Protokoll der Sitzung vom 19.06.2015

Herr Bühl, als kinder- und jugendpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion wissen Sie, dass das Kinderund Jugendhilfegesetz für Personen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs gilt, und zwar deswegen, weil diese Personengruppe noch eine besondere Förderung braucht, auch wenn sie junge Erwachsene sind. Welche Auswirkung hat das denn Ihrer Meinung nach auf das Wahlalter?

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Gar kei- ne!)

Keine. Also Sie können Ihre Frage vielleicht noch konkretisieren. Vielleicht habe ich Ihre Frage noch nicht vollumfänglich erfasst.

Das KJHG sagt zum Beispiel, dass junge Erwachsene noch besonders unterstützt werden müssen, auch wenn sie die Volljährigkeit schon vollendet haben, also Personen zwischen 18 und 27.

Ja, gut – aber was hat das mit dem Wahlalter zu tun?

Ja, das ist gerade die Frage an Sie.

Wie soll ich die beantworten? Das hat nichts mit dem Wahlalter zu tun.

Sie sagen, dass quasi die Volljährigkeit der entscheidende Punkt sein muss, weil eben damit die Reife erreicht ist, eine Wahlentscheidung durchzuführen.

Nein, das habe ich nicht gesagt.

Frau Lehmann und Herr Bühl, es gibt kein Zwiegespräch hier. Herr Bühl hat die Frage beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Bühl. Und nun kommt Frau Abgeordnete Marx zu Wort.

(Beifall CDU, AfD)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hier wird immer so viel über Statistik geredet. Es ist aber gar nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist das Recht, die Rechtsposition.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Genau!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wir können doch das Wahlrecht nicht davon abhängig machen – wir wollen ja keine Wahlpflicht einführen, sondern ein Wahlrecht. Und das Wahlrecht müssen alle Menschen haben, die vor dem Gesetz gleich sind, eigentlich schon von Geburt an, die geistig und kognitiv und vom Verstand und von der Übersicht her in der Lage sind, eine Wahlentscheidung zu treffen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist noch viel komplizierter!)

Wenn es jetzt unter den 16-Jährigen signifikant, also mehr als 50 Prozent gibt, die theoretisch dazu in der Lage sind, dann haben wir überhaupt keinen Grund zu sagen, dass diese Altersgruppe nicht reif genug ist. Und was am Ende dabei herauskommt, wie viele sich da beteiligen, das ist überhaupt nicht Grundlage unserer Entscheidung. Und es ist auch nicht Grundlage unserer Entscheidung, weil wir Wahlrecht nicht zu gewähren haben, weil wir ein bestimmtes Ziel damit verfolgen wollen, nämlich besonders viele Leute an Wählerstimmen für bestimmte Richtungen zu interessieren, sondern wir haben ein Wahlrecht zu gewähren. Und da bitte ich Sie wirklich, noch einmal darüber nachzudenken.

(Beifall DIE LINKE)

Es geht nicht darum, warum wir jemandem ein Wahlrecht sozusagen großmütig schenken, sondern warum wir es rechtfertigen können, jemandem ein Wahlrecht nicht zu geben, der es wahrnehmen könnte und auch wahrnehmen möchte. Da könnte es mir persönlich jetzt statistisch vollkommen egal sein, wenn von zehn Jugendlichen nur zwei wählen wollen, die können das, die sind dazu in der Lage, dann muss ich ihnen dieses Recht gewähren. Und dieses Gefühl immer, man müsste die sozusagen

(Abg. Bühl)

erst einmal in solchen Reserveeinrichtungen zwischenparken, damit sie erst einmal ein bisschen üben können – also ich weiß nicht, den einen oder anderen Kollegen habe ich in der letzten Legislaturperiode schon bei den U18-Wahlen gesehen in den Schulrunden, die dort gemacht werden. Die Fragen, die wir dort gestellt bekommen von Schülerinnen und Schülern, sind qualitativ oftmals höherwertiger gewesen, muss ich jetzt mal so sagen, als eine allgemeine Diskussionsrunde, die wir anbieten.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Korrekt!)

Frau Marx, es gibt eine Anfrage des Kollegen Kießling. Gestatten Sie diese?

Bitte, Herr Kießling.

Schönen Dank, Frau Marx. Ich habe einmal eine kurze Frage. Sie hatten gerade gesagt, es ist eigentlich egal, wie viele das Angebot, sich bei Wahlen zu beteiligen, annehmen. Haben Sie auch einmal bei dem Gesetzentwurf kalkuliert, was die Kosten sind?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Demokratie! Demokratie ist teuer!)

Das heißt, wenn Sie dann die ganzen Leute anschreiben und die dann gar nicht zur Wahl gehen, dann haben wir doch irgendwie sinnlos Steuergelder verschwendet! Oder wie haben Sie das kalkuliert?

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ach, das ist ja jetzt zu süß. Meinen Sie das ernst? Also dass die Wahlbenachrichtigungsverschickungskarte sozusagen der entscheidende Kostenfaktor ist, das man vom Wahlrecht absieht, also dann müssten wir ja auch andere Altersgruppen ausnehmen. Da müssten wir ja an die Senioren und Seniorinnen so über 80, da gehen auch nicht mehr so viele wählen, auch keine Wahlbenachrichtigungskarten mehr hinschicken. Aber solche Statistiken – es ist schade, dass Sie mich da nicht verstanden haben oder verstehen können oder verstehen wollen –, das ist nicht entscheidend,

(Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das ist zwecklos!)

sondern ich darf – ich kann es nur noch einmal wiederholen – jemandem, der in der Lage ist von seinem Entwicklungsstand her, und das sind sehr viele 16-Jährige, von ihrem Wissen, von ihrem Überblick, eine Wahlentscheidung zu treffen, das Wahlrecht nicht vorenthalten. Und dann schicke ich ihm die Karte und das ist mir nicht zu teuer. Dann sitzt dieser Jugendliche genauso da wie jeder Erwachsene, wie jeder von ihren und unseren Wählerinnen und Wählern und überlegt sich, gehe ich jetzt oder gehe ich nicht. Aber das kann nicht Maßstab sein, dass wir ihm diese Karte nicht schicken. Also, wie gesagt, es ist eine Diskussion, wo Sie das Individuum zu betrachten haben und sich fragen müssen, darf ich dem, der mir da schlau gegenüber sitzt – und jeder von Ihnen diskutiert doch mit Schülerinnen und Schülern, hoffentlich –, das Wahlrecht verweigern, dem einen oder der einen, die da hingeht. Das ist die zentrale Frage. Und da sagen wir, das dürfen wir nicht und das wollen wir nicht. Deswegen wollen wir das Wahlrecht ab 16 einführen. Was dann dabei rauskommt, das ist uns verboten zu fragen, denn Wahlen sind frei und geheim. Das ist die Angelegenheit der Wählerinnen und Wähler, was sie damit machen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Kollegin Marx. Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen, sodass ich die Aussprache schließe. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Die ist beantragt worden für die Drucksache 6/684 an den Innen- und Kommunalausschuss, den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wir stimmen jetzt einzeln darüber ab.

Wer dafür ist, dass die Drucksache an den Innenund Kommunalausschuss überwiesen wird, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Bei einer Reihe von Gegenstimmen – und Enthaltungen? – und bei 1 Enthaltung mit Mehrheit an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen.

Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz? Vielen Dank. Gegenstimmen? Eine Reihe von Gegenstimmen aus der AfD-Fraktion. Enthaltungen? So ist dieser Gesetzentwurf auch an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen worden.

Jetzt kommen wir zur Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dafür

(Abg. Marx)

ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist auch mehrheitlich der Fall. Gegenstimmen? Aus der AfD-Fraktion. Enthaltungen? Nicht der Fall. Auch dahin überwiesen, sodass wir jetzt über die Federführung abstimmen.

Der Innen- und Kommunalausschuss soll die Federführung haben. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Mit Mehrheit ist die Federführung im Innenund Kommunalausschuss beschlossen worden.

Wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung der Drucksache 6/685. Die ist beantragt worden für den Innen- und Kommunalausschuss. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Enthaltungen? Mit Mehrheit an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen.

An den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz sollte auch überwiesen werden. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Mit Mehrheit beschlossen – bei einigen Gegenstimmen, vermute ich? Damit an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen.

Und die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, da bitte ich jetzt um das Handzeichen, wer dafür ist. Gegenstimmen? Enthaltungen? Mit Mehrheit überwiesen. Die Federführung sollte beim Innen- und Kommunalausschuss liegen, wer dafür ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Damit ist die Federführung beim Innenausschuss festgelegt. Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt.

Bevor ich aber die Sitzung schließe, komme ich noch zu zwei, drei Dingen, die ich erklären möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Abgeordnete König hat in einem Tweet einen Protokollauszug eines Redebeitrags einschließlich eines nicht genehmigten Zwischenrufs des Abgeordneten Mohring veröffentlicht. Vorstand und Ältestenrat haben dies als einen eindeutigen Verstoß gegen § 108 Abs. 2 GO gewertet. Der Vorstand war übereingekommen, Frau Abgeordnete König dafür eine Rüge zu erteilen, die ich am Mittwoch zu Beginn der Plenarsitzung ausgesprochen habe.

Mittlerweile ist bekannt geworden, dass der Abgeordnete Mohring ebenfalls einen Debattenbeitrag auf seinem Tweet

(Beifall DIE LINKE)

veröffentlicht hat, der dieselbe Debatte betraf, zu der auch die Abgeordnete König ihren Tweet veröffentlichte. Dabei veröffentlichte er auch Teile des Redebeitrags der Abgeordneten König, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht freigegeben war. Auch dabei handelt es sich um einen Verstoß

gegen § 108 Abs. 2 GO. Auch ein berechtigtes Interesse von Herrn Kollegen Mohring, sich damit gegen einen möglicherweise eingetretene Verfälschung seines Debattenverhaltens wehren zu wollen,