer bezweifelt das. Trotzdem muss der Staat seiner Aufsichtspflicht nachkommen. Das sind die Elemente der sogenannten Koppelungsproblematik. Die Folge für die Einzelschule vor Ort ist ein wachsender, ja ein ausufernder Dokumentations- und Verwaltungsaufwand.

Liebe Kollegen, jeden Tag sind in Thüringen Tausende Lehrer und Schulleiter in den Besoldungsstufen A 12 bis A 16 damit beschäftigt, Evaluation zu betreiben, Dokumentationen zu erstellen und, man höre und staune, tatsächlich Datensätze in Rechner einzupflegen. Und das, liebe Kollegen, das ist eigentlich die Arbeit von Büroangestellten. Hier wird Lehrer- und Schulleiterarbeitszeit massiv verplempert.

(Beifall AfD)

Autonomisierung, dieser Begriff zeigt an, dass an unseren Schulen von Schulleitung und Kollegen Unterrichtsentwicklung, Personalentwicklung und Organisationsentwicklung betrieben werden soll. Und diese Schulentwicklungsimpulse sollen in einem Schulprogramm systematisiert und verzahnt werden. Diese Organisationsentwicklungsprozesse lernt man nicht in der Lehrerausbildung. Wenn dann zu der Autonomisierung noch die Personalhoheit und die Budgethoheit dazu kommen, dann braucht man zusätzliche juristische und betriebswirtschaftliche Expertise. Ich betone, Frau Dr. Klaubert, die Schulleitungsfortbildung – Sie haben sie heute schon in diesem Hohen Hause angesprochen – geht in Thüringen bereits in die richtige Richtung. Wir haben ein systematisiertes, in Modulen aufbereitetes Fortbildungskonzept, das schon gut angelegt ist. Aber sie hat noch das Defizit – so sehe ich es jedenfalls –, dass sie in ihrer Systematik und in ihrer Tiefe noch nicht die notwendigen Informationen und Impulse bringt, um Schulleitung

wirklich als das anzuerkennen, was sie ist, nämlich ein eigenständiges Berufsbild, sehr verehrte Kollegen.

Wer sich heute nicht einschlägig ausgebildet als Schulleiter in das von mir dargestellte Spannungsfeld von Demokratisierung, Zentralisierung und Autonomisierung begibt, der begibt sich in ein System permanenter Selbstausbeutung, permanenter Überlastung und permanenter Selbstrechtfertigung. Das ist, liebe Kollegen, ein unerträglicher Zustand, der beendet werden muss.

(Beifall AfD)

Um die Situation in den Schulen zu verbessern, brauchen wir nicht unbedingt mehr Geld und mehr Zeitkontingente, die übersetzt natürlich auch mehr Geldressourcen bedeuten. Wir brauchen eine Strukturänderung, die durchaus kostenneutral beschaffen sein kann. Die AfD-Fraktion wird diesen Vorschlag, den wir schon mit uns herumtragen, entsprechend als Antrag in dieses Hohe Haus einpflegen.

Um die Situation zu verbessern, brauchen wir erstens – und ich denke, das ist eine wichtige Angelegenheit, die man immer wieder betonen muss – die besten Lehrer als Schulleiter. Ich stehe zu dem Konzept, dass der beste Lehrer auch der beste Schulleiter ist. Hier muss eine Personalentwicklung betrieben werden, die noch zielstrebiger ist als die bereits angelaufene.

Zweitens: Wir brauchen mehr Verwaltungsangestellte und Assistenten an unseren Schulen, die unsere Lehrer und unsere Schulleiter für ihre Kernaufgaben freisetzen.

Wir brauchen drittens und letztens – ganz wichtig – Verwaltungsleiter. Wir brauchen an unseren Schulen Verwaltungsleiter mit betriebswirtschaftlichen und juristischen Kenntnissen, die dem Schulleiter die einschlägigen Verwaltungsaufgaben abnehmen. Das bedeutet eine wirkliche Entlastung für die Schulleitungen in unserem Land, sehr verehrte Kollegen. Das bedeutet eine höhere Motivation für die eigentliche Aufgabe des Schulleiters, Schule zu entwickeln, Schule zusammen mit dem Kollegium zu profilieren und Schulentwicklung zu betreiben.

Der CDU-Antrag doktert überwiegend an Symptomen herum. Er hat gute Ansätze – das habe ich eingangs meiner Rede dargestellt –, die wir auch unterstützen. Aber er springt zu kurz und er ist in seinem Charakter und in seinem Geist – ich muss es betonen – ein typischer Oppositionsantrag. Mehr Zeit, mehr Geld – das ist aus der Opposition heraus durchaus sehr gut und komfortabel zu fordern. Aber wir brauchen das nicht unbedingt, wie ich das darstellte. Wir brauchen eine Strukturveränderung, eine Strukturveränderung, sehr verehrte Kollegen, die die Schulleitung und die Kollegen für ihr Kerngeschäft freisetzt. Und das Kerngeschäft heißt: gu

te Bildung. Das können unsere Lehrer, das können unsere Schulleiter und das wollen sie auch leisten. Befähigen wir sie dazu, das leisten zu können!

(Beifall AfD)

Die AfD-Fraktion kann diesem Antrag – wie gesagt, weil er zu kurz springt – in der jetzigen Form nicht zustimmen und deswegen gibt es von uns nur eine Enthaltung. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen, liebe Lehrerinnen, liebe Interessierte, in der Tat ist das ein Thema, was uns schon seit vielen Jahren immer wieder im Thüringer Landtag beschäftigt hat. Ich möchte mich ausdrücklich bei unserer Ministerin Frau Dr. Klaubert für den ausführlichen Bericht bedanken. Ich glaube, sie hat sehr gut nachvollziehbar dargestellt, wie im Moment die Situation in Thüringen ist. Dass wir einen anderen Umgang auch mit Oppositionsanträgen pflegen, hat sich schon beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt gezeigt. Ich will es vorwegschicken und Frau Ministerin hat es zum Ende ihrer Rede auch angedeutet: Wir wünschen uns eine Fortberatung des Antrags im Ausschuss, weil es uns um die Sache geht. Das unterscheidet uns übrigens von der Vorgängerregierung. Da hatten wir selten das Glück, dass Oppositionsanträge sich auch im Ausschuss wiederfanden.

(Beifall DIE LINKE)

Aber, wie gesagt, uns geht es um die Sache und die Problematik, dass es unbesetzte Schulleiterstellen gibt, auch wenn über die genauen Zahlen offenkundig unterschiedliche Ansichten bestanden. Darüber werden wir im Bildungsausschuss selbstverständlich reden müssen. Spannend fand ich übrigens in diesem Zusammenhang, dass der Thüringer Lehrerverband offenkundig auch sehr genau verfolgt, was hier in diesem Plenum so auf der Tagesordnung steht. So hat er den Antrag der CDUFraktion an alle Mitglieder des Thüringer Lehrerverbands geschickt und ich möchte Ihnen kurz einige Zeilen dazu vorlesen, mit denen dieser Antrag versehen war.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist doch gut!)

„Der TLV“, so heißt es in dem Schreiben, ich zitiere, „möchte Ihnen einen interessanten Antrag der CDU Thüringen – der größten Oppositionsfraktion im Thüringer Landtag – zur Kenntnis geben.“

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Alles rich- tig, zunächst!)

Das ist zunächst richtig, genau.

Und jetzt schließt an: „Sicher muss die Frage erlaubt sein, warum all dies nicht bereits umgesetzt worden ist,“ – auch richtig, stimmt’s, Herr Mohring? –

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Auch rich- tig!)

„als man noch in Regierungsverantwortung war.“ Sehr richtig, kann ich da nur sagen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Auch rich- tig!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden uns dessen annehmen. Ich meine, Frau Dr. Klaubert hat eben schon ausgeführt, was sich in den letzten sechs Monaten da alles schon getan hat.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hätten wir den Minister gestellt, hätten wir es gemacht!)

Eine Regierung trägt immer gemeinsam Verantwortung. Ich mache es mir doch jetzt auch nicht so leicht und sage, das ist eine Linke-Bildungsministerin, ich bin Grüne, deswegen habe ich damit nichts zu tun.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Hätten Sie doch Ihren Koalitionspartner gefragt!)

Sondern wir stellen uns der Verantwortung, übrigens auch bei den freien Schulen.

(Unruhe CDU)

Da mussten wir gegen ein Gesetz klagen, was Sie von CDU und SPD auf den Weg gebracht haben, was den freien Schulen das Wasser abgegraben hat. Und wir sind im Moment daran, ein gutes, ein auskömmliches Gesetz auf den Weg zu bringen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jetzt werde ich aber trotzdem wieder zu Ihrem Antrag „Gute Bildung braucht starke Schulleiter“ sprechen. Herr Fiedler hatte ausgeführt, als es um den Digitalfunk ging, dass es sich dabei um einen Unterstützungsantrag der Opposition gehandelt hat. Ich werte jetzt Ihren Antrag auch mal als Unterstützungsantrag dahin gehend, dass es uns gelingen soll, an allen Schulen gute Schulleiterinnen und Schulleiter zu haben. Denn wie ich eben schon ausführte, uns ist das Problem durchaus bewusst,

(Abg. Höcke)

es hat ja in der letzten Legislatur mehrere Anfragen dazu aus den Oppositionsfraktionen gegeben. In dieser Legislatur gab es am 31. Januar eine Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Meißner, es ist daraus schon zitiert worden. Damals waren 53 Schulleitungsstellen unbesetzt, inzwischen ist die Zahl schon zurückgegangen, es sind jetzt noch knapp 40. Auch das ist aber eine Zahl, die wir ernst nehmen. Wir sollten uns aber auch vor Augen führen, dass das bedeutet, dass 870 Schulleitungsstellen in Thüringen sehr wohl besetzt sind und dass dort die Schulleiterinnen und Schulleiter in der Regel eine sehr gute, eine engagierte und motivierte Arbeit leisten, so wie es Frau Ministerin ausgeführt hat.

Ich meine weiterhin, wir sollten tatsächlich noch mal das Augenmerk insbesondere auf den Grundschulbereich lenken, weil wir da besondere Schwierigkeiten haben. Im Grundschulbereich ist es schwierig, ausreichend Bewerberinnen zu finden, und da muss man sich natürlich fragen: Was sind die Gründe oder auch die Ursachen dafür? Die sind sehr vielfältig. Insbesondere im ländlichen Raum ist es schwierig, die Bewerberinnen zu finden. Dort haben wir natürlich Probleme bei der Besetzung dieser Funktionsstellen, weil, das darf man nicht verschweigen, die Aufgabe der Schulleitung eine extrem anspruchsvolle, eine verantwortungsvolle Aufgabe ist. Hier müssen wir uns vor Augen führen, dass insbesondere die viel zu niedrige Besoldung im Grundschulbereich, die Anzahl der Abminderungsstunden, aber auch Fragen der Schulnetzplanung dazu beitragen, dass diese Stellen schlichtweg nicht attraktiv sind. Daran müssen wir etwas ändern. Wir haben das immer wieder deutlich gemacht, auch schon in den letzten Jahren, dass wir grundsätzlich einmal über die Frage der Einstufung und auch in gewisser Weise der Wertung und Wertschätzung der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern an Grundschulen sprechen müssen, weil es nicht sein kann, dass gerade die Lehrerinnen und Lehrer, die in den ersten Jahren die Grundlagen legen und quasi immer als die „kleineren“ Lehrer behandelt werden, auch noch schlechter bezahlt werden. Wir alle wissen, da muss ein System vom Kopf gewissermaßen auf die Füße gestellt werden. Aber da werden wir noch viele heftige Debatten vor uns haben, weil beispielsweise der Philologenverband das sicherlich ganz anders sieht. Aber wir meinen, wir müssen uns dem stellen.

An Gymnasien und Berufsschulen haben wir ganz andere Problemlagen, da sind es eher die Konkurrentenklagen, die uns beschäftigen – Frau Dr. Klaubert hatte das auch ausgeführt –, hier gibt es also genügend Bewerberinnen und Bewerber. Dass aber gerade solche Konkurrentenklagen die Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes an dieser Stelle oftmals lahmlegen, ist hinlänglich bekannt. Allerdings werden wir uns da an Recht und Gesetz halten.

Das erwarten Sie von uns völlig zu Recht. Da müssen wir uns der Situation stellen, so, wie sie ist. Das von Ihnen, der CDU, eingeforderte Schulleitungsversprechen – ich werte es mal so – hilft da eigentlich nichts, weil der Rechtsweg nun einmal jedem zusteht. Wir werden als Rot-Rot-Grün ganz gewiss nicht die Rechte derjenigen, die sich dort bewerben, beschneiden. Das ist eine schwierige Debatte, aber wir werden das sicherlich im Ausschuss noch einmal vertiefen können.

Zusammenfassend will ich sagen, dass aus unserer Sicht nichts dagegenspricht, diesen Antrag umfassend zu diskutieren. Das grundsätzliche Ziel des Antrags ist – so habe ich es zumindest gelesen –, eine zügigere Bestellung von Schulleitung und mehr Eigenverantwortung für unsere Schulen, aber auch mehr Transparenz bei der Besetzung der Schulleiterstellen zu gewährleisten. Fraglich ist allerdings, wie die aus unserer Sicht eher strukturell angelegten Probleme tatsächlich von uns gelöst werden können. Aber ich hoffe da auf Ihre konstruktiven Beiträge auch im Ausschuss und dass wir dann im besten Fall auch zu einem gemeinsamen Antrag für das nächste Plenum kommen. Damit werden wir dann alle zusammen dafür sorgen können, dass wir an allen Schulen hoch motivierte, gute, starke Schulleiterinnen und Schulleiter haben. Das sind wir den Kindern, aber natürlich auch dem Lehrpersonal schuldig. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erhält Abgeordneter Tischner das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da auf der Besuchertribüne das Publikum gewechselt hat, begrüße ich auch noch mal herzlich die Schülerinnen und Schüler und die Kollegen Lehrer recht herzlich.