Protokoll der Sitzung vom 27.09.2019

Deshalb sind wir aktiv. Wir sind aktiv für die Menschen, die hier leben, wir sind aktiv für unsere Natur, die wir lieben. Wir wollen, dass die Lebensbedingungen in Thüringen mindestens so gut bleiben. Wir wollen Potenziale heben, wir wollen uns diesen notwendigen Veränderungsprozessen mit voller Kraft widmen. Es geht um eine lebenswerte Umwelt, ein lebenswertes Land, um eine starke Wirtschaft, um den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und es geht um unsere Zukunft und die unserer Kinder und Kindeskinder. Dem widmen wir uns mit voller Kraft. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich gehe davon aus, dass die Aussprache zur Regierungserklärung von den Fraktionen gewünscht wird. Dann kommen wir zur Aussprache, die ich hiermit eröffne. Ich gebe Herrn Abgeordneten Gruhner von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Frau Ministerin, herzlichen Dank für Ihre Regierungserklärung. Gleichwohl muss ich sagen, ist sie eigentlich eine überflüssige Regierungserklärung, weil wir nichts Neues gehört haben. Sie haben nicht einen neuen Vorschlag gemacht, der über das hinausgeht, was eigentlich ohnehin schon bekannt ist. Stattdessen haben wir hier vier Wochen vor der Landtagswahl eine Art Selbstvergewisserung Ihrer eigenen Politik gehört. Das kann man machen, aber ich finde in einer Regierungserklärung muss mehr kommen als eine Aneinanderreihung dessen, was man bisher gemacht hat. Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute tatsächlich hören, was eigentlich Ihr Plan darüber hinaus ist, was wir hier eigentlich schon mehrfach und dreifach gewendet alles schon diskutiert haben.

(Beifall CDU)

Deswegen kann ich nur sagen: Eigentlich sind Sie heute im Kern in der Gegenwart stehen geblieben. Das passt ja auch ein Stück weit zu dem, was wir in diesen Tagen erleben. Die Linke schreibt ja auch über ihr Wahlprogramm „Die Gegenwart gestalten“. Das kann man alles machen, aber ich glaube, es geht in diesem Land darum, dass wir Zukunft gestalten und deswegen muss man das an dieser Stelle so deutlich unterstreichen.

(Beifall CDU)

Deswegen ist es ein Stück weit schade um die Zeit, weil wir uns gewünscht hätten, dass wir uns austauschen, was wir jetzt als Nächstes machen,

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann hören Sie doch auf, Herr Gruhner, wenn es schade um die Zeit ist!)

Ich will Ihnen gern einige Punkte nennen, die uns für die Zukunft wichtig sind, denn ich glaube, es hilft wenig, wenn wir uns immer nur mit dem aufhalten, was wir bereits mehrfach diskutiert haben.

Das Erste, was uns wichtig ist: Wir wollen, dass das Nachhaltigkeitsprinzip als Staatsziel in unsere Landesverfassung kommt.

(Beifall CDU)

Da geht es nicht nur um die Frage des Klimaschutzes – es geht auch um Klimaschutz –, es geht auch um Fragen wie Generationengerechtigkeit. Deswegen ist es richtig, dass man ganz klar sagt, wir müssen hier auch in unserer Landesverfassung ein deutliches Zeichen setzen.

Das Zweite: Wir sind der Überzeugung, wir brauchen, wenn wir uns denn Klimaziele in diesem Land gegeben haben, auch klare Kontrollmechanismen, wie wir diese Klimaziele einhalten wollen. Da sind wir der Überzeugung, dass es nicht reicht, dass man mal alle fünf Jahre hinguckt, wo man steht, sondern dass man tatsächlich überlegt, wie wir es schaffen, jedes Jahr genau darauf zu schauen, die Ziele, die wir uns gegeben haben, einzuhalten. Dazu gehört im Übrigen auch, dass man sich in jedem Jahr im Parlament mit dieser Frage beschäftigt und sehr, sehr konzentriert gemeinsam daran arbeitet: Schaffen wir es tatsächlich, unsere Ziele einzuhalten?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So steht es im Klimagesetz!)

Also ein klarer Kontrollmechanismus.

(Beifall CDU)

Im Klimagesetz steht im Unterschied dazu, dass man das nur in größeren Abständen macht und nicht jedes Jahr. Deswegen ist das ein Vorschlag, der darüber hinausgeht.

Ein dritter Punkt, den ich ansprechen will – und ich finde, auch darüber müssen wir uns mit Blick auf die Zukunft unterhalten –, ist die Frage: Wie organisieren wir die Regierungspolitik, wenn es um Klimaschutz geht? Da haben Sie gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode einen ganz zentralen Fehler gemacht, indem Sie – und das rächt sich jetzt in den aktuellen Debatten – die Frage der Forstpolitik und

(Ministerin Siegesmund)

die Frage der Umweltpolitik auseinandergerissen haben, indem Sie unterschiedliche Zuständigkeiten geschaffen haben. Gerade wenn wir von mir aus über das Wort „Klimakrise“ reden, wäre es doch wichtiger, dass wir tatsächlich auch Regierungspolitik aus einem Guss erleben, dass die wichtige Frage der Rettung des Waldes selbstverständlich auch ganz eng mit Umweltpolitik, mit Energiepolitik verzahnt sein muss. Deswegen ist auch das eine Frage, über die wir reden müssen. Hier haben Sie einen klaren Fehler gemacht und deswegen ist das auch eine Zukunftsfrage, um die es uns geht.

(Beifall CDU)

Dann will ich viertens sagen, was wir wollen und worüber wir sprechen wollen. Wir wollen, dass wir in diesem Land auch über eine CO2-Bindungsprämie reden, also dass wir nicht immer nur darüber sprechen, wie wir jene bestrafen, die CO2 ausstoßen – zu dieser Frage werden wir noch kommen, da hat die Bundesregierung ja vorgelegt –, aber dass wir auch mal darüber reden, wie wir eigentlich jene belohnen, die sich tatsächlich mit Wald- und Forstwirtschaft verdient machen, einen wirklich substanziellen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Deswegen lassen Sie uns auch über die Frage einer CO2-Bindungsprämie reden. Auch das sind Zukunftsfragen, über die wir diskutieren sollten.

Ich will hier einen fünften Punkt nennen. Wir wollen, dass wir deutlich mehr in die Wiederaufforstung gehen, dass wir nicht nur das wieder aufforsten und nicht nur dort Bäume pflanzen, wo wir jetzt Schäden haben, sondern dass wir auch über zusätzliche Flächen reden, dass wir darüber reden, wo können wir über das an Aufforstung hinausgehen, was wir bisher vor dieser Krise schon an Wald gehabt haben. Deswegen geht es um möglichst zusätzlichen Wald in Thüringen. Auch darüber müssen wir reden, dazu haben Sie heute nichts gesagt.

Dann will ich einen sechsten Punkt nennen. Wir wollen darüber sprechen – und da sind wir uns sogar einig –, wie wir es schaffen, bis 2030 unsere Landesverwaltung CO2-neutral zu machen. Auch das ist eine Zukunftsfrage; die haben Sie heute nur angerissen.

(Beifall CDU)

Ich will siebentens sagen: Wir müssen uns, wenn wir über Klimaschutz reden, nicht nur über das unterhalten, was bisher gelaufen ist, sondern mit Blick auf die Zukunft noch intensiver auch darüber, welche stillgelegten Bahnstrecken wir in diesem Land reaktivieren wollen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat sie denn stillgelegt?)

Ich hätte mir gewünscht, dass auch dazu heute wirklich konkrete Aussagen kommen – Fehlanzeige. Stattdessen haben Sie sich mit dem aufgehalten, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, aber auch da kein Blick in die Zukunft.

Und letztlich – auch das will ich noch sagen – als achter Punkt mit Blick auf die Frage der Anpassungsmaßnahmen: Wir sollten darüber sprechen, wie wir es schaffen, beispielsweise Landwirte steuerrechtlich so auszustatten, dass sie Risikorücklagen bilden können, um tatsächlich auch in Situationen ertragsarmer Jahre steuerfrei Rücklagen bilden zu können,

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Die Anträge unserer Fraktion sind von Ihrer Frak- tion im Bundestag abgelehnt worden!)

um dann besser für Krisen gerüstet zu sein. All das sind Vorschläge, die wir deutlich nennen, weil es darum geht, dass wir uns jetzt darüber unterhalten, was wir in der Zukunft tun wollen, und uns eben nicht hier hinstellen und einfach nur über das reden, was in den letzten fünf Jahren gelaufen ist. Das ist mit Blick auf die Zukunft eindeutig zu wenig!

(Beifall CDU)

Dann will ich aber dennoch zu dem kommen, was Sie gesagt haben. So überflüssig die Regierungsklärung war, so aufschlussreich war sie ja an der einen oder anderen Stelle trotzdem, wenn man mal die Frage diskutiert, welche Art Klimaschutz Sie eigentlich in diesem Land wollen. Mit Blick auf das Klimapaket der Bundesregierung hat sich Ministerpräsident Ramelow letzte Woche zitieren lassen, das wäre alles vage und mutlos.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Ja!)

Die Umweltministerin, Frau Siegesmund, sagt, es ist alles gescheitert. Es wird aufseiten der Grünen davon gesprochen, es gibt so viele Lücken, es reicht alles nicht, ist alles nicht teuer genug. Herr Habeck hat seine großen Wissenslücken im Steuerrecht am Wochenende auch noch mal unterstrichen. Aber er hat eins darüber hinaus gesagt, er hat gesagt: Es könne nicht sein, dass man die Pendlerpauschale stärker erhöht, als jetzt der Spritpreis ansteigt. Ich meine, das sind alles Erkenntnisse, die kann man mal so deutlich diskutieren. Wenn Sie sagen, das ist alles zu wenig, wenn Sie sagen, das sind viel zu große Lücken, wenn Sie sagen, das CO2 ist noch lange nicht teuer genug, dann sagt uns das doch nur eins: Sie wollen Klimaschutz

ohne Rücksicht auf Pendler, ohne Rücksicht auf den ländlichen Raum, ohne Rücksicht auf Familien, ohne Rücksicht auf die, die sozial schwächer sind. Da kann ich nur sagen: Die Erderwärmung bekämpft man nicht durch soziale Kälte.

(Beifall CDU)

Aber genau das ist es, was Sie offensichtlich wollen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen will ich Ihnen sagen: Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir Klimaschutz, dass wir tatsächlich effiziente Maßnahmen am Ende nicht zu einem Eliteprojekt in dieser Gesellschaft machen. Klimaschutz darf kein Eliteprojekt sein!

(Beifall CDU)

Wer eine Politik macht, die genau dazu führt, der wird grandios scheitern, weil er den Zusammenhalt dieser Gesellschaft gefährdet, weil er diese Gesellschaft auseinandertreibt.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie treiben sie auseinander!)

Ich meine, wir müssen uns doch nichts vormachen: Wie ist denn die Realität? Die Realität ist: Da sind auf der einen Seite jene, die sagen, dass ihnen das alles nicht weit genug geht, CO2 muss viel, viel teurer sein, und auf der anderen Seite sind jene, die sich vor allem Sorgen machen und sagen, kann ich mir das eigentlich noch leisten, kann ich in Zukunft noch so auf Arbeit fahren, dass das am Ende irgendwie noch Sinn macht, arbeiten zu gehen. Viele Familien stellen sich die Frage, ob sie sich das noch leisten können. Senioren stellen sich die Frage, ob sie sich das am Ende leisten können. Das muss man doch am Ende zusammendenken. Deswegen ist es wichtig, dass man nicht sagt, wie Sie, wir machen das jetzt mit voller Kraft – man könnte auch sagen: wir gehen jetzt mit dem Kopf durch die Wand –, sondern dass man eben genau schaut, wie man die unterschiedlichen Interessen in einen Ausgleich bringt, damit diese Gesellschaft auch in der Frage des Klimaschutzes zusammenbleibt.

Deshalb will ich, weil Sie das heute auch gleich am Anfang aufgegriffen haben, natürlich zum Klimapaket der Bundesregierung einige Bemerkungen machen, weil ich finde, da werden doch genau die richtigen Maßnahmen gesetzt. Es geht um die grundsätzlichen Fragen der CO2-Bepreisung und des Kontrollmechanismus, das ist sozusagen der Rahmen. Aber wenn wir dann mal die konkreten Maßnahmen anschauen, dann kann ich nicht erkennen, was daran eigentlich so kritikwürdig ist. Der Strompreis wird gesenkt, indem die EEG-Umla

ge langfristig gesenkt wird, die Pendlerpauschale steigt, alte Ölheizungen werden ausgetauscht – im Übrigen ein Vorschlag, der von der Thüringer CDU gekommen ist, eine Abwrackprämie auch für alte Ölheizungen einzuführen. Wohngeldbezieher werden bei steigenden Heizkosten mit einer Erhöhung der Zuwendung um 10 Prozent unterstützt, die energetische Sanierung von Gebäuden wird steuerlich absetzbar, die Mehrwertsteuer für Bahntickets im Fernverkehr wird von 19 auf 7 Prozent verringert und es gibt zusätzliches Geld zur Förderung des Personennahverkehrs.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wann fangen wir das an? Sagen Sie immer die Jahreszahl dazu!)

Da kann ich nur sagen, wenn man das alles mal zusammennimmt, ist das ein gutes Paket und zu diesem Paket stehen wir in aller Deutlichkeit.