Protokoll der Sitzung vom 04.07.2019

Der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen ist mit weitreichenderen Rechten ausgestattet worden als bisher, damit er auch noch vehementer für die Rechte der Menschen mit Behinderungen streiten kann und natürlich auch der Regierung und auch dem Parlament auf die Finger schauen kann und den Finger in die Wunde legt.

Eine weitere zentrale Änderung ist die Einführung des Verbandsklagerechts. Menschen mit Behinderungen müssen nun bei Benachteiligungen nicht mehr selbst den Klageweg beschreiten, sondern anerkannte Verbände können dies an ihrer Stelle tun. Ich halte das auch für einen ganz wesentlichen Punkt. Und wir haben – auch das wurde schon angesprochen – den Finanzvorbehalt gestrichen, da er der UN-Behindertenrechtskonvention widerspricht.

(Beifall DIE LINKE)

Die Erstellung von Maßnahmenplänen zur Inklusion haben wir festgeschrieben und damit, liebe Kollegin Meißner, geben wir den Kommunen ein einheitliches Instrument an die Hand, um Barrieren zu erkennen und abzubauen.

Das sind nur einige Verbesserungen. Wir haben auch Verbesserungen finanziell untersetzt.

Wir haben im Sozialausschuss eine mündliche Anhörung durchgeführt und die dort gemachten Änderungswünsche haben wir sehr ernst genommen. Im Nachgang der Anhörung haben wir einen umfangreichen Änderungsantrag erarbeitet, der viele geäußerte Wünsche aufgenommen hat.

Schade ist, dass Sie Ihren Änderungsantrag erst heute oder gestern – oder wann auch immer er im Fach gewesen ist – auf den Tisch legen. Ich finde es gut, dass Sie auch zugehört haben in den Anhörungen, aber dann komme ich wieder an den Punkt: Das hätten wir alles schon einmal haben können. Wir haben das, was wir im Moment ableisten können als regierungstragende Koalition, auch gemacht und da bin ich sehr zufrieden mit dem, was hier auf dem Tisch liegt.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben die Festlegungen zur Verwendung von Kommunikationshilfen durch Behörden ausgeweitet, die Vorschriften zur Verwendung leichter Sprache. Auch hier ist an uns herangetragen worden, dass es bei der Kostenübernahme für Kommunikationshilfen im Rahmen von Elterngesprächen in Kindertagesstätten immer wieder zu Problemen kommt. Deswegen haben wir in einem Änderungsantrag nochmals auf das geltende Recht verwiesen, nachdem die Jugendämter die Kosten übernehmen müssen. Die Rechte des Beauftragten haben wir ausgebaut und ja, so soll der Beauftragte einmal in der Legislaturperiode dem Landtag mündlich und schriftlich Bericht erstatten. Ich denke, das ist ein wesentlicher Aspekt. Das würde natürlich die Arbeit dieses Beauftragten und auch möglicherweise anderer Beauftragter stärken, die Arbeit stärker in den Fokus bringen und natürlich eine Anerken

nung für die Arbeit sein. Es ist eine andere Wertigkeit, wenn dieses Plenum über diese Berichte diskutiert. Ich halte das für einen wesentlichen Aspekt, auch für die Zukunft. Die Zahl der stimmberechtigten Mitglieder im Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen haben wir auf Anregung der Verbandsvertreter auf zwölf erhöht. Also bleibt abschließend zu sagen, wir haben es uns mit diesem Gesetz nicht leicht gemacht, wir wissen, dass vieles noch weiter zu verbessern ist unter dem Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention „Nicht ohne uns über uns“ und dieser Grundsatz war im gesamten Erarbeitungsprozess wirklich ein Punkt. Ich komme sofort zum Ende. Es hat gedauert, aber es hat sich gelohnt. Der vorliegende Gesetzentwurf bringt uns einen guten Schritt auf dem Weg zur Inklusion weiter. Ich danke allen Verbandsvertretern für ihre Anregungen und die Geduld, die sie mit uns hatten, und ich hoffe, dass Sie weiter an unserer Seite sind, für weitere Verbesserungen kämpfen. Im Jahr 2024 soll das Gesetz evaluiert werden und dann können wir auch noch viele Dinge weiter mit einbinden. Herzlichen Dank und ich bitte um Zustimmung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin erhält Abgeordnete Stange von der Fraktion Die Linke das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Vertreterinnen der Vereine und Verbände, die uns heute zuhören und zuschauen. Herr Leibiger, Herr Pfeffer, seien Sie mir gegrüßt heute hier im Hohen Hause.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Meißner, was Sie vor wenigen Minuten hier an diesem Pult dargelegt haben, das ist – glaube ich – schon eine kleine Frechheit. Es muss wohl sehr, sehr schmerzen, dass Sie hier vor fünf Jahren nichts Positives zu verkündigen hatten, als Sie noch Regierungsverantwortung trugen. Das – denke ich – haben wir jetzt hinbekommen, ein guten Gesetzentwurf, der auch das auf den Weg bringt, was Menschen mit Behinderungen in den zurückliegenden Monaten und fast Jahren immer gefordert haben. Wir haben es geschafft, Frau Meißner, Sie nicht, das hat auch Frau Pelke gerade noch einmal wiederholt und das können Sie uns auch nicht schlechtreden.

(Abg. Pelke)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich war noch mehr enttäuscht, Frau Meißner, als ich Ihren Änderungsantrag gesehen habe. Wenn Sie es ehrlich gemeint hätten mit dem, was Sie hier vorgetragen haben, dann hätten Sie diesen Änderungsantrag in den Sozialausschuss eingebracht. Da waren Sie nämlich meiner Meinung nach überhaupt nicht vorbereitet. Sie hatten sich überhaupt nicht mit dieser Thematik befasst, Sie haben dazumal zum Gesetzentwurf mit einer Enthaltung

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Wir haben genauso lange gebraucht wie Sie!)

votiert und ich bin an der Stelle von Ihrer Arbeitsweise einfach echt enttäuscht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was Sie hier den Kolleginnen und Kollegen der anderen Verbände gerade als Ihr Thema unterschieben wollen, das haben Sie von anderen Fraktionen aus anderen Ländern abgekupfert. Haben Sie bei der CDU niemanden, der auch gute Ideen hat? Das ist mir jetzt bei der Thematik eingefallen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf, den wir heute endgültig verabschieden können – und darauf ist bereits hingewiesen worden –, auf den haben viele Menschen mit Behinderungen sehr, sehr lange gewartet. Heute ist es soweit und an der Stelle sage ich nicht nur meinen Koalitionsfraktionen Danke, sondern auch dem Ministerium und der Ministerin, der Staatssekretärin gemeinsam mit den Beauftragten, die wirklich in den zurückliegenden vier Jahren intensiv daran gearbeitet haben.

(Beifall DIE LINKE)

Was, werte Kolleginnen und Kollegen, diesen Gesetzentwurf auch so besonders macht – er geht auf das Thema „Inklusion“ ein. Wir haben nicht ein Integrationsgesetz, sondern wir haben ein Inklusionsgesetz und wir wollen mit diesem

(Beifall DIE LINKE)

Gesetzentwurf genau das, was die UN-Behindertenrechtskonvention uns mit auf den Weg gegeben hat, auch in Thüringen umsetzen. Wir möchten nicht, dass Menschen ausgeschlossen sind, so wie es durch die Integration in den zurückliegenden Jahren gelebt wurde. Wir möchten, dass Inklusion gelebt wird. Da wird kein Mensch vorher ausgeschlossen, sondern all die Menschen mit ihren unterschiedlichsten Fehlern, mit ihren unterschiedlichsten Handicaps gehören zur Gesellschaft dazu. Das ist genau das Thema, welches dieser Gesetz

entwurf auf den Weg gebracht hat. Dafür noch mal danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben gerade über unsere Änderungsanträge gesprochen, die wir als Koalitionsfraktionen eingebracht haben. Ich möchte diese an der Stelle nicht wiederholen. Aber was mir wichtig ist, ist das Thema des Verbandsklagerechts. Das haben in Thüringen Verbände die letzten Jahrzehnte gefordert. Jetzt können wir einfach sagen, wenn ihr eine Benachteiligung seht, werte Verbände, dann geht los und klagt. Das war bisher nicht möglich. Wir haben das jetzt in diesem Gesetzentwurf verankert.

Wir haben noch mal – Kollegin Pelke hat es bereits gesagt, aber ich will es für das Protokoll und die Öffentlichkeit noch mal sagen – wir haben im Haushalt 2019/2020 Geld in Höhe von 700.000 Euro eingestellt, damit die kommunalen Behindertenbeauftragten finanziell durch das Land unterstützt werden können. Das gab es bisher nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich rufe alle Kommunen auf – so wie sie bereits auch informiert worden sind –: Gehen Sie auf das Ministerium zu, stellen Sie die Anträge, um Ihre hauptamtlichen kommunalen Behindertenbeauftragten finanziell zu unterstützen vonseiten des Landes. 23 Thüringer Kommunen haben Beauftragte, die können Geld abrufen. Tut es, damit es nicht wieder zurückfällt in den Insgesamthaushalt! Ich denke, das ist eine Leistung, die kann sich sehen lassen. Das hat Rot-Rot-Grün hingebracht. Da wirkt unsere Politik.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns in den zurückliegenden Diskussionen auch darauf verständigt, dass leichte Sprache von den kommunalen Gebietskörperschaften umgesetzt wird. Da, wo Menschen in leichter Sprache die Dokumente erhalten möchten, sind diese in leichter Sprache zu erstellen. Das ist ein Novum, was es bisher nicht gab. Da sage ich Ihnen auch, die Vertreter des Landkreistags und des Gemeindeund Städtebunds waren über solche Anforderungen an dieses Gesetz nicht so sehr erfreut. Wir werden es aber heute verabschieden. Das heißt auch, Kommunen müssen sich diesbezüglich weiterbilden, müssen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so bilden, dass leichte Sprache angewandt wird und damit auch Bescheide erstellt werden können.

Die Stärkung des Landesbehindertenbeauftragten ist bereits durch Kollegin Pelke erwähnt worden.

Das ist ein Thema, was wir als Linke in den zurückliegenden zehn Jahren immer hoch und runter diskutiert haben. Jetzt wird es erstmalig im Gesetz verankert, auch dass er hier im Thüringer Landtag angesiedelt ist mit der nächsten Legislatur. Wenn der Gesetzentwurf also zum 01.12. dieses Jahres greift, dann werden wir an der Stelle Neuland begehen. Ich bin sicher, dass der oder die neue Behindertenbeauftragte genau das, was wir als Arbeitsthemen in den Gesetzentwurf geschrieben haben, dass er oder sie das ernst nimmt und hier auch so agieren wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den zurückliegenden Monaten und Jahren noch nie so intensiv über einen Gesetzentwurf diskutiert sowohl im außerparlamentarischen Bündnis, als auch in Arbeitsgruppen, in den unterschiedlichsten Gremien. Und ich kann nur sagen: Gut so, dass wir es jetzt hier heute verabschieden können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine kleine Anmerkung will ich noch zu einem Änderungsantrag, der vonseiten der AfD-Fraktion im Gleichstellungsausschuss eingebracht worden ist, machen. Auch sonst gab es ja wenig Diskussionen. Die AfD-Fraktion will die Streichung des § 7 Abs. 1. Damit leugnet diese Fraktion meiner Meinung nach die frauen- und behindertenpolitischen Realitäten. Denn der § 7 Abs. 1, speziell mit dem ausgeformten Gleichstellungsgebot zugunsten behinderter Frauen, hat was mit einer inklusiven Gesellschaft zu tun und dies ist unverzichtbar. Denn wir wissen alle, vor allem behinderte Frauen werden hier in der Gesellschaft leider immer noch doppelt diskriminiert, einmal als behinderte Frau und einmal als Frau an sich. Und das wollten Sie mit der Streichung des § 7 einfach ad absurdum führen. Wir sagen: Ihr Änderungsantrag wird abgelehnt, weil wir uns genau auf dieses Thema nicht reduzieren lassen wollen. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf, damit er zum Ende des Jahres 2019 in Kraft treten kann. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin erhält Frau Abgeordnete Herold von der Fraktion der AfD das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer im Netz und auf der Tribüne, sehr geehrter Herr Leibiger! Grundsätzlich begrüßen wir alle politischen

und gesellschaftlichen Bemühungen, Menschen mit Behinderungen, mit Handicap, mit speziellen Bedarfen so zu ertüchtigen und zu ermächtigen, ihr Leben weitestgehend ohne fremde Hilfe, ohne langwierige Behördengänge, ohne schwer zu verstehende bürokratische Anträge und ähnliche Hürden zu meistern. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Behinderte in Zukunft auch in Thüringen ein unabhängiges und weitgehend integriertes Leben führen können.

Was mir da zum Ersten aufgefallen ist, zum Beispiel bei den Forderungen von Frau Meißner, die Landesfachstelle für Barrierefreiheit betreffend: Das hört sich super gut an, das ist ein weiterer Beauftragter, eine weitere Fachstelle im großen Reigen der Runden Tische und Beauftragten. Wir schlagen stattdessen vor, eine solche Fachstelle, so sie denn immer noch nach vielen Jahren des Wirkens für Behinderte und für Barrierefreiheit wirklich erforderlich ist, einfach bei dem Landesbehindertenbeauftragten anzuschließen und als Unterabteilung auskömmlich zu finanzieren, ebenso wie der Landesbeauftragte für Behinderte auskömmlich finanziert werden muss.

(Beifall AfD)

Der in der ersten Lesung kritisch betrachtete Artikel 12, wo euphemistisch hinter dem Recht auf Gemeinsamen Unterricht eine Zwangsentscheidung über die Köpfe der Eltern hinweg versteckt worden war, ist ja nun weggefallen und versteckt sich nun nicht etwa in der Einsicht der Landesregierung, sondern unter Verweis auf das kürzlich verabschiedete neue Schulgesetz. Die Praxis wird es zeigen, ob das wirklich mehr Freiheit für Eltern und Kinder bringt. Die Debatten haben wir ja hierzu alle eifrig verfolgt. Insbesondere auch zum Thema „Förderschule“ haben wir uns ausführlich ausgetauscht. Das ernüchternde Ergebnis ist unseren Bürgern in Thüringen hinlänglich bekannt. Wir als AfD sehen den Gemeinsamen Unterricht um jeden Preis eher kritisch und halten an der individuellen Förderung von Schülern mit Behinderung in den darauf spezialisierten Einrichtungen fest. Wir halten das für gewinnbringender für alle Beteiligten. Daher haben wir uns für den Erhalt der Förderschulen in Thüringen ausgesprochen.

(Beifall AfD)

Die ideologisch motivierte Inklusion um jeden Preis verursacht erhebliche Kosten und hemmt behinderte wie nicht behinderte Schüler in ihrem Lernerfolg

(Beifall AfD)

und ist gesellschaftlich insgesamt nicht zu schaffen.