Hatten alle Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um Auszählung.
Ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben. Anwesende Abgeordnete 90, es wurden abgegeben 89 Stimmen, mit Ja stimmten 43, mit Nein 45 und 1 Enthaltung (namentliche Abstimmung siehe Anla- ge 1). Damit ist der Antrag abgelehnt.
Schweinehaltung ideologiefrei – Tierwohl: Ja. – Behördenaktionismus: Nein. Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/621
Die CDU-Fraktion hat um Begründung gebeten. Abgeordneter Malsch hat jetzt das Wort zur Einbringung des Antrags.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen Abgeordnete, werte Gäste auf der Besuchertribüne! Ausgangspunkt für unseren Antrag sind die von unseren Agrarpolitikern geführten Gespräche mit der Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Thüringen und dem Thüringer Bauernverband. Aktuell ist eine völlig einseitige öffentliche Debatte um die Tierhaltung insgesamt zu erleben.
Nach Aussagen aus der Branche ist die Situation politisch, wirtschaftlich wie auch rechtlich nicht mehr tragbar. Das ist für uns ausschlaggebend dafür, den ganzen Problemkreis der Schweinehaltung zum Thema im Landtag zu machen. Wir haben das Thema „Schweinehaltung“ auf die Tagesordnung gesetzt, damit wir im Land wieder zu einer sachlichen Diskussion zurückfinden, denn gegenwärtig erleben wir eine Mobilmachung gegen die Schweinehaltung. Das muss aufhören!
Ich sage aber auch: Wo es Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen gibt, müssen diese natürlich geahndet werden, die Missstände müssen abgestellt werden.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn die gesellschaftliche Akzeptanz für die Nutztierhaltung in Deutschland erhalten bleiben soll, muss das Tierwohl kontinuierlich verbessert werden. Die Thüringer Schweinehalter sind dazu bereit, tierwohlgerechte Bedingungen zu schaffen und zu verbessern. Neben den ethischen dürfen aber auch die wirtschaftlichen Aspekte nicht vergessen werden, die für die Landwirte entscheidend sind. Deshalb brauchen wir praxistaugliche und ökonomisch tragfähige Lösungen. Die Tierwohlinitiativen der Politik und der Wirtschaft beschreiben beispielhaft diesen Weg. Wir erwarten von der Landesregierung, dass in der öffentlichen Debatte ein realistisches Bild der Thüringer Landwirtschaft vermittelt wird, kein ideologiebestimmtes Bild und schon gar kein Bild, bei dem die Schweinehalter in Thüringen kriminalisiert werden.
Wir erwarten von den Veterinärbehörden in Thüringen einen einheitlichen Verwaltungsvollzug und wir erwarten Rechtssicherheit für die Betriebe.
Sie müssen sich auch darauf verlassen können, dass ihre Investitionen Bestand haben und nicht permanent nachträglich und sogar regional unterschiedliche Anordnungen getroffen werden. Tierwohl: Ja. – Behördenaktionismus: Nein.
Ich kann Ihnen mal ein gutes Beispiel geben: Ich war am Montag in einem wirtschaftlichen, mittelständischen Unternehmen, da war gerade eine Kontrolle von der Berufsgenossenschaft. Der Kontrolleur hat sich die Betriebsstelle angeschaut. Es war alles so weit in Ordnung. Der Mittelständler hat mir gesagt: Wissen Sie, ich bin froh, derzeit nicht in der Tierhaltung ein Unternehmen zu haben, ansonsten stünde meine Kontrolle nämlich morgen in der Zeitung und es würde ein negatives Licht auf mich geworfen werden.
Kollegin Mühlbauer, wenn Sie schreiben: „Mühlbauer lobt Tierschutzkontrollen in Wetzdorf und Nordhausen“, hat das nicht den positiven Anschein, dass dort alles in Ordnung ist, sondern es wird ein Generalverdacht hergestellt und der ist auch noch darin begründet, dass Sie die Orte direkt namentlich erwähnen. Das bringt nicht die positive Geschichte zum Ausdruck, dass die Kontrolle dort war, sondern einen negativen Touch, dass genau dort vermeintlich irgendetwas nicht stimmt.
Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Keller.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zum Antrag der CDU-Fraktion nimmt die Landesregierung wie folgt Stellung:
Zu Frage 1 – Wie schätzt die Landesregierung die wirtschaftliche Situation in der Schweinehaltung derzeit ein? –: Die Thüringer Schweinehalter müssen sich am deutschen Schweinemarkt mit all seinen Zyklen und sonstigen Ungewissheiten behaupten. Thüringer Schweinehalter erzeugen mit einem
Bestand von 853.800 Schweinen circa 75 Prozent des in Thüringen verzehrten Schweinefleischs und sichern damit die Herstellung entsprechender regionaler Fleisch- und Wurstwaren ab. Staatliche Zuwendungen nehmen im Vergleich zu anderen Betriebszweigen in der Schweinehaltung mit der ausschließlich investiven Förderung einen nur kleinen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit. Der Freistaat Thüringen förderte den Umbau von 73 Schweineanlagen von 2009 bis 2013 mit 9,5 Millionen Euro. Der Neubau von 28 Betriebsstätten wurde im gleichen Zeitraum mit 9,3 Millionen Euro unterstützt.
Im Schweinefleischsektor gibt es bis auf die private Lagerhaltung für Schweinefleisch kaum ausgleichende Marktstützungsmaßnahmen. Damit bestimmen die Erzeugerpreise im Wesentlichen die Höhe des Einkommens der Schweine haltenden Betriebe, aus denen die Produktionskosten für Futter, Tiere, Stall usw. zu decken sind, den Beschäftigten ein angemessener Lebensunterhalt zu gewähren ist sowie Rücklagen für Investitionen in neue Techniken und Haltungssysteme zu tätigen sind.
Per 31.12.2014 lag der mittlere Schlachtpreis als zehnjähriger Durchschnittspreis bei 1,50 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht. Für Mastferkel bis 25 Kilogramm wurden im gleichen Zeitraum durchschnittlich 2,05 Euro je Kilogramm Lebendgewicht erlöst. Die Dynamik der Betriebsmittelpreise überstieg in den letzten acht Jahren die wirtschaftliche Leistungsentwicklung der Schweine haltenden Betriebe. 2005 und 2006 waren für die Schweine haltenden Betriebe die letzten guten Jahre. Der Ausfall der Russlandexporte führte ab September 2014 zu einem deutlichen Preisverfall. Dadurch lagen die Schlachtschweinepreise mit 1,38 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht in den letzten acht Monaten deutlich unter den langjährigen Durchschnittswerten und ermöglichten keine kostendeckende Produktion. Nach Modellrechnungen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH müssten für eine rentable Schweinemast mindestens 1,53 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht erzielt werden.
Obwohl die Erzeugerpreise für Ferkel aktuell wieder steigen, reichen die Erlöse von aktuell 2,05 Euro je Kilogramm Lebendgewicht für ein Masthybridferkel mit 25 Kilogramm nicht aus, um sämtliche Kosten zu decken. Dafür wären nach der Vollkostenrechnung der AMI 60 Euro je Masthybridferkel, das heißt mindestens 35 Cent je Kilogramm Lebendgewicht mehr, notwendig. Die Erlösbedingungen setzen dem Einsatz von Arbeitskräften deutliche Grenzen. Die mittlere Anzahl zu betreuender Tierplätze je Vollarbeitskraft liegt heute bei über 150 Sauen bzw. 2.000 Mastplätzen. Werden weniger Tiere je Arbeitskraft betreut, kann ein adäquates Arbeitsentgelt nur ausgeglichen werden, wenn höhere Erzeugerpreise realisiert werden. Schweinehaltung erfordert hohe Investitionen je Tierplatz, wobei zwischen Tierplatzkosten und Bestandsgröße ein degressiver
Zusammenhang besteht. Die Investitionskosten variieren zusätzlich in Abhängigkeit vom Fütterungsund Entmistungsverfahren bei der Schweinemast bzw. dem Produktionsrhythmus, der Säugezeit, dem Fütterungssystem, dem Wartebereich in der Ferkelerzeugung. Tierplätze, die der EU-Ökoverordnung entsprechen, sind noch deutlich kostenintensiver als in der konventionellen Tierhaltung.
Zu Frage 2 – Sind der Landesregierung Erhebungen, Umfragen oder Ähnliches bekannt, die Aussagen zur Wertschätzung der geleisteten Arbeit in den Betrieben und deren landwirtschaftlichen Produkten in der Gesellschaft treffen? Welche Einschätzung trifft die Landesregierung dazu? –: Das im März 2015 vorgelegte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft widmet sich sehr ausführlich der gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung. Studien zeigen, dass die Branchenreputation schlecht ist. Es wird darauf verwiesen, dass die Herstellung sicherer und preiswerter Produkte heute allein nicht mehr ausreiche, um den Erwartungen großer Teile der Gesellschaft gerecht zu werden. Diese Entwicklung demonstriert unter anderem auch die Verhinderung landwirtschaftlicher Bauvorhaben. Daraus ergeben sich für die Zukunft große Herausforderungen für die Landwirtschaft und die Politik, diesen Zustand zu verändern, da Kommunikation aus einer Situation des Misstrauens nach den Ergebnissen der sozialpsychologischen Vertrauensforschung ausgesprochen schwierig ist. Dennoch zeigte eine aktuelle Umfrage der Fachhochschule Soest zur Stellung der Verbraucher zur deutschen Landwirtschaft, dass der Dialog zwischen Landwirten und Verbrauchern die Akzeptanz verbessert. Sie haben sicher verfolgen können, dass ich mich zu diesem Thema auch mehrmals in der Presse geäußert habe. Die Landwirtschaft wird sich einer verbraucherorientierten, pragmatischen Diskussion über den Wandel der ethischen Anforderungen unserer Gesellschaft an die Nutztierhaltung stellen. Voraussetzung dafür ist eine repräsentative und objektive Analyse der gesellschaftlichen Wertschätzung. Über repräsentative Erhebungen in Thüringen liegen der Landesregierung derzeit keine Kenntnisse vor. Allerdings wurden im Rahmen der „Grünen Tage Thüringen“ vor mehreren Jahren Verbraucherbefragungen durchgeführt, die unter anderem auch der Ermittlung der Wertschätzung der in der Schweinehaltung Tätigen dienten. Es ist schwer einschätzbar, inwieweit den Thüringer Bauern die tatsächlichen Rahmenbedingungen für Schweinehaltung bekannt und bewusst sind. Aus dem Ablauf von Genehmigungsverfahren und gegründeten Bürgerinitiativen lässt sich nicht unbedingt ein positives Bild vermitteln. Es muss aufgrund der in der Gesellschaft in den letzten Jahren intensiv geführten, sehr kritischen Diskussion zur Schweinehaltung davon ausgegangen werden, dass die Wertschätzung in der Gesell
schaft in den letzten Jahren gesunken ist. Diese Entwicklung ist in Ballungszentren stärker ausgeprägt als im ländlichen Raum. Eine fachlich solide Öffentlichkeitsarbeit, an der sich auch die Landwirtschaft selbst beteiligen muss, ist zweifellos notwendig.
Zu Frage 3 – Welche Initiativen hat die Landesregierung seit 2009 ergriffen oder begleitet, um Verbraucher und Landwirte näher zusammenzubringen und mehr Wertschätzung der landwirtschaftlichen Produkte und der geleisteten Arbeit in Betrieben zu erreichen? –: Um Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirte und Landwirtinnen näherzubringen und mehr Wertschätzung der landwirtschaftlichen Produkte und der geleisteten Arbeit in den Betrieben zu erreichen, wird beispielsweise, wie bereits erwähnt, alle zwei Jahre die Landwirtschaftsmesse „Grüne Tage Thüringen“ durchgeführt. Die Grünen Tage verfolgen mit ihren Schwerpunktthemen genau diese Zielstellung, weshalb ich mich auch entschieden habe, das entsprechend fortzusetzen. Darüber hinaus dienen Regionaltierschauen, die unter anderem bisher mit Lottomitteln gestützt, aber bei rechtzeitiger Antragstellung auch durch die Landesregierung gefördert werden können, eine geeignete Grundlage, dass Tierhalter den Verbrauchern ihre Tätigkeiten vermitteln.
Im Jahre 2013 wurde eine Broschüre „Moderne Tierhaltung im ländlichen Raum“ durch das damalige Thüringer Landwirtschaftsministerium in einer Auflage von 10.000 Exemplaren erstellt. Teil dieser Broschüre ist der DVD-Film: „Vom Feld auf den Teller – Landwirtschaft in Thüringen“. Zielgruppe waren Kinder und Jugendliche vom 12. bis 18. Lebensjahr. 8.000 Exemplare gingen an Thüringer Schulen und 2.000 Exemplare wurden während der Landwirtschaftsmesse „Grüne Tage Thüringen 2014“ verteilt.
Im Jahr 2011 wurde im Auftrag des Thüringer Landwirtschaftsministeriums ein Mediationsverfahren im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung am konkreten Beispiel eines Thüringer Schweinemastbetriebs durchgeführt. Diese Form der außergerichtlichen Konfliktregelung kam im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung bundesweit erstmals in Thüringen zur Anwendung. Der Ergebnisbericht wurde bundesweit entsprechend veröffentlicht.
Der Imageverbesserung dienen auch Hoffeste, offene Höfe, die in der Regel sehr gut besucht werden, jedoch in Eigenregie der Landwirte organisiert werden. Trotzdem bleibt es nicht aus, dass mit diesen Aktivitäten nur ein Teil der Bevölkerung erreicht wird und die Einflussnahme auf die Wertschätzung durch andere Medien nachhaltiger ist. Ohne Zweifel bestehen hier Reserven, die auch durch die Unterstützung der Landesregierung künftig weiter erschlossen werden müssen.
Zu Ihrer Frage 4 – Welche Initiativen beabsichtigt die Landesregierung, um im öffentlichen Diskurs ein realistisches Bild der Thüringer Landwirtschaft zu vermitteln? –: Seit dem 28. Mai 2014 arbeitet in Thüringen eine Landesarbeitsgruppe „Tiergerechte landwirtschaftliche Nutztierhaltung“ mit dem Ziel, die Tierhaltung in Thüringen weiter zu optimieren. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind Vertreter aus der Praxis, von Tier- und Umweltschutzverbänden, der evangelischen Landeskirche Thüringen, des Berufsstandes und Mitglieder von Behörden.
Eine der Aufgaben dieser Landesarbeitsgruppe besteht auch in der Öffentlichkeitsarbeit, denn ein immer größerer Teil der Öffentlichkeit fordert eine nachhaltige Verbesserung der Tierhaltung und beobachtet sensibel die Entwicklung der modernen Nutztierhaltung. Für das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel der Erarbeitung einer Tierwohlstrategie in der Nutztierhaltung liegt die Federführung im TMASGFF. Deshalb haben die beiden zuständigen Ministerinnen – Frau Ministerin Werner und ich – beschlossen, dass in Zukunft beide Ministerien diese Landesarbeitsgemeinschaft gemeinsam führen. Beide Ministerien sind der festen Überzeugung, dass eine solche landesweite Arbeitsgruppe, getragen von den unterschiedlichen Interessenvertretern aus den Bereichen der landwirtschaftlichen Berufsverbände, des Tier- und Umweltschutzes, der Landesverwaltung usw. ein wichtiger Mosaikstein bei der Lösung komplizierter Probleme in diesem Bereich sein wird.
Zu Frage 5 – Welche aktuellen Tierschutzprobleme in der Sauenhaltung sieht die Landesregierung in Thüringer Betrieben? Welche konkreten Gründe sind ursächlich für die in den letzten Monaten verstärkt geführten Kontrollen der Veterinärbehörden? –: Aus der Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im August 2006 ergaben sich erhebliche Konsequenzen für die Haltung von Schweinen. Thüringer Sauenhalter mussten in ihren Anlagen unter anderem bis Ende 2012 die Voraussetzungen schaffen, dass tragende Sauen nach der vierten Trächtigkeitswoche in Gruppen gehalten werden. Bis zu diesem Termin wurden Sauen bis zur Abferkelung in sogenannten Kastenständen gehalten. Das bedeutete einen enormen Umbauaufwand, erhebliche Umstellungen im gesamten Betriebsmanagement und auch teure Investitionen durch die Landwirte. Bei Deckbereichen in der Sauenhaltung, das heißt, in dem Haltungsabschnitt zwischen dem Absetzen der Ferkel bis zur vierten Trächtigkeitswoche, in dem Sauen in Kastenständen gehalten werden, fiel auf, dass bis Ende 2012 nicht alle Betriebe die ab 2010 geltenden Ausführungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung umgesetzt hatten. Die bekannten Medienberichte einer Tierschutzorganisation im Dezember 2013 aus einer Thüringer Sauenanlage machten dies öffentlich und sensibilisierten auch die zustän
digen Behörden, gleichwohl bisher keine Tierschutzverstöße in diesem Bereich bei amtlichen Tierschutzkontrollen bekannt geworden waren. In Thüringen wurden im Rahmen von Kontrollen der zuständigen Veterinärbehörden sowie der temporär eingerichteten Taskforce „Tierschutz in der Schweinehaltung“ daraufhin insbesondere im Bereich der Sauenhaltung Verstöße gegen die in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgelegten tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen festgestellt. Hier sind insbesondere Versäumnisse in der Betreuung und Versorgung von erkrankten Tieren, bei den Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit von Stallungen, Vorgaben hinsichtlich des Beschäftigungs- und Nestbaumaterials, der Einhaltung der Mindestsäugezeit sowie hinsichtlich der Wasserversorgung festzustellen. Insbesondere wurden im Rahmen der genannten Kontrollen zu enge Kastenstände bemängelt. Ein weiterer relevanter Bereich ist das nicht tierschutzkonforme Töten von lebensschwachen, nicht lebensfähigen Ferkeln.
Ich möchte betonen, dass die genannten Verstöße bisher nur für einen kleinen Teil der Thüringer Sauenhaltungsbetriebe festgestellt wurden. Ich betone das an dieser Stelle auch bewusst. Diese Feststellungen haben es jedoch notwendig gemacht, die bereits oben angesprochene temporäre Taskforce zu gründen und notwendige Kontrollen durchzuführen, auch zum Schutz der Schweinehalter selbst.
Zu Frage 6 – Aus welchen Gründen wurden nach Ansicht der Landesregierung bei den Kastenstandsbreiten trotz unveränderter gesetzlicher Grundlage eigene veterinärbehördliche Auslegungen und Interpretationen angestellt und weshalb will Thüringen von den bundesweit einheitlichen Vorgaben abweichen? –: Nach § 24 Abs. 4 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung müssen Kastenstände so beschaffen sein, dass die Schweine sich nicht verletzen können und jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Das ist eine Prämisse, die immer gilt und die jeder Halter von Schweinen zu beachten hat. Nach Information der in Thüringen zuständigen Behörde präzisiert Thüringen diese Verordnung in Bezug auf die Größe der Sau, da die derzeit geltenden bundeseinheitlichen Vorgaben in Form der Auslegungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung von 2010 lediglich Mindestmaße darstellen und bisher keinen Bezug zur Größe der Sau hergestellt haben. Die Angabe von Kastenstandsmaßen in Bezug zur Größe der Sau war erforderlich, da in mehreren Thüringer Betrieben festgestellt wurde, dass die Sauen in zu engen Kastenständen gehalten werden, welche die tierschutzrechtlichen Anforderungen leider nicht erfüllen. Den Vollzugsbehörden wurde eine fachliche Orientie
rungsgröße zu Kastenstandsmaßen in Bezug auf die Größe der Sau unter Berücksichtigung fachlicher Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Die in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung enthaltenen Vorgaben für die Beschaffenheit der Kastenstände eröffnen der zuständigen Behörde einen Beurteilungsspielraum im Einzelfall. Dieser Beurteilungsspielraum ist nach Angabe der zuständigen Behörde durch eine Sachverhaltsermittlung vor Ort, eine fachliche Wertung und sachverständige Beurteilung einschließlich einer Prognose für die zukünftige Entwicklung auszufüllen, in deren Ergebnis die Geeignetheit der Kastenstände im Einzelfall überprüft und die notwendigen Maßnahmen festgelegt werden müssen. Das Landwirtschaftsministerium und die TLL Jena als Fachbehörde positionierten sich im November 2014 dafür, die Festlegung konkreter Mindestmaße von Kastenstandsbreiten, die über die bestehenden Ausführungshinweise der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Haltung von Schweinen in der Fassung vom 23.02.2010 hinausgehen, zu überdenken. Basis dieser Empfehlung war, dass die von der zuständigen Behörde vorgeschlagenen Kastenstandsmaße derzeit noch nicht wissenschaftlich fundiert sind, ein hohes Verletzungsrisiko für Tier und Mensch bergen und nicht den aktuellen Stand der Rechtsprechung widerspiegeln. Gleichzeitig führen sie zu erheblichen Belastungen – das muss jeder wissen – der Betriebe, ohne dabei Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erlangen. Und was alle Beteiligten brauchen, ist Rechtssicherheit, da sind wir uns einig.
Darüber hinaus war es in Deutschland bisher übliche Praxis, zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – zum Beispiel in § 24 Abs. 4 „Kastenstand“ – einen bundeseinheitlichen Vollzug durch Beschlüsse sicherzustellen. Diese Beschlüsse werden durch die Arbeitsgruppe Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz erarbeitet und verabschiedet. Sie sind als Ausführungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung unter anderem Bestandteil des Handbuchs „Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen“. Dieses Handbuch ist die fachliche Grundlage für die Umsetzung der Verordnung Nummer 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004. Sie dient in den Bundesländern in Form von Erlassen als Basis zum Vollzug amtlicher Kontrollen, auch im Rahmen der Cross-Compliance-Kontrollen der EU.
Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund der Verantwortlichkeit des Tierhalters für die Einhaltung der Vorschriften erscheint es der zuständigen Behörde zweckmäßig, dass jeder Sauenhalter, der Sauen in Kastenständen halten will, ein Konzept vorhält und umsetzt, in dem unter Berücksichtigung von Alter, Größe und Produktionsprogrammen die