Protokoll der Sitzung vom 04.07.2019

(Beifall DIE LINKE)

Ich bin Freiberuflerin, ich bin Abgeordnete, ich hätte in der privaten Versicherung sehr viel billiger fahren können – das möchte ich aber nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es gibt überhaupt keinen Zwang für Beamte, jetzt in die gesetzliche etwa umzuswitchen. Aber sie können frei wählen. Wo ist denn da eigentlich das Problem und was soll denn daran auch noch verfassungsrechtlich bedenklich sein? Wir schaffen eine Wahlfreiheit. Wie gesagt, bisher war die gesetzliche Krankenversicherung für Beamte deswegen unattraktiv, weil sie in diesem Fall die vollen Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile übernehmen mussten. Sie haben praktisch noch eine Strafgebühr dafür gezahlt, dass sie sich für das Solidarprinzip entschieden haben. Das wird abgeschafft, indem dann eine anteilige Erstattung durch den Arbeitgeber, durch die Behörden möglich sein wird.

Damit folgen wir – Kollege Adams hat schon darauf hingewiesen – dem Beispiel Hamburgs, das schon zum 1. August 2018, also vor knapp einem Jahr, dieses Modell eingeführt hat. Die Erfahrungen in Hamburg sprechen für sich. Innerhalb eines halben Jahres haben sich dort über 1.000 Beamte und Beamtinnen für die Versicherung in der gesetzlichen Krankenkasse entschieden. – Das ist ein guter Weg.

Dass Freiheit verfassungswidrig sein kann, das erschließt sich mir nicht, ich denke, auch den Betroffenen nicht, denn niemand wird gezwungen, diesen dann neuen möglichen Weg zu gehen.

(Abg. Henke)

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die Schmerzensgeldübernahme für Fälle, in denen Beamte Opfer von gewalttätigen Übergriffen werden. Wir alle wissen und haben schon sehr oft auch hier in diesem Haus zu Recht bedauert und kritisiert, dass Beamtinnen und Beamte zunehmend Ziel von Übergriffen werden. Das betrifft nicht nur die Polizei, die schon seit Langem eine zunehmende Verrohung beklagt. Wir haben mittlerweile Feuerwehrleute, aber selbst auch Verwaltungsbeamte in kommunalen Behörden, die sich beispielsweise mit Drogen oder auch Angriffen sogenannter Reichsbürger auseinandersetzen müssen. Wenn in diesen Fällen ein Täter ermittelt ist und dem Opfer Schmerzensgeld zugesprochen wird, ist es nicht selten so, dass die Beamtinnen und Beamten lange auf die Begleichung ihrer Schmerzensgeldansprüche warten müssen oder gar gänzlich auf dem Anspruch sitzen bleiben. Wenn diejenigen, die es zu zahlen hätten, überhaupt nicht leistungsfähig sind, also keinen Knopf in der Tasche haben, dann ist da nichts zu holen. Dann ist es natürlich sehr wichtig und sehr gut, dass wir als Land in Vorleistung treten und das Opfer entschädigen können. Dann geht der Anspruch auf das Land über und das Land kann sehen, ob es sich etwas wiederholen kann. Aber der geschädigte Beamte bleibt nicht sozusagen der Doppeltgeschädigte,

(Beifall CDU, DIE LINKE)

weil er einmal schon die Verletzung ertragen musste und dann auch noch kein Geld bekommt.

Der dritte und letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte, betrifft die kommunalen Wahlbeamten, die hauptamtlichen Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte in Thüringen. Erst im letzten Jahr sind viele neu gewählt worden und das vorübergehende Engagement als Bürgermeisterin und Bürgermeister können wir gar nicht hoch genug schätzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bisher war es so, dass hauptamtliche kommunale Wahlbeamte in ein Beamtenverhältnis auf Zeit zu einem kommunalen Dienstherrn übernommen wurden. Bei einem Bürgermeister, der schon vor seiner Wahl Beamter war, hatte dies zur Folge, dass er als Beamter kraft Gesetzes zu entlassen war, weil er in ein Dienstverhältnis zu einem anderen Dienstherrn eingetreten war. Ausnahmen hiervon waren nur durch eine komplizierte Genehmigung des für das Beamtenrecht zuständigen Ministeriums möglich.

Es kann nicht in unserem Sinn sein, dass jemand, der ein kommunales Wahlamt übernimmt und schon Beamter ist, dann quasi aus dem Beamtenverhältnis entlassen wird. Das ist jetzt keine Privilegierung, wenn wir sagen, der kann auch beurlaubt

werden oder ist zu beurlauben, sondern das ist eigentlich eine Gleichstellung mit vielen anderen Positionen,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Umso mehr Beamte kriegen wir dann im Parlament! Macht weiter so, dann bekommen wir ein Be- amtenparlament!)

wo das schon möglich ist, denn im Angestelltenverhältnis ist das gang und gäbe, dass das so gemacht wird. Deswegen ist es sehr richtig, dass wir das jetzt hier einführen. Das ist auch im Sinne der Unterstützung des kommunalen Wahlamts und der Freiheit für jedermann und jedefrau, sich für so ein wichtiges Amt auch bewerben zu können.

Mithin kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, dass gerade die Kolleginnen und Kollegen von der CDU hier irgendwie ablehnen und da wieder irgendwie mit der Verfassung winken. Das machen sie immer gern, wenn die Argumente nicht ausreichen, dann ist die vermeintliche Rechtswidrigkeit bei Ihnen am Start. Aber jetzt fassen Sie sich doch einfach mal ein Herz und tun Sie hier was Gutes für unsere Beamtinnen und Beamten! Diese drei Punkte allein rechtfertigen es, dem Gesetz zuzustimmen. Das haben unsere Beamtinnen und Beamten hier in Thüringen auch verdient. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Der Abgeordnete Dittes spricht für die Fraktion Die Linke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist zu vielen Einzelregelungen schon einiges ausgeführt worden, deswegen vielleicht einige grundsätzliche Bemerkungen noch mal vornweg. Der öffentliche Dienst, die öffentliche Verwaltung ist entgegen landläufiger Vorurteile nicht dazu da, um sich mit sich selbst zu beschäftigen, sondern das Alltagsleben in einer Gesellschaft von der Schule bis hin zur Müllabfuhr sicherzustellen und damit unser aller Leben im Prinzip auch zu ermöglichen. Das leisten im Rahmen der Landesverwaltung mehr als 30.000 Bedienstete und Beschäftigte und denen gilt natürlich auch unser Dank für das, was Sie hier jeden Tag leisten.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber der öffentliche Dienst, die öffentliche Verwaltung …

(Abg. Marx)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da klopfe ich mit!)

Herr Fiedler, warten Sie doch ab, Sie werden noch viele Möglichkeiten haben zu klopfen. An einer Stelle, das kann ich Ihnen schon voraussagen, werden Sie aber widersprechen. Aber soweit sind wir noch nicht.

Aber ich will Ihnen auch sagen: der öffentliche Dienst und die öffentliche Verwaltung stehen natürlich auch vor immensen Herausforderungen. Einige sind schon benannt worden: die Digitalisierung der Gesellschaft, wo der öffentliche Dienst nicht unbedingt Schritt hält mit dem, was gesellschaftlich gerade passiert. Aber auch die Frage der demografischen Entwicklung in Thüringen stellt den öffentlichen Dienst vor eine besondere Herausforderung, weil wir natürlich auch um Arbeitskräfte in der Verwaltung streiten müssen. Wir konkurrieren hier mit der privaten Wirtschaft und da sind die Bedingungen längst nicht mehr so vorteilhaft für den öffentlichen Dienst, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war.

Deswegen müssen wir uns gemeinsam Gedanken machen, wie wir auch die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsverhältnisse in der Verwaltung attraktiv gestalten, insbesondere auch für junge Menschen. Das heißt eben auch, dass wir uns darüber Gedanken machen, wie wir einen guten Gesundheitsschutz für Beschäftigte und Bedienstete schaffen, wie wir eine angemessene Bezahlung sicherstellen, wie wir gute Arbeitsbedingungen sichern und auch ein Klima schaffen, das auf Motivation und Mitbestimmungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst setzt.

In diesem Sinne hat diese Koalition im Rahmen der jetzigen Legislaturperiode viele Bausteine angefasst und das vorliegende Gesetz ist ein weiterer Baustein in diesem Bestreben, den öffentlichen Dienst attraktiv zu machen.

(Beifall DIE LINKE)

Es wurde viel zur Krankenversicherung gesprochen. Ich will noch mal auf einen wichtigen Umstand hinweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 2005 darauf hingewiesen, dass sowohl die private Krankenversicherung als auch die gesetzliche Krankenversicherung als auch die individuelle Beihilfe gleichwertig nebeneinander stehen. Das müssen wir natürlich auch berücksichtigen, dass wir dann auch diese drei Versicherungsmöglichkeiten den Bediensteten gleichwertig zur Verfügung stellen. Das heißt auch, eine Wahlmöglichkeit auf der einen Seite schaffen für die individuell berechnete Beihilfe, aber auch eine Wahlmöglichkeit für die pauschale Beihilfe, für eine Krank

heitskostenvollversicherung, die dann bei der privaten, aber auch bei einer gesetzlichen Krankenversicherung abgeschlossen werden kann. Natürlich haben wir hier viel über Kosten zu diskutieren und welche Kostenfolgen damit verbunden sind. Aber der Abgeordnete Adams ist darauf eingegangen, es ist für uns auch in erster Linie eine sozialpolitische Maßnahme.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Wahlfreiheit für Bedienstete ist auch ein erster Schritt – und da will ich gar nicht drum herumreden – für die Linke eigentlich zur Zielerreichung einer wirklichen Versicherung für alle, wo Beamte, wo Abgeordnete, Selbstständige

(Beifall DIE LINKE)

sich solidarisch am Gesamtsystem der sozialen Versicherung beteiligen, so wie das die Frau Abgeordnete Marx tut, so wie ich das tue und so wie das viele Abgeordnete in diesem Landtag

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Das ist eine al- te SPD-Idee!)

auch schon tun.

(Beifall DIE LINKE)

Das Beispiel Hamburg zeigt ja, dass es auch von Bediensteten akzeptiert, angenommen wird. Mehr als 1.300 freiwillig gesetzlich Versicherte im ersten Jahr in der Verwaltung in Hamburg zeigen, dass dieses Angebot praktisch auch erwünscht, gewollt ist, dass es hier auch keine Diskrepanz zu den Wünschen der Bediensteten und deren Bedürfnissen gibt. Es sichert eben insbesondere junge Familien mit vielen Kindern ab, es sichert untere Einkommensgruppen ab und es sichert auch, das hat Herr Adams schon gesagt, Menschen ab, die Vorerkrankungen leider mit sich tragen müssen.

Zur Schadensersatzregelung nur so viel: Wir haben ja bereits die Rechtsschutzmöglichkeiten für Beschäftigte und Bedienstete im öffentlichen Dienst im Zuge der Auseinandersetzung mit sogenannten Reichsbürgern gestärkt. Jetzt ist das ein konsequent zweiter Schritt, dass Beamte, die im Rahmen ihrer Ausübung der Beamtentätigkeit praktisch tätlich angegriffen worden sind, einen rechtskräftigen Schadensersatzanspruch haben, nicht dann auf diesem Schadensersatzanspruch sitzen bleiben, weil der Täter nicht zahlungsfähig ist, sondern dass hier das Land tatsächlich diesen Schadensersatzanspruch übernimmt und dann gegenüber dem Täter versucht zu vollstrecken. Ich denke, das ist dann wirklich mal in Gesetzeskraft erlangte Würdigung auch der Tätigkeit der Beamten, die natürlich auch

zunehmenden Angriffen ausgesetzt sind. Darüber haben wir an vielen Stellen hier auch im Landtag schon diskutiert und deswegen hat diese Koalition ja auch im Haushalt 2020 eine Respektkampagne mit verankert, die wir umsetzen müssen. Aber es reicht auch nicht, immer nur über Respekt zu reden und über Würdigung von Tätigkeit zu reden, man muss es dann auch in die Tat umsetzen und das tun wir mit der entsprechenden Regelung hier.

Nun will ich noch kurz auf zwei Punkte eingehen. Zur Einführung der IT-Laufbahn wurde einiges gesagt. Es wurde begrüßt. Es ist notwendig im Zuge der Digitalisierung, weil es eben auch Menschen, die sich speziell in diesem Bereich engagieren, ausgebildet haben, erleichtert, in den öffentlichen Dienst zu kommen, leichter zumindest, als dies bisher der Fall war. Aber auch die Erleichterung beim Laufbahnzugang für den höheren Dienst ist angemessen und auch begründet, weil damit natürlich nicht Qualitätsstandards abgesenkt werden, die Behörde entscheidet natürlich auch in Zukunft noch nach Qualität, sucht die besten Bewerber, es werden bloß die formellen Voraussetzungen etwas gelockert, um tatsächlich auch in dieser Konkurrenzsituation mit der privaten Wirtschaft auch um die Besten werben zu können. Ich muss auch mal sagen, weil mich das wirklich persönlich aufregt, für die Öffentlichkeit nach dem Hören des AfD-Beitrags: Wir sind ja nach der Geschäftsordnung gehindert, aus dem Innenausschuss, generell aus dem Ausschuss zu zitieren und dort die Äußerungen einzelner Abgeordneter wiederzugeben; das ist auch überhaupt kein Problem in dem Fall, weil die AfD hat sich ja zu diesem Gesetzentwurf weder geäußert im Innenund Kommunalausschuss,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

noch hat sie einen Vorschlag gemacht für irgendeinen Anzuhörenden, noch hat sie irgendeinen Änderungsantrag gestellt, noch hat sie auf irgendein Problem hingewiesen. Und dann halten Sie hier eine Rede, was Sie denn alles hier tatsächlich an diesem Gesetzentwurf für falsch halten und bringen eine Änderung zu diesem Gesetzentwurf ein und vermitteln hier den Eindruck einer wer weiß was für produktiven Debatte, die Sie da geführt haben. Mitnichten war das der Fall, das ist hier heiße Luft, die vorgetragen worden ist. Und wären Sie den Ausschussberatungen gefolgt, dann hätten Sie auch die Begründung

(Beifall DIE LINKE)

für diese Änderung mitbekommen.

Lieber Herr Fiedler, jetzt kommt die Stelle, wo Sie mir widersprechen wollen. Sie haben eben gesagt,

wenn wir diese Regelungen zu den kommunalen Wahlbeamten einführen, dann wäre ja das Parlament voller Beamter. Genau das ist das Problem. Sie haben nicht begriffen, um was es in diesem Gesetz eigentlich geht. Denn im Parlament ist es so – und fragen Sie mal Ihren Kollegen Bühl beispielsweise oder auch uns, unseren Kollegen Kräuter –, wenn ein Beamter aus dem Landesdient für das Parlament kandidiert, dann bleibt der selbstverständlich Beamter, und wenn er dann nicht wieder gewählt wird oder freiwillig aufhört, dann kommt er in sein Beamtenverhältnis zurück. Das ist überhaupt kein Problem und das nutzen einige in diesem Parlament hier durchaus und das ist auch völlig kritiklos anzuerkennen. Wir wollen aber auch, dass Beamte sich gesellschaftspolitisch engagieren, und zwar nicht nur auf der parlamentarischen Ebene, sondern auch auf der kommunalpolitischen Ebene. Das heißt eben auch, die Möglichkeiten dafür zu schaffen, dass, wenn ein Beamter als Bürgermeister kandidiert, er sich nicht sorgen muss, wenn er nach der ersten Wahlperiode nicht wiedergewählt wird, ob er dann wieder in sein Beamtenverhältnis kommt, ob er wieder eine Tätigkeit findet. Wenn er nicht mehr als zwei Wahlperioden als Bürgermeister, als kommunaler Wahlbeamter tätig ist, dann hat er selbstverständlich auch einen Rückkehranspruch. Das regeln wir mit diesem Gesetz. Wenn er mehr als zwei Wahlperioden kommunaler Wahlbeamter ist, dann hat er diesen nicht mehr in dieser Form wie hier vorgeschlagen.

Ich finde, das ist eine sinnvolle Regelung, um auch im öffentlichen Dienst dafür zu werben, sich politisch in der Öffentlichkeit über ein kommunales Wahlamt zu engagieren. Ich denke, das ist auch ein Beitrag dazu, dass wir eine stärkere politische Verantwortungswahrnahme auch von Bediensteten des öffentlichen Dienstes für die Allgemeinheit haben, die über ihr eigentliches Aufgabenfeld als Beamter dann hinausgehen.

Rückblickend und zusammenfassend – ich habe es eingangs gesagt: Wir haben in dieser Wahlperiode vieles getan für die Steigerung der Attraktivität im öffentlichen Dienst, ich sage nur inhalts- und wirkungsgleiche Übernahme der Tarifergebnisse auch für die Beamtenbesoldung.