Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

Der Anteil der Menschen mit Kindern unter sechs Jahren, die das Landeserziehungsgeld behalten wollen, liegt demgegenüber bei 65 Prozent. Das heißt, der Bürger sendet Ihnen hier eine klare Botschaft: Wir wollen das Landeserziehungsgeld behalten! Ihnen ist das völlig egal. Dass Sie wenigstens die Stichtagsregelung korrigiert haben, ist zwar ein Trost, aber im Vergleich zu dem Gesamtbild, das Sie hier abliefern, nur ein sehr geringer. Außerdem läuft Ihr ursprüngliches Hauptargument, das Landeserziehungsgeld sei eine Doppelförderung zum Bundesbetreuungsgeld, vollkommen ins Leere. Auf die inhaltliche Ausrichtung und auf die Unterschiede zwischen Bundesbetreuungsgeld und Landeserziehungsgeld möchte ich nicht erneut eingehen. Das wurde schon ausreichend diskutiert. Aber festhalten möchte ich doch: Sie lassen sich von uns nicht davon überzeugen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundesbetreuungsgeld abzuwarten, obwohl die Möglichkeit besteht, dass das Bundesbetreuungsgeld abgeschafft wird, weil der Bund nicht zuständig ist. Wenn das passieren würde, dann wäre das Argument der Doppelförderung auch aus Ihrer Sicht hinfällig, denn dann gäbe es nur noch eine Förderung, nämlich das Landeserziehungsgeld. Damit zeigt sich auch für Sie, Frau Henfling, dass das Argument von Anfang an kein wirkliches Argument, sondern nur ein vorgeschobenes war, um Ihre Ideologie zu verschleiern.

Das bringt mich zum Beginn meiner Rede zurück. Sie missachten den Elternwillen, Sie missachten den Bürgerwillen und all das tun Sie, weil Sie sich anmaßen, die Entscheidung über das Wohl und Wehe von Kindern besser treffen zu können als deren eigene Eltern. Das sehen Sie von Grund auf falsch, denn unser Grundgesetz spricht die Erziehungsverantwortung eindeutig den Eltern zu und nicht dem Staat und schon gar nicht Ihnen.

(Beifall CDU, AfD)

Wir als AfD-Fraktion sind gegen diese Familienverhinderungspolitik. Wir achten den Bürgerwillen und lehnen die Abschaffung des Landeserziehungsgeldes zusammen mit der Mehrheit der Thüringer Bürger gemeinsam ab.

(Beifall CDU, AfD)

Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete Pelke zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, ich hätte nicht gedacht, dass ich heute am 17. Juni noch mal eine so ideologisierte Diskussion zur Kenntnis nehmen muss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Damit haben Sie doch angefangen!)

Nein, nein, die Ideologisierung begann, fand ich – obwohl ich Kollegin Meißner sehr schätze –, aber mit dem Redebeitrag von Frau Meißner.

Frau Meißner, ich muss Ihnen sagen, ich habe mich sehr an die Einführung der Familienoffensive erinnert und damit des Erziehungsgeldes, als Ministerpräsident a. D. Althaus das damals eingebracht hat. Die Applauszeiten waren ungefähr gleich lang, die Ideologie war gleich lang. Ich hätte eigentlich gedacht, dass wir über diesen Punkt ein bisschen weg sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das eine oder andere, was Sie angesprochen haben, denke ich, sollte auch an diesem Punkt richtiggestellt werden. Erstens will ich etwas zur Petition sagen: Selbstverständlich – das habe ich in meiner Eigenschaft als Ausschussvorsitzende auch gesagt – habe ich mich bedankt für das Bürgerengagement, dafür, dass Unterschriften gesammelt worden sind, dass die Petition hier eingereicht worden ist, habe aber auch im Gespräch mit denjenigen, die die Petition abgegeben haben, immer deutlich gemacht, dass die Frage der inhaltlichen Entscheidung, Abschaffung des Erziehungsgeldes, sowohl im Ausschuss als auch im Landtag unabhängig von der Entscheidung über eine Petition fällt. Unabhängig fällt, denn – das sage ich auch sehr deutlich – bei der Einbringung des Erziehungsgeldes gab es ganz viel Kritik. Es gab ganz viele Petitionen, die nicht abgewartet worden sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt – und ich hoffe, dass der von mir sehr hoch geschätzte Vorsitzende des Petitionsausschusses mir an dieser Stelle zustimmt –: Noch nie hat ein Petitionsausschuss politisch inhaltlich entschieden. Noch nie.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Jetzt schon!)

Denn sonst würden die Petitionen ja ständig die Entscheidungen anderer Ausschüsse aufheben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist selbst bei der Schulpolitik nicht passiert, bei der viele Petitionen eingegangen sind. Das eine hat mit dem anderen inhaltlich nichts zu tun. Das will ich an dieser Stelle nur mal feststellen, weil Sie den Leuten implizieren, die die Unterschriften gesammelt haben, dass wir damit gegen Bürgerwillen und gegen Bürgerengagement entgegentreten. Das ist es nicht. Wenn Sie das behaupten, ist das auch ein bisschen unverschämt, weil Sie es wider besseres Wissen behaupten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie, Frau Meißner, haben angesprochen: Gesetzesfolgenabschätzung, Diskussionen im Ausschuss, Nachfragen beim Landesrechnungshof. Ich wollte heute nicht ideologisch werden, aber ich kann es mir an der Stelle nicht verkneifen. Wenn Sie seinerzeit, als Ministerpräsident a. D. Dieter Althaus sein Geschenk in Sachen Wasser/Abwasser hier losgetreten hat, eine Gesetzesfolgenabschätzung gemacht hätten, dann hätten wir heute möglicherweise freie Kapazitäten für weitere Initiativen in Sachen „Familien und Kinder“.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt will ich Ihnen noch was sagen, Frau Meißner. Das ist eigentlich unverschämt. Sie und wir alle gehen davon aus – das will ich auch als Gemeinsamkeit nehmen, und das sage ich jetzt auch mal in aller Deutlichkeit –, alle, die wir hier sitzen: Im Mittelpunkt steht das Kind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie dann sagen, die Fragen, gibt es Problemfamilien, gibt es oftmals eine Notwendigkeit im Interesse des Kindes, dass das Kind in eine Kindereinrichtung geht, wenn Sie das dann so negieren, indem Sie sagen für sich, wir behaupten nicht, arm ist gleich dumm, das ist eine Unverschämtheit. Das sagt nämlich von uns auch keiner.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Muhsal)

Aber haben Sie denn schon mal in einem Kindergarten, in einem sogenannten Brennpunktbereich mit Erzieherinnen und Erziehern geredet, was notwendig ist, Eltern zu unterstützen, damit sie ihrem Kind gerecht werden können? Haben Sie das schon mal getan?

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Das habe ich getan!)

Und genau um diese Kinder geht es uns, wenn wir sagen, dass es gut ist, dass sie in einer Kindereinrichtung begleitet und betreut werden.

(Unruhe CDU)

Uns dann immer zu unterstellen, dass wir den Eltern absprechen, dass sie ihre Kinder nicht erziehen können oder wollen, nein, das tun wir nicht. Aber es gibt Kinder, die brauchen eine Begleitung, und es gibt auch Eltern, die brauchen die entsprechende Begleitung.

(Unruhe CDU, AfD)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Natürlich! Das ist so! Das machen Sie doch!)

Nein, das tun wir nicht. Ich habe eben gesagt, diese Eltern brauchen Begleitung und schon kommen Sie mir wieder mit Generalverdacht. Habe ich denn eben gesagt „alle Eltern“? Ich habe gesagt, die Eltern, von denen ich eben sprach. Wer zuhören kann, ist klar im Vorteil.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Frau Abgeordnete Pelke, die Kollegin Meißner …

Nein, am Ende.

Frau Abgeordnete Muhsal hat auch noch eine Nachfrage.

Nein, am Ende. Ich meinte jetzt beide. Ich hatte sie beide im Blick.

Wenn Sie dann auch noch einiges zitieren, was im Ausschuss diskutiert worden ist. Zum Beispiel, das haben Sie ja namentlich genannt – das ist eigentlich unüblich, dass man aus dem Ausschuss so zitiert, aber Sie haben gesagt, Frau Leukefeld habe gesagt, dass die Kinder in den Kindergarten müssen. Nein, das habe ich nicht so verstanden. Ich will

auch nicht namentlich zitieren. Aber wenn im Ausschuss auch darauf hingewiesen worden ist, dass Kinder Schaden nehmen, wenn sie früh in den Kindergarten kommen, dann, muss ich sagen, ist das auch ein Stückchen verkehrte Welt.

(Beifall SPD)

Denn diese Entscheidung, ob ein Kind zu Hause betreut wird oder ob es in eine Kindereinrichtung gebracht wird, treffen Eltern selber. Diese Wahlfreiheit ist nie infrage gestellt worden, nie!

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Genau!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die hat es vor dem Erziehungsgeld gegeben und die gibt es auch mit der Abschaffung des Erziehungsgeldes nach wie vor. Das Einzige, was sich damals mit dem Erziehungsgeld auch geändert hat, war, dass es früher einkommensabhängig war und später nicht mehr. Das heißt, diejenigen, die es gebraucht haben, um die ging es nicht mehr, es ging auf einmal um alle.

Lassen Sie mich noch einiges zum Thema „OnlineForum“ sagen. Sie haben deutlich gemacht, liebe Kollegin Meißner, dass die Mehrheit im Online-Forum gesagt hat, dass man das Erziehungsgeld behalten wolle, und deswegen hat sich eine Mehrheit im Bereich des Online-Forums für das Erziehungsgeld ausgesprochen. Ich will die Beteiligung beim Online-Forum überhaupt nicht negieren und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass wir bei dieser Diskussion, die wir jetzt zehn Jahre führen, nicht zueinanderkommen, das ist einfach so. Und ich bin mir auch ganz sicher, dass, wenn wir hier in der Koalition jetzt entscheiden, das Landeserziehungsgeld, sprich eine Leistung abzuschaffen bzw. umzustrukturieren, dass wir nicht eine hundertprozentige Zustimmung bekommen. Das ist doch selbstverständlich, wenn ich eine Leistung verändere und umstrukturiere unter anderen politischen Voraussetzungen bzw. unter anderer politischer Herangehensweise, dass ich nie hundertprozentige Zustimmung bekomme. Aber eins müssten Sie auch zur Kenntnis nehmen: Am Online-Forum zur Frage „Erhalt des Erziehungsgelds“ haben sich natürlich in erster Linie diejenigen beteiligt, die das Erziehungsgeld in Anspruch nehmen. Die, die das Erziehungsgeld nicht in Anspruch nehmen, haben sich an dieser Diskussion nicht beteiligt. Und das ist der große Teil derer, die ihre Kinder in die Einrichtung geben. Damit ist das, Frau Muhsal, auch gar nicht so verkehrt mit der Frage: Ich bekomme eine Leistung für etwas, was ich nicht in Anspruch nehme. Die Diskussion ist nicht ganz so verkehrt, denn letztendlich ist es auch so, dass Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten geben, nach wie vor trotz und alledem noch den Hauptteil der Erziehungs- und Beglei

tungsaufgabe für ihre Kinder leisten. Das ist doch wohl klar.