Protokoll der Sitzung vom 04.07.2019

(Beifall AfD)

Diese Gefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn aufgrund der Beteiligungshöhe nicht nur von einem finanziellen Engagement aus Renditegründen, sondern von der Möglichkeit einer unternehmerischen Einflussnahme durch die Partei auf ein Medienunternehmen und damit von der Möglichkeit zur Einflussnahme auf die angebotenen Inhalte auszugehen ist. Das Zitat der ehemaligen SPDBundesschatzmeisterin und Generaltreuhänderin der DDVG, Inge Wettig-Danielmeier, über die Beteiligung ihrer Partei an Medien spricht Bände. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben, kann in der Regel nichts ohne uns passieren.“ Noch einmal: „Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben, kann in der Regel nichts ohne uns passieren.“

(Abg. Henfling)

Frau Wettig-Danielmeier muss es schließlich wissen. Schließlich war sie es, die sich im Rahmen eines Briefwechsels mit dem damaligen Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“, Wolfgang Storz, über die Berichterstattung eben dieser „Frankfurter Rundschau“ beschwerte und den Abdruck eines Beitrags einer SPD-Funktionärin dringend empfahl, wörtlich: „empfahl“. Chefredakteur Storz lehnte dies mit Verweis auf die redaktionelle Unabhängigkeit ab, woraufhin Frau Wettig-Danielmeier antwortete, seine Weigerung beruhe möglicherweise, ich zitiere, Frau Präsidentin: „auf einem Missverständnis über die redaktionelle Unabhängigkeit und Führung einer Redaktion.“ Ich wiederhole noch mal: „auf einem Missverständnis über die redaktionelle Unabhängigkeit und Führung einer Redaktion.“

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind nicht schwerhö- rig!)

Storz wurde wenig später gekündigt.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Sieh einer an!)

Artikel 21 Grundgesetz setzt an den Betrieb, den Besitz und die Beteiligung von Parteien an. Medienunternehmen haben daher durchaus auch Grenzen, auch wenn diese sehr oberflächlich sind. So müssen Parteien ihre Unternehmensbeteiligungen, also auch ihre Medienbeteiligung sowie die Hauptprodukte derjenigen Medienunternehmen, an denen sie beteiligt sind, im Rechenschaftsbericht offenlegen. Aber das, sehr geehrter Kollege Wucherpfennig, und darauf rekurrierten Sie auch hier vorn in Ihrer Rede, ist unserer Meinung nach zu wenig. Deswegen gibt es den Gesetzentwurf der AfD. Tatsächlich wird kaum ein Leser die Rechenschaftsberichte der Parteien studieren, bevor er sich eine Zeitung kauft. Ich kenne jedenfalls keinen.

(Beifall AfD)

Selbst diejenigen Leser, die dies tun, können in der Regel nicht ohne Weiteres erfahren, ob ihr bevorzugtes regionales oder überregionales Zeitungsprodukt wirklich so unabhängig ist, wie sie es oftmals selbst von sich behaupten. In der Praxis bestehen nämlich vielfältige Möglichkeiten, die Transparenzklausel des Parteiengesetzes zu unterlaufen. Das ist das große Problem und das ist die Herausforderung. Sie gilt nur für Unternehmensbeteiligung im engeren Sinn, also für Kapitalbeteiligung in Form von Anteilsbesitz an Drittunternehmen. Das Transparenzgebot gilt hingegen nicht für andere Formen der Zusammenarbeit. Wie oft beispielsweise und in welcher Form oder in welchem Umfang ein Redaktionsnetzwerk – und die Redaktionsnetze sind ja ein Modell, das sich in der Praxis weiter verbreitet –

oder eine Zeitung, an der eine politische Partei beteiligt ist, einer anderen Zeitung redaktionelle Inhalte zur Verfügung stellt, muss im Rechenschaftsbericht der Partei eben gerade nicht ausgewiesen werden und könnte deswegen auch von einem interessierten Leser, der den Rechenschaftsbericht tatsächlich dann rezipiert, nicht erschlossen werden.

Die Rechenschaftsberichte der SPD mögen also offenlegen, dass die Partei Inhaberin der DDVG ist, die wiederum an einer Reihe von Tageszeitungen beteiligt ist. Die Titel habe ich nicht zur Gänze, aber ansatzweise in meiner Einbringungsrede aufgeführt. Dass die DDVG aber etwa 23 Prozent der Verlagsgesellschaft „Madsack“ hält, die über das unternehmenseigene Redaktionsnetzwerk Deutschland überregionale und internationale Inhalte erstellt, die von einer Masse anderer vermeintlich parteiunabhängiger Medien verwendet werden, geht aus dem Rechenschaftsbericht in dieser Deutlichkeit eben nicht hervor.

Selbst Leser also, die die Rechenschaftsberichte der Parteien studieren, erhielten keine Informationen über die von mir gerade in Kürze dargestellten Verbindungen. Und diese lückenhaften Regelungen, die – wie ich schon ausgeführt habe – erhebliche Relevanz besitzen, vor allen Dingen für die politische Meinungsbildung, die gilt es zu überprüfen und zu verbessern.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, eine der Grundfesten der parlamentarischen Demokratie ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Medien. Und das sei mir an dieser Stelle kurz als Einschub erlaubt zu bemerken, sehr geehrter Herr Wucherpfennig, Sie haben ja einige Zahlen, was das Medienvertrauen der Bevölkerung angeht, hier vorne zitiert: Ich finde ein Medienvertrauen in überregionale Medien von unter 50 Prozent keinen sehr guten und keinen sehr vielversprechenden Wert.

Wenn eine grundsätzliche Grundrechtsträgerschaft der Parteien anzunehmen ist, diese also auch das Recht haben, selbstverständlich – und das wollen wir ihnen ja auch gar nicht in Abrede stellen –, sich wirtschaftlich zu betätigen, so wird es nicht möglich sein, den Besitz und die Beteiligung von politischen Parteien an Medienunternehmen zu verbieten. Dies hat die Rechtsprechung in vielen Einzelfällen auch so bestätigt. Es müssen daher alternative Wege gefunden werden, zumindest die zwingend notwendige Transparenz bei solchen Medienbeteiligungen sicherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht stellte im vergleichbaren Fall von Parteienbeteiligung an Rundfunkunternehmen fest, dass die – ich

zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin – „fehlende Veröffentlichung von Minderheitsbeteiligungen wie auch von mittelbaren Beteiligungen sich erheblich auf die öffentliche und individuelle Meinungsbildung auswirken könne“. Ich zitiere weiter: „Vielen Rezipienten wird die (mittelbare) Parteibeteiligung nicht bekannt sein und sie können diesen Umstand nicht in die Bewertung des Programmangebotes einfließen lassen.“

Dieses Gesetz, das wir heute hier einbringen in der ersten Lesung, ist die geeignete Form unserer Meinung nach, diese Transparenz jetzt endlich herzustellen. Vom Verleger eines in Thüringen erscheinenden periodischen Druckwerks, das von Unternehmen herausgegeben wird, an denen politische Parteien mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind, soll in Zukunft bei jeder Ausgabe und an herausgehobener Stelle des Druckwerks auf diesen Umstand hingewiesen werden. Gleiches soll für Druckwerke gelten, die auf Medieninhalte zurückgreifen, die von Unternehmen mit Parteibeteiligung stammen.

Ich mache mir somit die bereits in der Einbringung zitierte Forderung erneut zu eigen. Ich zitiere abschließend mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin: „Wenn auf jeder Wurstpackung steht, was drin ist, dann muss das erst recht für Zeitungen gelten. Leser müssen wissen, wer sich hinter einem Zeitungstitel verbirgt.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zeitungen soll man ja nicht essen, sondern lesen!)

Parteibeteiligungen müssen auf der Titelseite von Zeitungen angezeigt werden.“

(Beifall AfD)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, freue mich auf die weitere Diskussion und hoffe, dass Sie im Sinne von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Medientransparenz und Vielfalt unseren Gesetzentwurf dann mal an den Ausschuss überweisen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Dr. Pidde das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die AfD hat ein sehr spezielles Verhältnis zur verfassungsrechtlich garantierten Presse- und Meinungsfreiheit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es darum geht, die eigenen populistischen, teilweise aber auch offen rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Positionen vorzutragen, werden die beiden Grundrechte stets und offensiv für sich reklamiert. Den demokratischen Parteien, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den deutschen Printmedien wird dagegen regelmäßig das Anrecht auf eine eigene nicht-AfD-konforme Haltung abgesprochen.

(Beifall DIE LINKE)

Alle Parteien, von der Linken bis zur CDU, gelten der AfD als Teil eines die Öffentlichkeit manipulierenden Meinungskartells, Rundfunk und Zeitung als den demokratischen Parteien gehörige Mainstreammedien oder – schlimmer noch – als Lügenpresse. Gerade der letzte von Joseph Göbbels geprägte Begriff zeigt sehr deutlich, wes Geistes Kind die AfD bei ihrer Fundamentalkritik ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das war schon lange vor der … !)

Meine Damen und Herren, dieser Geist prägt auch den vorliegenden Gesetzentwurf. Die AfD sagt im Vorblatt ihrer Novelle recht deutlich, worum es ihr mit der geplanten Verschärfung der Offenlegungspflicht im Thüringer Pressegesetz geht. Sie unterstellt politischen Parteien, die sich an Medienunternehmen beteiligen, pauschal eine aus der unternehmerischen Einflussnahme auf die Medienunternehmen geradezu zwangsläufig erwachsende Einflussnahme auf die angebotenen Inhalte.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Bitte bele- gen!)

So steht es in Ihrem Antrag. – Dadurch könne eine Partei – ich zitiere mal aus Ihrem Antrag „… ihre Ansichten und politischen Forderungen ohne gesonderte Kennzeichnung in einem vordergründig parteipolitisch neutralen Medium platzieren […], also die öffentliche Meinung aus AfD-Sicht sehr trickreich beeinflussen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ja, kann! Aber … !)

Meine Damen und Herren, wer so etwas schreibt, unterstellt allen Printmedien, an denen politische Parteien unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, dass sie faktisch unter falscher Flagge operieren, politisch nicht neutral und redaktionell unabhängig

(Abg. Höcke)

sind, sondern eins zu eins die jeweilige Parteimeinung transportieren. Das ist im besten Fall eine erschreckende Unkenntnis über das Geschäftsinteresse und die reale Arbeitsweise von Verlagshäusern, im schlimmsten Fall aber eine ganz bewusste Diffamierung journalistischer Arbeit,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil sie nicht einfach die AfD-Weltsicht wiedergibt, sondern sich kritisch mit ihrer Partei auseinandersetzt. Diese kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit dem Weltgeschehen, der Tagespolitik in Deutschland und mit den politischen Parteien hierzulande zeichnet aber guten Journalismus aus. Sie ist essenziell für die Berichterstattung in einem demokratischen Staat und für die Meinungsbildung mündiger Bürger.

Ich will Ihnen das an einem Thüringer Beispiel deutlich machen. Die SPD-Medienholding, DDVG, ist mit 30 Prozent – und das ist hier gesagt worden – an der Suhler Verlagsgesellschaft beteiligt. In diesem Verlagshaus erscheinen „Das Freie Wort“ und die „Südthüringer Zeitung“. Nach AfD-Meinung müssten beide Zeitungen nichts anderes als verkappte SPD-Organe sein.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das habe ich nicht gesagt!)

Seitdem ich mich politisch engagiere – und das ist nun schon 30 Jahre her –, ist mir als aufmerksamer Zeitungsleser diese unterstellte SPD-Nähe aber noch nie aufgefallen.

(Unruhe AfD)

Ganz im Gegenteil: Oft genug gibt es in beiden Zeitungen Kommentare, die bei meiner Partei nicht unbedingt Jubelstürme auslösen.

Meine Damen und Herren, „Das Freie Wort“ und die „Südthüringer Zeitung“ gehen mit den Sozialdemokraten in Bund und Land genauso kritisch um, wie sie das mit Linken, Grünen, CDU und FDP, aber auch mit AfD und NPD tun. Da bekommen wir als SPD keine bestellten Gefälligkeitskommentare, sondern in der Regel eine sehr kritische Begleitung unseres Tuns und Handelns.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das ist auch gut so. Denn von der verfassungsrechtlich verbrieften Presse- und Meinungsfreiheit lebt unsere Demokratie. Wenn die AfD also mit kritischer Berichterstattung der Thüringer Medien ein Problem hat, dann spricht das nicht gegen diese Medien und ihre Journalisten, sagt aber sehr viel über die AfD aus. Kurz und gut: In § 8 des Thü

ringer Pressegesetzes haben wir bereits eine Offenlegungspflicht verankert. Sie besagt, dass die Thüringer Zeitungsverlage regelmäßig zu Beginn eines Quartals in ihren Printmedien die Beteiligungsverhältnisse an ihren jeweiligen Unternehmen veröffentlichen müssen. Das machen selbstverständlich auch „Das Freie Wort“ und die „Südthüringer Zeitung“. Die Beteiligung der DDVG an der Suhler Verlagsgesellschaft ist daher schon jetzt kein Geheimnis, sondern offen kommuniziert. Eine Notwendigkeit, zu einer täglichen und deutlich ausgeweiteten Offenlegungspflicht überzugehen, sehen wir daher nicht. Die mit der Novelle verbundene Diffamierung des freien, unabhängigen und kritischen Journalismus weisen wir entschieden zurück.